Starke Schule beider Basel (SSbB)

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News

  • Dienstag, Juli 15, 2025

    Zukunftswerkstatt "myclimate"

    Das Projekt "myclimate" richtet sich an Gymnasiast*innen und ermöglicht den Jugendlichen sich aktiv an der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft zu beteiligen. Die Schüler*innen werden ein Jahr lang bei der Konzeption und Umsetzung eigener Klimaschutzprojekten beraten, zudem erlangen sie vertieftes Wissen in den Bereichen Klimaschutz und Klimapolitik. (lh)

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  • Montag, Juli 14, 2025

    Wanderausstellung gegen Foodwaste

    "Aus Liebe zum Essen" Foodwaste verhindern: So lautet das Motto der interaktiven Wanderausstellung, welche vom 8. - 14. September im kHaus gastiert. Das Angebot richtet sich an Schüler*innen von der 5. Klasse bis zur Sekundarstufe II. (lh)

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  • Samstag, Juli 12, 2025

    Eingeschränkte Anstellungschancen für Quest-Studierende der PH

    Mitte Landrat Marc Scherrer hat am 26. Juni eine Interpellation bezüglich Anstellungschance für Quereinstieg (Quest)-Studierende der PH FHNW eingereicht. Ab dem zweiten Studienjahr des Quest-Studiums ist eine Teilzeitanstellung von 30-50% vorgesehen. Im Gegensatz zu anderen Kantonen wie dem Aargau scheint es im Kanton Basel-Landschaft grössere Hürden bei der Stellensuche zu geben. Gerade beim aktuellen Lehrpersonenmangel wären Quereinstiege jedoch bedeutend und es gilt diese zu unterstützen. (lbu)

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  • Donnerstag, Juli 10, 2025

    Einführungsseminar Unterrichtsmaterialien "Wie geht's dir?"

    Am 03. September 2025 findet am PZ BS ein Einführungsseminar zu den Unterrichtsmaterialien «Wie geht’s dir?» statt. Das Ziel des Seminars ist die Sicherheit, psychische Gesundheit im Unterricht zu thematisieren zu erlangen und zu wissen, wie die sozialen und personalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler gestärkt werden können. (lbu)

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  • Mittwoch, Juli 09, 2025

    Hitzesteuerung in Baselbieter Schulen

    Landrat Jan Kirchmayr hat am 26. Juni ein Postulat zum Hitzemonitoring an den kantonalen Schulen eingereicht. Der Regierungsrat soll in repräsentativ ausgewählten Schulzimmern im ganzen Kanton von Juni bis September die Temperaturen messen, um besonders belastete Standorte zu erkennen und den Handlungsbedarf zu steuern. (lbu)

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  • Dienstag, Juli 08, 2025

    Umfrage zur Förderung von MINT

    Die Uni-Basel führt momentan eine Umfrage zur Förderung von MINT durch. Gesucht sind Personen und Schulklassen, die Fragen zum Interesse an MINT-Themen und Studiengängen sowie zur Entscheidungsfindung für oder gegen diesen Bereich beantworten. (lbu)

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20.07.2025

In zwei Wochen zur Lehrperson – eine gefährliche Illusion

Die Pädagogische Hochschule Bern bietet diesen Sommer bereits zum dritten Mal einen zweiwöchigen Crashkurs für Quereinsteiger*innen an. Ziel ist es, die Teilnehmenden auf den Schulbeginn nach den Sommerferien vorzubereiten. Dass der Kanton Bern Personen ohne Lehrdiplom vor Klassen stellt, zeigt deutlich, wie akut der Lehrpersonenmangel ist. Doch sind solche Notmassnahmen Teil der Lösung oder eher ein weiterer Teil des Problems?

Im sogenannten Sommercamp lernen die Teilnehmenden vor allem, wie sie sich in ihrem neuen Beruf organisieren können und wo sie die wichtigsten Materialien finden. Die Quereinsteiger*innen, meist mit besten Absichten und hochmotiviert, werden danach jedoch ohne grundlegende didaktische oder pädagogische Ausbildung in einen hochkomplexen Beruf entlassen. Der Crashkurs mag gut gemeint sein, vermittelt aber das verheerende Signal, dass ausgebildete Lehrpersonen ersetzbar sind, ihre Ausbildung vernachlässigbar ist und ihr Beruf keine besondere Expertise erfordert. Dieses Signal entwertet den Lehrberuf in einer Zeit, in der seine Aufwertung dringend nötig wäre.

Kurzfristig können so offene Stellen besetzt und damit der Unterricht aufrechterhalten werden. Langfristig droht jedoch ein Teufelskreis: Wer Menschen ohne fundierte pädagogische Ausbildung in die herausfordernde Schulrealität schickt, riskiert nicht nur einen Bildungsabbau, sondern auch das Wohlergehen der neuen Lehrpersonen. Ein zweiwöchiges Camp mag organisatorische Tipps vermitteln, doch Klassenführung, Diagnostik, Beziehungsarbeit und didaktisches Know-how lassen sich nicht in einem Crashkurs lernen. Die Folge sind Burnout, Frust und eine hohe Fluktuation, die den Lehrpersonenmangel weiter verschärfen.

Statt auf kurzfristige Lückenfüllerei zu setzen, braucht es ernsthafte Massnahmen, die den Lehrberuf nachhaltig stärken. Nur so gelingt es, kompetente Menschen zu gewinnen, die diesen Beruf mit Engagement und langfristiger Perspektive ausüben.

Alina Isler
Vorstand Starke Schule beider Basel
 
 

19.07.2025 

Christophe Darbellay im Interview

Der Präsident der Erziehungsdirektorinnen- und -direktorenkonferenz (EDK) stellte sich in einem Interview den Fragen von Christoph Aebischer vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). Der Austausch lässt sich in der Ausgabe 7-8/2025 der Verbandszeitschrift «BILDUNG SCHWEIZ» nachlesen. Im Folgenden Kommentare zu einzelnen seiner Aussagen zur Thematik des Frühfranzösischunterrichts.

LCH: «Die Kenntnisse in einer zweiten Landessprache sind am Ende der Schulzeit dürftig, ergab kürzlich die Überprüfung der Grundkompetenzen durch die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK)»

Darbellay: «Ich stelle aber fest, dass die zweisprachigen Kantone besser abschneiden. Das ist wahrscheinlich auch eine Frage der Motivation. Ärgerlich finde ich, wenn man in diesem Zusammenhang von Fremdsprachen spricht. Es geht um Landessprachen. Ebenso stört mich, dass man fälschlicherweise von Frühfranzösisch spricht… In einer solchen Bezeichnung schwingen Misstrauen und ein despektierlicher Unterton mit. Das macht mir Sorgen.»

Die erste Antwort des Präsidenten der EDK ist vielsagend und zugleich wegweisend für den weiteren Verlauf des Austauschs. Statt sich mit der Frage zu konfrontieren, lenkt Darbellay den Fokus auf sprachliche Feinheiten und sein diesbezügliches Unbehagen.

  • Dass zweisprachige Kantone besser abschneiden, erklärt sich von selbst und ändert nichts am schlechten Abschneiden der deutschsprachigen Kantone. Insofern weicht Darbellay hier dem angesprochenen negativen Befund aus und begnügt sich mit einer Plattitüde.
  • Ärgerlich findet der EDK-Präsident den Begriff «Frühfranzösisch», offenbar aber nicht die dürftigen Französischkenntnisse der Schülerinnen und Schüler. Auch hier entzieht er sich in der Folge dem thematisierten Malheur.
  • Frühfranzösisch ist ein wertneutraler Begriff, der schlicht zum Ausdruck bringt, dass diese Sprache auch später erlernt werden kann als auf der Primarstufe, was in früheren Jahren für lange Zeit der Fall war. Das vom Mitte-Politiker angesprochene Misstrauen ist folglich sein eigenes. Er fürchtet ganz offensichtlich, dass die in der Deutschschweiz ausgetragene Debatte zum Frühfranzösisch-Unterricht gegen seine Muttersprache gerichtet sein könnte, was ihm Sorgen bereitet. Tatsächlich aber verhält es sich umgekehrt. Es geht um den Erhalt der Französischvermittlung an der Deutschschweizer Volksschule bzw. um deren Verbesserung. Der Französischunterricht ist durch die sich stetig verschlechternden Leistungen der Lernenden gefährdet, nicht zuletzt, weil dadurch mittelfristig auch die Rekrutierung von Französischlehrkräften erschwert wird. Herr Darbellay hat, wie viele Vertreterinnen und Vertreter der Bildungspolitik, bislang noch kein ausreichendes Bewusstsein für diesen Zusammenhang entwickelt.

