Starke Schule beider Basel (SSbB)

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Leserkommentar

Kommentar zu: Verstehendes Lernen wird vernachlässigt von Carl Bossard

Carl Bossard deckt überzeugend auf, dass die Bildungspolitik ihr Hauptziel aus den Augen verloren hat. Eine bombastische Ausweitung des Bildungsprogramms hat dazu geführt, dass ganz wesentliche Bildungsziele verfehlt wurden. Dazu bestimmten eine dogmatisch vorangetriebene Gleichmacherei mit entsprechenden Strukturreformen und Steuerungsphantasien der Bildungsplaner weitgehend die Agenda der Bildungspolitik. Die Resultate dieser Reformen sind in jeder Hinsicht ernüchternd. Für Klassenlehrkräfte wurde durch das belastende Integrationskonzept mit strikter Ablehnung von Förderklassen die Unterrichtsarbeit erschwert. Statt zu schauen, was das Lernen wirklich fördert, wurde die Lehrerrolle schleichend abgewertet. Doch Jugendliche wollen keine Lernbegleiter als graue Mäuse im Klassenzimmer. Sie wünschen sich eine kompetente und vertrauenswürdige Lehrerpersönlichkeit, die mit Freude die Klasse führt und wesentliche Inhalte vermittelt. Die Bildungspolitik hat es verpasst, die Prioritäten richtig zu setzen. Man hat jahrelang umgebaut, ohne über den Kernbereich der Pädagogik zu reden.

Unsere Schule braucht verbindliche Bildungsinhalte, eine Stärkung der Lehrerrolle und ein gründliches Ausmisten bei den schulischen Wunschzielen. Dies unter Berücksichtigung des wichtigen kulturellen Auftrags der Schule bei der Allgemeinbildung zu realisieren, ist die grosse Herausforderung der kommenden Jahre.

Hanspeter Amstutz
Ehem. Bildungsrat und Sekundarlehrer, Fehraltdorf ZH

Hier kommen Sie zum Artikel von Carl Bossard
 

News

  • Sonntag, Dezember 15, 2024

    Neues Informatik-Lehrmittel an Basler Primarschulen

    Im Kanton Basel-Stadt wird ab dem Schuljahr 2025/26 das Lehrmittel «M & I», Medien und Informatik 2 vom Verlag Westermann mit dem Status «alternativ-obligatorisch» in die Lehrmittelliste der Primarschule aufgenommen. Alternativ-obligatorisch bedeutet, dass die Lehrperson zwischen mehreren vorgeschlagenen Lehrmitteln auswählen kann. Dies ist ein weiterer Schritt in Richtung Lehrmittelfreiheit im Stadtkanton. (lbu)

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  • Sonntag, Dezember 08, 2024

    Lehrwerkstatt Basel erhält weniger Geld von Baselland

    Um ab 2026 wieder schwarze Zahlen zu schreiben, hat der Kanton Basel-Landschaft auch im Bildungswesen Sparmassnahmen beschlossen. Beispielsweise möchte der Kanton den Unterstützungsbeitrag für Lernende in der Lehrwerkstatt für Mechanik in Basel schrittweise reduzieren. Die Bildungs-, Kultur und Sportdirektion (BKSD) begründet ihren Entscheid damit, dass die Lehrwerkstatt kein rein schulisches Ausbildungsangebot ist, sondern auch für andere Unternehmen produziert und somit zusätzliches Einkommen generiert. (lbu)

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  • Samstag, November 23, 2024

    Auch bei mündlichen Prüfungen sind Rekurse möglich

    In einem aktuellen Fall entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass Prüflinge bei einer mündlichen Prüfung im Falle eines Rekurses das Recht auf eine rudimentäre Begründung haben. (lbe)

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  • Mittwoch, November 20, 2024

    Social-Media-Verbot für Jugendliche

    Depressionen, Sucht und Essstörungen sind nur ein Bruchteil der psychischen Probleme, welche durch starken Social-Media-Konsum vor allem bei noch sehr jungen Personen ausgelöst werden können. Australiens Regierung verkündete daher, den Zugang zu sozialen Medien für unter 16 Jährige zu verbieten. Sie ist damit noch radikaler als Frankreich anfangs des Jahres, welche die Altersgrenze auf ab 13 Jahren setzten will. (lh)

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  • Samstag, November 16, 2024

    Gymnasium: Schwerpunktfach EGS stösst auf wenig Zustimmung

    Diskussionen um ein neues Schwerpunktfach an den Gymnasien im Stadtkanton. Nun ist klar, der vorgesehene neue Schwerpunkt Ernährung/Gesundheit/Sport (EGS) wird doch nicht eingeführt. (as)

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  • Freitag, November 15, 2024

    Neuer Schwerpunkt an der PH FHNW

    Seit dem neuen Herbstsemester bietet die PH FHNW ein neues Modul an, bei welchem es den Studierenden ermöglicht wird, ihre Kompetenzen in der Sonderpädagogik zu vertiefen. Der neue Schwerpunkt ist für die Lehrpersonen Sekundarstufe I ausgelegt und trifft auf grosses Interesse. (as)

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Kinder als Versuchskaninchen missbraucht

In drei Stunden und 45 Minuten von New York nach Paris - die Concorde war doppelt so schnell unterwegs wie ein normales Passagierflugzeug. 1969 startete das Prestigeobjekt zum Jungfernflug. Unterdessen sind die einstigen Überflieger nur noch im Museum zu bestaunen.

Der enorme Kerosinverbrauch, die begrenzte Reichweite und der ohrenbetäubende Lärm hatten potenzielle Interessenten abgeschreckt. Das ehrgeizige Projekt entpuppte sich als Milliarden-Flop.

Der renommierte Pädagogik-Professor Roland Reichenbach hat den Begriff Concorde-Falle auf die Bildungspolitik übertragen. Je länger man einen schlechten Film schaue, umso eher halte man ihn bis zum Schluss durch. Je länger man auf einen Bus warte, desto unwahrscheinlicher rufe man ein Taxi, weil der Bus zwischenzeitlich doch noch eintreffen könnte. Irgendwann sei es zu spät, um aufzuhören.

Genauso bei der Concorde: Schon früh war den Beteiligten klar, dass das Projekt ein finanzielles Desaster würde. Aber es steckte viel zu viel politisches Prestige drin, als dass die Verantwortlichen vernünftigerweise Übungsabbruch beschlossen hätten.

Reichenbach schreibt: «Auch die zeitgenössische Reform des schweizerischen Bildungswesens wird einmal ein Ende gefunden haben und von anderen - vielleicht weniger selbstsicher auftretenden und weniger effektvollen - Reformen verdrängt werden. Bis dahin wird sie aber noch Bewährtes und weniger Bewährtes zum Verschwinden gebracht haben, offiziell erfolgreich sein, inoffiziell aber scheitern.»

Unsinn Integrationskonzept. Im Oktober 2019 hat der Basler Grosse Rat mit 76:12 einen Vorstoss überwiesen, der die Wiedereinführung der Kleinklassen fordert. Damit könnte einer der grössten bildungspolitischen Fehlentscheide der letzten Jahrzehnte korrigiert werden. Man muss daran erinnern, dass ein erfolgreiches Förder- und Integrationsmodell existierte, bevor ihm von den politisch und pädagogisch zuständigen Amtsstellen ohne plausible Begründung das Grab geschaufelt wurde.

Dabei wurden sämtliche schon frühzeitig geäusserten Bedenken in den Wind geschlagen. Die Reformen wurden überfallartig von der Bildungsbürokratie über die Köpfe der Betroffenen hinweg durchgezwängt. Von Beginn an fehlten ausgereifte pädagogische Konzepte ebenso wie die notwendigen finanziellen Ressourcen. Unterdessen leiden an dem Flickwerk sowohl die «integrierten» Kinder als auch die bisherigen Klassen und die Lehrkräfte. Stattdessen werden die Lehrer von einer Formularflut überschwemmt, die verbunden mit einer engmaschigen Kontrollmaschinerie die seriöse Erfüllung ihres schulischen Kernauftrags behindert.

Unsinn Fremdsprachenprojekt «Passepartout». Das Projekt, angetreten mit dem Versprechen, ein besseres Verständnis und eine erfolgreichere Anwendung der französischen Sprache zu bewirken, entwickelt sich immer mehr zu einem Debakel. Die dabei verwendeten Lehrmittel «Mille feuilles» und «Clin dœil» wurden nie empirisch erprobt, sondern sofort flächendeckend eingeführt. Kombiniert noch mit der überstürzten Verlegung des Fremdsprachenunterrichts in die Unterstufe.

Eine beim Institut für Mehrsprachigkeit (IfM) der Universität Freiburg in Auftrag gegebene Studie bestätigt abermals, was Lehrkräfte seit der Einführung der erwähnten Lehrmittel immer wieder kritisierten: Mit «Mille feuilles» und «Clin dœil» werden die Lernziele weitgehend verfehlt. Obgleich es sich bei der Studie bereits um die vierte wissenschaftliche Untersuchung handelt, welche dem Passepartout-Konzept ein miserables Zeugnis ausstellt, marschieren die Erziehungsdirektoren, an deren Spitze Basel-Stadt, stur auf dem einmal eingeschlagenen Weg weiter. Augen zu und durch.

Die teuersten Lehrmittel, die es je gegeben hat (100 Millionen Franken plus x), führen zudem auch noch zu einer völlig unsinnigen Materialschlacht. Jahr für Jahr füllen sich Müllcontainer mit Tonnen von weggeworfenen Einweg-Plastik-Dossiers.

Unsinn Sammelfächer. Mit dem Lehrplan 21 wurden auch sogenannte Sammelfächer eingeführt. «Räume, Zeiten, Gesellschaften» (RZG) und «Natur und Technik» (NT). Geschichte, Geografie, Physik oder Chemie verschwanden aus dem Lehrplan. «Fächer sind als Wissenssysteme unerlässlich für kognitives Lernen. Es gibt überhaupt keinen Grund für einen heterogenen Fächer-Mischmasch», moniert etwa der Entwicklungspsychologe Franz E. Weinert.

Vier Jahre nach Einführung der Sammelfächer und der Umstellung auf kompetenzorientiertes Lernen verfügen die Schulen noch immer nicht über passende Lehrmittel und auch nicht über genügend qualifizierte Lehrkräfte. Als billiger Ersatz darf dann Prof. Dr. h.c. Google einspringen.

Hoffentlich wird - ähnlich wie bei der Prestige- und Verlust-Concorde - endlich auch bei der Schulreformitis die Notbremse gezogen. Bitte bald!

Roland Stark ehemaliger Partei- und Fraktionschef SP Basel-Stadt

[Quelle: Basler Zeitung, erschienen am 8. November 2019]

 

„Deutschland verdummt“[1]

Alarmiert durch besorgniserregende Schulreformen rechnet der Psychiater, Michael Winterhoff, schonungslos mit dem deutschen Schulsystem ab. Wie bei vielen Entwicklungen um einige Jahre verspätet, greift dieses, gefördert durch den Lehrplan 21, nun auch in der Schweiz um sich. Ungeachtet Winterhoffs apokalyptischer Tendenz möge sein Buch Lehrkräfte darin bestärken, einen pädagogisch verantwortungsvollen Kurs zu halten trotz bildungspolitischer Reformhysterie oder einen solchen in Erinnerung rufen. Vor allem aber sollten es Bildungspolitiker lesen, die sich dazu berufen fühlen, auf einem ihnen fremden Terrain Entscheidungen zu treffen. Im Folgenden ein Vorgeschmack auf Winterhoffs neustes Werk.

Im Kindergarten und der Grundschule sollen Kinder seit neuestem möglichst frei sein von Erwartungen und Anweisungen der Erwachsenen. Je nach Lust und Laune sollen sie aus einem limitierten Stoffangebot selber entscheiden dürfen, womit sie sich wann, wie und wo beschäftigen wollen. In diesem sogenannten „offenen Unterricht“ sollen sich die Lernenden autonom selbst organisieren. Die von Hattie als erfolgreich bewertete direkte Instruktion und Lehrkräfte als Wissensvermittler haben hier nichts mehr verloren.

Winterhoff bezeichnet dieses System als „Stätten des organisierten Verwahrens“ und macht es verantwortlich für die sprunghaft gestiegene Zahl an psychisch auffälligen Kindern sowie völlig unzureichende Leistungen in Schule und Berufsausbildung. Hierfür nennt er unterschiedliche Gründe. Einer vorneweg: In solchen Lernsettings entstehen Geräuschpegel von bis zu 85 Dezibel. Schreiende Kinder erreichen bis zu 110 dB(A) und übertreffen damit Kreissägen und Presslufthämmer. Wollen sich Lehrkräfte Gehör verschaffen, müssen sie den Geräuschpegel mit ihrer Stimme um 10 bis 15 dB(A) übertreffen. Weitverbreitete Stimmbandprobleme unter Lehrpersonen sind die Folge.

Ein weiterer Grund für abnehmende schulische Leistungen erkennt Winterhoff in den von oben nach unten verordneten Unterrichtsformen, die den Erfahrungen der Lehrkräfte widersprechen und sich somit als nicht zielführend herausstellen. Als Beispiel verweist er u.a. auf die Methode „Schreiben nach Gehör“ des Schweizers Jürgen Reichen, die während zwanzig Jahren Heerscharen von Schülern mit katastrophalen Orthographiedefiziten zurückliess. Deshalb wurde sie in etlichen deutschen Bundesländern und u.a. im Kanton Nidwalden verboten.1 Nebenbei bemerkt, wird Reichens zweite Methode, „Lesen durch Schreiben“, die ebenfalls auf der völligen Vernachlässigung von Regeln basiert, auf das Schuljahr 2020/21 im Aargau untersagt.2

In den Reichen-Methoden erkennt Winterhoff eine grundsätzlich negative „Einstellung der 68-Generation gegenüber gemeinschaftsstiftenden Übereinkünften...: „Regeln? Wir brauchen keine Regeln!“ Die Gleichstellung von Erwachsenen und Kindern nimmt in den 68ern ihren Anfang. In der Folge haben „Erwachsene Kindern nichts zu sagen.“ Sie entwickeln sich quasi spontan von selbst. Man muss sie nur in Ruhe lassen. Dem gleichen Irrtum unterliegt ferner auch die Mehrsprachigkeitsdidaktik3. „Als die 68-Generation bei ihrem Marsch durch die Institutionen an die entsprechenden Positionen aufrückte, war der Weg frei, diese Weltanschauung in der Bildungspolitik fest zu verankern und die bewährte Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden (...) zu ersetzen.“

Der heutigen Bildungspolitik macht Winterhoff den Vorwurf, dass sie zwar begeisterungsfähig, aber völlig unkritisch den Fantasien von Ideologen aufsitzt und diese mit desaströsen Folgen umsetzt, anstatt sich auf die reichlich vorhandene Empirie aus Praxis und Wissenschaft zu verlassen. So machte Gabriele Warminski-Leitheusser, 2011 - 2013 sozialdemokratische Kultusministerin von Baden-Württemberg, den umstrittenen Schweizer Schulgründer, Peter Fratton, zu ihrem offiziellen Berater. „Das vormalige Vorzeige-Bundesland verschlechterte sich in der darauffolgenden Zeit dramatisch im Ländervergleich.“ In einer Landtagsanhörung auf seine Experimente angesprochen, meinte Fratton: „Ich habe keine Ahnung, was dabei herauskommt. Aber schön falsch ist auch schön.“ Abgesehen von dieser offensichtlichen Leichtsinnigkeit, tun sich Ideologen schwer damit, Unrecht zuzugeben. Sie und ihre Anhänger in der Bildungspolitik, biegen sich die Realitäten zurecht, „bis sie den eigenen Wünschen und Vorstellungen entsprechen.“ Darin erkennt Winterhoff „die Basis der Bildungspolitik seit mindestens zwei Jahrzehnten.“

Die Grundlage der bildungspolitischen Realitätsverweigerung macht Winterhoff in einer grundlegenden Störung in der Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern aus. In der Psychoanalyse nennt sich diese Beziehungsstörung Projektion. Die Anhänger des offenen, selbstorganisierten Unterrichts glauben aufrichtig daran, Kinder zu befreien. Tatsächlich jedoch übertragen hier Erwachsene eigene Wünsche und Gefühle auf das Kind. Sie wollen den Minderjährigen das geben, was sie sich als Kind selber wünschten. Sie wollten keine Hausaufgaben. „Also weg damit!“ „Sie wären gerne während des Unterrichts ein wenig herumspaziert? Also werden Wände eingerissen“, Verweilecken, Lerntheken, Spiel- und Bewegungsräume eingerichtet.

Damit übersehen die Anhänger des offenen, selbstorganisierten Unterrichts die Bedürfnisse der Kinder nach Betreuung und Orientierung. Nur in der Projektion kommt der Erwachsene auf die Idee, „dass seine Rolle darin besteht, alle Wünsche, die er dem Kind zuordnet, umgehend zu erfüllen.“ Damit ordnet er sich dem Kind unter, wodurch dieses die Führung übernimmt. „Die eigentliche „Bildungsrevolution“ besteht somit im „unnatürlichen Beziehungsverhältnis, in das Kinder und Erwachsene (...) gezwungen werden.“ „Denn wenn sich das Kind nicht an Erwachsenen orientieren darf, findet bei ihm definitiv keine Entwicklung seiner Psyche statt. Das (...) ist seit vielen Jahrzehnten gesichertes Wissen.“ Was das autonome Lernen betrifft unterscheiden sich Kinder überdies nicht von Erwachsenen: Sie wählen sich zumeist, was sie bereits können, wodurch es auch zu einem Lernstillstand kommt.

„Offener Unterricht lässt Schüler und Lehrer allein. „Autonomes Lernen“ bei Kindern gibt es nicht.“ Ohne die Anleitung und Orientierung durch Erwachsene bleiben Kinder lustorientiert. Sie erreichen dadurch weder Beziehungs- noch Arbeitsfähigkeit mit katastrophalen Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft.

Felix Hoffmann, Himmelried


[1] Zitat von Dr. Med. Michael Winterhoff

 

«Mille feuilles» endlich den Stecker ziehen!

Das muss man sich auch erst einmal vorstellen: Am 24. November werden die Baselbieterinnen und Baselbieter allen Ernstes an die Urne gerufen, um sich zur Frage zu äussern, ob Fremdsprachenlehrpersonen ihre Unterrichtsmittel frei wählen dürfen. Das ist eine direkte Einmischung des Souveräns ins Klassenzimmer. Und es kommt noch besser: Das Volk wird auch gefragt, ob unsere Kinder während des Fremdsprachenunterrichts im Lesen, Schreiben, Hören und Sprechen gefördert werden sollen. «Ja wie denn sonst?», fragt man sich augenreibend und wundert sich, weshalb derartige Selbstverständlichkeiten überhaupt diskutiert werden.

Leider braucht es diese Abstimmung aber dringend zur Korrektur einer bildungspolitischen Fehlentwicklung gigantischen Ausmasses. Kurz gesagt geht es nämlich um die Befreiung der Lehrpersonen und der Kinder von der «Mille feuilles»-Plage.

«Mille feuilles» ist ein Französischlehrmittel, wobei schon die Bezeichnung Lehrmittel zu hoch gegriffen ist. Das umstrittene Franzbuch steht als Reizfigur stellvertretend für die ganze von den sogenannten Passepartout-Kantonen entwickelte Mehrsprachigkeitsdidaktik. Dieses Konzept setzt auf eine völlig unstrukturierte und konfuse Berieselung der Kinder. Am Ende soll dieses wirre Unterrichtsmodell über das berühmte Sprachbad zum automatischen Spracherwerb via Immersion führen. So zumindest die Theorie. Die Praxis sieht bekanntlich anders aus. Nach einem mehrjährigen und weltweit einzigartigen Versuch an 120'000 lebenden Probanden bleibt ein vernichtendes Fazit: Die «Mille-feuilles»-Didaktik führt zu Frust und roten Köpfen, aber sicher nicht zum Spracherwerb. Die expertokratische Schulreform ging komplett in die Hose.

Die eklatanten Schwächen des neuen Konzepts stachen vielen Eltern von «Mille feuilles»-betroffenen Kindern sofort ins Auge. Wer sich allerdings wagte, das teuerste Lehrmittel aller Zeiten zu kritisieren oder gar infrage zu stellen, wurde als pädagogischer Hinterwäldler abgetan und mit arroganten und süffisanten Belehrungen belegt. Man solle das Urteil über Lehrmittel doch bitte den gescheiten Profis im Elfenbeinturm der Bildungspädagogik überlassen und sich nicht aus der Laienecke zu Wort melden. Heute wissen wir: Der gesunde Menschenverstand von uns Eltern reicht durchaus aus, um einen bildungspolitischen Quatsch rasch und zweifelsfrei als solchen zu identifizieren. Mittlerweile liegt bereits die vierte Studie vor, die das Fremdsprachenkonzept kritisch würdigt. Das Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg kommt nach einem Assessment von 4'000 Schülerinnen und Schülern zu einem vernichtenden Urteil. Im Schlussbericht finden sich Sätze wie: «Ein beachtlicher Teil der Schüler(innen) erreicht am Ende der Primarschulzeit auch ein elementares Niveau (A1.2) bei den Sprachkompetenzen nicht.» In Zahlen: Knapp 60 Prozent der Primarschüler verfügen nicht einmal über minimale Grundkompetenzen im Sprechen. Bei den ambitionierten Zielsetzungen des Passepartout- Projekts sieht es noch düsterer aus: Hier verfehlen knapp 90 Prozent die Erwartungen bei der Sprachkompetenz. Solche Resultate lassen sich nicht schönreden, und die Zeit der Durchhalteparolen ist vorbei. Dem untauglichen Passepartout-Konzept ist endlich der Stecker zu ziehen.

Die Baselbieterinnen und Baselbieter haben es in der Hand, am 24. November dem Landrat zu folgen und diesen Schritt zu machen. Damit wird «Mille feuilles» als gewaltiger Irrtum in die Geschichtsbücher eingehen, der eine ganze Generation von Schülerinnen und Schülern, Lehrpersonen und Eltern vergrault hat. Und was auch zur ungeschminkten Wahrheit dieses Projekts gehört: Die beteiligten Kantone haben in dieser Übung rund 50 Millionen Franken zum Fenster hinausgeworfen. Nun könnte man auf die Idee kommen, dieses Geld zu retten, indem eine teure Sanierung nachgeschoben wird. Dazu ist aber in aller Deutlichkeit festzuhalten: Das «Mille feuilles»-Konzept leidet nicht an Kinderkrankheiten, sondern beruht auf einem untauglichen Fundament.