LCH: «Französisch ist in der Deutschschweiz zum Hassfach verkommen. Warum ist die zweite Landessprache so unattraktiv?»

Darbellay: «Der Unterricht muss konkreter, ansprechender und lebensnaher gestaltet werden. Lehrerinnen und Lehrer haben sehr viele Freiheiten, nicht alle nutzen sie.»

Es ist davon auszugehen, dass ein Bildungsdirektor und Präsident der EDK keine Zeit hat für Mitarbeitergespräche mit Lehrkräften und für Stundenbesuche. Worauf gründet ergo Darbellays Urteil? Auf ein Bauchgefühl? Auf Hörensagen in der Echokammer? Auf Vorurteilen? Auf Aussagen seiner Kinder? Und was heisst «konkreter Unterricht» konkret? Ausserdem wurde während der letzten Jahrzehnte kaum etwas so sehr beschnitten wie die Freiheit der Lehrkräfte. Verantwortlich dafür ist u.a. Changemanagement in Kombination mit dem Lehrplan 21, die Weisungsbefugnis von Schulleitungen, die Inflation administrativer Aufgaben und totalitäre Unterrichtskonzepte wie z.B. Passepartout. Ein Grund für die zahlreichen frühzeitigen Pensionierungen ist insbesondere die massiv beschnittene Freiheit im Lehrberuf.

LCH: «Da schwingt Kritik mit. Sind die Lehrkräfte schuld?»

Darbellay: «Das wäre zu kurz gegriffen. Aber Kinder wollen Motivation spüren und erfahren, wofür sie etwas lernen sollen. Insgesamt ist der Sprachunterricht besser geworden….»

Den Lehrkräften die Schuld zuzuweisen, wäre in der Tat sehr kurz gegriffen. Aber es ist genau dies, was Darbellay dennoch tut mit seinem Hinweis, wonach Kinder Motivation spüren wollen. Im Abschlussbericht zum Projekt Passepartout der sechs Passepartout-Kantone ist auf S. 91 zu lesen: »Ein Vergleich… zeigt deutlich, dass die Motivation zum Französischlernen im Passepartout-Raum generell eher tief ist.»[1] Hierfür verantwortlich sind u.a. drei Gründe:

Französisch ist eine grammatisch stark strukturierte Sprache, die insbesondere für Primarschulkinder schwierig zu erlernen ist, da sie die Grammatik der eigenen Muttersprache noch nicht zur Genüge kennen. Darbellay umschreibt dies so: «C'est une horreur, cette langue.»[2] Dieser Umstand bewirkt Demotivation, die mitgenommen wird an die weiterführende Schule, wo sie sich verfestigt.

Zu viele Französisch-Primarlehrkräfte sind nicht ausreichend qualifiziert.

Nach wie vor kommen Passepartout-Lehrmittel in den entsprechenden Kantonen zum Einsatz, obwohl sie nachweislich nicht zielführend sind und zudem ein negatives Lernverhalten hervorrufen.

Alle drei Punkte sind bildungspolitisch gewollt. Vor diesem Hintergrund erscheint es unverständlich, dass einer der führenden Köpfe der Schweizer Bildungspolitik Lehrkräfte dazu auffordert, Lernende zu motivieren, wenn die bildungspolitischen Rahmenbedingungen hierfür nicht gegeben sind.

LCH: «Sie sagen, die Fähigkeiten seien besser, aber die ÜGK zeigt das Gegenteil. Der LCH nennt als mögliche Probleme grosse Klassen, zu wenig Gruppenunterricht… Wie sehen Sie das?»

Darbellay: «Kleinere Lerngruppen bringen pädagogisch unbestritten Vorteile. Gleichzeitig müssen wir zwischen dem fachlichen Anspruch und der finanziellen Machbarkeit sorgfältig abwägen…Attraktiver wird der Unterricht… beispielsweise mit mehr Sprachaustauschprojekten.»

Kleinere Lerngruppen kommen einer wünschenswerten Individualisierung des Unterrichts entgegen. Handkehrum haben wir wegen einer falsch verstandenen Integration über die Massen heterogene Klassen, die einer weitergehenden Individualisierung im Wege stehen. Integration in der heutigen Form und Individualisierung schliessen einander aus. Es sei denn, es werden viel mehr Lehrkräfte eingestellt, was jedoch an der «finanziellen Machbarkeit» scheitert. Insofern entpuppen sich «kleinere Lerngruppen» als irrelevante Wunschprosa. Überdies fehlen uns bereits heute und bis auf weiteres Lehrer.

Für an sich sinnvolle Sprachaustauschprojekte fehlt, wie oben beschrieben, der bildungspolitische Rahmen. Solange die Bildungspolitik die Lernenden daran hindert, sich für den Französischunterricht zu motivieren, wird sich kaum jemand für einen Welschland-Aufenthalt finden lassen, so wertvoll ein solcher auch wäre.

LCH: «In zwölf Kantonen laufen Bestrebungen zur Abschaffung von Französisch in der Primarschule. Das Parlament von Appenzell-Ausserrhoden hat dies bereits beschlossen.»

Darbellay: «…umgesetzt ist das noch lange nicht. In der Bundesverfassung und im Sprachengesetz ist die Bedeutung der Landessprachen festgehalten. Weiter gibt es das Konkordat zur Harmonisierung der obligatorischen Schule… Es geht um viel mehr als um das Erlernen einer Fremdsprache. Es geht um den nationalen Zusammenhalt.»

  1. Die Schweiz bekennt sich gesetzlich auch zum Schutz der Gletscher und zur Reduktion der Klimaerwärmung. Ferner kennt sie ein Burka-Verbot sowie ein Bundesgesetz, das schweizweit einheitliche Anforderungen an die Ausbildung und Ausübung von Gesundheitsberufen vorschreibt; dennoch ist die Umsetzung in den Kantonen sehr unterschiedlich[3]… Die Existenz eines Gesetzes ist nicht gleichzusetzen mit dessen Umsetzung.[4] Hier ist zu unterscheiden zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Das Gleiche gilt für Konkordate. Letzten Endes setzt sich stets die Macht des Faktischen durch, ob es nun um Gletscher, Klima, Burkas, die Vereinheitlichung von Ausbildungen oder um Frühfranzösisch geht. Darüber hinaus ist Politik nichts Statisches, sie hat sich vielmehr stetig an kontinuierliche Veränderungen anzupassen. Gesetze bzw. Konkordate repräsentieren in dem Sinne den politischen Willen zu einem gegebenen Zeitraum. Sie sind nicht dazu geschaffen, sich ideologisch an einen einst definierten Status-Quo zu klammern, zumal der politische Wille sich im Verlaufe der Zeit wandeln kann. Ohnehin haben lediglich 15 Kantone dem erwähnten Konkordat zugestimmt.[5]
  2. Wer sich auf das Konkordat zur Harmonisierung der obligatorischen Schule (Harmos) beruft, sollte dies in konsequenter Weise tun und nicht nur dann, wenn es der eigenen Position dient. Im Konkordat heisst es unter
    Art 31: «In der obligatorischen Schule erwerben und entwickeln alle Schülerinnen und Schüler grundlegende Kenntnisse und Kompetenzen sowie kulturelle Identität…»
    Art 32 «Während der obligatorischen Schule erwirbt jede Schülerin und jeder Schüler die Grundbildung, welche den Zugang zur Berufsbildung oder zu allgemeinbildenden Schulen auf der Sekundarstufe II ermöglicht, insbesondere in den folgenden Bereichen: a. Sprachen: eine umfassende Grundbildung in der lokalen Standardsprache (…) und grundlegende Kompetenzen in einer zweiten Landessprache …»[6]