Beim Entscheid über das Schicksal von «Mille feuilles» und Co. gilt deshalb der Leitsatz der Dakota- Indianer: Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab!

Balz Stückelberger FDP-Landrat

[Quelle: Basler Zeitung, 4. November 2019]

 

Das Institut für Mehrsprachigkeit bestätigt:

Passepartout-Lernziele werden mehrheitlich nicht erreicht

Das Institut für Mehrsprachigkeit der Uni Fribourg hat den Bericht zum Projekt «Evaluation des Französischunterrichts in der 6. Klasse (HarmoS 8)» publiziert. Die Analyse ist für die Passepartout-Ideologie vernichtend.

Getestet wurden über 4'400 Schüler/-innen in den sechs Passepartout-Kantonen Basel-Landschaft, Baselstadt, Solothurn, Fribourg, Bern und Wallis am Ende der Primarschulzeit (Seite 7). Die Passepartout-Lernziele (Niveaustufe A2.1) werden von einer grossen Mehrheit der Schüler/-innen nicht erreicht (Seite 88). In der folgenden Tabelle sind die Prozentzahlen der Schüler/-innen angeben, welche die Lernziele im Leseverstehen, Hörverstehen und Sprechen nicht erreicht haben:

    Lesesverstehen
 Hörverstehen
    Sprechen   
Passepartout-Lernziele A2.1 wurden nicht erreicht  
62.2%
43.0%
89.2%

Die Resultate zeigen zudem, «ein beachtlicher Teil der Schüler/innen erreicht am Ende der Primarschulzeit auch ein elementares Niveau (A1.2) bei den Sprachkompetenzen nicht.» (Seite 89). Diese Niveaustufe A1.2 verlangt minimalste Ziele, zum Beispiel betreffend Leseverstehen: «Die Schülerinnen und Schüler können einen sehr kurzen, einfachen Text Satz für Satz lesen und dabei klar formulierte Informationen verstehen – vorausgesetzt es ist möglich, den Text mehrmals zu lesen, und vorausgesetzt Lexik und Grammatik sind sehr einfach sowie das Thema und Textsorte sehr vertraut.» (Seite 89)

Die folgende Tabelle zeigt die Prozentzahlen der Schüler/-innen, welche die Niveaustufe A1.2 gemäss dem «Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen» (GER) nicht erreicht haben (Seite 88):

    Leseverstehen
 Hörverstehen 
    Sprechen   
 Grundkompetenzen A1.2 wurden nicht erreicht      
37.8%
13.2%
57.5%


Betreffend Wortschatz hält der Bericht pointiert und in einmaliger Deutlichkeit fest: «Die Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass der Wortschatz – als eine von verschiedenen Teilkompetenzen – eine unabdingbare Ressource ist, von der kommunikative Sprachkompetenzen wesentlich abhängen und die im Unterricht gezielt und systematisch aufgebaut werden muss.» (Seite 90). Genau auf dies verzichtet die Passepartout-Ideologie. Mit dem an den Primarschulen verwendeten Lehrmittel «Mille Feuilles» wird kein alltagsgebräuchlicher Wortschatz gelernt. Und noch schlimmer: «Bei genauer Analyse der Lehrmaterialien hat sich zudem gezeigt, dass sich viele der im Lehrplan beschriebenen Aktivitäten kaum im Lehrmittel spiegeln; Aktivitäten zu Zielen und Beschreibungen (…) finden sich nur sehr eingeschränkt in Mille feuilles 3 – 6.» Faktisch heisst das, dass das Lehrmittel mit dem Lehrplan nicht kompatibel ist. Dies macht verständlich, dass mit dem Passepartout-Lehrmittel die Lernziele des Lehrplans nicht erreicht werden können.

Weltweit gibt es kein vergleichbares Fremdsprachenkonzept. Bei Passepartout handelt es sich um ein unverantwortliches Experiment. Leittragende sind die Schüler/-innen, die einen frustrierenden Unterricht erhalten, mit welchem sie ohne zusätzliches von den Primarlehrpersonen erarbeitetes Material keine Chance haben, die Lernziele zu erreichen.

Am 24. November 2019 haben Sie an der Urne mit einem 2 x Ja die Möglichkeit Passepartout zu stoppen. Weitere Infos siehe hier. Den erwähnten Schlussbericht zum Projekt "Ergebnisbezogene Evaluation des Französischunterrichts in der 6. Klasse (HarmoS) in den sechs Passepartout-Kantonen" können Sie hier herunterladen. Einen zum Thema passenden Artikel, erschienen in der Basler Zeitung, können Sie hier lesen.

 
 

Das Passepartout-Fremdsprachen- projekt ist gescheitert

 
Stimmen Sie am 24. November JA

Die kürzlich publizierten Resultate des gesamtschweizerischen Vergleichstests im Fach Französisch sind vernichtend: Die drei Passepartout-Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Solothurn haben am schlechtesten abgeschnitten. Sehr viele Schüler/-innen erreichen am Ende der Primarschule die Lernziele nicht: Die Passepartout-Ideologie mit den Lehrmitteln «Mille Feuilles», «Clin d’oeil» und «New World» ist endgültig gescheitert.

Passepartout – eine abstruse Ideologie mit unbrauchbaren Schulbüchern

Weltweit gibt es kein vergleichbares Fremdsprachenkonzept. Bei Passepartout handelt es sich um ein unverantwortliches Experiment, welches ohne jegliche Erfahrungswerte im ganzen Kanton und an allen Kindern durchgeführt wird, als wären sie Versuchskaninchen. Ohne Not hat man so die bisher bewährte Tradition der Fremdsprachenvermittlung aufgegeben. Die Passepartout-Schulbücher «Mille Feuilles», «Clin d’oeil» und «New World» missachten das pädagogische Grundprinzip, Schulkinder vom Einfachen zum Schwierigen zu führen. Die Schüler/-innen sind frustriert und nur wenige erreichen die Lernziele. Eine Umfrage der Bildungsdirektion bei über 100 Französischlehrpersonen zeigte ein ernüchterndes Resultat: Das Franzi-Lehrmittel «Mille Feuilles» ist unbrauchbar.

Die Lösung: Geleitete Lehrmittelfreiheit

Ein JA am 24. November bedeutet, dass die Lehrpersonen aus einer kantonalen Liste von Lehrmitteln dasjenige Schulbuch auswählen, mit welchem sie die Schüler/-innen am besten fördern können. Damit dürfen die Lehrpersonen klar strukturierte und aufbauende Lehrmittel einsetzen, um so gezielt auf die Bedürfnisse der Lernenden einzugehen. Die Bildungsdirektion geht davon aus, dass bereits im ersten Jahr 70% der Sekundarlehrpersonen sowie die Hälfte der Primarlehrer/-innen auf die neuen, deutlich besseren Lehrmittel umsteigen wird. Die Passepartout-Lehrmittel werden somit innert kurzer Zeit gänzlich aus den Klassenzimmern verschwinden. Ein Verbot wird damit hinfällig.

Bessere Lehrmittel und erst noch deutlich günstiger

Die Passepartout-Schulbücher sind Einweglehrmittel und werden folglich nach einem Jahr weggeworfen. Die neuen Schulbücher sind Mehrweglehrbücher, die von Klasse zu Klasse weitergegeben werden. Die Lebensdauer solcher Mehrweglehrmittel beträgt 4 bis 5 Jahre. Zwar fallen im ersten Jahr durch die Anschaffung neuer Schulbücher geringe Mehrkosten an, innerhalb von wenigen Jahren können jedoch erhebliche Kosten eingespart werden. Dies zeigt die folgende Tabelle:

Breiter politischer Konsens

Nicht nur der Landrat hat dieser Gesetzesvorlage einstimmig zugestimmt, sondern auch der Regierungsrat und der Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland unterstützen die Umsetzung der Initiative «Stopp dem Verheizen von Schüler/-innen: Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenprojekt» der Starken Schule.

Die Starke Schule beider Basel empfiehlt den Stimmberechtigten am 24. November ein „JA“ in die Urne zu legen.

 

Das unrühmliche Schicksal von Passepartout

 
Geringes Medienecho zum Abschluss

Mit überraschend geringem Medienecho endete das sechskantonale Fremdsprachenprojekt Passepartout, mit dem ganz neue Unterrichtskonzepte samt den dazu entwickelten Lehrmitteln Mille feuilles, Clin d’oeil und New World obligatorisch implementiert wurden. Der Abschlussbericht des Projektleiters Reto Furter [1] fand ebenso wenig Beachtung wie die umfangreiche und lang angekündigte Evaluation des IfM (Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg) von 2019 [2].

Wieso diese Zurückhaltung? Furter schreibt dazu im Abschlussbericht: Im Frühling 2018 beschloss die Steuergruppe, keine gemeinsame Medienkonferenz zum Abschluss des Projekts durchzuführen. Es sei zu exponiert, zu stark in der Kritik, um öffentlich eine positive Bilanz zu ziehen. Zudem liegen die Ergebnisse im Rahmen der ÜGK (der EDK) nicht wie geplant bereits im Juni vor. Eine Verschiebung zu kommunizieren wäre Wasser auf die Mühlen der kritischen Medien giessen. (Furter, S. 26)

Kritische Stimmen wurden stets auf die Evaluation vertröstet. Die Verantwortlichen nahmen an, dass damit der Erfolg der neuen Methode und die Tauglichkeit der Lehrmittel bewiesen und alle Befürchtungen der Unzufriedenen beseitigt werden könnten. Blind vertrauten sie darauf, mit dem neuen Unterrichtskonzept markante Verbesserungen zu erzielen. In einem ersten Schritt wurden deshalb 2017 die Kenntnisse nach vier Jahren Primarschulunterricht in Französisch evaluiert, und zwar in Kombination mit der EDK-Überprüfung der Grundkompetenzen in der ersten Fremdsprache (ÜGK).

Während die Ergebnisse des EDK-Tests im Mai 2019 ausführlich kommuniziert wurden, blieb es um die gleichzeitig veröffentlichten, ergänzenden Resultate der IfM-Studie auffällig still. Die Passepartout-Steuergruppe beschloss sogar im Juni 2019 endgültig, die Evaluation der Sekundarstufe, deren Ergebnisse für 2021 angekündigt waren, gar nicht mehr durchführen zu lassen. Man begnüge sich mit der dann fälligen Überprüfung der gesamtschweizerischen Grundkompetenzen der EDK, ohne die Passepartout-Didaktik und das Lehrmittel Clin d’oeil speziell zu untersuchen.

Der Glaube an die Wirksamkeit ist ins Wanken geraten

Der Verdacht liegt nahe, dass der kleinlaute Umgang mit der Evaluation und der Verzicht auf weitere IfM-Studien ein Zeichen dafür sind, dass der tiefe Glaube an die Wirksamkeit der «neuen Didaktik» doch etwas ins Wanken geraten ist. Offen zugeben kann man das noch nicht, es gilt, das Gesicht zu wahren, besonders auch wegen des vielen Geldes, das man in das Projekt gesteckt hat. (Lesen Sie hier den Artikel weiter)

Gastbeitrag von Felix Schmutz (Autor bei Condorcet)
 

[1] Reto Furter (2018): Abschlussbericht zum Projekt Passepartout, Freiburg, August 2018
https://nwedk.ch/sites/default/files/upload/Passepartout%20Schlussbericht_2019.pdf
[2] Eva Wiedenkeller, Peter Lenz (2019): Schlussbericht zum Projekt‚ Ergebnisbezogene Evaluation des Französischunterrichts in der 6. Klasse (HarmoS 8) in den sechs Passepartout-Kantonen‘ durchgeführt von Juni 2015 bis März 2019 am Institut für Mehrsprachigkeit der Universität und der Pädagogischen Hochschule Freiburg im Auftrag der Passepartout-Kantone

 

Passepartout – Mahnmal einer expertokratischen Schulreform

 
Erklärungen als Übergriff

«Das ist Luigi, unser neuer Hund. Ich habe meinen Mann übergezeugt, dass wir brauchen einen treuen Freund in der Familie. Er hat sich schon gut einlebt», rief mir die Expat aus Sussex zu. Ich liess mir wegen der lustigen Verbformen nichts anmerken, fragte mich allerdings, ob ich meiner déformation professionelle nachgeben und meine Bekannte auf die korrekte Bildung des Partizips 2 aufmerksam machen oder vielleicht doch besser auf diesen «Übergriff» verzichten sollte.

Wie hätten Sie sich entschieden? Hätten Sie der sprachaffinen Engländerin erklärt, wie sie erkennen kann, warum man ein-ge-kauft, aber ver-kauft und nicht ver-ge-kauft sagt? Oder hätten Sie die Dame ganz im Geiste der Didaktik der Mehrsprachigkeit dazu angehalten, die Regel selber herauszufinden, sie mit ihrem Mann zu diskutieren und am nächsten Barbecue gemeinsam zu «offizialisieren»[1]?

Torpedierung der Methodenfreiheit

It depends, pflegen die Engländer zu sagen. Nicht so die Promotoren der Didaktik der Mehrsprachigkeit, die sich seit der Lancierung des sechskantonalen Fremdsprachenkonzepts Passepartout anmassen, sämtlichen Fremdsprachenlehrpersonen vorschreiben zu wollen, wie «zeitgemässer» Unterricht auszusehen habe und welche bewährten Methoden aus dem didaktischen Repertoire zu streichen seien.

Mit der Einführung einer im internationalen Vergleich exotischen Didaktik ohne Wirksamkeitsnachweis, gepaart mit einem strikten Lehrmittelobligatorium, wurde die Methodenfreiheit dramatisch eingeschränkt. Eine kleine Gruppe von «Experten» hat es unter Mitwirkung reformfreudiger Akteure aus Politik und Verwaltung «geschafft», einen heftigst umstrittenen Schulversuch zu initiieren, der tausende Lernende als Versuchskaninchen einsetzt und die Lehrpersonen sowohl bevormundet wie belastet.

Drängende Fragen

  1. Wie war es möglich, dass ein renommierter Verlag wie «Klett und Balmer» ein Passepartout-konformes Englischlehrmittel produzierte, das im Widerspruch zur Firmentradition steht?
  2. Warum konnte der «Schulverlag plus» es sich leisten, die Kritik an seinen Lehrmitteln Mille feuilles und Clin d’oeil sechs Jahre lang zu ignorieren?
  3. Wie konnte es sein, dass der Lehrerschaft eine Didaktik verordnet wurde, auf die sich international erfolgreiche Verlage wie Oxford Press oder Macmillan Education nicht im Traum einlassen würden?

Marketing und vollmundige Versprechungen

Die Didaktik der Mehrsprachigkeit mit den Lehrmitteln New World, Mille feuilles und Clin d’oeil wurden mittels eines bis dato ungekannten Marketings beworben. Den Auftrag für die professionelle Website sicherten sich die Firmen «nemuk AG»[2], Agentur für digitales Marketing, und «wortgewandt», zuständig für «kluge Texte» und «ehrliche Kommunikation»[3].

Damit war die Bahn frei für das mit Steuergeldern finanzierte Promoten angeblich überlegener Lehrmittel, deren Einsatz «den Fremdsprachenunterricht an der Volksschule von Grund auf […] erneuern» solle[4].

Fortan würden die Kinder die Fremdsprache wie ihre Muttersprache lernen: mühelos, ganz ohne Vokabeln büffeln und Regeln lernen zu müssen.[5]

Pauschales Bashing

Gleichzeitig zeichneten Passepartout-Verfechter öffentlich ein Zerrbild des bestehenden Fremdsprachenunterrichts: Fehlende Handlungsorientierung, einseitige Fokussierung auf Grammatik, sinnentleertes Auswendiglernen, ja selbst die Zerstörung des Selbstvertrauens der Lernenden wurden angeprangert.

Man tat so, als ob vielfältige Wortschatzspiele, kreative Memorisierungstechniken oder variantenreiche Präsentationen niemals zuvor zu einem anregenden Fremdsprachenunterricht gehört hätten. Man redete den Status quo bewusst schlecht, um dem eigenen Konzept leichter zum Durchbruch zu verhelfen.

Flächendeckende Umerziehungskur

Sämtliche Fremdsprachenlehrpersonen verpflichtete man zu überdimensionierten «Fortbildungen». Wer sich weigerte, dem drohte gar der Entzug der Lehrberechtigung! Angesichts dieses übergriffigen Vorgehens blieb den Betroffenen nichts anderes übrig, als sich von Kursleitungen, die teilweise nicht einmal über stufenspezifische Unterrichtserfahrungen verfügten, die Kuriosiäten der neuen Didaktik erklären zu lassen, und zwar rekordverdächtige 24 Halbtage lang.

Zum Einstieg wurde gestandenen Lehrkräften beispielsweise Texte vorgelegt, in denen behauptet wurde, der Unterricht habe sich seit den Schriften von Comenius kaum verändert, er sei statisch und militärisch geblieben. Nun müsse endlich alles anders werden, schliesslich sei Lernen wie Sex, solle also aufregend und vergnüglich sein.

Wesen der Didaktik der Mehrsprachigkeit

Vorsicht: Realsatire! Die Hauptmerkmale der magischen Didaktik lassen sich anhand der folgenden Beispiele erläutern:

  • Ein Balljunge darf an einer Exhibition gegen Rafael Nadal spielen. Passt sich die Nummer 1 an oder zieht er voll durch mit der Begründung, Anfänger würden besonders gut Tennis spielen lernen, wenn sie sich von Beginn an mit authentischen Situationen konfrontiert sähen?
  • Deb Roy konnte mit dem Human Speechome Project[6] aufzeigen, welche Wörter Kinder zuerst erwerben. Gehören good, tree, cat dazu oder doch eher engloutit, moulachou, prestidigitateur[7]?
  • Wie lernen Kinder Rad fahren? Mit einem an ihre Körpergrösse angepassten Laufvelo oder einem Bike für Erwachsene mit 29-Zoll-Rädern und 27 Gängen?
  • Warum wurde David Garrett zum Starviolinisten? Weil er täglich ausgiebig übte oder ab und zu spielerisch ein paar ausgewählte Töne ausprobierte?
  • Was sagen Eltern zu ihrem Dreijährigen, der im Zoo auf einen Tiger zeigt und «Löwe» ruft? «Das ist ein Tiger, den erkennt man am orangen Fell mit schwarzen Streifen» oder «Genau, sehr gut, das ist ein gestreifter Löwe»?

Sie ahnen es: Die Hardcore-Verfechter der Didaktik der Mehrsprachigkeit müssten sich stets für die zweite Option entscheiden – falls sie ihre Theorie selber in Alltagssituationen anwenden würden. Das tun sie jedoch nicht, wie mir eine Kursleiterin versicherte, denn im Kurs gehe es um den modernen Fremdsprachenerwerb, nicht um den Alltag. Ja, wie nun?

Angesichts solch verquerer Logik erstaunt es nicht, dass der Abschlussbericht der flächendeckenden Baselbieter Fachhearings mit Primar- und Sekundarlehrpersonen[8] die von verschiedener Seite seit Jahren geübte Kritik an besagter Didaktik bzw. den Passepartout-Lehrmitteln vollumfänglich bestätigte:

  1. Missachtung des universalen Prinzips vom Einfachen zum Schwierigen: «Die Orientierung an authentischen [also nicht didaktisierten] Inhalten wird als wenig zielführend wahrgenommen», diese «Texte stellen oft zu hohe Ansprüche […], thematisch seien sie wegen des fehlenden Alltagsbezugs […] wenig ansprechend.»
  2. Exotischer Wortschatz: «Alltagstauglicher Wortschatz» fehle, ein «aufbauender und verbindlicher Wortschatz wird nicht gezielt angelegt.»
  3. Kein geführter, systematischer Aufbau der Grundstrukturen: «Grammatische Strukturen werden […] nicht sichtbar gemacht und […] nicht als solche erkannt […], bei der Anwendung können die Lernenden nicht auf gefestigtes Vorwissen aufbauen.»
  4. Sight-Seeing-Didaktik: «Die grosse Mehrheit […] ist sich einig, dass Festigungs- sowie Vertiefungsmöglichkeiten fehlen. Etliche Themen werden in den Lehrmitteln nur angetippt und dann als gefestigt vorausgesetzt.»
  5. Fetisch Fehlertoleranz: Im Zusammenhang mit der passepartoutspezifischen Fehlerkultur «tauchte die Frage auf, warum nicht sofort die korrekte Schreibung eingeübt» werde.[9] Kommentar: Wenn jemand behauptet, «dass Fehler das spätere Erlernen der richtigen Form in keiner Weise beeinträchtigen», dann fordern Sie diese Person dazu auf, nicht an einen rosaroten Elefanten zu denken und fragen Sie sie dann, was sie sehe.

Weitere Kuriositäten

In der mini-grammaire lassen die Lehrmittelautorinnen Kinder (nicht etwa studierte Linguisten!) auf einer Metabene mehr als 40 Sprachen – von Isländisch über Vietnamesisch bis zum Inuktikut – reflektieren, die sie noch nicht einmal ansatzweise kennen.

Dozierende der PH FHNW propagieren gar das Code Switching – das beständige Wechseln zwischen mehreren Sprachen – als Unterrichtsziel für die Volksschule und demonstrieren damit Abgehobenheit und Realitätsferne. 

Beschwichtigen, Diffamieren, Ignorieren und die Macht des Faktischen

Bereits 2015 machte Philippe von Escher, Stufenpräsident Sek I des Berner Lehrerverbandes, auf die Unzulänglichkeiten aufmerksam: «Es muss sich wohl um einen Systemfehler handeln, dass nach vier Jahren Frühfranzösisch […] die Top-300-Wörter […] in einem isolierten Satz nicht verstanden werden».[10] Umfragen der Verbände aus den Kantonen GR, BE, SO und BL zeichneten allesamt ein negatives Bild.

Die bernischen Gymnasien strichen den Grammatikteil aus der Aufnahmeprüfung, weil man nicht prüfen könne, was nicht vorhanden sei. In Solothurn wurde das geplante Obligatorium der Passepartout-Lehrmittel für die Sek P rückgängig gemacht. Susanne Zbinden wies in ihrer Masterarbeit nach, dass das Leseverständnis von Clin d’oeil-Lernenden signifikant schlechter ist als dasjenige von SchülerInnen, die mit didaktisiertem Material Französisch gelernt hatten.

Trotz erdrückender Faktenlage lenkten die Verantwortlichen nicht ein. Im Gegenteil: Sie beschwichtigten, vertrösteten, stellten mahnende Stimmen bloss. Sie erklärten prämierte Studien wie jene von Simone Pfenninger für qualitativ ungenügend. Sie verwehrten Kritikern den Unterrichtsbesuch und schüchterten aufmüpfige Eltern ein. «TeleBasel» musste Stimmen verändern und Gesichter verpixeln, damit Betroffene sich getrauten, Klartext zu sprechen.

Dank Aldous Huxley wissen wir, dass Tatsachen nicht aufhören zu existieren, nur weil sie ignoriert werden. Im März 2018 sah sich Gesamtprojektleiter Reto Furter zu einer Stellungnahme veranlasst. Offenbar lagen die Nerven blank. Anders ist es nicht zu erklären, dass er sich auf SRF4 zu dieser Aussage verstieg: «Ein Geschichtslehrmittel, das den Holocaust leugnet, muss man verbieten, aber sicher nicht zwei Französischlehrmittel und ein Englischlehrmittel.»[11] Dieser «Vergleich» stellt eine Assoziation her zwischen Rechtsextremismus und dem Entscheid des Baselbieter Landrats, den Ausstieg aus Passepartout gutzuheissen. Einer sachlichen Auseinandersetzung ist das nicht zuträglich.

Die Realität sieht so aus: Viele praxiserfahrenen Lehrpersonen – ihrem Berufsethos und dem Lernerfolg ihrer SchülerInnen verpflichtet – greifen längst korrigierend ein und halten sich nicht an krude Theorien von «Experten», die am finanziellen Tropf des teuersten Fremdsprachenprojekts aller Zeiten hängen.

Ausweg aus der Sackgasse

Dass es auch anders geht, bewies Monica Gschwind in Baselland: Sie nahm die Kritik ernst, holte alle Anspruchsgruppen an den runden Tisch und handelte: Die Fortbildung wurde gekürzt, die Einschränkung der Methodenfreiheit revidiert, das Ergebnis der Fachhearings[12] transparent veröffentlicht, der «schulverlag plus» unmissverständlich dazu aufgefordert, die Lehrmittel grundlegend zu überarbeiten.

Damit in allen Passepartout-Kantonen Ruhe einkehren kann, müssen Selbstverständlichkeiten wieder selbstverständlich werden:

Lehrplan

Lernziele können am besten erreicht werden, wenn die Stoffinhalte konkret definiert sind. Mit schwammigen Kompetenzformulierungen lässt sich kein stufenübergreifend aufbauender Fremdsprachenunterricht realisieren.

Lehrmittelfreiheit

Staatlich protektionierte Lehrmittelmonopole sind träge, einschränkend und teuer. Für beide Sprachen gibt es ausgereifte, weitgehend selbsterklärende Lehrmittel, welche international gesicherte didaktische Erkenntnisse umsetzen.

Methodenfreiheit

Richtziel eines jeden Sprachunterrichts ist der Transfer, die Anwendung in der Zielsprache. Der Weg dorthin ist lediglich Mittel zum Zweck. Es gibt daher weder die Lehrmethode noch die Fremdsprachendidaktik.

Passepartout als Präzedenzfall?

In speziellen Schulungen lernen Piloten, sich den Autoritätsgehorsam wegzutrainieren, damit Ungereimtheiten im Cockpit schnell und offen angesprochen werden können[13]. Genau dieses Selbstverständnis benötigen wir Lehrpersonen im Umgang mit praxisfernen «Experten».

Philipp Loretz, Sekundarlehrer, Aesch

[Quelle: Dieser Artikel ist zuerst im Magazin "Einspruch! 2 - Auswirkungen der Schulreformen, eine kritische Bestandesaufnahme aus der Sicht der Betroffenen" erschienen.]

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[1] Clind’oeil, Bienvenue dans le futur, fil rouge, p. 17
[2] https://nemuk.com
[3] https://www.wortgewandt.ch/de.html
[4] https://www.passepartout-sprachen.ch/ueber-passepartout/worum-geht-es/
[5] https://www.passepartout-sprachen.ch/informationen-fuer/eltern/worum-geht-es/
[6] http://www.ted.com, http://www.ted.com/talks/deb_roy_the_birth_of_a_word
[7] Mille feuilles 3.1, Le monstre de l’alphabet, S. 15 ff.
[8] Ergebnisbericht: Fachhearings Französisch, https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/regierungsrat/dossiers/passepartout
[9] Ergebnisbericht: Fachhearings Französisch, https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/regierungsrat/dossiers/passepartout
[10] https://www.lvb.ch/docs/magazin/2015_2016/02_Dezember/10_Diese-Didaktik-schuettet-das-Kind-mit-dem-Bade-aus_LVB_1516-02.pdf
[11] Reto Furter, SRF, 27.3.2018, https://www.srf.ch/sendungen/4x4/der-kanton-basel-land-will-aus-passepartout-aussteigen
[12] Ergebnisbericht: Fachhearings Französisch, https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/regierungsrat/dossiers/passepartout
[13] Rolf Dobelli, Die Kunst des klaren Denkens, "The authority bias" 
 

 

Der alljährliche Irrsinn

Die Lehrkräfte des OSZ-Orpund blickten bei der Kaffemaschine auf ein Bild, das der Materialverantwortliche in den Ferien gemacht hatte. Condorcet-Autor Alain Pichard erstellte daraufhin eine Rechnung!

Französisch Reste

Dem Orpunder Materialchef standen die Haare zu Berge, als er vor den Sommerferien den Abfallcontainer erblickte. Dieser quoll vor lauter weggeworfenen «Clin d’oeil»-Boxen regelrecht über. Das Ganze war eine Plastikorgie sondergleichen, die unweigerlich an die Abermilliarden Tonnen an Kunststoff-Abfällen in den Weltmeeren denken liess.

Kurz vor Schuljahresbeginn nahm er dann die Bestellungen für das neue Schulmaterial an die Hand. Zum Vorteil der Schule und der Umwelt ist unser Materialchef allerdings nicht nur ein umweltbewusster Zeitgenosse mit gesundem Menschenverstand, er schaut zusätzlich auch aufs Geld. So machte er zur Verdeutlichung der gewaltigen Materialverschwendung durch die «Clin d’oeil»-Lehrmittel ein Foto von der entsprechenden Palette und hängte es im Lehrerzimmer auf.

Clin d'oeil Schülerbox mini-grammaire

«Clin d’oeil» ist ein Einweglehrmittel. Es kann also nicht wiederverwendet werden wie beispielsweise das früher verwendete Französisch Lehrbuch «Bonne Chance». Eine «Clin d’oeil»-Plastikbox kostet pro Schüler Fr. 32.– Dazu werden weitere Materialien angeboten, wie zum Beispiel die «mini-grammaire» für Fr. 32.–. 200 SchülerInnen mal Fr. 32Fr.  ergibt Fr. 6’400.–. Dieser enorme Betrag wird auch nächstes Jahr wieder in der Abfalltonne landen.

Wie die ÜGK 2019 (Überprüfung des Erreichens der Grundkompetenzen) und weitere Studien zeigen, verfehlt der Unterricht mit den neuen Lehrmitteln «Clin d’oeil» und «Mille feuilles» (Unter- bzw. Mittelstufe) praktisch alle Bildungsziele. Darüber hinaus erweist sich Passepartout auch als Geldvernichtungsmaschine erster Güte. Sie reisst klaffende Löcher in den Haushalt von Schulen und Gemeinden.

Angesichts der sich aktuell verschärfenden Klimaproblematik ist die Passepartout-Ideologie mit ihrer Materialschlacht ein ökologischer Irrsinn. Sie zeugt in dieser Hinsicht von absoluter Verantwortungsabstinenz seitens der Entwickler und Auftraggeber der Passepartout Lehrwerke, «Mille feuilles», «Clin d’oeil» und «New World».

Alain Pichard, Condorcet-Autor

[Quelle: Condorcet Blog, erschienen am 16.08.2019]

 

Widerstand nun auch in den anderen Kantonen

Passepartout-Ideologie vor dem Ende?

Die Passepartout-Lehrmittel «Mille feuilles», «Clin d’oeil» und «New World» sind kaum mehr zu retten. Zu heftig ist der Widerstand, zu erdrückend die Fakten und Analysen des Institutes für Mehrsprachigkeitsdidaktik der Universität Fribourg (IfM), welches in seinem Schlussbericht zum Französischunterricht zum Fazit kommt: Mit «Mille feuilles» erreicht eine Mehrheit der Schüler/-innen bis zum Ende der Primarschulzeit die Lernziele nicht. Vernichtender könnte die Analyse kaum sein.

Die Starke Schule hat mit der Lancierung der Volksinitiative "Stopp dem Verheizen von Schüler/-innen: Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenprojekt" den Widerstand eingeleitet. Dass die Passepartout-Lehrmittel samt der ihr zugrundeliegenden, von Anfang an umstrittenen "Didaktik der Mehrsprachigkeit" flächendeckend und alternativlos eingeführt wurden, wurde von Beginn an vom Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland (LVB) und der Starken Schule beider Basel heftig kritisiert.

Mittlerweile findet die Einsicht, dass es Alternativen und somit eine ausgeweitete Lehrmittelfreiheit braucht, breite Unterstützung: Der Baselbieter Landrat befürwortet die Umsetzung der Initiative der Starken Schule sogar einstimmig. Auch die Amtliche Kantonalkonferenz (AKK), die Handelskammer, die Schulleitungskonferenzen und der Bildungsrat befürworten eine rasche Umsetzung mit einer "geleiteten" Lehrmittelfreiheit, welche den Lehrpersonen ermöglicht, die kritisierten Passepartout-Lehrmittel bereits ab dem kommenden Schuljahr 2020/21 auf beiden Schulstufen (Primar und Sek. 1) durch Lehrmittel zu ersetzen, die einer international anerkannten und bewährten Didaktik folgen. 

In der Zwischenzeit treten auch in den anderen fünf Passepartout-Kantonen Basel-Stadt, Solothurn, Bern, Fribourg und Wallis die Passepartout-Gegner/-innen zunehmend an die Öffentlichkeit. In einem offenen Brief an die kantonalen Behörden fordern die 29 Erstunterzeichner/-innen «die Abschaffung des Lehrmittelobligatoriums und die freie Wahl alternativer, auf dem Markt längst verfügbarer Französischlehrmittel (…)». Im Brief, den die Starke Schule aktiv mitträgt, stellen die 29 Erstunterzeichner/-innen einige berechtigte Fragen: «Wie hoch sind die Gesamtkosten der missglückten Reform (…) mit der Einführung der Passepartout-Lehrmittel (…)?» Oder: «Wer ist dafür verantwortlich, dass eine kleine ‘Expertengruppe’ ein im internationalen Vergleich absonderliches Konzept ohne Wirksamkeitsnachweis flächendeckend einführen konnte?». Der offene Brief hat gesamtschweizerische Beachtung gefunden.

Im Kanton Basel-Landschaft stimmt das Volk am 24. November 2019 über die Umsetzungsvorlage der unformulierten Initiative der Starken Schule ab. Befürworten die Stimmberechtigten die Vorlage, so erhalten die Lehrpersonen eine «geleitete» Lehrmittelfreiheit und können damit die untauglichen Passepartout-Lehrmittel ersetzen. Die Starke Schule hat ihre Initiative bewusst unformuliert eingereicht, damit ein gewisser Handlungsspielraum bleibt. Im Nachhinein zeigt sich, dass dieser Entscheid richtig war: Am runden Tisch, an dem alle wichtigen Bildungsplayer vertreten sind (alle Fraktionen des Landrates, AKK, LVB, Starke Schule beider Basel, Schulleitungskonferenz, Handelskammer, Bildungsrat usw.) besteht Konsens: Die Umsetzung der Initiative mittels Lehrmittelfreiheit wird einstimmig befürwortet.

Für die Starke Schule beider Basel und den Lehrerinnen- und Lehrerverein (LVB) ist dies ein bemerkenswerter Erfolg, sofern auch das Stimmvolk der Vorlage am 24. November zustimmt: Die Passepartout-Lehrmittel würden innert kurzer Zeit weitgehend aus den Schulzimmern verschwinden. Die Bildungsdirektorin geht in ihren Berechnungen davon aus, dass bereits im kommenden Schuljahr (2020/21) die Mehrheit der Lehrpersonen sowohl auf der Primarstufe als auch auf der Sekundarstufe 1 die Passepartout-Lehrmittel ersetzen würde.

Alina Isler, Vorstand Starke Schule beider Basel

 

Arbeitsgruppen Fremdsprachen werden als Marionetten benutzt

Die Arbeitsgruppen hatten den Auftrag erhalten, neue Lehrpläne für Französisch und Englisch zu erarbeiten. Wie sich nun zeigt, hat das Amt für Volksschulen (AVS) die Lehrpläne fixfertig erarbeitet und den Arbeitsgruppen zum Absegnen vorgelegt: «Ihr dürft einzelne Treffpunkte zusammenfassen. Streichungen (…) sind eher die Ausnahme», so die Weisung des AVS. Das Ziel ist klar: Das AVS benutzt die Arbeitsgruppen als Marionetten, um anschliessend Parlament und Öffentlichkeit vorgaukeln zu können, Fachexpertinnen und experten hätten die Lehrpläne erarbeitet.

Inzwischen erkennen die meisten, dass Passepartout mit seinen drei Lehrmitteln «Mille feuilles», «Clin d’oeil» und «New World» gescheitert ist und dringend neue Lehrmittel sowie darauf ausgerichtet neue Lehrpläne eingeführt werden müssen. Zu offensichtlich ist das miserable Abschneiden der Baselbieter Primarschüler/-innen im Fach Französisch beim gesamtschweizerischen Vergleichstest. Bildungsdirektorin Monica Gschwind zeigte sich nach dem Bekanntwerden der Resultate sichtlich enttäuscht: «Wir haben viel Zeit und Geld investiert, doch es hat unsere Erwartungen bei weitem nicht erfüllt» und für die Fächer Französisch und Englisch werden «unter Hochdruck weitere Lehrmittel evaluiert».

An Passepartout hält jedoch noch immer ein Teil der Primarlehrpersonen fest, welche ihren Unterricht nicht erneut umstellen möchten. Damit nehmen sie in Kauf, dass ihre Schützlinge ungenügend Französisch lernen. Gleiches gilt für die Ideologen der pädagogischen Hochschule (PH) und einige Mitarbei-ter/-innen des Amts für Volksschulen (AVS), welche die PH-Fremdsprachenideologie sowie das selbstorganisierte und kompetenzorientierte Lernen in unserem Kanton beibehalten wollen. Dies bekommen die Fachexpertinnen und -experten der Arbeitsgruppen Fremdsprachen deutlich zu spüren. Bereits im Sommer 2018 erhielten die Arbeitsgruppen von der Task Force Fremdsprachen den Auftrag, neue Lehrmittel zu suchen und einen neuen Lehrplan für die Fächer Französisch und Englisch zu erarbeiten. Das AVS versucht offensichtlich, die Fachexpertinnen und -experten der Arbeitsgruppen bei der Erarbeitung der Lehrpläne an der kurzen Leine zu halten.

AVS ändert Arbeitsauftrag der Task Force eigenmächtig ab

Mit der Einsetzung der Task Force Fremdsprachen, welche die Initiative «Stopp dem Verheizen von Schüler/-innen: Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenkonzept» der Starken Schule umsetzen soll, fällte Regierungsrätin Monica Gschwind einen wegweisenden Entscheid. In der Task Force Fremdsprachen nehmen alle wichtigen Vertreter/-innen aus dem Bildungsbereich Einsitz: BKSD, AVS, Bildungsrat, Starke Schule beider Basel, LVB, VPOD, SLK Sek 1, SLK Primar, SLK KVBL, AKK. SP-Fraktion, Grüne/EVP-Fraktion, CVP/BDP-Fraktion, glp/Grüne-Unabhängige-Fraktion, FDP-Fraktion, SVP-Fraktion.

Die Task-Force hatte am 4. Juni 2018 zu Händen der Arbeitsgruppen Fremdsprachen einen wichtigen Arbeitsauftrag beschlossen, welcher die Evaluation von neuen Leitlehrmitteln sowie die Erarbeitung von neuen Lehrplänen betrifft (siehe folgende Abbildung aus dem Protokoll der Task Force vom 4. Juni 2018):


Die Arbeitsgruppen Fremdsprachen haben die Aufgabe erhalten, einen neuen Lehrplan mit Stoffinhalten und Themen zusätzlich zu den bestehenden Kompetenzbeschreibungen für die Fächer Französisch und Englisch zu erarbeiten und neue Leitlehrmittel zu suchen. Die eigenmächtige Abänderung des von der Task Force beschlossenen Arbeitsauftrags zeigt, dass das AVS eine eigene Agenda verfolgt. Und damit nicht genug: Das AVS unterbreitete den Arbeitsgruppen Fremdsprachen einen fixfertig ausformulierten neuen Lehrplan mit der Aufforderung, diesen zu prüfen und abzusegnen (siehe Abbildung mit dem schriftlich formulierten Arbeitsauftrag des AVS).




Mit diesem Arbeitsauftrag und den mündlichen Ergänzungen anlässlich einer gemeinsamen Sitzung wurden die Arbeitsgruppen Fremdsprachen aufgefordert, den Lehrplan des AVS nicht substantiell zu ändern: «Ihr dürft einzelne Treffpunkte zusammenfassen, Streichungen sind gut zu begründen und eher die Ausnahme». Jegliche Kritik von Mitgliedern der Task Force und den Arbeitsgruppen Fremdsprachen blieb im Nachgang beim AVS ungehört.

Auch das Protokoll der Arbeitsgruppen Fremdsprachen vom 28. August 2018, welches der Starken Schule vorliegt, zeigt das fragwürdige Vorgehen des AVS: Die Vertreterin des AVS «verdeutlicht, dass Streichungen in der Vorlage möglichst zu vermeiden sind, das Zusammenfassen von mehreren Treff-punkten zu einem Treffpunkt ist denkbar. Mit fachlicher Begründung müssen Streichungen [des vom AVS ausgearbeiteten Lehrplans] jedoch gemeinsam diskutiert werden. Grundsätzlich gilt, dass die In-halte möglichst erhalten bleiben sollen.» Das AVS greift hier klar und wiederholt in die Arbeit der Fachexpertinnen und -experten ein und ver-sucht offensichtlich den selbst ausgearbeiteten Lehrplan durchzuzwängen.
 

Dezidierte Kritik von Mitgliedern der Arbeitsgruppe

Michael Pedrazzi, Mitglied der Arbeitsgruppe Sek. Englisch sagt dazu trocken: «Obwohl alle Mitglieder der Arbeitsgruppe Englisch auf eine langjährige Unterrichtserfahrung zurückblicken können, sollen wir für das AVS als Marionetten herhalten und ihren Lehrplan möglichst unverändert absegnen. Das ist bedenklich.» Und weiter: «Das AVS spielt hier eine fragwürdige Rolle. Ihnen ist ein pädagogischer und zielführender Lehrplan scheinbar nicht wichtig. Hauptsache er entspricht der gescheiterten Fremdsprachenideologie und propagiert das kompetenzorientierte und selbstorganisierte Lernen, in welchem die Schüler/-innen sich selbst überlassen werden. Ich wünsche mir, dass das AVS aufhört, uns derart einzuschränken, nur um eigene Interessen zu realisieren.»

Ein anderes Mitglied der Arbeitsgruppe Englisch ergänzt: «Wir von der AG wurden uns bald einig, welchen Weg wir bei der Findung neuer Lehrmittel und dem Formulieren von Stoffinhalten im Lehrplan verfolgen wollten. Oftmals hatten wir jedoch das Gefühl, dass man uns Steine in den Weg legen wollte, insbesondere auch bei der Überarbeitung des Lehrplans.»

Auch Mitglieder der Arbeitsgruppe Französisch äussern sich ebenso kritisch zum fragwürdigen Verhalten des AVS: «Das AVS nimmt nach der abgeschlossenen Evaluation der Lehrmittel vor allem bei der Gruppe Sek. 1 unverhältnismässig Einfluss auf die Lehrplangestaltung, indem es an der inzwischen als untauglich überführten Passepartout-Philosophie festhält und die konstruktivistischen Leitlinien mit Kompetenzorientierung als unverhandelbar deklariert.»

Das Ziel des AVS ist offensichtlich: Es will seinen eigenen Lehrplan durch die Arbeitsgruppen mög-lichst unverändert durchboxen.

«Das AVS benutzt die Arbeitsgruppen als Marionetten,
um anschliessend Bildungsrat, Parlament und
Öffentlichkeit vorgaukeln zu können, hochdotierte Fachexpertinnen und -experten mit langjähriger Unterrichtserfahrung hätten diesen Lehrplan erarbeitet.»

Regierungsrätin Monica Gschwind ist nun gefordert, hier ein Machtwort an die Adresse des AVS zu sprechen.Die Starke Schule fordert das AVS auf, nicht weiter auf die Karte Passepartout-Ideologie mit der gescheiterten Mehrsprachigkeitsdidaktik zu setzen und vom kompetenzorientierten und selbstgesteuerten Lernen, bei welchem die Schüler/-innen sich selbst überlassen werden, abzurücken.

Saskia Olsson
Vorstand Starke Schule

Neue Lehrmittel für Französisch und Englisch evaluiert

Die Starke Schule beider Basel begrüsst die von den beiden Arbeitsgruppen Englisch und Französisch evaluierten neuen Lehrmittel für die Sekundarstufe 1, mit welchen die Passepartout-Lehrmittel Mille feuilles, Clin d'oeil und New World ab Schuljahr 2020/21 ersetzt werden können. Die neuen Lehrmittel wurden vor einer Woche der Lehrmittelkommission vorgestellt.

Die beiden Arbeitsgruppen haben eine intensive Evaluations-Arbeit geleistet und für die Sekundarschulen fünf neue Englischlehrmittel sowie zwei neue Französischlehrmittel empfohlen, welche alle klar strukturiert und aufbauend sind, und einen alltagsgebräuchlichen Wortschatz und genügend Grammatik enthalten. Die neuen, international anerkannten Lehrmittel folgen dem Grundsatz, die Schüler/-innen von einfachen zu schwierigen Anforderungen zu führen. Zusätzlich hat die Arbeitsgruppe Französisch noch ein weiteres Lehrmittel empfohlen, welches die obigen Grundsätze nicht vollumfänglich erfüllt. Den abschliessenden Einführungsentscheid fällt der Bildungsrat.