    An keiner Stelle des Konkordats begnügt man sich in diesem Zusammenhang mit 50% oder 60% der Lernenden. Doch genau dies ist die Wirklichkeit: «Nur etwa 51 % der Schülerinnen und Schüler aus der Deutschschweiz erreichen beim Leseverstehen im Fach Französisch die geforderten Grundkompetenzen. Beim Hörverstehen schaffen es lediglich 58 % aufs geforderte Mindestniveau.»[7] In der Romandie ist die Lage bei Frühdeutsch  noch prekärer: «Moins de la moitié des élèves romands atteignent les objectifs en allemand, selon les résultats de la dernière enquête nationale sur les compétences de base des élèves à la fin de la scolarité obligatoire.“[8]

    Dies ist ein klarer Auftrag u.a. an den Präsidenten der EDK, dafür zu sorgen, dass dem Harmos-Konkordat Genüge getan wird. Denn gegenwärtig ist der «Zugang zur Berufsbildung oder zu allgemeinbildenden Schulen auf der Sekundarstufe II» wegen schlechter Leistungen bei vielen Schülern in Frage gestellt. Dies umso mehr, als dass auch bei Deutsch als Mutter- und Fremdsprache Handlungsbedarf besteht.[9] Alors, avance, Alfonse! Mais tout d’abord, il faut prendre note des chiffres.
  3. Die Bildungshoheit in der Schweiz ist föderal organisiert. «Die Hauptverantwortung für das Bildungswesen liegt bei den 26 Kantonen: Die Kantone sind für das Bildungswesen zuständig, soweit die Bundesverfassung nicht den Bund für zuständig erklärt.»[10] Insofern ist die schulische Harmonisierung in der Schweiz eine Chimäre. Und wie dies beim biologischen Mischwesen der Fall ist, hat auch das Harmos-Konkordat Entwicklungsprobleme. Die Harmos-Chimäre wird sich folglich kaum je über einen gewissen Punkt hinaus weiterentwickeln; hierfür steht ihr der Föderalismus im Weg. Mit dem quasi verordneten Frühfremdsprachenunterricht ist dieser Punkt überschritten.
  4. Der nationale Zusammenhalt als Argument zur Beibehaltung des aktuellen Frühfranzösischunterrichts ist absurd. Andernfalls wäre die Schweiz längst auseinandergefallen. Denn die Mehrheit der Deutschschweizer beherrscht die zweite Landessprache kaum noch[11], insbesondere wegen einer seitens der EDK verfehlten Bildungspolitik. Wenn die gesellschaftliche Kohäsion schon herangezogen wird, dann folglich als Argument für die Veränderung der gegenwärtigen schulischen Sprachenvermittlung; beispielsweise über die Abschaffung des Frühfremdsprachenunterrichts, der nachweislich die in ihn gesetzten Erwartung nicht zu erfüllen vermag.

LCH: «Sie unterstützen demnach die Forderung, dass man auf Primarstufe nur noch eine Fremdsprache unterrichtet?»

Darbellay: «In der Wissenschaft ist man sich einig, dass das parallele Erlernen mehrerer Sprachen kein Problem darstellt.»

  1. Das «parallele Erlernen mehrerer Sprachen» ist zu unterscheiden vom «parallelen Erlernen mehrerer Sprachen auf der Primarstufe». Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.
  2. Die Lehre, die sich mit der Erforschung des Fremdsprachenerwerbs beschäftigt, die sog. Fremdsprachendidaktik, ist alles andere als eine exakte Wissenschaft wie die Mathematik. Letztere kennt zwei mögliche Resultate: richtig oder falsch. Bei der Fremdsprachendidaktik gibt es diese Klarheit nicht. Denn bei Studien in diesem Bereich gilt es die unterschiedlichsten Aspekte wie beispielsweise Geschlecht, Alter, soziokultureller Hintergrund, Herkunft, Vorwissen, Unterstützung, Zeitmanagement und vieles mehr zu berücksichtigen.

Verstärkt wird diese Komplexität insofern, als dass auch die Sprachlehr- bzw. Sprachlernforschung, Linguistik und Lernpsychologie in die Fremdsprachendidaktik einfliessen. Je nach Zusammensetzung einer Untersuchungsgruppe können die Resultate folglich stark variieren. Von Einigkeit kann hier also keine Rede sein, im Gegenteil. Insbesondere deswegen gibt es die Debatte um den Frühfremdsprachenunterricht überhaupt, wobei sich beide Lager, die Befürworter und die Gegner, auf Studien berufen[12]. Dabei steht der Vorwurf im Raum, wonach sich Befürworterinnen nicht-ergebnisoffener Auftragsstudien bedienten. Bei solchen besteht die Neigung, «Informationen so zu ermitteln, auszuwählen und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen...»[13]

Fazit

Der Präsident der EDK weicht in seinen Stellungnahmen grösstenteils aus und konfrontiert sich nicht mit den angesprochenen schlechten Leistungen der Schüler und Schülerinnen in Französisch. Vielmehr äussert er Allgemeinplätze und beruft sich auf eine gesetzlich, vertraglich und seitens der EDK definierte Doktrin des Frühfranzösisch-Unterrichts als Staatsraison im Sinne des nationalen Zusammenhalts. Dabei ist die nationale Kohäsion mit Nichten gefährdet durch die Abschaffung des Frühfremdsprachen-Unterrichts, im Gegenteil. Seine im vorliegenden Beitrag nicht kommentierten Stellungnahmen betreffend Fragen zur schulischen Integration zeugen von Pragmatismus, die er beim Thema Frühfranzösisch leider gänzlich vermissen lässt. Hier ist Darbellay durch seine Muttersprache offenbar persönlich tangiert, was ihm auf der Sachebene dieser Thematik im Wege steht.

 

«Wir rennen unbekümmert in den Abgrund, nachdem wir irgend etwas vor uns hingestellt haben, das uns hindern soll, ihn zu sehen.»

Blaise Pascal[14]

 

Felix Hoffmann
Sekundarlehrer


[1] https://www.nwedk.ch/sites/default/files/Passepartout%20Schlussbericht_2019.pdf
[2] https://www.blick.ch/politik/wir-haben-ein-problem-sogar-das-franzoesisch-der-welschen-schueler-ist-mies-id20895525.html
[3] Siehe z.B. ZH: «Die Gesundheitsdirektion (GD) hat die geplante kantonale Umsetzung des Bundesgesetzes über die Gesundheitsberufe durch ein externes Rechtsgutachten prüfen lassen. Dieses hat gezeigt, dass es Ermessenspielraum bei der Umsetzung gibt, welcher bei der nun vorliegenden Lösung berücksichtigt wird.» https://www.zh.ch/de/news-uebersicht/medienmitteilungen/2025/04/umsetzung-des-gesundheitsberufegesetzes-im-kanton-zuerich-neu-definiert.html
[4] Unter Juristen und in der Verwaltungssprache wird diesbezüglich oft von einem «Vollzugsdefizit» gesprochen.
[5] «Bei Ablauf der Umsetzungsfrist am 31. Juli 2015 haben 15 Kantone Harmos zugestimmt, in sieben Kantonen haben Volksabstimmungen den Beitritt abgelehnt und vier Kantone (AG, AI, OW, SZ) haben den Beitritt sistiert oder sind nicht darauf eingetreten. Das Ziel einer obligatorischen gesamtschweizerischen Umsetzung wurde somit nicht erreicht…» https://de.wikipedia.org/wiki/HarmoS-Konkordat
[6] file:///D:/Daten%20Felix%20Hoffmann/Downloads/harmos-konkordat_d.pdf
[7] https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/sprachunterricht-studie-zeigt-mangel-im-franzosisch-66994219
[8] RTS Info, 22.05.2023, Artikel-ID: 26210064; Volltext über Swissdox abrufbar
[9] https://www.edk.ch/de/die-edk/news/mm22052025
[10] https://www.edk.ch/de/bildungssystem-ch/allgemeines
[11] Nur insgesamt 17 Prozent der Menschen in der Schweiz sprechen zwei oder mehr Hauptsprachen. https://www.srf.ch/news/schweiz/englisch-als-arbeitssprache-nicht-landessprachen-auf-dem-vormarsch
[12] Siehe z.B. die Zusammenstellung von Urs Kalberer: https://condorcet.ch/2023/05/frueher-fremdsprachenunterricht-wissenschaftliche-erkenntnisse-zum-thema/#comments
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Best%C3%A4tigungsfehler
[14] https://zitate-aphorismen.de/zitate/verdraengung/
 
 

14.07.2025 

Machtfülle der Schulleitungen – ein systemisches Risiko?