Ermöglicht hat dies Regierungsratspräsidentin Monica Gschwind, welche erstmalig Fachexpertinnen und -experten mit langjähriger Unterrichtserfahrung beauftragt hat, neue Fremdsprachenlehrmittel zu evaluieren. Bislang wurden die Lehrmittel von Ideologen im Umfeld der Pädagogischen Hochschule (PH) entwickelt und mit Hilfe des Amt für Volksschule (AVS) ausgewählt und der Lehrmittelkommission und dem Bildungsrat zum Absegnen unterbreitet. Beide Gremien (Lehrmittelkommission und Bildungsrat) erkannten die mangelnde Qualität der Passepartout-Lehrmittel nicht. Die Leidtragenden sind die Schüler/-innen, welche in Französisch nicht einmal die minimalsten Grundkenntnisse erlangen konnten. Bildungsdirektorin Monica Gschwind zeigte sich bei der Pressekonferenz von letzter Woche sichtlich enttäuscht über das Passepartout-Projekt und stellte richtigerweise fest: "Wir haben viel Zeit und Geld investiert, doch es hat unsere Erwartungen bei weitem nicht erfüllt" und es werden "unter Hochdruck weitere Lehrmittel evaluiert".

So haben bei einem von der Eidgenössischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) organisierten Vergleichstest die drei Passepartout-Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Solothurn in Französisch am schlechtesten abgeschnitten. Geprüft wurden die Primarschüler/-innen am Ende ihrer Primarschulzeit; schuld am Fiasko ist offensichtlich das einst hochgelobte „Mille feuilles“. Besonders im Bereich „Sprechen“ zeigten sich die eklatanten Mängel besonders deutlich. Die anderen drei Passepartout-Kantone Fribourg, Wallis und Bern schnitten zwar besser ab, sind als zweisprachige Kantone aber auch klar im Vorteil.

Gescheitert sind nicht nur die Passepartout-Lehrmittel Mille feuilles, Clin d'oeil und New World, sondern auch Lehrmittel in anderen Fächern, wie z.B. in Mathematik, Italienisch und Deutsch, welche das selbstorganisierte und kompetenzorientierte Lernen ohne strukturierten Aufbau propagieren.

Die Starke Schule beider Basel fordert das Parlament auf, die von Regierungsrätin Monica Gschwind vorgeschlagene Umsetzung der Initiative "Stopp dem Verheizen von Schüler/-innen: Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenkonzept" an der kommenden Landratssitzung zuzustimmen und damit der angestrebten "geleiteten" Lehrmittelfreiheit zum Durchbruch zu verhelfen.

Erfreulich: Die vorberatende Bildungskommission hat der Umsetzungsvorlage der Initiative der Starken Schule einstimmig und ohne Enthaltungen zugestimmt.

Saskia Olsson, Vorstand Starke Schule

 

Ausmass von Passepartout wird auch Uni-Professoren bewusst

Während sich bis anhin insbesondere Sek-1-Lehrpersonen äusserst kritisch über das Passepartout-Fremdsprachenprojekt und die mangelnden Französischkentnisse der Schulkinder geäussert haben, reagieren nun auch Universitäts-Professoren: Sie befürchten, dass die von der Fremdsprachenreform "Passepartout" betroffenen Schüler/-innen später kaum die Möglichkeit haben werden, an französischsprechenden Universitäten zu studieren oder an der Uni ein Französisch-Studium zu absolvieren. Ihr Fazit folgt aus den Rückmeldung von vier von fünf Basler Gymnasien, welche die Lernziele auf der Sekundarstufe 2 nicht erreichen können. Zu gross sind die Defizite, welche die Schüler/-innen von den Sekundarschulen mitbringen. Die Gymnasiallehrpersonen sprechen von einem Defizit, welches zwei Schuljahren entspricht.

Während in den Kantonen Basel-Landschaft und Solothurn alternative Lehrmittel und ein neues Fremdsprachenkonzept evaluiert wird, um das Übel einzudämmen, hält Basel-Stadt an der Passepartout-Ideologie fest. Das Erziehungsdepartement gibt als lapidaren Grund an, neue Lehrmittel müssen immer zuerst Kritik einstecken. In Solothurn müssen die Lehrpersonen die Weiterbildungen für Passepartout nicht mehr besuchen und alternative Lehrmittel werden gesucht; in Baselland wird durch die angespstrebte freie Wahl der Lehrmittel die Nutzung der Passepartout-Lehrmittel hoffentlich eingeschränkt.

Die Gymnasiallehrer müssen vielfach Basics repetieren, weil die Schüler/-innen die Lehrpersonen oft nicht verstehen und der mündliche Austausch schwerfällt. Das Problem liegt laut Daniel Goepfert (SP-Grossrat und ehemaliger Französisch-Gymnasiallehrer) an der Ideologie, die Passepartout verfolgt. Angepriesen wurde mit der Reform ein "Sprachbad" für die Schulkinder, in welchem sie spielend und ohne Struktur die Fremdsprache erlernen sollen. Problematisch ist nur, dass mit zwei bis drei Stunden Französisch pro Woche kein Sprachbad imitiert werden kann. Ausserdem macht es wenig Sinn, bereits im dritten Primarschuljahr mit der ersten Fremdsprache zu beginnen, da in diesem Alter besser das Deutsch noch gefestigt werden sollte.

Dass nun auch immer mehr Gym-Lehrpersonen und Universitäts-Professoren/-innen das Ausmass der Passepartout-Misere erkennen, ist kein Wunder, sondern war voraussehbar.

Quelle: Basler Zeitung, 26. März 2019 von Franziska Laur


Lehrkräfte im Korsett der Lehrmittel

Ein «Mist» sei das, nervten sich Politiker, Lehrkräfte und Eltern im Kanton Basel-Landschaft. Sie meinten das Projekt «Passepartout» und seine Lehrmittel in den Fächern Französisch und Englisch. Dessen Bilanz ist in der Tat dürftig: wenig Lernerfolg, viel Frust. Deshalb reichten besorgte Bürger im März 2016 eine Initiative ein, die den «Ausstieg aus dem gescheiterten ‹Passepartout›-Fremdsprachenprojekt» und ein Verbot von dessen Lehrmitteln fordert.

Im vergangenen Februar hiess der basellandschaftliche Landrat die Initiative knapp gut. Vor kurzem hat nun der Bildungsrat seine Empfehlungen zur Umsetzung in die Anhörung geschickt. Er schlägt eine freie Wahl der Lehrmittel vor: Jede Lehrperson soll künftig aus einer kantonalen Liste von Lehrmitteln frei auswählen können. Es sei ihm ein ausdrückliches Anliegen, schreibt dazu der Bildungsrat, «jeder Lehrperson in möglichst allen Fächern und Schulstufen ein methodisch und didaktisch vielfältiges Angebot an Lehrmitteln zur Auswahl zu stellen». Das Ziel, das er mit dieser «geleiteten Lehrmittelfreiheit» verfolgt, ist auf die Volksschule der gesamten Deutschschweiz anwendbar: Die fachlich-berufliche Verantwortung der Lehrpersonen und ihre Methodenfreiheit sollen gestärkt werden.

Jedem Kanton seine Lehrmittel

Kaum sind in den Kantonen die Wogen um Harmos, den Lehrplan 21 und den Sprachenunterricht in der Primarschule verebbt, geraten somit die Lehrmittel in den Fokus. Am Projekt «Passepartout» sind neben Basel-Landschaft sechs weitere Kantone beteiligt: Basel-Stadt, Bern, Solothurn, Freiburg, das Wallis und Graubünden, wobei die Bündner nur das Englisch-Lehrmittel verwenden. Lehrkräfte und Schüler müssen sich im engen Korsett eines auf breiter Basis als untauglich empfundenen Einheitslehrmittels bewegen. Kritik gibt es in allen beteiligten Kantonen. Sie führt dazu, dass die «Passepartout»-Lehrmittel nachgebessert oder – etwa per Volksentscheid in Basel-Landschaft – wieder abgeschafft werden.

Die Diskussion um Qualität und Auswahl der Lehrmittel betrifft indes alle 21 Deutschschweizer Kantone sowie das Fürstentum Liechtenstein. Sie sind der Interkantonalen Lehrmittelzentrale angeschlossen, welche die Angebote der Lehrmittelverlage zusammenfasst und eine Übersicht über die in den Kantonen eingesetzten Lehrmittel liefert. Längst nicht in jedem Kanton gibt es, wie etwa in Zürich, einen eigenen Verlag. Doch jeder Kanton entscheidet für sich, welche Lehrmittel in seinen Schulen eingesetzt werden können oder müssen. Dabei besteht, wie das üblich ist in der föderalistischen Schweizer Bildungslandschaft, eine kunterbunte Vielfalt. Eine kantonsübergreifende Lehrmittelpolitik ist nur gerade in Ob- und Nidwalden ersichtlich.

Monokultur statt Methodenfreiheit

Von Lehrmittelfreiheit, wie sie der Baselbieter Bildungsrat vorschlägt, kann in manchen Kantonen keine Rede sein. «In der schulischen Realität existieren rigide Vorschriften zur Wahl der Lehrmittel. Das führt dazu, dass die Methodenfreiheit eingeschränkt wird, die gemäss Lehrplan 21 eigentlich gewährleistet sein muss», sagt der Bündner Sprachdidaktiker und Sekundarlehrer Urs Kalberer. Er kritisiert intransparente Beschaffungsentscheide, bei denen andere als pädagogische Interessen mitspielen können, und beklagt sich über Monopollehrmittel, welche die Lehrkräfte bevormunden.

Kalberer, der den Blog «Schule Schweiz» betreibt, ist überzeugt: «Lehrmittel kontrollieren den Unterricht viel effizienter als ein Lehrplan.» Würden Einheitslehrmittel eingesetzt, fördere diese eine didaktische Monokultur in den Schulen.

Als besonders störend empfindet er den Lehrmittelzwang bei den Sprachen. Das gelte nicht nur für Französisch und Englisch, sondern auch für Deutsch, etwa in den Kantonen Graubünden, Wallis und Zug, wo ein einziges Lehrmittel im Einsatz ist. Kalberer taxiert es als «unbrauchbar». Unbefriedigend sei die Situation auch bei neuen Fächern des Lehrplans 21: In den Bereichen Geschichte, Geografie, Medien und Informatik oder bei Wirtschaft/Arbeit/Haushalt müsse man angesichts der geringen Auswahl an Lehrmitteln nehmen, was erhältlich sei. In manchen Kantonen sei ein einziges Geschichtsbuch im Einsatz, das inhaltlich überladen und dessen Sprache zu schwierig sei.



Auswahl der Lehrkraft überlassen

Mit seiner Kritik steht Urs Kalberer nicht allein da. «Lehrpersonen der Volksschule sind in der Wahl ihrer Lehrmittel und Lehrmethoden stark eingeschränkt», bestätigt Beat Schwendimann vom Dachverband der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH), wo er die pädagogische Arbeitsstelle leitet. In den meisten Kantonen werde das Lehrmittel vorgegeben.

Der LCH fordert deshalb seit Jahren, dass Lehrpersonen das passende Lehrmittel frei oder aus einer anerkannten Liste auswählen können. «Niemand kennt eine Klasse besser als deren Lehrperson», sagt Schwendimann. Deshalb solle die Lehrkraft entscheiden können, welches Lehrmittel und welche Lehrmethode sich für eine Klasse am besten eigneten. Beat Schwendimann würde es begrüssen, wenn die Empfehlung des Baselbieter Bildungsrats auch in anderen Kantonen umgesetzt würde. Handlungsbedarf sieht er zudem bei den Zulassungsbedingungen für Lehrmittel in der Volksschule: «Bis heute fehlt ein allgemeinverbindliches Verfahren auf sprachregionaler Ebene.»

Freiheit nicht eingeschränkt

Eine andere Sichtweise nimmt die Pädagogische Hochschule Zürich ein. «Im Grundsatz besteht eine grosse Lehrmittelfreiheit in der Deutschschweiz», sagt Alexandra Totter, die stellvertretende Leiterin des Zentrums für Schulentwicklung. Obligatorische Lehrmittel seien zwar unterrichtsleitend, die Methodenfreiheit werde jedoch nicht eingeschränkt. Totter ist überzeugt, dass sich die neuen Lehrmittel «im Vergleich zu früheren Schulbüchern enorm weiterentwickelt haben und den Lehrpersonen ein sehr breites methodisches Spektrum eröffnen». Zudem dürften die Lehrpersonen ergänzend zu den obligatorischen Lehrmitteln auch andere Unterrichtsmittel einsetzen.

Alexandra Totter bestätigt, dass grosse kantonale Unterschiede bestehen. Während etwa der Kanton Bern obligatorische Lehrmittel nur für Mathematik und die Fremdsprachen vorschreibe, tue dies der Kanton St. Gallen für neun Fächer. Zürich befinde sich im Mittelfeld: Hier gebe es ein Obligatorium für Deutsch, Französisch, Englisch, Mathematik, Natur und Technik sowie Religionen, Kultur und Ethik.

Praxistauglich: Ja oder Nein?

Marcel Gübeli, der die interkantonale Lehrmittelzentrale leitet, beobachtet seinerseits eine Tendenz in Richtung Öffnung, was dem Eindruck Kalberers, zunehmend Einheitslehrmittel verwenden zu müssen, ebenfalls widerspricht. «Selbst bei Fremdsprachen und Mathematik, wo früher überall Obligatorien bestanden, werden heute teilweise Alternativobligatorien definiert», sagt Gübeli. Insgesamt stelle er fest, dass grundsätzlich in allen Kantonen eine hohe Mitsprache der Lehrpersonen bei der Auswahl der Lehrmittel bestehe. Dabei werde besonders auf die Praxistauglichkeit geachtet. Daran habe auch der Lehrplan 21 nichts geändert.

Urs Kalberer sieht dies anders. Er verweist auf die pädagogischen Hochschulen, die teilweise «weltfremde Methoden aushecken und den Verlagen vorschreiben, wie die Lehrmittel auszusehen haben». Auch deshalb freue er sich über die Empfehlungen des basel-landschaftlichen Bildungsrats: «Sollten sich diese auf breiter Basis durchsetzen, würde die Macht der pädagogischen Hochschulen beschnitten, und die Verlage wären wieder freier, Lehrmittel zu produzieren, die in der Praxis bestehen.»

[Quelle: NZZ vom 22.12.2018]
 
 

Landrat schreibt Petition ab

Die von nur rund 40 Primarlehrpersonen unterschriebene Petition zum Erhalt der Passepartout-Lehrmittel Mille Feuilles und New World wurde vom Landrat mit 75 zu 0 Stimmen zur Kenntnis genommen und abgeschrieben. Damit ist die Petition endgültig weg vom Tisch. In der vorberatenden Bildungskommission wollte noch eine Minderheit die Petition als Postulat überweisen. Ein entsprechender Antrag wurde aufgrund der Aussichtslosigkeit im Landrat nicht mehr gestellt.

Das klare Verdikt verwundert nicht. Die unter der Federführung von Regina Jäkel Pacchiarini und Lukas Flüeler (Co-Präsidium der Primarlehrerkonferenz PLK) formulierte Petition hat in vielen Primarschulen Kopfschütteln ausgelöst. Die Petition will, dass die unsäglichen und in breiten Kreisen heftig kritisierten Passepartout-Lehrmittel weiterhin als Hauptlehrmittel eingesetzt werden. Faktisch fordert die Petition zudem ein Verzicht von handfesten und überprüfbaren Lernzielen. So soll es z.B. keine Wort- oder Grammatiklisten geben. Das Co-Präsidium der PLK strebt offenbar eine Primarschule an, in welcher keine klaren Inhalte als Lernziele vorgegeben werden sollen. Offensichtlich hätten sie gerne einen Blankoschein, um an den Primarschulen in Französisch und Englisch keine klaren und überprüfbaren Lernziele erreichen zu müssen. Damit disqualifizieren sich Jäkel und Flüeler selber, zumal der Evaluationsbericht der durchgeführten Leistungschecks in den sechsten Primarschulen ein vernichtendes Ergebnis brachte. Rund zwei Drittel der Schüler/-innen verfehlen in Französisch die Lernziele massiv.

Mit dem klaren Abstimmungsergebnis drückt der Landrat zum wiederholten Male aus, dass die unbrauchbaren Passepartout-Lehrmittel Mille Feuilles, Clin d’oeil und New World möglichst rasch ersetzt werden sollen.
 
 

Gastkommentar von Felix Hoffmann (Sekundarlehrer und Mitglied der Starken Schule), erschienen in der bz am 16.10.2018

Die SP steht sich in der Bildungspolitik selber im Weg

Gut drei Jahre sind verstrichen seit der Abwahl des SP-Regierungsrats Urs Wüthrich. Seither leckt die Partei vor allem ihre Wunden. Doch nun scheint sie in der Bildungspolitik neue Akzente zu setzen. Der erste Blick darauf ist verheissungsvoll, der zweite ernüchternd.

Während Wüthrich seinen Kritiken aus der Lehrerschaft noch mit juristischen Schritten drohte, schlägt Miriam Locher, Fraktionspräsidentin der Baselbieter SP, nun ganz neue Töne an. So forderte sie, die Unzufriedenheit der Mehrheit der Lehrkräfte mit Passepartout zu respektieren. Sie verlangt Mitsprache der Lehrpersonen bei der Auswahl neuer Schulbücher. Und weltweit anerkannte Französisch- bzw. Englischlehrmittel sollten ergänzend zugelassen werden.

Dieses ist alles umso erstaunlicher, als dass die totalitäre Passepartout-Fremdsprachenideologie ursprünglich allen Lehrkräften aufgezwungen wurde in Kombination mit einem totalen Verbot aller anderen Lehrmittel. Aber auch die geforderten stofflichen Schnittstellen zwischen Primar und Sek. 1 sind zu begrüssen, denn sie sind unerlässlich für einen erfolgreichen Fremdsprachenunterricht. Dass auch Passepartout-Lehrmittel zur Anwendung kommen sollten, um die Ziele des Lehrplans zu erreichen, ist ein Widerspruch in sich selbst, da genau dies mit jenen Büchern nicht möglich ist, zumal Schnittstellen mit ihnen nicht zu definieren sind. Der Fairness halber sollte erwähnt werden, dass Frau Locher nur deshalb fordern kann, die Lernenden müssten Stoffziele erreichen, da diese dank des beharrlichen Einsatzes der Starken Schule beider Basel überhaupt in den Baselbieter Lehrplan aufgenommen wurden.

Lehrperson sollten bei der Auswahl neuer Lehrmittel nicht nur partizipieren, sie sollten sie wählen. Denn sie sind mit ihrer Erfahrung am besten dafür qualifiziert. Nachdenklich stimmt der Aufruf zur Eile, nachdem die SP Passepartout seit sieben Jahren durch alle Böden hindurch verteidigt, was sie noch immer tut. Denn die besten, international bewährten Lehrmittel sollen nur als gelegentliche Ergänzung nicht aber als Leitlehrmittel geduldet werden. Miriam Locher will offenbar nur Passepartout- bzw. damit verwandte Lehrmittel als offizielle Schulbücher akzeptieren. Wie keine andere Partei steht die SP für Chancengleichheit. Doch genau die verhindert sie mit ihrem Festhalten an Passepartout. Es sind nämlich die gebildeten und damit meist auch betuchten Eltern, die ihrem Nachwuchs erfolgreichen Privat-Fremdsprachenunterricht als Ersatz zum schulischen bieten können. Bildungsferne Eltern haben diese Chance eher nicht.

Ein weiterer Verstoss gegen die Chancengleicheit liegt vor, wenn Schüler A im Rahmen von Passepartout kaum Fremdsprachen lernt, während Schülerin B Glück hat, weil sich ihr Lehrer nicht an diese Ideologie hält. Chancengleichheit leitet die SP ab von ihrem Dogma der uniformen "Gleichheit der Menschen". Folglich verteidigt sie die Passepartout-Ideologie mit den für alle Lehrkäfte und Lernenden uniform verbindlichen Büchern vebrunden mit dem bis vor kurzem totalen Verbot aller anderen Lehrmittel.

Das Dogma der "Uniformität der Menschen" als Teil des linken Selbstverständnisses macht die SP empfänglich für totalitäre, ausschliessende und auf Gleichmacherei basierende Konzepte in der Bildungspolitik. Damit dient sie letzlich Dogmen und Ideologien, nicht aber Menschen. In der Folge steht diese Partei sich selbst und den Schwächsten in unserer Gesellschaft im Wege. Denn gerade die Schwächsten, abaer auch das grosse gesellschaftliche Mittelfeld bräuchten die SP. So verliert die Linke an die Rechte.

 
 
Ergebnisbericht Check P6 der Universität Zürich

Mit Mille feuilles erreichen viele Schüler/-innen die Lernziele nicht

Die Ergebnisse der durchgeführten Leistungstests P6 im Kanton Basel-Landschaft sind im Fach Französisch erschreckend, wie der Ergebnisbericht des beauftragten Instituts für Bildungsevaluation der Universität Zürich feststellt.

Im Fach Französisch (Bereich Hören) erreichen 62% der Schüler/-innen die geforderte dritte Kompetenzstufe nicht, im Bereich Lesen verfehlen gar 63% die Lernziele. Die niedrigste Kompetenzstufe I erreichen nur tiefe 14% (Bereich Hören) resp. 19% (Bereich Lesen). Nur die zweitniedrigste Kompetenzstufe erreichen 48% (Bereich Hören) resp. 44% (Bereich Lesen). Insgesamt verfehlen also knapp zwei Drittel die gemäss Lehrplan vorgesehenen Kompetenzen der Kompetenzstufe III bis zum Prüfungstermin im Oktober 2017. Und würden die Primarlehrpersonen neben dem Lehrmittel Mille feuilles nicht jede Menge eigenes Unterrichtsmaterial einsetzen, so wären die Ergebnisse zweifelsohne nochmals deutlich schlechter ausgefallen.

Diese schlechten Ergebnisse offenbarten die Leistungschecks P6, die im Oktober 2017 in 168 sechsten Primarschulklassen (insgesamt 2'523 Schüler/-innen) in unserem Kanton durchgeführt wurden. Auch wenn bis zum Ende der Primarschulzeit noch ein gutes halbes Jahr Zeit bleibt, so können die grossen Lücken, welche sich in den ersten knapp dreieinhalb Jahren Französischunterricht aufgetan haben, unmöglich aufgeholt werden: Um die Lernziele einer Kompetenzstufe zu erreichen, werden im Schnitt 15 Monate (abzüglich Ferien) benötigt.