Schulleitungen verfügen in vielen Schweizer Kantonen über eine beispiellose operative Autonomie, die in dieser Form weder im öffentlichen Dienst noch in der Privatwirtschaft existiert. Doch wo Macht kaum kontrolliert wird, entstehen Risiken – wie der jüngste Fall an der Primarschule Allschwil wieder bestätigt. Es ist Zeit für Reformen.

Die operative Macht von Schulleitungen in der Schweiz ist in ihrer Reichweite einzigartig: Sie entscheiden eigenständig über Budgetverteilungen, Personalrekrutierungen oder Kündigungen sowie pädagogische Konzepte im Rahmen der jeweiligen Schulentwicklung – oft ohne wirksame Kontrollinstanzen. Diese Konzentration von Befugnissen ohne ausreichende Checks zeigt sich besonders deutlich im Vergleich zu anderen Sektoren.

Defizite mit dokumentierten Folgen

Während öffentliche Spitäler durch Ethikkommissionen und kantonale Aufsichtsbehörden überwacht werden, fehlen im Bildungswesen vergleichbare Strukturen. Nur wenige Kantone verfügen über unabhängige Ombudsstellen für Beschwerden im Bereich der Schulen. Kollegiale Gremien wie Elternräte oder Lehrerkonferenzen haben meist nur beratende Funktion. Die Konsequenzen sind bedenklich: Unhinterfragter Einsatz von finanziellen Mitteln oder problematische Personalentscheidungen (rechtlich fragwürdige Verwarnungen von Lehrpersonen oder Kündigungen). In öffentlichen Verwaltungen oder der Polizei würden derartige Vorfälle mehrstufige Untersuchungen auslösen – im Bildungswesen bleiben sie häufig folgenlos.

Privatwirtschaft als Kontrastmodell

Internationale Privatschulen in der Schweiz demonstrieren systematischere Ansätze: Budgetentscheidungen benötigen die Freigabe von Vorständen, Personalentscheide unterliegen verbindlichen Personalführungsprozessen. Externe Audits und veröffentlichte Finanzberichte schaffen Transparenz, während klare Haftungsregeln Eigenverantwortung sicherstellen. Im öffentlichen Schulsystem hingegen tragen meist Gemeinden und Kantone die finanziellen Folgen von Fehlentscheiden – nicht die verantwortlichen Schulleitungen.

Reformbedarf: Lösungen liegen auf der Hand

Drei Ansätze könnten das Macht-Kontroll-Ungleichgewicht beheben:

  • Einführung kantonaler Prüfstellen nach Vorbild der Rechnungshöfe, wie von der OECD empfohlen.
  • Verbindliche Mitspracherechte für Lehrerkollegien, wie im Tessiner Modell praktiziert, wo kollegiale Gremien bei Personal- und Budgetfragen mitentscheiden.[1]
  • Verpflichtende Ethikrichtlinien und Schulungen zur Rechtskonformität, wie sie im Gesundheitswesen längst Standard sind.  

Tessiner Schulen beweisen, dass solche Mechanismen Folgekosten reduzieren und die Akzeptanz von Entscheidungen erhöhen.[2]

Fazit

Kantone müssen für ihr Bildungswesen nicht das Rad neu erfinden – sie können entweder von anderen Kantonen oder von anderen Sektoren lernen. Öffentliche Spitäler, Gemeindeverwaltungen und Privatschulen zeigen, wie transparente Prozesse, mehrstufige Genehmigungen und klare Haftung Machtmissbrauch verhindern. Schulleitungen brauchen Gestaltungsspielraum, aber keine Blankovollmachten. Es ist an der Zeit, Aufsichtslücken zu schliessen, bevor weitere öffentliche Mittel versickern oder rechtlich fragwürdige Personalentscheide gefällt werden, die wiederum mit beträchtlichen Folgekosten für die öffentliche Hand verbunden sind.

Jürg Wiedemann
Vorstand Starke Schule beider Basel

______________________________ 

[1] https://m3.ti.ch/CAN/RLeggi/public/raccolta-leggi/legge/num/208#:~:text=b, Regolamento della legge della scuola (RLSc) 1992 des Kantons Tessin, Gesetz Nr. 208, Art. 17, 43, 65, 67
[2] https://m3.ti.ch/CAN/RLeggi/public/raccolta-leggi/legge/num/208#:~:text=b, Art. 17, 43, 65, 67

 
08.07.2025

Völlig losgelöst

Der Kabarettist Rolf Miller hält fest: «Der Idealismus wächst mit der Entfernung zum Problem.» Damit trifft er ins Schwarze. Ob im Bau-, Gesundheits- oder Bildungswesen: Steigen Praktiker in der Hierarchie auf, verändert sich ihr Blick auf die Praxis oft radikal. Noch schlimmer ist es, wenn die Spitze der Hierarchie die Praxis gar nicht aus eigener Erfahrung kennt.

In meiner Verbandsarbeit begegnet mir die Gattung des Empiricus schwebensis regelmässig. Einige besonders «eindrückliche» Beispiele:

Weltverloren und realitätsfern

Die hiesige Berufsbildung kämpft mit Nachwuchsproblemen. Nur Basel-Stadt und Genf weisen eine tiefere Lehrlingsquote auf als Baselland. Die Wirtschaftsverbände unternehmen grosse Anstrengungen, um dafür geeignete Jugendliche von den Vorteilen einer Berufslehre zu überzeugen. Unser duales Bildungssystem ist ein Glücksfall, weiterführende Schulen und Berufslehren ergänzen sich. Trotzdem begeistert sich ein VSLCH-Vorstandsmitglied für das schwedische Modell, in dem 95 % der 16- bis 19-Jährigen die dreijährige gymnasiale Oberstufe besuchen. Diese bietet zwar zum Teil auch berufsbildende Programme, die einer echten Berufslehre aber nicht ansatzweise das Wasser zu reichen vermögen. Verdikt: weltverloren.

Auch ein universitäres Forscherteam reiste auf der Suche nach «nachhaltiger Schulentwicklung» ausgerechnet nach Schweden – in ein Land, das mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 25 %, über 150’000 Langzeitarbeitslosen, einer ausser Kontrolle geratenen Bandenkriminalität und einer hohen sozialen Segregation zu kämpfen hat. Mitverantwortlich dafür ist die freie Schulwahl in der Grundschule, die dazu führt, dass eine ganze Generation von Migrantenkindern keine Berührungspunkte mit der restlichen schwedischen Gesellschaft hat. Verdikt: realitätsfern.

Abgehoben 

Die LVB-Mitgliederbefragung zur schulischen Selektion (s. S. 10 ff. in der Juniausgabe des lvb inform) zeitigt ein überdeutliches Resultat. Lediglich 6.6 % der 1043 befragten Aktivmitglieder können einer Volksschule ganz ohne Selektion etwas abgewinnen. Von den direkt betroffenen Sekundarlehrpersonen befürworten sogar nur 3.7% die Forderung der VSLCH-Spitze, Leistungszüge abzuschaffen.

Zeitgleich beruft sich der VSLCH-Präsident unbeirrt auf «empirisch» gesicherte Befunde, die – wohl Naturgesetzen ähnlich – die Nachteile gegliederter Schulsysteme belegen sollen. Die Praxisempirie der zuständigen Lehrpersonen scheint nicht zu gelten. Wer Reformen gegen den Willen einer überwältigenden Mehrheit der für die Umsetzung Verantwortlichen durchboxen will, offenbart Defizite im Führungsverständnis und eine beeindruckende Ausklammerung jener, die nach 20 Jahren Reformitis die nächste Grossreform schultern müssten. Verdikt: abgehoben.