Auch die Fachergebnisse (wie viele Aufgaben richtig resp. falsch gelöst wurden) zeigen in die gleiche Richtung, obwohl bei den Leistungstests P6 im Jahr 2017 nur die Lernziele bis zum Ende der fünften Primarklasse geprüft wurden: In den verschiedenen Kompetenzbereichen wurden die fachlichen Fähigkeiten der Schüler/-innen auf einer Skala von 400 bis 800 Punkten bewertet und auf einen Mittelwert von 600 standardisiert. In Französisch erreichten die Schüler/-innen einen Mittelwert von nur 593 Punkten, in Deutsch sowie in Natur und Technik immerhin je 607 und in Mathematik gute 611 Punkte, was relevant über dem Mittelwert liegt. Gemäss dem für die Evaluation zuständigen Institut der Universität Zürich ist ein Unterschied von mehr als 10 Punkten von Relevanz.

Geprüft wurden in unserem Kanton insgesamt neun Kompetenzbereiche in den Fächern Deutsch, Mathematik, Natur und Technik sowie Französisch. In den beiden Kompetenzbereichen „Französisch Hören“ und „Französisch Lesen“ schnitten die Schüler/-innen aus allen drei Kantonen Solothurn, Basel-Stadt und Basel-Landschaft, die alle mit dem Lehrmittel Mille feuille gearbeitet haben, miserabel ab, wie der von der Universität Zürich herausgegebene Ergebnisbericht nun offenlegt. In der folgenden Grafik sind die Zahlen für den Kanton Basel-Landschaft veranschaulicht.

Schuld an diesem miserablen Ergebnis – hier sind sich alle einig – sind nicht die Baselbieter Primarlehrpersonen, welche eine engagierte Arbeit leisten, sondern das offensichtlich untaugliche Lehrmittel Mille feuilles, welches auf Fachtexten aufbaut und in welchem jeglicher "Roter Faden" fehlt. Dies bestätigen auch sehr viele Aussagen von Sekundarlehrpersonen, welche seit zwei Jahren die Passepartout-Schüler/-innen aus der Primarschule übernommen haben. Oft muss an den Sekundarschulen beim Fremdsprachenlernen praktisch bei null begonnen werden.

Wie tief das Niveau sein muss, zeigt auch folgender Aspekt: Um die erste Kompetenzstufe in Französisch zu erreichen, konnte man einige Fragen auch ohne jegliche Französischkenntnisse beantworten. So wurde zum Beispiel gefragt: "Wer hat den Brief unterschrieben?". Hier musste man einfach die Unterschrift auf dem Brief anschauen und diesen Namen notieren. Und damit es keine Missverständnisse gibt: Die Frage wurde auf Deutsch und nicht etwa auf Französisch gestellt und dies nach fast dreieinhalbjährigem Französischunterricht auf der Primarstufe. Was das mit Kompetenzen in Französisch zu tun hat, bleibt ein Rätsel.

Diese unbefriedigenden Ergebnisse machen die breite Kritik der Lehrpersonen zum Lehrmittel Mille feuilles verständlich: Die von der Bildungsdirektion organisierten Hearings, an welchen über 100 Lehrpersonen der Primar- und Sekundarstufe I teilnahmen, die alle Französisch unterrichten und Erfahrung mit den Passepartout-Lehrmitteln haben, wurde heftige Kritik am Lehrmittel Mille feuilles geübt. Die folgende Grafik (BaZ vom 26. September 2018) zeigt dies eindrücklich: Nur 95 positiven Beurteilungen stehen 505 negative gegenüber. Aus den von der BKSD unter Verschluss gehaltenen Dokumenten, welche der Starken Schule und offensichtlich auch der BaZ zugespielt wurden, fällt zudem auf, dass die Kritik der Primarlehrpersonen in vielen Bereichen mindestens so gross ist wie diejenige der Sekundarlehrpersonen.

 
Der vom Bildungsinstitut der Universität Zürich publizierte Bericht zeigt ebenfalls, dass die Leistungen der Schüler/-innen in den anderen Fächern ansprechend sind: Im Fach Deutsch erreichen von den getesteten Primarschüler/-innen lediglich 27% (Bereich Lesen), 17% (Bereich Schreiben) resp. 26% (Bereich Sprache im Fokus) die Kompetenzstufe III nicht. Ähnlich positiv wie im Fach Deutsch schneiden die Schüler/-innen auch in Mathematik ab. Zu berücksichtigen ist aber, dass ein Vergleich der Kompetenzstufen zwischen den Fächern nicht eins zu eins möglich ist, weil z.B. im Fach Deutsch insgesamt fünf Kompetenzstufen erricht werden können, in Französsich hingegen nur deren vier.

Die Starke Schule hat bereits reagiert: Mit zwei neuen Initiativen sollen die notwendigen Korrekturen realisiert werden. Helfen Sie mit und unterschreiben Sie die beiden Initiativen, die Sie rechts in der blauen Spalte ganz oben herunterladen können. Herzlichen Dank.

[Quellen: Die Detailergebnisse finden Sie im "Ergebnisbericht" in Kapitel 5.2 (Seiten 8 und 9). Die gemäss Lehrplan Volksschule Baselland im Fach Französisch formulierten Kompetenzbeschreibungen (3. – 6. Primarklasse), welche die Schüler/-innen bis zum Abschluss der Primarschule erreichen müssen, entsprechen der Kompetenzstufe III.]
 

Hearings der BKSD bestätigen heftige Kritik der Lehrpersonen

Das Fazit der Auswertung der Ende 2017 stattgefundenen Hearings ist vernichtend: Mille feuilles und Clin d'oeil sind völlig untaugliche Lehrmittel. Mit ihnen als Basislehrmittel können die Lernziele nicht erreicht werden. Lernerfolge erzielen nur diejenigen Lehrpersonen, welche umfangreiche Unterrichtsmaterialien selber herstellen und einsetzen. Die Passepartout-Lehrmittel verstauben zunehmend in den Kästen der Schulzimmer.

Aufgrund der permanenten negativen Berichterstattung, der massiven Kritik seitens der Eltern und Lehrpersonen und der sich auch wissenschaftlich immer mehr erhärtenden Untauglichkeit des dahinterstehenden Konzepts der Passepartout-Didaktik sah sich die Bildungsdirektion Ende 2017 veranlasst, flächendeckende Hearings im Fach Französisch durchzuführen. Eingeladen waren sämtliche Sekundarlehrpersonen, die über einenhalb Jahre Unterrichtserfahrung mit Clind d'oeil verfügten, sowie eine entsprechende Anzahl Primarlehrpersonen, die mit Mille feuilles unterrichten. Insgesamt nahmen über 100 Lehrpersonen teil.

Die BaZ hat die brisanten Resultate nun veröffentlicht. Lesen Sie hier den Artikel vom 26. September 2018.
 
 

Umfrageergebnisse der BKSD sind für Passepartout vernichtend

BKSD-Resultate der Hearings bestätigen: Die Kritik an der Mehrsprachigkeitsdidaktik und den Passepartout-Lehrmitteln Mille feuilles und Clin d'oeil ist heftiger als erwartet. Dass die Kritik an den Passepartout-Lehrmitteln Mille feuilles und Clin d’oeil bei den Lehrpersonen der Sekundarstufe 1 heftig sein würde, wurde erwartet. Weitaus erstaunlicher ist jedoch, dass die Primarlehrpersonen gemäss den Umfrageergebnissen der BKSD ebenfalls erhebliche Kritik äussern, in einigen Bereichen sogar heftiger als die Sekundarlehrpersonen. Ernüchterndes Fazit: Mille feuilles und Clin d’oeil sind völlig untaugliche Lehrmittel. Mit ihnen als Basislehrmittel können die Lernziele nicht erreicht werden. Lernerfolge erzielen nur diejenigen Lehrpersonen, welche umfangreiche Unterrichtsmaterialien selber herstellen und einsetzen. Die Passepartout-Lehrmittel verstauben in den Kästen der Schulzimmer.

Das sechskantonale Projekt Passepartout trat an mit dem Versprechen, den Fremdsprachenerwerb in der Volksschule zu revolutionieren. Dank einer einzigartigen, neuen Unterrichtsmethode – der sogenannten Mehrsprachigkeitsdidaktik – und den eigens dafür entwickelten Lehrmittel „Mille feuilles“, „Clin d’oeil“ und „New World“ sollten die Schüler/-innen in der Lage sein, die Fremdsprachen wie ihre Muttersprache zu erlernen. Die Passepartout-Promotoren versprachen das Blaue vom Himmel.

Aufgrund der permanenten negativen Berichterstattung, der massiven Kritik seitens Eltern und Lehrpersonen und der sich auch wissenschaftlich immer mehr erhärtenden Untauglichkeit des dahinterstehenden Konzepts der Mehrsprachigkeitsdidaktik sah sich die Bildungsdirektion Ende 2017 veranlasst, flächendeckende Hearings im Fach Französisch durchzuführen. Eingeladen waren sämtliche Sekundarlehrpersonen, die über eineinhalb Jahre Unterrichtserfahrung mit „Clin d’oeil“ verfügen, sowie eine entsprechende Anzahl Primarlehrpersonen, die mit „Mille feuilles“ unterrichten. Über 100 Französischlehrpersonen nahmen an den Hearings teil.

Die nun vorliegenden Resultate bestätigen sämtliche groben Mängel, welche die Umfragen der Lehrerverbände in vier Kantonen (BE, SO, GR, BL) bereits vor geraumer Zeit zu Tage gebracht haben. Mit der Mehrsprachigkeitsdidaktik, auf der die bis zu 11mal teureren Passepartout-Lehrmittel basieren, können die Lernziele bei Weitem nicht erreicht werden. Brisant ist, dass an den Hearings nicht nur die Sekundarlehrpersonen heftige Kritik ausübten, sondern auch die Primarlehrpersonen, wie das Balkendiagramm der nun vorliegenden Statistik der BKSD eindrücklich zeigt:

Die Aussagen der Hearingsteilnehmer wurden von der BKSD protokolliert, nach Oberbegriffen geordnet und schliesslich mit Hilfe eines Balkendiagramms visualisiert. Von den 31 Kategorien befinden sich 25 deutlich im Negativbereich:

  • Schlusslicht auf der Negativrangliste ist ausgerechnet der „Wortschatz“, das A und O eines jeden Fremdsprachenunterrichts, denn ohne Wortschatz kommt keine Kommunikation zustande.
  • Die mangelnden „Vertiefungs- und Übungsmöglichkeiten“ auf dem zweitletzten Platz, die „Menge an Themen“, die Sightseeing-Pädagogik und die konsequente Missachtung des universalen Prinzips “vom Einfachen zum Schwierigen” sind weiter dafür verantwortlich, dass es den Lernenden nicht gelingt, die wichtigsten „Grundstrukturen“ aufzubauen und zu festigen.
  • Hinzu kommt die ungenügende „IT-Infrastruktur“, der fehlende „Alltagsbezug“, die viel zu schwierigen „Sprechanlässe“, die komplizierten im Originalzustand belassenen „authentischen Texte“, die einen enormen „Aufwand“ verursachen und die mangelnde „Grammatik“ – alles heftig kritisierte Bereiche, die den Lernerfolg der Schüler/-innen regelrecht verhindern.

Die logische Konsequenz: Die Lernenden sind überfordert und erreichen die Lernziele grösstenteils nicht. Französisch wurde mit dieser Mehrsprachigkeitsdidaktik und ihren Lehrmitteln zum Frustfach Nr. 1. Diese brisanten und eindeutigen Resultate wurden dem Landrat vor der Sitzung vom 8. Februar 2018 vorenthalten. Die Starke Schule ist überzeugt, dass sich der Landrat mit einer noch deutlicheren Mehrheit für den Ausstieg aus der Passepartout-Ideologie ausgesprochen hätte.

Mittlerweile hat die Bildungsdirektorin eine Task Force gebildet und erste Gespräche finden statt. Nach der ersten Auslegeordnung sind wir zuversichtlich, dass es gelingen wird, eine sinnvolle Gesetzesvorlage auszuarbeiten, welche die Grundanliegen der Initiative „Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenprojekt“ umsetzt. Auch der von der BKSD bereits publizierte Fahrplan erachten wir als sinnvoll. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, sind aus Sicht der Starken Schule folgende Schritte erforderlich:

  • Der Passepartout-Staatsvertrag läuft im Juni 2018 aus – und damit auch der Passepartout-Lehrplan und mit ihm die Mehrsprachigkeitsdidaktik. Die Ideologie des Sprachbades und die damit verbundenen authentischen, im Originalzustand belassenen und somit viel zu schwierigen und demotivierenden Texte ist zu verzichten. Die Starke Schule befürwortet den Entscheid, den auslaufenden Passepartout-Staatsvertrag nicht zu erneuern.
  • Neu muss der Lehrplan Volksschule Baselland auch in den Fremdsprachen Französisch und Englisch verbindliche Stoffinhalte und klar definierte Jahresziele beinhalten.
  • Der Fremdsprachenunterricht hat sich wieder an international anerkannten Unterrichtsmethoden zu orientieren. Dazu gehören
    - Lehrmittel mit einem strukturierten Aufbau, der dem allgemeingültigen Prinzip vom „Einfachen zum Schwierigen“ folgt,
    - ein gezielter Aufbau eines kinds- und jugendgerechten Alltagswortschatzes,
    - Themen, die sich an der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen orientieren und dem Lernstand der Schüler/-innen.

Lehrmittel mit entsprechenden Texten, die auf diesen zentralen didaktischen Elementen basieren, sind notwendige Bedingungen für einen gelingenden Fremdsprachenunterricht. Sie ermöglichen den Schüler/-innen frühe Erfolgserlebnisse, wirken motivierend und machen Lust auf mehr. Die Passepartout-Lehrmittel sind deshalb so rasch wie möglich zu ersetzen, spätestens auf das Schuljahr 2020/21.

Die Auswertung des Kantons mit den protokollierten Ergebnissen können Sie hier herunterladen.
 
 

Wiederkehrende Schulreformen und ihre Ursachen

Das gescheiterte Fremdsprachenkonzept, Passepartout, steht stellvertretend für so viele unbedarft eingeführte Reformen im Bildungswesen. Die Ursachen dafür, dass es immer wieder zu solch teuren und schädlichen Leerläufen im Schulbereich kommt, sind vielschichtig und zugleich systemimmanent.

Über Schulreformen als Profilierungsmöglichkeit für die Politik wurde bereits ausgiebig geschrieben. So auch über den Wandel der öffentlichen Schule zum Absatzmarkt für die Produkte der mittlerweile florierenden Reformindustrie. Ebenfalls thematisiert wurden Schulreformen mit der Funktion eines Stellengenerators im Bereich der Schuladministration und der Fachhochschulen. Und auch der durch die OECD betriebene, aber demokratisch nicht legitimierte Umbau der öffentlichen Schule nach marktwirtschaftlichen Prinzipien wurde erläutert.Was allerdings schulinterne Ursachen betrifft, sind zunächst die Lehrenden in der Verantwortung. Einige unter ihnen beschreiten den Weg des geringsten Widerstandes, indem sie wider besseren Wissens versuchen, auch schädliche Reformen umzusetzen. Dabei ignorieren sie ihre eigene auf Unterrichtserfahrung fussende Expertise, um nicht auszuscheren und sich in der Folge vielleicht rechtfertigen zu müssen. Für die öffentliche Schule und deren Schülerschaft von Vorteil wäre in diesem Zusammengang mehr Zivilcourage. Reformen nämlich, ob gut oder schlecht, werden letztlich nicht in direktorialen Amts-, sondern in Schulstuben umgesetzt.

Der Zivilcourage abträglich sind freilich Verantwortungsträger, die sich mit Nachdruck in erster Linie als Vollstrecker bildungsministerialer Anregungen verstehen, ohne letztere kritisch zu hinterfragen. Besonders gewogen ist derlei Führungspersonal folglich den erfreulicherweise wenigen Lehrpersonen, die sich selbst der Durchsetzung nachteiliger Veränderungen andienen. Sie tun dies beispielsweise, indem sie sich als Kurskader in den Dienst der Verbreitung fragwürdiger Didaktiken innerhalb der Lehrerschaft stellen.

Die Motivation hierfür ist selten missionarischem Sendungsbewusstsein geschuldet. Denn der kollektiven Empfänglichkeit für reformerische Ideologien steht der bekanntlich ausgeprägte Individualismus des Lehrpersonals entgegen. Eher geht es den Betroffenen möglicherweise um den Versuch, der vielleicht als monoton empfundenen Unterrichtsroutine zu entfliehen, indem sie sich zur Abwechslung vorübergehend in der Erwachsenenbildung betätigen. Ein anderes Motiv besteht trotz Jahren des Unterrichtens womöglich auch im Wunsch nach eigener Profilierung.

Auf schuladministrativer Ebene zu bemängeln ist das Fehlen eines grundsätzlichen bzw. finanziellen Controllings. Passepartout beispielsweise wurde flächendeckend eingeführt ohne vorgängig evaluierte Pilotprojekte, also ohne relevante Erfahrungswerte. Allein im Kanton Baselland belaufen sich die Kosten dieser Ideologie auf bisher fast 13 Millionen. Anhand der Bevölkerungszahlen aller sechs Passepartout Kantone hochgerechnet, belaufen sich die Gesamtkosten somit auf weit über 100 Millionen. Diese Gelder sind definitiv in den Sand gesetzt, wie Unterrichtserfahrungen, diverse Austauschrunden, Eltern- und Schülerinnenfeedbacks, Evaluationen und Studien belegen. Hier wurdeGeld verschleudert von Leuten, die es nicht selbst verdienen mussten.

Auf exekutiver Ebene auffallend ist die umgekehrte Hierarchisierung der Entscheidungsprozesse. So hat ausgerechnet die Lehrerschaft mit ihrem Erfahrungspotential und Fachwissen keine Mitbestimmung beim Beschluss von Schulreformen. Die diesbezüglichen Entscheidungen fallen auf der Ebene der Erziehungsdirektionen. Diesen allerdings gehören grösstenteils Juristinnen oder Ökonomen an ohne nennenswerte Berührungspunkte mit dem täglichen Schulbetrieb. Hier wäre ein Ausbau partizipatorischer Möglichkeiten der Lehrerschaft dringend notwendig, um Fehlentwicklungen à la Passepartout künftig zu verhindern.

Doch so verheerend sich eine verfehlte Reform auf die Schulbildung unseres Nachwuchses auswirkt, zeitigt sie im Falle von Passepartout doch auch einen erfreulichen Effekt für das Baselbiet. Der bevorstehende Übungsabbruch, welcher der Beharrlichkeit der Starken Schule und vieler Lehrkräfte zu verdanken ist, verschafft unserem Kanton einen Standortvorteil; in dem Sinne notabene, dass hier bald wieder flächendeckend seriös und damit erfolgreich Fremdsprachen gelehrt und gelernt werden. Die anderen fünf Passepartout Kantone werden das Nachsehen haben, wenn sie nicht nachziehen.

Felix Hoffmann, Sekundarlehrer in Baselland
 
 

Das Konzept Passepartout ist schlecht

Die Kontroverse hat sich im Moment etwas gelegt. Die Frage nämlich, mit welcher Zweitsprache unsere Kinder beginnen sollen: mit Englisch oder mit Französisch. Ich sage, halb im Ernst, halb im Scherz: French first, l’Anglais ensuite. So ist es in den beiden Basel, und das ist gut so. Französisch ist für uns eine Landessprache, Mesdames et Messieurs. Eine andere Kontroverse tobt dafür mit unverminderter Heftigkeit. Es stellt sich hier die Frage nach adäquaten Lehrmitteln für diesen Frühbereich. Diesbezüglich sieht es für Französisch düster aus. Aufgrund eigener Anschauung, Leserbriefen, Kommentaren und Landratsvoten stelle ich fest: Das Konzept Passepartout ist das schlechteste Lehrmittel für Französisch. Das ist nun nicht «tant de bruit pour une omelette», sondern ein deplorabler Zustand, den es zu beseitigen gilt. Et voilà.

Nun gehen die Ansichten, wie man Fremdsprachen lernt und was ein gutes Lehrmittel ist, auseinander, und sie können sich im Lauf der Zeit auch ändern. Aber die didaktischen Grundlagen und die Einsicht ins Lernen bleiben sich doch mehr oder weniger gleich. Ohne Systematik geht es nun mal nicht, und auch hier gilt: ohne Fleiss kein Preis. Oder: üben, üben, üben. Keiner gibts den Lernenden im Schlaf und ein «Sprachbad» lässt sie lediglich ertrinken. Auch hier muss la mesure gelten: das richtige Mass, die Ausgewogenheit, das gemässigte, aber stete Arbeiten an und in der Sprache, das Kennenlernen der inneren Strukturen eines fremden Idioms. Sie lässt sich auch nicht wie eine Muttersprache lernen.

Unsere Lehrerinnen und Lehrer geben sich mit Passepartout die grösste Mühe, doch es ist vergebliche Liebesmüh. Die Kinder scheinen sich nicht zu interessieren, haben keine Freude am Sprechen, kommen bei diesem Wirrwarr nicht draus und verstehen den komplizierten Wortschatz nicht, der ihnen zugemutet wird. Ja, mir scheint, selbst der «Hösli», mit dem ich einst an der Realschule Waldenburg Französisch gelernt hatte, sei besser gewesen. Natürlich trug auch unser strenges, aber um originelle Ideen nie verlegenes «Fräulein Tschopp» viel dazu bei (Lehrkräfte hatten damals noch mehr Freiheiten als heute). Ihre «choux à la crème», zum Beispiel, die sie mit uns nach Rezept im Lehrbuch und nur Französisch sprechend, gebacken hatte, bleiben mir für immer unvergessen. Dank ihr und dem «Hösli» vermochte ich auch gleich zu Beginn meiner Neuenburger Jahre ganz passable Sätze zu sprechen ( «Jai … oublié … mon … manteau», auch unvergesslich). Bei Fräulein Tschopp lernten wir auch, dass man «lä täble», «lä cärte» und nicht das schwerfällige Schweizerdeutsch-Französisch «laa taable», «laa caarte» ausspricht.

Vor noch nicht allzu langer Zeit gab es das ausgezeichnete Lehrmittel «Bonne Chance». Ich bin geneigt zu kalauern: «Bonne Chance» war mille fois besser als das heutige «Mille Feuilles». Sans blague. «Bonne Chance» enthielt alle Grundlagen für einen erfolgreichen Unterricht einer unserer Landessprachen. Der Aufbau war so angelegt, dass er sanft, ja spielerisch begann, aber immer mit Vokabeln aus dem Grundwortschatz versehen, der Grammatik, der Syntax und der Aussprache Rechnung tragend. Die Sprechsituationen und Szenen waren kindgerecht, denn unter dem «Personal» gab es viele Kinder und Jugendliche. Genial war dann das Spiel mit den zwei Stabpuppen Pierrette und Pierrot. Mit ihnen konnten die Kinder ungezwungen, das heisst ohne Scheu sprechen, was ihre Sprachfertigkeit enorm förderte.

Das Besondere war auch, dass die Lerninhalte über zwei Familien vermittelt wurden, die sich verwandtschaftlich nahestanden und Kontakt hatten. Die eine wohnte im ländlichen Bercher im Gros de Vaud, die andere im mondänen Genf. Das gab ausgezeichnete Einblicke ins Leben und Wesen unserer compatriotes romands. Viel Wissenswertes über die romanische Kultur der Westschweiz wurde den Kindern quasi en passant vermittelt. Der dritte Band war dann richtig anspruchsvoll, aber immer dem Aufbau folgend und damit logisch die nötigen «Skills» schaffend.

Mir ist schleierhaft, warum man dieses Lehrmittel, das sich bewährt und alle Voraussetzungen für ein erfolgreiches Lernen erfüllt hatte, wieder verbannt hat. Austauschwochen zwischen Deutsch- und Westschweizer Klassen sind ja auch nicht neu. Wichtig sind sie aber heute, weil das legendäre Welschlandjahr verschwunden ist. Diese Lücke kann die Schule nicht füllen. Man bleibe also bescheidener, hege keine übertriebenen Ambitionen, stelle sich vielmehr in den Dienst unserer Kinder und unserer zwar schwierigen, aber wunderbaren Landessprache Französisch. Quelle élégance. Ein konstruktiver Vorschlag zum Schluss: Man führe wieder «Bonne Chance» ein, und das Glück kehrt in die Klassenzimmer zurück.

Thomas Schweizer, Kolumnist und Autor, ehemaliger Lehrer am Bäumlihofgymnasium

 

Bildungsrat – undemokratische Fehlkonstruktion

Viele der unsäglichen und gescheiterten Reformen in unserem Kanton hat der jetzige Bildungsrat zu verantworten: Beispielsweise Passepartout mit den Lehrmitteln Mille Feuilles, Clin d’Oeil und New World oder die Sammelfächer, welche er gegen den Volkswillen einführen wollte. Auch eine unmögliche Stundentafel mit eineinhalbstündigen Fächern versuchte er durchzusetzen.

Das zentrale Problem besteht darin, dass der Bildungsrat mit zahlreichen Personen besetzt ist, die in ihrem Alltag wenig bis nichts mit Bildung zu tun haben. Sie entscheiden abschliessend im stillen Kämmerlein unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ohne ihre Entscheide vor dem Landrat oder der Bevölkerung rechtfertigen zu müssen. Die Mitglieder des Gremiums müssen keine Verantwortung für ihre Fehlentscheide und massive finanzielle Auswirkungen übernehmen. Sie können sich in der Anonymität verstecken und sich mit Hinweis auf das Amtsgeheimnis jeglicher inhaltlicher und öffentlicher Diskussion verweigern. Das entspricht nicht demokratischen Prinzipien.

Die Mitglieder des Bildungsrates sind selbst für grobe Fehlleistungen nicht belangbar. Das Problem ist nicht die gegenwärtige Fehlbesetzung dieses Gremiums – darauf haben die Stimmbürger/-innen ohnehin keinen Einfluss –, sondern die fehlende Verantwortung, welche die Mitglieder des Bildungsrates nicht übernehmen. Wer aber keine negativen Konsequenzen zu befürchten hat, beachtet die Folgen seines Handelns auch nicht. Und gerade weil der Bildungsrat in letzter Instanz beschliesst, können die Korrekturen seiner Fehlbeschlüsse nur noch mittels aufwändigen Volksinitiativen korrigiert werden. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren und kostet den Steuerzahler viel Geld.

Mit dem Beirat Bildung ersetzen wir den Bildungsrat durch ein professionelles Organ, welches mit ausgewiesenen Bildungsfachleuten besetzt sein wird. Der Beirat Bildung kann somit den Regierungsrat fundiert und professionell beraten. Ein solches Expertengremium benötigt keine Entscheidungskompetenzen, im Gegenteil. Da es nicht abschliessend entscheidet, muss es seine Analysen, Konzepte und Empfehlungen sachkundig und überzeugend begründen, ansonsten fliessen diese nicht in die Entscheidungsprozesse ein. Unüberlegte oder politisch motivierte Schnellschüsse haben so keine Chance umgesetzt zu werden. Die Bildungsdirektion kann in der Folge die stichfest begründeten Empfehlungen des neuen Expertengremiums Beirat Bildung auch nicht missachten. Andernfalls setzt sich die Bildungsdirektorin gewaltigem öffentlichen und politischen Druck aus.

Die notwendigerweise fehlende Entscheidungskompetenz des Beirates Bildung hat zusätzlich eine positive Auswirkung auf dessen Besetzung. Ohne abschliessende Beschlusskraft können Exponenten ferngehalten werden, denen es in erster Linie um die eigene Profilierung oder um die Lust an der Macht geht. Das Fehlen der Entscheidungskompetenz und die Notwendigkeit, mit guten Argumenten zu überzeugen, favorisiert automatisch professionelle Fachleute, die sich aus Interesse an der Sache und nicht aus persönlicher Motivation für ein Mandat im Beirat Bildung zur Verfügung stellen.

Das Gremium Bildungsrat muss im Sinne einer Professionalisierung dringend ersetzt werden. Damit können künftig fahrlässige und nur noch schwer zu korrigierende Fehlentscheidungen mit Langzeitwirkung vermieden werden. Mit der vorgeschlagenen Änderung des Bildungsgesetzes und der nachfolgenden Ablösung des Laiengremiums Bildungsrat durch das Fachgremium Beirat Bildung wird eine offensichtliche und undemokratische Fehlkonstruktion beseitigt.

 

Landrat entscheidet sich für den Ausstieg aus Passepartout

Wichtiger Abstimmungserfolg der Starken Schule beider Basel: Die Mehrsprachigkeitsdidaktik Passepartout, welche seit Jahren von den Eltern und den Lehrpersonen heftig kritisiert wird, steht im Kanton Basel-Landschaft vor dem Aus. Der Landrat hat heute nach langer Diskussion in der Schlussabstimmung überraschend deutlich mit 47 zu 36 Stimmen bei zwei Enthaltungen die Initiative "Stopp dem verheizen von Schüler/-innen: Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenprojekt" der Starken Schule befürwortet.

Die Fraktionen SVP, FDP und glp/Grüne-Unabhängige sowie Teile der CVP/BDP befürworteten die Annahme der Initiative. Ausschlaggebend für die positive Kehrtwende waren offensichtlich die einleitenden Informationen der Bildungsdirektion, welche die massive Kritik an den Passepartout-Lehrbüchern bestätigte. Seit längerer Zeit verstauben die sehr teuren Einweglehrmittel in den Kästen der Klassenzimmer und werden immer weniger eingesetzt. Vermehrt verwenden die Lehrpersonen andere Lehrmittel oder die eigenen Arbeitsunterlagen. Dadurch werden Millionen verschleudert.

Regierungsrätin Monica Gschwind muss nun eine Gesetzesvorlage erarbeiten, welche die unformuliert eingereichte Initiative umsetzt. Gschwind hätte lieber bis zur Auswertung der Evaluation gewartet, die 2021 durchgeführt wird, bevor sich der Kanton für eine Abkehr des Fremdsprachenkonzepts ausspricht. Da bereits heute viele der Lehrpersonen auf der Sekundarstufe 1 nicht mehr mir den entsprechenden Lehrmitteln (Clin d'oeil und New World) arbeiten, wäre das Ergebnis der Evaluation verfälscht und damit nicht mehr aussagekräftig. Es macht daher Sinn, jetzt die Notbremse zu ziehen.

Zwei Jahre hat die Regierung Zeit, eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten, die dann noch einmal vor den Landrat und danach vors Volk kommt. Der Baselbieter Landrat hat mit seinem mutigen Entscheid ein wichtiges Signal gesetzt, auch an die Adresse der anderen Passepartout-Kantone Basel-Stadt, Solothurn, Bern, Wallis und Fribourg.

 

Gastkommentar von Jürg Wiedemann (Vorstandsmitglied Starke Schule beider Basel, Landrat Grüne-Unabhängige), erschienen in der Basler Zeitung vom 30.01.2018

Eine widersprüchliche Ideologie

Als Reaktion auf Kritik sprachen die Verantwortungsträger kritischen Eltern und erfahrenen Lehrpersonen jahrelang die Urteilskraft ab. Erst aufgrund der unübersehbaren, verheerenden Auswirkungen der Passepartout-Ideologie und des medialen Drucks sah sich Passepartout-Projektleiter Reto Furter gezwungen, sein 50-Millionen-Projekt in einem Interview mit der BaZ zu rechtfertigen. Mit scheinheiligen Beschwichtigungsversuchen, verzweifelten Durchhalteparolen und abenteuerlichen Prognosen demonstriert er einmal mehr, dass das Projektmanagement nicht imstande ist, das untaugliche Konzept der sogenannten Mehrsprachigkeitsdidaktik und die dazugehörenden Lehrmittel "Mille feuilles", "Clin d'oeil" und "New World" ernsthaft zu hinterfragen. Im Gegenteil. Trotz verheerenden Umfragewerte, trotz massiver Kritik anlässlich kantonaler Passeparout-Hearings und trotz andauernder Negativpresse wird auf der mit Steuergeldern finanzierten Passepartout-Website weiterhin ein ideologisch verklärtes Bild vermittelt, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.

Einerseits behauptet das Projektmanagement, man habe die Französischlehrmittel vor der Einführung seriös erprobt. Andererseits wird gefordert, man müsse den Schlussbericht der Evaluation im Jahr 2021 abwarten, um beurteilen zu können, ob sich die flächendeckende Einführung dieser im internationalen Vergleich bizarren Didaktik bewährt habe. Ein klarer Widerspruch in sich selbst. Widersprüchlichkeit ist denn auch eines der Hauptmerkmale der Passepartout-Ideologen:

  • Dank "Sprachbad" seien die Kinder in der Lage, die Fremdsprache wie ihre Muttersprache zu erlernen - ganz ohne "Büffeln". Vier Jahre später verkündet Manuele Vanotti, der für das Passepartout-Projekt im Kanton Basel-Stadt verantwortlich ist, dass es sich um kein "Sprachbad" handle, da die wöchentliche Unterrichtszeit von lediglich zwei bis drei Wochenlektionen viel zu kurz sei. Die Rahmenbedingungen waren allerdings von Beginn an klar, sodass seitens der Passepartout-Ideologen gesunder Menschenverstand gereicht hätte, um gar nie erst die unhaltbare Behauptung eines "Sprachbads" aufzustellen.
     
  • Dank der angeblichen Überlegenheit der Mehrsprachigkeitsdidaktik seien die Kinder schon nach kurzer Zeit darin geschult, sich in der Fremdsprache handlungsorientiert und frei zu äussern. Vier Jahre später muss das Passepartout-Management eingestehen, dass die Kinder nach über 350 Lektionen Frühfranzösisch noch nicht einmal die wichtigsten 300 Wörter beherrschen, also weniger als ein Wort pro Lektion gelernt haben.
     
  • Dank angepriesener Lernstrategien seien die Lernenden fähig, die grammatischen Strukturen zu entdecken und sie sich anzueignen. Nach sechs Jahren sehen sich die Gymnasien im Kanton Bern allerdings gezwungen, den Grammatikteil aus den Aufnahmeprüfungen zu streichen. Die lapidare Begründung: Man kann nicht abfragen, was nicht vorhanden ist.
     
  • Dank vermehrter Sprachvergleiche seien die Schüler/-innen in der Lage, selbst komplizierte Texte zu entschlüsseln. Nach sechs Jahren weist die Mehrsprachigkeitsforscherin Susanne Zbinden jedoch wissenschaftlich nach, dass das Leseverständnis der "Clin d'oeil"-Lernenden signifikant schlechter ist als dasjenige derer, welche die französische Sprache mit Texten gelernt haben, die dem jeweiligen Sprachniveau angepasst sind. Und erst nach sechs Jahren hartnäckiger Beratungsresistenz sieht sich der "Schulverlag plus" aufgrund einer Intervention der betroffenen sechs Bildungsdirektor/-innen gezwungen, "Mille feuilles 5" und "Mille feuilles 6" "substantiell" umzuschreiben. Offensichtlich wird mit der angekündigten Überarbeitung versucht, zu retten, was zu retten ist.

Angesichts dieser verheerenden Bilanz ist es höchste Zeit, die grobfahrlässige Schulutopie Passepartout zu stoppen. Danach kann sich der Fremdsprachenunterricht wieder erfolgreich an der bewährten und international anerkannten Didaktik orientieren. Es darf nicht sein, dass die Passepartout-Verantwortlichen aus Eigeninteressen zulasten der Schülerinnen und Schüler auf Zeit spielen, sei es um des Geldes wegen oder um das eigene Gesicht zu wahren.
 

Gastkommentar von Daniel Vuilliomenet, erschienen in der Basler Zeitung vom 27.01.2018

"Schö nö gombran pa"

Das Wort "Reform" müsste, was die Schule anbelangt, zum Unwort des Jahrtausends erklärt werden, wenn wir all den unter diesem Schlagwort eingeführten Mumpitz der Vergangenheit betrachten würden. Dabei sticht das Projekt Passepartout heraus, sowohl was dessen pädagogische Verdrehtheit als auch seine Kosten anbelangt.

Zuerst steht die inzwischen kläglich revidierte Behauptung im Raum, es handle sich beim neuen Fremdsprachen-Vermittlungskonzept um ein "Sprachbad". Verknüpft mit Sparmassnahmen eines per se klammen Kantons Baselland, kann man höchstens von den "Füssen in der Pfütze" sprechen. Müsste ich meine Körperfplege so einrichten, wie das Sprachbad daherkommt, so würde ich zum Himmel stinken. Zum Glück hat der oberste Verantwortliche für "Passepartout" diesen Anspruch im BaZ-Interview vom Donnerstag mit Franziska Laur revidiert.

Die konstruktivistische Reformitis, die auch andere Fachbereiche der Volksschule erfasste, hat ihre Wurzeln in der Achtundsechziger-Revolte, die schulisch bis heute nachwirkt und sich erst jetzt richtig zu entfalten scheint. Zu nennen ist da nebst den Summerhill-Experimenten des freien Lernens vor allem das Programm "Lesen durch Schreiben" von Jürgen Reichen aus den Siebzigerjahren. Mit einer Buchstabentabelle versehen, konstruieren Erstklässler ihre ersten Schreibergebnisse nach Gehör. So weit, so gut. In einer erziehungswissenschaftlichen falschen Verbeugung vor dem Kind, dem Korrekturen doch (noch) nicht zugemutet werden können, werden diese ersten Schreibschritte belassen. Ein Eingreifen seitens der Erwachsenen ist verboten - das wird auch heute noch per Brief an die betroffenen Eltern so kommuniziert. Damit schleift sich "falsch" Geschriebenes während einer zu langen Zeitdauer ein, eine spätere Korrektur (zum Beispiel erst in der vierten Klasse) ist schwer möglich. Die Begründung für ein derart abartiges Lehrverhaltenn heisst: Alles entwickelt sich zur richtigen Zeit von selbst - Instruktion ist des Teufels! Pädagogik, gegründet auf dem Prinzip Hoffnung.

Genau dieses Lesen-durch-Schreiben-Konzept findet sich nun auch beim Frühfranzösisch. Es wird drauflos geplappert und geschrieben - alles nach Gehör. So kann dann der folgende Satz entstehen: "No, schö nö gombran pa" - ich verstehe nicht.

Kommen die Sechstklässler in die Sekundarstufe I mit Korrekturanspruch, so ist der Ablöscher vorprogrammiert und genau das kann beobachtet werden: Die Kiddies wirken nach wenigen Wochen schulmüde! Kein Wunder - sie wurden wertvolle Jahre an der Nase herumgeführt und werden nun schockartig mit der Realität konfrontiert. Eine kürzlich an mich herangetragene Begründung für das Verweigern von faktenbezogenen Lehren auf der Primarstufe lautete denn auch wörtlich: Wir wollen den Kindern doch nicht das Paradies vorenthalten, dass sie nachher nie mehr haben werden. Man rauft sich nicht nur die Haare!

Es geht noch schlimmer: Eine Kollegin (Lehrperson Sekundarstufe I für Deutsch) behauptete mir ins Gesicht, es gäbe gar keine Rechtschreibekompetenz mehr. Diktate und dergleichen im Fach Deutsch seien definitiv "out". Dies sei auch die Stossrichtung in der Ausbildung von Deutsch-Lehrpersonen an der Pädagogischen Hochschule. Aber hallo?! Bewerbungsschreiben oder Maturarbeiten sowie Semesterarbeiten an der Uni lassen grüssen. Was Gymeler und Studenten trotz Korrekturprogrammen heute abliefern, ist zum Teil haarsträubend, ich durfte selber Einblick erhalten. Die Fragen seien erlaubt: Wollen wir das wirklich? Können wir uns das leisten? Es ist die (inzwischen digitalisiert aufmunitionierte) Arroganz reformpädagogisch argumentierender BildungsschreibtischtäterInnen, die vorgibt, ein heutiges Kind könne viertausend Jahre Wissenschaft und Kultur - Google sei Dank - in neun Schuljahren für sich selber "konstruieren". Daraus leitet sich der Begriff "konstruktivistisch" ab. Die Lehrpersonen verkommen zu Coaches, die den Segen top-down verordneter und auf ideologischem Boden gewachsener Bildungsprogramme kritiklos umzusetzen haben. Was vorher war, ist heute falsch und nicht mehr zu würdigen.

Genau das gibt Reto Furter im erwähnten Interview zu und entlarvt sich damit selber. Beim Programm Passepartout hiess es gleich zu Beginn seiner Umsetzung, dass nur die in 24(!) Halbtagen Weitergebildeten ihre Unterrichtsberechtigung im entsprechenden Sprachfach beibehalten können. Inzwischen krebsen die Verantwortlichen zurück, mit dem verzweifelten Versuch, einen Rest ihres bereits verlorenen Gesichts zu wahren. Masst sich eine erfahrene Lehrerin an, Kritik zu äussern, so gilt sie augenblicklich als ewiggestrig. Ein solch hinterhältiges Regime mit verordneter Gehirnwäsche ist nur aus totalitären Staaten oder bei religiösen Sekten bekannt.
 

Dilettantismus und Geldverschwendung gehen weiter

Die Mitteilung der Bildungs- Kultur- und Sportdirektion, das Französischlehrmittel Mille feuilles zu überarbeiten, ist nicht nur ein Eingeständnis der Untauglichkeit der Passepartout Fremdsprachenideologie, sie ist eine Bankrotterklärung. Die Arroganz der Vertreter/-innen dieses von Beginn an zum Scheitern verurteilten Projekts rächt sich nun. Den Preis dafür zahlt unser Nachwuchs.

Verspätete Einsichten, die längstens vorhanden waren

Die Passepartout Lehrbücher wurden ohne Pilotprojekt flächendeckend eingeführt. Dadurch fehlten von Anfang an die Erfahrungswerte. Es war jedoch von Beginn an offensichtlich, dass bei Passepartout die Alltagssprache zu kurz kommt, und dass sie mit Sprechanlässen aus dem Alltag der Kinder gefördert werden müsste. Dieses Wissen wäre bei den Lehrpersonen abrufbar gewesen. Doch genau deren bisherige Arbeit wurde von den Passepartout Entwicklerinnen und Befürwortern verunglimpft, während die eigene Ideologie als das Ei des Kolumbus verkauft wurde. In Wirklichkeit verhält es sich umgekehrt. Dabei ist es eine pädagogische Selbstverständlichkeit, dass Sprechanlässe sich auf den Alltag der Kinder beziehen müssen.

Vertröstung auf eine ungewisse Zukunft

Die Verantwortlichen dieses absurden Fremdsprachenkonzepts sind nicht gewillt von ihrer Ideologie abzurücken. Um notwendige Änderungen an den Schulbüchern zu erreichen, mussten folglich die Erziehungsdirektoren der sechs Passepartout Kantone beim Schulverlag plus vorsprechen. Im ersten Halbjahr 2018 wird der Erscheinungstermin des zu überarbeitenden Französischlehrmittels Clin d'eoil kommuniziert, es wird dann aber noch lange nicht zur Verfügung stehen. Dabei sind bei anderen Verlagen pfannenfertige Lehrbücher verfügbar, und zwar um einiges preisgünstiger. Ohnehin hat der Schulverlag plus mit seinem dermassen schlechten Lehrmittel jegliches Vertrauen verspielt.

Die Untauglichkeit von Passepartout

Nachzulieferndes Unterrichtsmaterial wie On bavarde oder Vergleichbares hätte gar nie erst fehlen dürfen. Die Vorbereitung auf alltägliche Sprechsituationen ist eine Selbstverständlichkeit eines jeden sinnvollen Konzepts der Fremdsprachenvermittlung. Solche im Nachhinein zu ergreifenden Massnahmen sind ein Beleg dafür, wie dilettantisch die Passepartout Ideologie ist. Mehrere Schülerjahrgänge wurden als Versuchskaninchen missbraucht und zahlen nun den Preis dafür. Im weiteren haben sich die meisten Fremdsprachenlehrpersonen bereits ihre eigenen Kursmaterialien zusammengestellt oder sind gegenwärtig daran, dies zu tun. Selbst wenn sie die Zusatzmaterialien nutzen sollten, werden die bisher zur Verfügung stehenden Lehrbücher in den Schränken bleiben und wegen ihrer Untauglichkeit auch weiterhin nur selten zur Anwendung kommen.