Tatsachenwidrig 

Der Baselbieter Landrat hat ein Postulat überwiesen, das mehr Praxisbezug in der Primarschulausbildung sowie neue Ausbildungswege für Lehrpersonen fordert. Man könnte meinen, das eindeutige Resultat – 74 Ja-Stimmen, eine Gegenstimme und keine Enthaltung – würde die Direktion der PH FHNW zum Nachdenken anregen. Doch diese zeigt sich weiterhin überzeugt von ihrem Format, zumal die grosse Mehrheit der Dozierenden – gemäss Selbstdeklaration – über Unterrichtspraxis verfüge. 

Ein Blick in die CVs auf der PH-eigenen Website zeichnet ein anderes Bild: Leitende Positionen im Bereich der Didaktik werden von Personen mit marginaler oder gar keiner Unterrichtserfahrung bekleidet. Ähnliches beklagt eine junge Berufsaussteigerin im Interview (s. S. 28 in der Juniausgabedes lvb inform). Verdikt: tatsachenwidrig.

Hilflos und entrückt 

Auch die zweite Runde der Überprüfung der Grundkompetenzen ÜGK bescheinigt den Volkschulabgängern höchst bescheidene Französischkenntnisse. Die Empfehlungen mancher EDK-Exponenten in den Medien – etwa, dass man Französisch am besten im Austausch mit lebendigen (sic!) Menschen lerne oder Kinder ihre Französischkenntnisse mit TikTok (sic!) aufbessern sollten – sind wohl nicht nur für Rolf Miller «so brauchbar wie ein Messer ohne Klinge, an dem auch noch der Griff fehlt». Verdikt: hilflos.

Die Goldmedaille in Sachen Beratungsresistenz geht an die Fremdsprachendidaktiker der Pädagogischen Hochschulen Schweiz. Ungeachtet der Tatsache, dass selbst die grundlegendsten Voraussetzungen für erfolgreichen Frühfremdsprachenunterricht in keiner Weise erfüllt sind, kommt das Prof./Dr./lic.phil.-Forscherteam in seinem neusten Thesenpapier zum Schluss, das aktuelle Fremdsprachenkonzept habe sich bewährt und müsse lediglich «optimiert» werden. Einmal mehr dokumentiert eine sich selbst als progressiv verstehende Elite ihren eigenen Realitätsverlust: Wenn die Praxis ihren Theorien widerspricht, ist stets die Praxis schuld. Verdikt: entrückt.

Philipp Loretz
Präsident LVB

 

 

06.07.2025

Konkurrenz zwischen Berufslehre und Wirtschaftsmittelschule

Ein bekanntes Problem der Schüler/-innen, welche ihre obligatorische Schulzeit beenden, ist die Frage, welche Anschlusslösung sie beabsichtigen. Immer beliebter wird dabei die Wirtschaftsmittelschule (WMS). Eine im vergangenen Herbst durchgeführte kantonale Umfrage ergab, dass 71% «weiter zur Schule gehen möchte». Oft ist der Grund dafür nicht nur die verlängerte Zeit, um sich eine Berufsrichtung auszuwählen, sondern auch die «häufigen Ferien», wie die Basler Zeitung am 12. Juni berichtete.

Bekannt ist, dass die weiterführenden Schulen mit 12 bis 14 Wochen Ferien im Jahr gegenüber der Berufslehre, bei der es meist nur 5 Ferienwochen gibt, bevorzugt werden. Deshalb scheint der Hauptgrund der Wahl für die Wirtschaftsmittelschule (WMS) die Bequemlichkeit zu sein.

Wirtschaftskammer will Zugang zur WMS erschweren

Aus diesen Gründen soll der Zugang an die WMS nun erschwert werden, um denjenigen den Eintritt in die WMS zu verunmöglichen, welche die weiterführende Schule nur aufgrund der längeren Ferien wählen. Der Zugang soll nur dann gewährt werden, wenn die Schüler/-innen eine abgelehnte Bewerbung im gewünschten Lehrbereich vorweisen können.

Der Vize-Direktor der Wirtschaftskammer Baselland sagt dazu, dass die WMS Jugendliche aus dem Lehrstellenmarkt ziehe und somit das duale System geschwächt würde, wie die Basler Zeitung berichtete.

Tatsächlich sind es heute nur noch 65%, die nach ihrem Schulabschluss einen Lehrberuf wählen, während es vor 30 Jahren noch rund 75% waren.

Die WMS wehrt sich gegen einen Abbau

Die Leiterin der WMS, Yvonne Neuenschwander, widerspricht dieser Aussage der Wirtschaftskammer entschieden: «Die kantonale Umfrage zeigt genau das Gegenteil. Viele Jugendliche gehen gern zur Schule und nehmen das Angebot mit voller Überzeugung wahr.»

Landrat Marc Scherrer (Die MITTE) betont in der Basler Zeitung, dass die erschwerten Aufnahmebedingen für die WMS nichts bewirken würden, da die Jugendlichen dann einfach an die Fachmittelschule (FMS) gingen. Er sagt, das Grundproblem läge darin, dass viele die Möglichkeiten des Bildungssystems in der Schweiz gar nicht genau kennen würden. Beispielsweise sei vielen nicht klar, dass man nach der Absolvierung einer Berufslehre die Möglichkeit habe, ein Studium anzustreben. Unter anderem fordert Scherrer, dass der Regierungsrat einen Vorschlag für die WMS ausarbeitet, wie die Ferien an der WMS gekürzt werden können. Die umgekehrte Forderung, mehr Ferien für Lehrlinge, erachte er als schwierig.

Charlotte Höhmann
Vorstand Starke Schule beider Basel

 

05.07.2025 - Gastbeitrag

Die Lehrpläne wachsen, die Lernleistung sinkt

Der Lehrplan 21 definiert auf 470 Seiten insgesamt 363 Kompetenzen sowie 2304 Kompetenzstufen, die intensiv getestet werden. Und doch sinken die Lernleistungen. Die Bildungspolitik muss aufwachen.

Ehemalige Schüler schwärmen noch heute von seinem Unterricht. Der Lehrer und Autor Peter Bichsel selber sagte: «Damals hatte man eine Schulstube, in der man schalten und walten konnte, wie man wollte. Der Lehrplan bestand aus zwanzig Seiten, und zwar für die gesamte Primarschule von der ersten bis zur sechsten Klasse. Inzwischen sind das richtige Wälzer.» – Bichsel und die pädagogische Freiheit!

Und er ergänzte: «Ich musste damals im Jahr genau zwei Formulare ausfüllen: eins mit der Liste aller Schüler, mit Geburtsdatum und Heimatort; dazu einen Jahresbericht von einer A4-Seite, wo man angab, was man in dem Schuljahr so gemacht hatte. Heute haben die Lehrer jeden Tag mindestens eine Stunde Büroarbeit. Daran wäre ich wohl gescheitert, nicht an den Schülern, aber an der Bürokratie.» – Bichsel und der pädagogische Papierkram!

Die Zeiten sind anders geworden; die Zivilisationsdynamik hat vieles verändert. Das gilt auch für die Schweizer Volksschule. Seit bald 30 Jahren wird unser Bildungssystem tüchtig umgebaut und ausgebaut. Moderner sollte die Schule werden und wirksamer! Zeitgemäss und zukunftsorientiert! Viele Bildungspolitiker setzten allerdings Bildung mit ihrer Reform gleich.

Promotor des Umbaus war der Zürcher Regierungsrat Ernst Buschor. Er unterzog zuerst das Spitalwesen und ab Mitte der 1990er-Jahre auch die Volksschule einer Radikalreform. Der St. Galler Hochschullehrer für Finanzwirtschaft glaubte an die konsequente Effizienzorientierung von Bildungssystemen, an ihre Mess- und Kontrollierbarkeit: das Pädagogische als ISO-9000-Projekt!

Die Schule sollte sich in eine wirkungsvolle Organisation verwandeln, gesteuert von der Bildungsverwaltung. Entsprechend kräftig ist die Administration gewachsen. Buschor hielt das Betriebswirtschaftliche und das Pädagogische für vereinbar – mit entsprechenden Managementmethoden. Sein Credo: Organisationen sind dann effizient, wenn es gelingt, Prozesse zu vereinfachen und Abläufe zu vereinheitlichen. Das ist das eine. Dazu kamen unter anderem zwei frühe Fremdsprachen, der Wechsel vom dialogischen Lernen in der Klassengemeinschaft hin zum selbstorientierten Individuallernen und die forcierte Integration ganz unterschiedlicher Kinder.

Die Akzente von Unterricht und Lernen verschoben sich. Den Schulen wird nicht mehr vorgegeben, was sie inhaltlich zu vermitteln haben. Detailliert dekretiert und genau geregelt ist nun, was die Schülerinnen und Schüler am Ende einer Zeiteinheit können müssen. Der Lehrplan 21 definiert auf 470 Seiten 363 Kompetenzen sowie 2'304 Kompetenzstufen. Alles sehr kleinteilig! Die staatliche Schulstrategie stellte von der Input- auf die Output-Steuerung um. So sollte die Effizienz schulischer Bildungsarbeit erhöht und die Unterrichtqualität am Outcome gemessen werden. Gemäss Lehrplan 21 lässt sich jedes schulisch vermittelte Wissen als ein Können kontrollieren und überprüfen. Entsprechend wird getestet. Das Kind und sein abrufbarer Output!

Diesem Zweck dienen auch die internationalen Schulleistungsvergleiche wie PISA. Nötig sind nationale Bildungsstandards. Sie beschreiben, welche Grundkompetenzen (GK) die Schülerinnen und Schüler während der obligatorischen Schulzeit erwerben sollen. Wer Standards hat, braucht schematisierte Vergleichstests – wie beispielsweise die ÜKG, die Überprüfung der Grundkompetenzen. Standards beschränken Bildung auf ein enges Spektrum von vermessbaren Kompetenzen. Aus der Forschung wissen wir aber, dass eine solche Leistungsdifferenzierung kaum Einfluss auf den Lernerfolg der Schüler hat.

Und noch etwas zeigt die Wissenschaft: Die wachsende Schematisierung des Unterrichts reduziert die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte, und sie schränkt Kreativität und Vielfalt ein. Ausserdem führt sie – und das ist das Tragische – zu einem Verlust an pädagogischem Sinn. Mit ein Grund für die sinkenden Lernleistungen unserer Schulabgänger? Die Resultate der elementaren Kulturtechniken wie beispielsweise Lesen und Schreiben werden seit Jahren schwächer. Konkret: Ein Viertel der Schüler versteht nach neun Schuljahren einen einfachen Text nicht richtig. Das kümmert die Verantwortlichen in den Stäben und an den Pädagogischen Hochschulen kaum. Eigentlich sollten alle Warnlampen leuchten! Doch der Rektor der PH Bern findet diese Tatsche «nicht besorgniserregend». Benachteiligt sind – einmal mehr – lernschwächere Jugendliche. Die Bildungspolitik müsste sich längst bewusst werden: Vieles geschieht; weniges wirkt.

Peter Bichsel hatte grosse Freiheit und kannte keine Kontrollbürokratie. Er konnte kreativ wirken. Einer seiner Schüler schreibt: «Ich bin überzeugt, dass ich nur dank Peter Bichsel später im Beruf erfolgreich war.»

Carl Bossard
Ehemaliger Direktor der Kantonsschule Luzern
Gründungsrektor der Pädagogischen Hochschule Zug
  
 
  
05.07.2025 - Gastbeitrag

Frühfranzösisch - ist früh zu früh?

Derzeit wird hart diskutiert und debattiert, ob zwei Fremdsprachen in der Primarschule sinnvoll sind. Besonders das sogenannte Frühfranzösisch steht unter Beschuss. Als Sekundarlehrer mit Klassenlehrerfunktion habe ich, obwohl ich keine Sprachen unterrichtete, viel mitbekommen von dieser Entwicklung, alles immer früher anzusetzen. Auch gute Gespräche mit Fachlehrpersonen, namentlich mit der Französischlehrerin meiner Klassen, erhellte Vieles. Im Folgenden versuche ich mich zu erinnern.

In jedem Fall früh genug

Französisch ist eine Landessprache in der Schweiz. Dass Schulabgängerinnen und Schulabgänger über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügen sollen, um sich in französischsprachigen Landesteilen einigermassen verständigen zu können, ist ein verständlicher Anspruch an unser Bildungssystem. Um genau das zu garantieren, kann man kaum früh genug beginnen, dachten sich Reformfreudige – und «reformten» drauflos. Die Idee dahinter war simpel: Kleinkinder erlernen eine Sprache mühelos, wenn sie ihr andauernd ausgesetzt sind. Der Kühlschrankeffekt spielt: Es gibt nichts aus dem Kühlschrank, wenn ich es nicht benennen kann. Daraus entwickelte sich die Idee des Sprachbades. Als Kompromiss wählte man das Eintauchen in dieses Bad ab dem dritten Schuljahr in den Kantonen, die Französisch zur erstvermittelten Fremdsprache in der Primarschule erklärten. Noch früher (obwohl allenfalls durchaus erwünscht) ging dann doch nicht.

HarmoS

Um die ganze Neuausrichtung des Fremdsprachenunterrichts noch zu verkomplizieren, rang sich die Bildungspolitik im darauffolgenden Fremdsprachenstreit zu einem faulen Kompromiss durch: Auf die national heiss diskutierte Frage «Französisch oder Englisch zuerst?» erfolgte die Antwort «Comme vous voulez» bzw. «As you want». Not so harmless… denn damit war das Frühfremdsprachen-Birchermüesli vollends angerichtet. Gewisse Kantone beginnen in der dritten Primarschulklasse mit Französisch, die anderen mit Englisch. Die jeweils andere zweite Fremdsprache kommt dann in der fünften Klasse dazu. Von Harmonisierung in dieser Sache weit und breit keine Spur – ganz im Gegenteil.

Baden in der Pfütze

Die Frühfremdsprachenreform ging einher mit vollkommen neu konzipierten Lehrmitteln: Keine exzessive Grammatik, kein nachhaltig ausgebildeter Wortschatz, dafür Spracherwerbsstrategien mit Ausflügen ins Türkische, Arabische, Russische und was weiss ich noch. Hinzu kamen neu sogenannte authentische Texte, die selbst Sprachbeherrschende nicht mühelos verstehen. Schöne farbige neue Welt!

Doch wie steht es um die Badewanne? Die ist kaum bodenbedeckend gefüllt, denn mit zwei, drei Lektionen pro Woche ist man weit weg von diesem Sprachbad, welches Kleinkinder zuhause erfahren. Gegebenenfalls kann man sich in dieser Sprachbadewanne die Füsse waschen – mehr nicht. Eine sprachhygienische Sauerei also. Das Gegenmittel: Deos! Sprayen, was das Zeug hält. Hauptsache vernebeln. Die Deomarke hiess: «AKG - Alles kommt gut!»

Die Ergebnisse

Etliche erfolgte Erhebungen zeigen: Die meisten Schülerinnen und Schüler verfügen in den Fremdsprachen am Ende ihrer Schulzeit kaum über einigermassen anwendbare Grundkenntnisse. Die Betonung liegt auf dem Wort «anwendbar». Eine Cola zu bestellen in Neuchâtel wird zum Spiessrutenlauf. Englisch steht besser da als Französisch, doch das hat tatsächlich mit einer Art Sprachbad zu tun. Viele Kiddies schauen sich auf YouTube oder TikTok englischsprachige Videoclips an und erweitern so ihre Sprachkenntnisse in Englisch. Wer aber schaut um Himmels Willen die Videos in französischer Sprache? Voilà!

Aufwand und Ertrag

Der für Frühfremd betriebene Aufwand war und ist immer noch gigantisch – der Ertrag ist (wie bereits erwähnt) eher marginal. Wirtschaftlich gesehen bezeichnet man eine solche Entwicklung als Insolvenz. Die Bilanz müsste also deponiert und die Stundung eingeleitet werden. Doch die Verantwortlichen mauern, trotz nun sich endlich aufbauendem politischem Gegendruck. Wie bei allen Reformen der letzten Jahre oder gar Jahrzehnte gilt: Ja keine Fehler zugeben! Pokerface!