Unsäglicher Aufwand und absurde Kosten für nur ein Schulfach

Die Einbindung des Instituts für Mehrsprachigkeit zur Evaluation des Kenntnisstandes im Fremdsprachenerwerb der basellandschaftlichen Sekundarschüler/-innen ist ein einmaliger Prozess. Noch nie zuvor in unserem Kanton musste wegen der Einführung neuer Lehrbücher von Universitäten wissenschaftlich untersucht werden, ob die Lernenden die Lernziele im Unterricht erreichen. Noch nie zuvor mussten Regierungsräte bei einem Verlag intervenieren zur Durchsetzung notwendiger Änderungen von Schulbüchern, weil die Passepartout-Autorenschaft dazu nicht bereit ist. Noch nie zuvor mussten nach der Einführung neuer Unterrichtsmittel betreffend deren Tauglichkeit Hearings in der Lehrerschaft abgehalten und grossflächige Evaluationen vorgenommen werden. Noch nie zuvor gab es seitens der Bevölkerung, mehrerer Parteien und Gewerkschaften dermassen Widerstand gegen neu eingeführte Lehrwerke. In dieser Hinsicht stellen die Passepartout Schulbücher ein absolut negatives Novum dar. All dies zeigt zum wiederholten Male, dass die Passepartout-Ideologie von Anfang an gescheitert ist. Sie dient ausschliesslich den finanziellen Interessen der Bildungswissenschaften und zweier Schulverlage, nicht aber dem Fremdsprachenerwerb unseres Nachwuchses. Und dennoch ist die Politik nach wie vor nicht bereit, endlich einen Schlussstrich zu ziehen. Es wird weiterhin auf Zeit gespielt und eine Pflästerlipolitik betrieben, um zu retten, was nicht zu retten ist. Die Verschwendung öffentlicher Gelder und das Verheizen unserer Kinder sollte schleunigst gestoppt werden.

Alina Isler, Vorstand Starke Schule
 
 

Passepartout-Lehrmittel fallen bei den Lehrpersonen durch

Die neuartige Didaktik-Ideologie Passepartout, die im Jahr 2012 zuerst an den Primarschulen und seit zwei Jahren an den Sekundarschulen eingeführt wurde, wird seitens Eltern und Lehrpersonen heftig kritisiert, wie kaum je eine andere Reform zuvor. Dies müsste den Verantwortlichen zu denken geben. Floskeln, Passepartout benötige mehr Angewöhnungszeit und jede Neuerung stosse zu Beginn auf Kritik, ist eine billige Verschleierungs- und Hinhaltetaktik – ein Nicht-ernst-Nehmen der Kritik.

Das Hauptproblem ist die hinter Passepartout steckende unsägliche Ideologie, die auf Sprachbad, automatisiertes und selbstorganisiertes Lernen ohne Struktur und roten Faden baut – eine Art Sightseeing: Alles wird nur ein bisschen angetastet ohne fundiertes Erarbeiten und nachhaltiges Einüben. Alles basiert auf der Hoffnung, die Schüler/-innen würden die Zusammenhänge selber erkennen, einfach so aufsaugen und entschlüsseln.

Dieses Hoffnungssystem funktioniert nicht - auch nicht, wenn Bestrebungen im Gange sind, nachträglich etwas alltagstauglichen Wortschatz und Grammatik einzubauen und nun doch vermehrt auf eine korrekte Aussprache und Schreibweise zu achten. Damit sind die Probleme jedoch bei weitem nicht gelöst; die Ideologie bleibt noch immer dieselbe. Durch massenhafte Anweisungen und Reflexionen, ohne dass das Vokabular der Schulkinder dafür vorhanden wäre, werden sie weiterhin masslos überfordert; Lernfortschritte stellen sich kaum ein. Auf der Sekundarschule realisieren die Schüler/-innen, dass sie trotz vier Jahren Französischunterricht faktisch nichts können. Sie sind oft nicht in der Lage, auch nur einfachste Sätze zu sprechen, geschweige denn eine Konversation zu führen. Das Problem sind nicht die Primarlehrpersonen, die sich unbestritten alle erdenkliche Mühe geben; das System funktioniert nicht.

Schüler/-innen können heute mit der neuen Unterrichtsideologie nach vier Jahren Französisch weniger als früher nach zwei Jahren mit der seit langer Zeit bewährten Methode. Die überwiegende Mehrheit der Primarlehrpersonen hat keine Erfahrung – sie unterrichten erst seit Kurzem an den Primarschulen Englisch und Französisch. Die Konsequenzen sind bedenklich. Meist müssen die Sekundarlehrpersonen praktisch bei null beginnen.

Der grosse Profiteur ist die Verlagsindustrie, welche die Passepartout-Lehrmittel herstellt. Sie reibt sich die Hände und freut sich über die lukrativen Aufträge. Die neuen ökologisch fragwürdigen Einweglehrmittel sind denn auch bis zu 11 Mal teurer sind als die Vorgängerlehrmittel.

Die Einführung von Passepartout kostete den Steuerzahler alleine in unserem Kanton 12.5 Millionen Franken. Dieser Betrag ist in den Sand gesetzt und unwiederbringlich verloren. Die Argumentation der Passepartout-Promotoren, wir hätten viel Geld investiert, also müssten wir deshalb bei Passepartout bleiben, ist kurzsichtig und teuer. Ein tolles Rindsfilet, welches im Kühlschrank vergessen wird und vergammelt, essen wir auch nicht mehr, nur weil es halt ziemlich teuer war.

Die Lehrpersonen an den Sekundarschulen erkennen, dass die Passepartout-Lehrmittel nicht zielführend sind, sondern bei den Schüler/-innen nur Frust und Demotivation auslösen. Sie setzen entgegen der Richtlinien vermehrt ihre eigenen Unterlagen ein und kopieren andere Lehrmittel. Die offiziellen und faktisch unbrauchbaren Passepartout-Lehrmittel werden nur sporadisch und pro forma eingesetzt, um sich zu schützen. Damit kann den vorgesetzten Stellen bestätigt werden, sie würden mit den offiziellen Lehrmitteln arbeiten. Volkswirtschaftlich ist das bedenklich. Aber damit korrigieren die Lehrpersonen die Unzulänglichkeit dieser Passepartout-Ideologie und dieser Lehrmittel tagtäglich. Und das ist auch richtig so.

Ohne Not und ohne triftige Gründe ist ein erfolgreiches Fremdsprachenkonzept über den Haufen geworfen und durch eine neue Ideologie namens Passepartout ersetzt worden. Im Juni 2018 haben die Stimmberechtigten die Möglichkeit, mit 2 x Ja zu den Fremdspracheninitiativen der Starken Schule dies zu korrigieren.

Michael Pedrazzi, Vorstand Starke Schule
 

Schluss mit Passepartout!

Schulische Lehrmethoden sind so vergänglich und wiederkehrend wie die Jahreszeiten. In den Achtzigern herrschte das Sprachlabor, im Wesentlichen gesteuerter Einzelunterricht an überdimensionierten Tonbandgeräten. In den Neunzigern kam der Werkstattunterricht, eine Art Postenlauf im Schulzimmer, bei dem die Lernenden selbstständig Aufträge bearbeiteten. Wenig später hatte unser Nachwuchs die individuelle Selbstständigkeit wieder verloren, denn nun konnte er im Rahmen kooperativer Lernformen nur noch miteinander lernen.

Heute ist die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler nicht nur zurückgekehrt, sie hat sich sogar potenziert. Selbstorganisiertes Lernen nennt sich dieses flüchtige Mysterium. Bei diesem Konzept entdecken und erarbeiten sich die Lernenden beispielsweise im Fremdsprachenunterricht Vokabular und Grammatik selbstständig anhand von auch für Lehrpersonen anspruchsvollen, dem jeweiligen Sprachniveau nicht angepassten Texten. Passepartout, so das schön klingende Beispiel für selbstorganisiertes Lernen, bietet folglich weder nennenswerte Erklärungen zur Grammatik oder entsprechende Übungen, noch wird systematisch Wortschatz aufgebaut. Im Sinne der Lernautonomie gilt bei Passepartout: Beobachten, selbstständig analysieren, selber herausfinden und die gewonnenen Erkenntnisse in der Klasse diskutieren und festhalten.

Was bleibt, sind schwierige Texte

Das Kernelement dieses Konzepts lautet «Sprachbad». Damit gemeint ist das einer Fremdsprache dauernde Ausgesetztsein, beispielsweise im fremdsprachigen Ausland. Verbringt man dort genug Zeit, lernt sich die entsprechende Fremdsprache unter anderem mittels Zeitungen, Fernsehen, Radio und Gesprächen mit Einheimischen auch ohne systematische Beschäftigung mit Grammatik und Wortschatz.

Der Umkehrschluss der Passepartout-Ideologen: Entfallen Grammatik, Wortschatz und Systematik im Unterricht, lernt sich die Fremdsprache mittels Sprachbad von selbst. Abgesehen von dieser Unmöglichkeit, lässt sich mit wöchentlich zwei bis drei Lektionen logischerweise kein Sprachbad realisieren. Folglich fehlen bei Passepartout die Grammatik, der Wortschatz, die Systematik und das Sprachbad. Was bleibt, sind die für die Schülerschaft zu schwierigen Texte.

Passepartout ist ein ideologisches Fehlkonstrukt. Die Frage ist, ob die Befürworter über genügend Einfluss verfügen, das Scheitern gegenüber der Öffentlichkeit zu vertuschen, um das Gesicht zu wahren. Ein Versuch in diese Richtung ist das vom Steuerzahler finanzierte digitale Marketing der Zürcher Nemuk AG. Die Firma liefert in der Tat ein Topprodukt.

Doch jedes Marketing muss scheitern, wenn der propagierte Artikel die Macht des Faktischen ignoriert. Eine weitere Möglichkeit der Manipulation könnten Evaluationen bieten, indem hauptsächlich die besten Fremdsprachenlernenden oder gar Muttersprachler getestet würden.

Angesichts der offenkundigen Untauglichkeit des Passepartout-Konzepts und dessen Lehrwerken sowie der vernichtenden Rückmeldungen aus der Schüler-, Eltern- und Lehrerschaft braucht es keine kostspieligen Evaluationen und auch keine halben Lösungen wie teure Ergänzungsmaterialien für nicht funktionierende Schulbücher. Denn was nichts ist, lässt sich nicht ergänzen.

Ideologisches Fehlkonstrukt

Beide Schritte verursachen unnötige Mehrkosten. Die einzige Lösung ist die Lehrmittelfreiheit auf der Sekundarstufe I, wie sie bereits auf der Sekundarstufe II besteht. Niemand kann nämlich besser beurteilen, was in ihrem Fremdsprachenunterricht funktioniert, als die Lehrpersonen, die täglich im Klassenzimmer stehen und dadurch über einen unvergleichbaren Erfahrungsschatz verfügen.

Viele ergänzende Unterrichtsmaterialien haben sie sich im Laufe ihrer Lehrtätigkeit auf eigene Kosten zugelegt. Ansonsten hat der freie Markt längst entschieden, welches die besten und damit am weitesten verbreiteten Schulbücher für Fremdsprachen sind. Diese gibt es dank des Wettbewerbs im Gegensatz zu den teuren und unbrauchbaren Passepartout-Lehrbüchern auch zu vernünftigen Preisen.Das eingangs erwähnte selbstorganisierte Lernen bildet die Grundlage der für Erwachsene angebotenen Fernkurse zur Vorbereitung auf die eidgenössische Maturität. Gemessen an allen Kandidaten, die beginnen, sich via Fernstudium auf die Matura vorzubereiten, bewegen sich die erfolgreichen Absolventen im einstelligen Prozentbereich. Dies nicht etwa, weil die grosse Mehrheit an den Prüfungen scheitert. Nein! Die allermeisten schaffen es gar nicht erst an die Examen.

Sie geben vorher auf, da sie nicht genügend selbstdiszipliniert, also selbstorganisiert lernen können. Selbstorganisiertes Lernen verlangt von Kindern, Pubertierenden und Jugendlichen, woran die allermeisten Erwachsenen scheitern.

Felix Hoffmann, Sekundarlehrer
 

Passepartout ist gescheitert

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Passepartout ist gescheitert. Sämtliche Umfragen aus mehreren Kantonen zeigen das gleiche Bild: Die Schüler/-innen und Schüler verfehlen mit "Mille feuilles" und der neuen Mehrsprachigkeitsdidaktik die Lernziele in sämtlichen Bereichen. Im Hören, im Lesen, im Schreiben, im Wortschatz und selbst im freien Reden, also in demjenigen Bereich, den die

Passepartout-Promotoren immer als Stärke der Passepartout-Schulkinder betonen. Die überwiegende Mehrheit der Schüler/-innen kann auch nach vier Jahren Französischunterricht weder nach dem Weg fragen, noch eine Cola im Restaurant bestellen.

Und gleichwohl ist das Baselbieter Parlament und die Regierung nicht bereit, die Notbremse zu ziehen und sich vom interkantonalen Passepartout-Staatsvertrag zu verabschieden. Umso wichtiger ist die nichtformulierte Volksinitiative "Stopp dem Verheizen von Schülerinnen und Schülern: Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenkonzept" der Starken Schule, die voraussichtlich im März 2018 dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wird. Und bis dahin schaut die Politik weg, weil nicht wahr sein darf, was wahr ist. Denn diese neue Mehrsprachigkeitsdidaktik und das teure und unbrauchbare Einweglehrmittel "Mille feuilles" hat Millionen gekostet. Dies zu stoppen, wäre ein Eingeständnis, dass Millionen Franken von Steuergeldern verbraten wurden. Deshalb verkündet man von offizieller Seite Durchhalteparolen und beschwichtigt die Kritiker mit Phrasen wie "es sei noch zu früh, um definitiv zu urteilen". Dabei ignoriert man, dass mit jedem weiteren Jahr ein weiterer Jahrgang von Schulkindern diesem Passepartout-System zugeführt und damit "verheizt" wird.

Regina Werthmüller, Landrätin und Vorstandsmitglied Starke Schule
 

 

Wunschdenken und Wirklichkeit klaffen weit auseinander

Das Projekt Passepartout und die zugehörige Theorie der Mehrsprachigkeitsdidaktik sind beim Elchtest grandios durchgefallen. Wunschdenken der Passepartout-Promotoren und Wirklichkeit klaffen weit auseinander: Im Fach Französisch zeigt sich sowohl bei den rezeptiven als auch den produktiven Kompetenzen der 7. Klässler/-innen, dass die vollmundigen Versprechungen der Passepartout-Verantwortlichen nicht einmal ansatzweise erfüllt werden. Dies belegen die jüngsten Resultate einer repräsentativen Umfrage des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland (LVB) bei den Englisch- und Französischlehrpersonen, die zurzeit eine erste Sekundarschulklasse in Französisch und/oder Englisch unterrichten; also denjenigen Fachexpertinnen und -experten, welche tagtäglich direkt mit der Mehrsprachigkeitsdidaktik im Schulzimmer zu tun haben und diese damit am besten beurteilen können. An der Umfrage nahmen mit 55 direkt involvierten Lehrpersonen eine beachtliche Anzahl teil. Die Ergebnisse müssen als höchst aussagekräftig bezeichnet werden.[1]

Die Starke Schule beider Basel fordert den Ausstieg aus dem Projekt Passepartout per Mitte 2018 und bittet den Landrat die Motion 2017/060 von Landrat Jürg Wiedemann (Grüne-Unabhängige) „Das realitätsferne Passepartout-Projekt und die Theorie der Mehrsprachigkeitsdidaktik sind gescheitert“ als verbindlicher Auftrag zu überweisen. Die Motion ist für die kommende Landratssitzung vom 16. März (Fortsetzung am 23. März) traktandiert. Landrätin Regina Werthmüller wird am kommenden Donnerstag zusätzlich eine ergänzende Motion einreichen, mit welchem die Regierung gebeten wird, bis zu den anstehenden Volksentscheiden im Zusammenhang mit dem Fremdsprachenunterricht auf der Primar- und Sekundarstufe 1 den im 2018 auslaufenden Passepartout-Staatsvertrag mit den Passepartout-Kantonen Basel-Stadt, Solothurn, Bern, Wallis und Fribourg nicht zu verlängern, um damit alle Optionen offen zu halten.

Umfrageergebnisse und Analysen

97.3% der befragten Französischlehrpersonen schätzen den Wortschatz ihrer Schüler/-innen im Fach Französisch nach über 350 Lektionen als “tief” oder “nicht so hoch” ein. Lediglich 2.7% attestieren ihren Schützlingen gute Fähigkeiten. Niemand (d.h. 0%) beurteilt den Wortschatz der Schüler/-innen als „sehr hoch“ (siehe Abbildung Wortschatz).

81% der Befragten beurteilen das “Leseverstehen” der Lernenden nach vier Jahren Frühfranzösisch mit dem Lehrmittel “Mille feuilles” als “tief” bzw. “nicht so hoch” (siehe Abbildung Leseverstehen).

Auch die Werte für das “Hörverstehen” zeigen ein erschreckendes Bild: 86.5% der Schüler/-innen seien nicht in der Lage, einfachste Anweisungen auf Französisch zu verstehen, weil ihnen auch nach über 350 Lektionen im Geiste der Mehrsprachendidaktik der elementarste Grundwortschatz noch immer fehlt.

Auch im Bereich Sprechen sieht das Bild düster aus: 97.3% verfügen über eine “tiefe” bzw. “nicht so hohe” Kompetenz im Bereich Sprechen, so das vernichtende Urteil (siehe Abbildung Sprechen). Dieses Ergebnis erstaunt deswegen, weil die Passepartout-Promotor/-innen genau diesen Bereich uns stets als Stärke der Schüler/-innen verkauft haben.

Noch krasser fällt das Verdikt für den Bereich “Schreiben” aus, dem die Passepartout-Verantwortlichen an der Primarschule bewusst keine Bedeutung beimessen: 100% der Befragten geben an, dass die 7. Klässler/-innen über eine tiefe bzw. nicht so hohe Schreibkompetenz verfügen (siehe Abbildung Schreiben).

Offensichtlich fallen die Passepartout-Schüler/-innen in sämtlichen Bereichen durch, also auch in denjenigen, in welchen die Passepartout-Promotoren sich Vorteile erhofften. In keinem einzigen Bereich erfüllen die Schüler/-innen auch nur ansatzweise die Erwartungen im Fach Französisch.

Besonders zu denken geben müssen uns die Umfrage-Ergebnisse betreffend Motivation. Gemäss den befragten Französischlehrpersonen hätten die Schüler/-innen grösste Mühe, sich „mutig in der Fremdsprache auszudrücken“.[2] 64.9% seien „wenig motiviert“, 13.5% sogar „abgelöscht“ (siehe Abbildung Motivation).

Diese vernichtenden Ergebnisse widerspiegeln auch die zahlreichen Rückmeldungen von besorgten Eltern und frustrierten und demotivierten Kindern. Die Umfrageergebnisse reihen sich ohne relevante Abweichungen in diverse Umfragen anderer Kantone ein. So zeigten die Umfrageergebnisse des Lehrerverbandes im Kanton Solothurn ein nahezu identisches Bild.

Angesichts dieser – man kann es nicht anders sagen – katastrophalen Rückmeldungen, müsste man eigentlich meinen, dass die Passepartout-Verantwortlichen nun endlich bereit sind, gründlich über die Bücher zu gehen. Doch statt die Theorie der Mehrsprachigkeitsdidaktik seriös zu hinterfragen, schieben die Promotoren das sich abzeichnende Fiasko auf die lange Bank – mit Durchhalteparolen und Vertröstungen auf die eigene (nicht unabhängige) Evaluation. Mantrahaft behaupten sie weiterhin, dass die Passepartout-Schüler/-innen die Lernziele sehr wohl erreichen, “einfach anders”.[3] Diese Uneinsichtigkeit macht deutlich, dass die Verantwortlichen nicht daran denken, ernstzunehmende Kurskorrekturen vorzunehmen. 

Die Zeche zahlt eine ganze Generation von Schüler/-innen: Ihr Lernerfolg bleibt wegen des staatlich forcierten Passepartout-Experiments aus. Die verfehlte, weltweit wohl einzigartige Didaktik der Mehrsprachigkeit bringt sie systematisch um ihre Bildungschancen. Dass es um die Zukunftsaussichten der Sekundarschüler/-innen schlecht bestellt ist, unterstreichen die Umfragewerte des LVB. “Hinsichtlich Französisch befinden 73% der Baselbieter Teilnehmenden”, dass es nicht möglich sei, die Oberstufenschüler/-innen mit dem neuen Mehrsprachendidaktik-Lehrmittel “Clin d’oeil” auf weiterführende Schulen bzw. Berufslehren vorzubereiten. 10.8% geben an, dass dies nur mit Abstrichen möglich ist und nur sehr bescheidene 5.4% beurteilen dies als „problemlos“ (siehe Abbildung Vorbereitung auf weiterführende Schulen).

Angesichts dieser verheerenden Rückmeldungen seitens der Französischlehrpersonen, welche Passepartout und die Mehrsprachigkeitsdidaktik als Fachexperten am besten beurteilen können, besteht dringender Handlungsbedarf. Die Passepartout-Kantone können es sich nicht länger leisten, den Lernerfolg der Schüler/-innen weiterhin zu behindern oder gar zu verunmöglichen. Weitere marginale Anpassungen der Lehrmittel würden allen Betroffenen – den Schülerinnen und Schülern, den Fremdsprachenlehrpersonen über alle Stufen hinweg und den Lehrlingsbetrieben – keinen Deut weiterhelfen. Im Gegenteil: Eine derartige Salamitaktik würde zusätzliche Kosten generieren und den systembedingten Misserfolg weiterer Jahrgänge zementieren. Das kann sich der Kanton Basel-Landschaft nicht leisten.

Kernforderungen

Die Starke Schule beider Basel fordert, dass der Kanton Baselland per 31.7.2018 aus dem Passepartout-Projekt aussteigt und die gescheiterte Mehrsprachendidaktik samt der Verwendung der dazugehörigen Lehrmittel “Mille feuilles”, “Clin d’oeil” und “New World” unterbindet. Ab dem Schuljahr 2018/19 sollen die Schüler/-innen wieder von einem klar strukturierten Unterricht profitieren, der auf international anerkannten, bewährten Methoden basiert. Dazu gehören u.a. eine dem Lern- und Entwicklungsstand angepasste Sprache, der systematische Aufbau von altersgerechtem Wortschatz und grundlegenden Strukturen. Das universelle didaktische Prinzip vom Einfachen zum Komplexen ist für den Lernerfolg unabdingbar – auch beim Fremdsprachenerwerb. Weitere Informationen finden Sie hier.

Quellen

[1]: https://www.lvb.ch/docs/magazin/2016-2017/03_Februar_2017/34_Fremdsprachenkonzept-in-der-Kritik-Ergebnisse-LVB-Umfrage_LVB_1617-03.pdf
[2]: https://www.lvb.ch/umfrage/auswertungPPT.php
[3]: siehe Credo der Passepartout-Promotoren: https://www.passepartout-sprachen.ch
 
 

Rechtsdienst erachtet beide Initiativen als rechtsgültig  

Am 6. Oktober 2015 reichte die Starke Schule Baselland die beiden nichtformulierten Initiativen „Stopp der Überforderung von Schüler/-innen: Eine Fremdsprache auf der Primarstufe genügt“ sowie „Stopp dem Verheizen von Schüler/-innen: Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenprojekt“ mit 1969 respektive 2014 gültigen Unterschriften bei der Landeskanzlei ein.  

Die erste Initiative verlangt, dass an der Primarschule nur noch Französisch als erste Fremdsprache gelehrt und der Beginn von Englisch wieder zurück an die Sekundarschule verlegt wird. Mit der zweiten Initiative soll erreicht werden, dass der Kanton Baselland zum nächstmöglichen Termin aus dem Passepartout-Projekt aussteigt und hierfür die entsprechenden Verträge kündigt respektive nicht verlängert. Entsprechend soll der Kanton Baselland künftig auf die Lehrmittel Mille feuilles, Clin d’oeil und New World, welche die neue Passepartout-Sprachendidaktik umsetzen, verzichten. Wir möchten Lehrmittel, die wieder Grammatik und einen alltagstauglichen Wortschatz als zentrale Elemente des Sprachaufbaus führen.  

Gemäss dem Auftrag der Bildungsdirektion überprüfte der Rechtsdienst des Regierungsrates die Rechtsgültigkeit  der beiden Initiativen u.a. bezüglich Kompatibilität mit höherstufigem Recht und ihrer Umsetzbarkeit. Die Staatsrechtler kommen in ihrem 11-seitigen Gutachten zum Schluss, dass beide Volksinitiativen mit höherrangigem Recht vereinbar sind, die Einheit von Form und Materie erfüllen  und auch umsetzbar sind. Der Rechtsdienst bestätigt des Weiteren, dass eine Kündigung der interkantonalen Vereinbarung insofern möglich ist, als der Harmos-Konkordat selbst ebendiese Kündigungsmöglichkeit explizit vorsieht und auch übergeordnetes Bundesrecht stehe diesem Begehren nicht entgegen. Ebenso kommt der Rechtsdienst zum Entschluss, dass es im Falle einer Annahme der Initiative durchaus möglich wäre, im Bildungsgesetz den Ausstieg aus Passepartout und eine Rückkehr zum vormals praktizierten Fremdsprachenunterricht zu verankern. 

In diversen Kantonen sind ähnliche Begehren von Initiativkomitees von den Kantonsparlamenten unterschiedlich für gültig und auch ungültig erklärt worden. Der Rechtsdienst im Kanton Baselland hat jedoch klar aufgezeigt, dass diese Begehren gültig sind und kein übergeordnetes Recht verletzen.  

Bildung ist die wichtigste Ressource. Es ist deshalb wichtig und demokratisch legitim, dass die Stimmberechtigten mitentscheiden können, was aus unserem ausgezeichneten Bildungssystem gemacht werden soll.

"Mille Feuilles" fällt bei Eltern durch

Die GLP-Baselstadt hat eine öffentliche Umfrage gestartet, bei welcher sich Eltern von schulpflichtigen Kindern in Baselland und Baselstadt zum Fremdsprachenmodell Passepartout äussern konnten. Bei 272 Teilnehmenden waren 2/3 der Betroffenen aus Baselstadt und 1/3 aus Baselland. Die Verteilung war gleichmässig zwischen Schulkindern aus der dritten Primarklasse bis hin zur ersten Sekundarklasse. Ziel der Umfrage war es, die Stimmung bezüglich dem Fremdsprachenprojekt Passepartout herauszufinden. Das Ergebnis ist deutlich und erschreckend zugleich.

Eine der Fragen lautete: "Hat ihr Kind Freude am Französischunterricht?". Das Resultat (siehe folgende Grafik) zeigt, dass die Schulkinder nur in den ersten beiden Jahren mehrheitlich Freude am Lernen der ersten Fremdsprache Französisch haben. In der fünften Primar wendet sich das Blatt und bis zur ersten Sekundarstufe haben die Schulkinder mehrheitlich keine Freude mehr.

Freuden
 

In zwei weiteren Fragen wurde einmal die Zufriedenheit mit dem neuen Lehrmittel "Mille feuilles" und einmal die Zufriedenheit mit der neuen Didaktik (im Vergleich zu traditionellen Lernmethoden) verglichen. Hier zeigt sich, dass das Lehrmittel "Mille feuilles" bei den Eltern mit 63.47% (siehe folgende Grafik) durchfällt. Ähnlich sieht das Verhältnis bei der Frage nach der Zufriedenheit mit der neuen Didaktik aus. Auch hier sind mehr als die Hälfte der Befragten (59.78%) mit dieser Didaktik nicht zufrieden (siehe folgende Grafik). 29.89% sprechen sich für die neue Didaktik aus und 10.33% antwortete mit "weiss nicht".

Millefeuilles    Didaktik

Die Eltern sind mehrheitlich unzufrieden und kritisch gegenüber der Didaktik, die mit dem Passepartout-Fremdsprachenprojekt eingeführt wurde. Auch die dazugehörenden Lehrmittel (insbesondere das Französischlehrmittel "Mille freuilles") kommen bei der Mehrheit der Eltern nicht gut an.

Bei der Frage, was die Eltern gleich oder anders machen würden, haben sich mit 52.08% eine deutliche Mehrheit für ein anderes Lehrmittel mit aufbauendem Wortschatz und mit Grammatik von Beginn an ausgesprochen. 21.13% würden alles so belassen, wie es ist. 26.79% würden dasselbe Lehrmittel mit der Idee des Sprachbades wählen, jedoch abgespeckt und mit einem alltagsrelevantem Wortschatz und mit Grammatik.
 

Umfrage-Ergebnisse der BKSD bestätigen:

Sammelfächer, Lehrplan 21, niveaugemischter Unterricht und Passepartout fallen bei den Lehrpersonen durch

Durch die heute veröffentlichten Umfrage-Ergebnisse der BKSD wird die flächendeckende Kritik der Sekundarlehrpersonen an den zahlreichen aktuellen Bildungsreformen bestätigt. Die neuen kostentreibenden Einweglehrmittel „Mille feuilles“ und „New World“ mit der zugrunde liegenden Mehrsprachigkeitsdidaktik „Passepartout“ werden z.B. nur gerade von 7.73% befürwortet. Viermal so viele (30.76%) lehnen die neuen Lehrmittel ab – ein vernichtendes Urteil unter der Berücksichtigung, dass „Mille feuilles“ elfmal so teuer ist wie das Vorgängerbuch.

Die Umfrage-Ergebnisse bedeuten ein verheerendes Ergebnis für die Reformbefürworter und die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK). Die teilnehmenden Lehrpersonen beurteilten die zur Debatte stehenden Punkte differenziert und professionell und nicht nach Gefühl. So wurden zahlreiche Fragen jeweils von einem beachtlichen Anteil der Lehrpersonen indifferent beantwortet. Die Lehrpersonen waren sich der Ernsthaftigkeit der Umfrage bewusst und nahmen nur zu denjenigen Fragen eine klare Stellung ein, die sie auch als Fachpersonen fundiert beantworten konnten. Dementsprechend sind die eingegangenen klaren Positionen pro oder contra äusserst aussagekräftig und stellen keinen Zufallsentscheid dar, zumal die Beteiligung mit 60% als beachtlich eingestuft werden darf.

Eine grosse Mehrheit der Lehrpersonen, welche für oder gegen die Reformen Position bezogen haben (ohne indifferente Antworten), lehnt sowohl die Sammelfächer "Natur und Technik", "Räume, Zeiten, Gesellschaft" und "Wirtschaft, Arbeit, Haushalt" wie auch das Passepartout-Konzept mit seinen Lehrmitteln „Mille feuilles“ und „New World“ deutlich ab. Auch der Lehrplan 21 wird von einer signifikanten Mehrheit kritisiert. Im Hinblick auf die Abstimmungen am 5. Juni zeigen die Umfrageergebnisse, dass die Lehrpersonen, die als Fachleute die Bildungsvorlagen „Einzelfächer statt diffuse Sammelfächer“ und „Lehrplan 21 sinnvoll überarbeiten“ fundiert beurteilen können, in der grossen Mehrheit Ja stimmen. Folgend einige Erhebungen im Detail, welche u.a. für die Abstimmung vom 5. Juni massgebend sind. Berücksichtigt sind diejenigen Antworten der Lehrpersonen, die jeweils für oder gegen eine Reform Stellung bezogen haben. Nicht berücksichtigt wurden die indifferenten Positionen.

Eine signifikante Mehrheit der Lehrpersonen sagt Ja zur Weiterführung der Einzelfächer (Physik, Biologie, Chemie, Geschichte, Geografie, Wirtschaft, Hauswirtschaft) und Nein zu den Sammelfächer (NaTech, RZG und AWH) ab.

  • Für die drei Einzelfächer Physik, Biologie, Chemie sind 357 Lehrpersonen (70.6%), dagegen sind149 Lehrpersonen (29.5%)
  • Für die beiden Einzelfächer Geschichte und Geografie sind 374 Lehrpersonen (74.1%), dagegen sind 131 Personen (25.9%).
  • Für die beiden Einzelfächer Wirtschaft und Hauswirtschaft sind 293 Lehrpersonen (65.8%), dagegen sind 152 Lehrpersonen (34.2%)

Eine deutliche Mehrheit lehnt den Lehrplan 21 mit seinen 3‘500 Kompetenzbeschreibungen ab und beurteilt den Lehrplan 21 als Risiko für die Schüler/-innen.263 Lehrpersonen (59.8%) lehnen den kompetenzorientierten Lehrplan 21 ab, 177 Lehrpersonen (40.2%) befürworten ihn. Nicht berücksichtigt sind die indifferenten Antworten.

Auch die Umfrageergebnisse zur Mehrsprachigkeitsdidaktik Passepartout und zu den neuen Lehrmitteln „Mille feuilles“ und „New World“ sind eindeutig. Die Fremdsprachenlehrpersonen auf der Sek. I-Stufe goutieren diese von oben diktierte, auf selbstorientiertem Lernen ohne ein grammatikalisches Fundament aufbauende Didaktik offensichtlich nicht; eine Didaktik, welche als Experiment und ohne wissenschaftliche Legitimation neben sich keine andere Didaktik mehr toleriert. Die Starke Schule Baselland fordert aufgrund der signifikanten Resultate die Bildungsdirektion auf, die verheerende Mehrsprachigkeitsdidaktik Passepartout zu stoppen, damit nicht noch mehr Schüler/-innen durch einen untauglichen und nicht zielführenden Fremdsprachenunterricht verheizt werden. Die Ergebnisse im Detail:

  • Passepartout und die teuren Lehrmittel „Mille feuilles“ und „New World“: 215 Lehrpersonen (79.9%) lehnen die neuen Lehrmittel Mille feuilles und New World ab. 54 Lehrpersonen (20.1%) befürworten diese neuen Lehrmittel.
  • 224 Lehrpersonen (73.7%) lehnen die neue Mehrsprachendidaktik ab, 80 Lehrpersonen (26.4%) befürworten die neue Mehrsprachendidaktik.

Die Starke Schule Baselland und der Lehrerverein lvb sind nur mit je einer Person in der Marschhaltgruppe vertreten. Zusammen mit dem Vertreter der Bildungskommission war man stets markant in der Unterzahl und hatte keine Möglichkeit, das Gremium auch zum Hinterfragen der Mehrsprachigkeitsdidaktik und der neuen Lehrmittel an der Primarstufe zu bewegen. Aufschlussreich sind auch die isoliert betrachteten Umfrage-Ergebnisse der Schulleitungen, welche – im Gegensatz zu den (Sek-)Lehrpersonen – als „Exekutivorgane“ an den Schulen diese heftig umstrittenen Reformprojekte weitgehend unterstützen. Die Gründe dafür sind naheliegend: Ein Markenzeichen der letzten 20 Jahre SP-Bildungsideologie hat auch darin bestanden, Posten in der Verwaltung und bei den ausführenden Organen mit ebendiesem Gedankengut zu besetzen. Wir sind überzeugt: Die Bevölkerung wird bei den kommenden Abstimmungen am 5. Juni diese klaren Ergebnisse mitberücksichtigen.
 

Zwei neue Initiativen

Mit neuer Fremdsprachendidaktik werden die Lernziele nicht erreicht

Seit 2012 werden an den Primarschulen die Fremdsprachen nach einem völlig neuen didaktischen Konzept unterrichtet. Eines seiner Merkmale besteht darin, dass die Schüler/-innen praktisch keinen praxistauglichen Grundwortschatz und fast keine Grammatik lernen müssen. Auch auf eine korrekte Schreibweise und Aussprache wird verzichtet. Die Schüler/-innen sollen zum Beispiel statt "je" auch "schö" schreiben dürfen und die Primarlehrpersonen sind ausdrücklich angehalten, ihre Schützlinge nicht zu korrigieren. Dies wird von der neuen Didaktik verlangt. Halten sich die Primarlehrpersonen an diese Didaktik, was sie eigentlich tun müssten, dann haben sie so zu unterrichten.

Kritik wächst
Seit einiger Zeit erhalten wir zunehmend Kritik von besorgten Eltern und Primarlehrpersonen. Erste Rückschlüsse sind bereits möglich: Die Lernziele werden deutlich verfehlt. Mit zwei neuen, nichtformulierten Volksinitiativen möchten wir korrigierend eingreifen.

Zwei neue Bildungsinitiative
Mit der ersten Initiative „Stopp dem Verheizen von Schüler/-innen: Ausstieg aus dem gescheiterten Passepartout-Fremdsprachenprojekt“ soll der Kanton Baselland zum nächstmöglichen Termin aus dem Passepartout-Projekt aussteigen. Durch verwirrende Lernstrategien, die keinen praxistauglichen Grundwortschatz vorsehen und wo auf eine korrekte Schreibweise und Aussprache verzichtet wird, werden Schüler/-innen überfordert. Rückmeldungen zeigen: Lernziele können in den Fremdsprachen nicht erreicht werden und auch andere Fächer werden mangels Ressourcen vernachlässigt. Mit der zweiten Initiative „Stopp der Überforderung von Schüler/-innen: Eine Fremdsprache auf der Primarstufe genügt“ soll auf der Primarstufe zukünftig nur noch eine Fremdsprache unterrichtet werden. Es gibt heute keine Studie, die belegt, dass das frühe Erlernen von mehreren Fremdsprachen auch nachhaltig wirksam ist. Um den Druck auf die Schüler/-innen, gerade im jungen Alter, etwas zu dämpfen, soll neu nur noch Französisch auf der Primarstufe unterrichtet werden.

Unterschriftenbogen herunterladen
Für weitere Informationen zur Pressekonferenz vom 14.10.2015 und zur Einsichtnahme der einzelnen Statements klicken Sie hier. Die beiden Unterschriftenbogen können Sie hier herunterladen.
 

Fremdsprachen lernen nur durch Motivation?

Das Muster ist mir nach 38 Jahren Lehrtätigkeit in Basel-Stadt vertraut: Mit Riesenaufwand wurde zu Beginn der  90-er Jahre die Schule umgekrempelt, Schulhäuser umgebaut, neue Lehrpläne und Leitbilder verfasst, denn mit dem bisherigen System war man unzufrieden. Kaum war das Projekt Orientierungsschule angelaufen, zeigten sich die Schwächen: Die Jugendlichen konnten noch weniger als vor der Reform, obwohl bessere Leistungen angekündigt worden waren.  

Niemand wollte eingestehen, dass die Reform vielleicht doch nicht das Gelbe vom Ei gewesen war. Nein, man tat so, als habe man eigentlich gar nicht bessere Leistungen gewollt, sondern lobte stattdessen, wie sich die „Sozialkompetenz“ der Kinder verbessert habe. Wie das zu überprüfen war, blieb allerdings schleierhaft. Die Schulsozialarbeit in der anschliessenden Weiterbildungsschule konnte sich jedenfalls nicht über Arbeitsmangel beklagen.  

Ausreden zur Ablenkung vom Misserfolg  
Nun haben in den Kantonen Bern, Solothurn und Basel-Stadt die ersten Kinder mit Passepartout-Französisch den Übertritt in die Sekundarschule hinter sich. Von überall her kommen die Klagen, es sei nicht weit her mit den versprochenen „Französisch-Kompetenzen“, besonders Kinder mit mittlerem und schwächerem Leistungsprofil hätten Mühe. Und wie rettet man sich aus der Affäre? Mit der „Motivation“. Die Kinder seien so wunderbar „motiviert“.  

Da stellt sich erstens die Frage, ob „Motivation“ als Erfolg von ca. 300 Lektionen Französisch, verteilt über vier Jahre, wirklich ausreicht. Sollten da nicht auch Grundlagen wie Wortschatz und Satzmuster verankert sein? Nach dem Konzept der neuen Fremdsprachendidaktik hätten sich diese eigentlich automatisch aus dem Sprachbad ergeben sollen. Aber Theorie und Praxis sind nicht dasselbe, insbesondere wenn die Theorie von ungesicherten Voraussetzungen ausgeht.  

Reichen Motivation und Zeit, um den Rückstand aufzuholen?  
Zweitens ist zweifelhaft, ob die gepriesene  Motivation anhalten wird, wenn die Lehrpersonen der Sekundarschule nun plötzlich Leistungen einfordern müssen, die mit Unlustgefühlen verbunden sind: Wörter lernen, korrekt aussprechen, richtig schreiben, Verben konjugieren, Adjektive angleichen und was es halt so braucht, um die Sprache ausserhalb des Klassenzimmers zu verwenden. Kommt dazu, dass jetzt dafür nur noch wenig Zeit bleibt, denn die Stunden, die man in der Primarschule mit „Motivation“ verlebt hat, fehlen jetzt, wo man sie zum Üben nötig hätte.   

Eine Didaktik wie diejenige von Passepartout, die mit angeblich „zeitgemässen“, in Wirklichkeit aber wohl zweifelhaften Methoden experimentiert, mag zu Beginn tatsächlich motivierend wirken. Wenn jedoch das böse Erwachen über vertane Chancen kommt, wird sich Enttäuschung breit machen. Die Orientierungs- und Weiterbildungsschulen, das grosse Reformprojekt in Basel, wurden nach 20 Jahren liquidiert. Wie lange wollen wir Passepartout aussitzen, bevor es ohnehin von einer garantiert besseren, weil dannzumal „zeitgemässen“ Methode verdrängt wird? Die in Basel mit dem OS-System gemachten Fehler dürfen im Baselbiet unter keinen Umständen mit „Passepartout“ wiederholt werden.

Felix Schmutz
 

Das Französisch-Lehrmittel „Mille feuilles“

Die Grundlage des Französisch-Lehrmittels „Mille feuilles“ bildet der Passepartout-Lehrplan, welcher Teil des Lehrplans 21 ist. Der Französisch-Unterricht, der in der 3. Primarklasse beginnt, baut auf der Kompetenzorientierung auf: Das wichtigste Ziel ist die „funktionale Kommunikation“. Die Schüler/-innen sollen in der Fremdsprache Kompetenzen erwerben, mit denen eine der Situation angepasste Verständigung gelingen kann. Dabei wird weniger Wert auf sprachliche Korrektheit gelegt, sondern vielmehr darauf, dass der Lernende verstanden wird. Die rund neunjährigen Kinder konstruieren ihr Wissen und ihre Erkenntnisse selber. Sie sollen Strategien entwickeln, um ihr Lernen selbst organisieren zu können. Die Lehrperson schafft die Lernbedingungen, beobachtet die Lernprozesse und steht als Berater/-in zur Verfügung.

Im Unterricht mit „Mille feuilles“ sollen sich die Kinder in einem französischen Sprachbad bewegen. Auch deshalb werden authentische Texte angeboten, die sich an französisch sprechende Kinder richten. Darin kommen zum Teil sehr spezielle Wörter vor, die nicht zum Grundwortschatz gehören. Diese Texte müssen jedoch nur oberflächlich verstanden werden.

Das Lehrmittel „Mille feuilles“ ist unter vielen Primarlehrpersonen, die Frühfranzösisch unterrichten, aufgrund erheblicher Nachteile heftig umstritten: So lässt dieses Buch z.B. klare Strukturen vermissen und ein sorgfältiger Aufbau eines verbindlich zu lernenden Grundwortschatzes fehlt gänzlich. Wörtchen lernen bedeutet nicht Drill, sondern erleichtert das Erlernen einer Fremdspräche massgeblich. Wörter und Ausdrücke erst später zusammen mit der korrekten Schreibweise lernen, bedeutet viel mehr Aufwand und führt bei manchem Kind zu Frust und Ablehnung dieser Fremdsprache.

In diesem Lehrmittel gibt es jede Menge "Aktionismus": Theaterszenen erfinden, Bildergeschichten erzählen, Comics zeichnen und Plakate gestalten sind nur einige Beispiele. Der zeitliche Aufwand dafür ist jedoch enorm und führt zur Reduktion derjenigen Zeit, die für das eigentliche Lernen der Fremdsprache zur Verfügung steht. Vieles wird deshalb nur angetippt. Es fehlen die Systematik und der rote Faden, an dem sich die Kinder orientieren können. Das Lernen geschieht zufällig oder es geschieht auch nicht. Kinder, die keine Unterstützung durch ihre Eltern oder ältere Geschwister bekommen, sind mit dieser Lernmethode oft überfordert und scheitern. Die Chancengleichheit lässt grüssen.

Auch auf der Sekundarstufe 1 wird das Lehrmittel „Mille feuilles“ heftig kritisiert. Da es sich um eine völlig neue Philosophie des Lernens handelt, müssen Lehrpersonen während 24 Halbtagen eine Weiterbildung machen, zu welcher sie oftmals gezwungen werden. Diese Weiterbildung soll zur „Umpolung“ auf das neue Lehrmittel genutzt werden. Um diese Weiterbildungen und damit die Einführung einer neuen wischiwaschi-Lehrmethode zu stoppen wurde im Landrat bereits der Vorstoss "Didaktische Umpolung von Lehrpersonen" eingereicht.