Sideeffects

Eine ehrliche Analyse der aktuellen Zustände täte gut. Ideologie hat noch nie einen begehbaren Boden geschaffen. Schonungslos müsste eingestanden werden, dass jahrelang Kinder hintergangen und Lehrpersonen schamlos ausgenutzt wurden. Doch kaum etwas geschieht. Ist doch alles gut so…

Nein – gut ist gar nichts. Zwei Fremdsprachen in einer Schulstufe, deren noble Aufgabe es wäre, Grundkenntnisse in der Unterrichtssprache, elementare mathematische Kenntnisse (altdeutsch Rechnen) und Basiswissen im Fachbereich NMG zu vermitteln, überschatten genau diesen berechtigten Anspruch. Das Ergebnis heisst: Von allem etwas, aber oft kaum Verwertbares. Wenn 6 ˣ 8 noch in der Sekundarstufe zum Abenteuer wird, weil die Reihen in der Primarschule nicht geübt wurden, wenn das Textverständnis und die Rechtschreibung in Deutsch reihenweise auf der Strecke bleiben, dafür Kenntnisse bestehen über die 70 Geschlechter – dann ist eben Ende Gelände.

Die Frühfremdsprachen haben da ihren Anteil. Sie besetzen Unterrichtszeit und Verarbeitungskapazität in einer Schulstufe, die die Reserven für dieses Experiment schlicht nicht hat.

Hinzu kommt aber noch etwas anderes, durchaus Besorgniserregendes: Mit der Umstellung von 5/4 auf 6/3 im Kanton Baselland, die ja in etwa Hand in Hand erfolgte mit der Einführung der Früh-fremdsprachen, kamen die angehenden Sekundarschülerinnen und Sekundarschüler in die neue Schulstufe und zeigten bereits massive Anzeichen von schulischer Erschöpfung, ja sogar von Schulmüdigkeit, wie ich sie in all den Jahren zuvor nie gesehen hatte. Und – quelle surprise – das Fach Französisch war bei Vielen Hassfach Nummer Eins von Beginn an. Mit viel Liebe und Mühe gelang es der Französischlehrerin meiner Klassen, diese Aversion partiell abzubauen. Will heissen: Die frühe Konfrontation mit Fremdsprachen in der Primarschule hat angehenden Sekundarschülerinnen und Sekundarschülern vor allem eines verpasst: Den ultimativen Ablöscher. Früh fremd eben. Doch von all dem liest man kaum etwas.

La Solution

Wenn festgestellt werden muss, dass in der Zeit, als der Fremdsprachenunterricht mit Französisch (und Englisch) auf der Sekundarstufe Eins begonnen hat mit zum Beispiel Bonne Chance, die Sprachkenntnisse am Ende der obligatorischen Schulzeit besser waren als heute, heisst es nur noch: Back to the future!

Simone Pfenninger hat in ihren Studien festgestellt, dass der Vorteil von Frühlernern gegenüber Spätlernern marginal ist und am Ende der obligatorischen Schulzeit genau Null beträgt. Darum betrachte ich das Experiment Frühfremd als vollkommen gescheitert – es ist unverzüglich zu beenden!

Daniel Vuilliomenet
Ehemaliger Sekundarlehrer Niveau E, P, A und Kleinklasse


 
 
30.06.2025 - Gastbeitrag

Die Tragikomödie um Frühfranzösisch

«Wer zieht die Verantwortlichen zur Verantwortung?»
Harald Schmidt[1]

Die Fakten

Seit der Auswertung der letzten Überprüfung der Grundkompetenzen (ÜGK) von 2023 liegen die Fakten auf dem Tisch und die Nerven blank:

  • Nur etwa 51 % der Schülerinnen und Schüler aus der Deutschschweiz erreichen beim Leseverstehen im Fach Französisch die geforderten Grundkompetenzen.
  • Beim Hörverstehen schaffen es lediglich 58 % aufs geforderte Mindestniveau.[2]

Wohlbemerkt handelt es sich bei den Grundkompetenzen um absolute Mindestanforderungen. Auf die Disziplin der Ernährungswissenschaft, der sogenannten Trophologie, bezogen, würde dies bedeuten, dass man Besteck in Händen halten kann. Dazu wäre dann die Hälfte der Deutschschweizer SchülerInnen nicht in der Lage, weswegen sie das Caramelköpfli mit den Fingern essen müsste. Dieses delikate Unterfangen entspricht in etwa ihrer Kompetenz nach bis zu sieben  Jahren Franzunterricht. In dem Sinne nämlich, dass beides schlicht «unmöglich» ist. Ersteres im wahrsten und Letzteres im übertragenen Sinne des Wortes! Zur Veranschaulichung zwei Beispiele aus einem Check S3, Niveau E, also nach über sechs Jahren Französisch:

«Mon journée de rêve est a jiulliet Je arrive a la cochella et party avec mon copains, apprès vous visite le museée et mange a la restaurant de mexican. D’abord vous depecher et colorier ons chevaux. Mon journée de rêve est gàgne pour moi Journée très simple et tres realistic.»

«Je manges une petit dejeune. Je allé a une ville de trampoline. Ensuite je mange dejune. Ensuite je joue les jeu video à mon maison. Je mange un dinner et ensuite je alle dormé. Je mon prefere jour.»

Die gelähmte Eidgenössische Erziehungsdirektorenkonferenz

2023 bestätige sich somit, was sich bereits anlässlich der ersten ÜGK von 2016 abzeichnete. Darüber hinaus ermittelte eine überkantonale Evaluation der Französischkenntnisse aus dem Jahre 2019 - Abschlussbericht zum Passpartout-Projekt - «derart miserable Resultate, dass die Kantone, die die Studie bestellt hatten, sie umgehend schubladisierten.»[3] Bei Unannehmlichkeiten macht dies übrigens sprichwörtlich auch der Vogel Strauss, indem er seinen Kopf in den Sand steckt.

Was tat die Bildungspolitik, notabene die Eidgenössische Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), zwischenzeitlich als Reaktion auf die katastrophalen Resultate? - Immerhin hatte sie fast zehn Jahre Zeit, um ins Handeln zu kommen. NICHTS! Offenbar leiden die 25 Mitglieder um den Walliser Präsidenten Christophe Darbellay wegen der unappetitlichen Ergebnisse an einer chronischen Magenverstimmung mit lähmender Wirkung. Jedenfalls macht die EDK seit bald einem Jahrzehnt nichts anderes, als sich unbedarft und bar jeder Logik auf den nationalen Zusammenhalt zu berufen als Rechtfertigung für die Beibehaltung des aktuellen Frühfranzösischunterrichts.

Die Irrationalität der Eidgenössischen Erziehungsdirektorenkonferenz

So zu argumentieren ist jedoch absurd. Andernfalls wäre die Schweiz längst auseinandergefallen, beherrscht die Mehrheit der DeutschschweizerInnen die zweite Landessprache doch kaum noch. Dies gerade wegen einer durch die EDK zu verantwortenden verfehlten Bildungspolitik. Wenn die gesellschaftliche Kohäsion, also der nationale Zusammenhalt, schon herhalten muss, dann logischerweise als Argument für die Veränderung der heutigen Französischvermittlung an der Volksschule. Denn was nutzt es, wenn SchülerInnen in der Deutschschweiz unter Vernachlässigung der eigenen Muttersprache jahrelang Französisch lernen, sie sich danach aber nicht verständlichen machen und die Welschschweizer sie nicht verstehen können?! Abgesehen davon ist es lächerlich, Kinder und Pubertierende verantwortlich machen zu wollen für unseren Zusammenhalt.

Die Widersprüchlichkeit des Präsidenten

Herr Darbellay, versuchen Sie es doch mal mit Fencheltee. Aber auch der Verzicht auf Fendant hilft bei einer Magenverstimmung. Machen Sie sich jedenfalls bitte endlich fit, um die Vermittlung einer der weltweit schönsten Sprachen nicht restlos gegen die Wand zu fahren in unserem Land, mon Dieu! Sie können nicht den nationalen Zusammenhalt predigen, dafür die frühestmögliche Vermittlung unserer zweiten Landessprache fordern, negative Ergebnisse in diesem Bereich ignorieren und sich als Präsident der EDK zugleich jeglicher Verantwortung entziehen. Gerade als Welschschweizer müssten Sie ein ganz besonderes Interesse haben an einem zielführenden Französischunterricht in der Deutschschweiz.  Verharren Sie in Ihrer passiven Widersprüchlichkeit, fliegt Ihnen der nationale Zusammenhalt vielleicht tatsächlich bald um die Ohren. Zut alors! Spätestens dann werden Sie erkennen, dass es den meisten Ihrer Kollegen und deren Vorgängern in Tat und Wahrheit nie um Kohäsion ging, sondern darum, ihr Gesicht nicht zu verlieren. Denn jene sind durch ihr Nichthandeln letztlich verantwortlich für das Debakel des Deutschschweizer Französischunterrichts.

Zwei Beispiele

Als die Schweizer Linguistin, Simone Pfenninger, in ihrer Langzeitstudie zwischen 2008 und 2015 zum Schluss kam, dass Frühfremdsprachen-unterricht auf der Primarstufe nichts bringt[4], bezeichnete der damalige Präsident der EDK und Basler Bildungsdirektor, Christoph Eymann, die Studie kurzerhand als «qualitativ nicht genügend»[5], ohne seine tatsachenwidrige Unterstellung  je zu begründen. Als Jurist weiss er offenbar besser Bescheid über Linguistik bzw. Fremdsprachenerwerb als die internationale Fachwelt. So stellte die Direktorin der dänischen Universität Aarhus Qualitätsmängel der Pfenninger-Studie kategorisch in Abrede[6]. Pfenninger gewann mit ihrer Studie zudem den Zürcher Mercator-Preis für Nachwuchsforschung[7] und Jean-Marc Dewaele, Professor für Angewandte Linguistik an der Birkbeck-Universität in London meinte: «Die Arbeiten von Simone Pfenninger sind von herausragender Qualität und in den wichtigsten Fachzeitschriften ihres Forschungsgebiets veröffentlicht worden.»[8]

Laut Pressebericht des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschafts-forschung vom April 24 sind die zwei verbreitetsten Merkmale der Wissenschaftsfeindlichkeit: 1. Unangemessene Reaktionen auf wissenschaftliche Erkenntnisse und 2. Herablassende Äußerungen und Anzweifeln der Kompetenz.[9] 

Kaum im Amt trat Eymanns Nachfolger, Conradin Cramer, bei der Leugnung wissenschaftlicher Befunde sogleich in die Fussstapfen seines Vorgängers. Tat er dies aus Solidarität mit Eymann, seinem politischen Ziehvater, aus Ignoranz oder Unbelehrbarkeit? Man weiss es nicht. Jedenfalls bezeichnete Cramer die den missratenen Lehrmitteln Milles Feuilles und Clin d’oeil zugrundeliegende Passepartout-Ideologie als «state oft the art».[10] Dies in eklatantem Widerspruch zu vier wissenschaftlichen Untersuchungen[11], von denen er als damaliger Basler Bildungsdirektor Kenntnis haben musste.

 

Allez-y, Monsieur Darbellay!

Mit der Abschaffung des Französischunterrichts auf der Primarstufe haben Sie als aktueller Präsident der EDK die einmalige Gelegenheit immerhin eine der vielen verfehlten Schulreformen zu korrigieren und dadurch Eingang zu finden in die Geschichtsbücher zur Schweizer Volksschule. Denn  Schulreformen werden unabhängig vom Schaden, den sie anrichten, so gut wie nie rückgängig gemacht in unserem Land. Hierfür gehen stets zu viele finanzielle Interessen damit einher. 

Gewinnen Sie Ihre KollegInnen aus der EDK für sich. Martina Bircher, Bildungsdirektorin des Aargaus und Res Schmid, Nidwaldner Bildungsdirektor haben Sie bereits auf Ihrer Seite. Die Eymänner und Cramers unseres Landes machen Sie sich eher nicht zu Freunden, dafür aber die ganze Welschschweiz, die Schar genervter Deutschschweizer Eltern, die erfolglos versucht, Ihren noch zu jungen Nachwuchs beim Französischlernen zu unterstützen, die Anhängerschaft der französischen Sprache aus der alemannischen Schweiz und vor allem auch die Wirtschaft.

Nicht zuletzt handeln Sie im Einklang mit Ihrer eigenen Zielsetzung: Förderung Ihrer Muttersprache und damit des nationalen Zusammenhalts. Wünschen Sie einen Eindruck vom Desaster rund um den Französischunterricht, empfehle ich Ihnen den Artikel vom 22. Juni in der Sonntagszeitung.[12] Alors, qu’est-ce que vous attendez? En avant!

Schade, dass die, die Verantwortung übernehmen, sie nur so selten tragen wollen.
Markus M. Ronner[13]

Felix Hoffmann, Sekundarlehrer


[1] https://www.aphorismen.de/zitat/197535
[2] https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/sprachunterricht-studie-zeigt-mangel-im-franzosisch-66994219
[3] https://www.watson.ch/schweiz/kommentar/783386024-fruehfranzoesisch-egal-aber-lernt-franzoesisch-liebe-deutschschweizer
[4] https://www.srf.ch/news/schweiz/fruehfranzoesisch-quel-malheur-die-meinungen-der-forscher-im-sprachenstreit
[5] https://www.bazonline.ch/es-ist-schwierig-fuer-politiker-zurueckzurudern-517990088339
[6] https://schuleschweiz.blogspot.com/2016/05/feige-kritik-forscherin.html
[7] https://www.es.uzh.ch/en/aboutus/team/spfenninger.html
[8] https://www.tagesanzeiger.ch/im-kreuzfeuer-des-sprachenstreits-617604925326
[9] https://www.hiig.de/wp-content/uploads/2024/05/Erste-Ergebnisse_Umfrage-zu-Anfeindungen-gegen-Forschende.pdf
[10] https://condorcet.ch/2020/02/mon-dieu-conradin/
[11] 1. Studie von Simone Pfenninger (2018)
Titel: The trouble with early foreign language learning: Evidence from Switzerland;
2. Evaluation durch die Universität Basel (2018)
Titel: Evaluation der neuen Französischlehrmittel im Kanton Basel-Stadt
3. C. Studie von Berthele/Lambelet (2016)
Titel: Lernstandserhebung Fremdsprachen in der Nordwestschweiz
4. Lernstandserhebung Französisch 2017 (Kanton Basel-Landschaft)
[12] https://epaper.sonntagszeitung.ch/article/10000/10000/2025-06-22/5/-1
[13] https://gutezitate.com/zitat/256084
 
 

26.06.2025

Frühfranzösisch, aber späte Einsichten

Politikerinnen und Politiker erklären den Französischunterricht an der Primarschule zur Schicksalsfrage des Landes. Dabei zeigt die Realität: Früh angesetzt ist noch lange nicht gut gelernt – und schon gar nicht geliebt.

Der Zusammenhalt des Landes sei gefährdet, wenn das Frühfranzösisch abgeschafft werde. Das verkündete einst Christoph Eymann, Basler Bildungsdirektor im Bildungsfuror. Das behauptete auch alt Bundesrat Alain Berset, als der Kanton Thurgau den Französischunterricht an der Primarschule in Frage stellte. Und nun bläst Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider ins gleiche Horn. Sie ist sogar bereit, den Kantonen dafür die Zuständigkeit der Bildungshoheit abzusprechen. Notfalls, so lässt sie verlauten, wolle sie das Frühfranzösisch gesetzlich verankern. Das Machtwort als pädagogische Antwort.

Ein Mythos namens «Landes-Zusammenhalt»

Es ist wohl gröberer Unsinn zu behaupten: Der «Landes-Zusammenhalt» – die vielbeschworene cohésion nationale – hänge vom Französischunterricht auf Primarstufe ab. Angesichts der ärmlichen Resultate nach Abschluss der Volksschule und des offenkundigen Unwillens vieler Schüler gegenüber der schwierigen Fremdsprache wirkt diese Behauptung bestenfalls abenteuerlich romantisch, schlimmstenfalls ideologisch verbohrt. Vielleicht wäre es klüger, die Primarschule spräche zuerst das Herz der Kinder an – und weckte die Liebe zur Romandie auf Schulreisen statt mit «Sprachbädern», die sich als Wortpfützen erweisen.

Von Versuchsklassen und politischen Manövern

Ich kam in der Babyboomer-Zeit zur Welt. Damals lernte man an keiner Primarschule Französisch – und trotzdem war der Landeszusammenhalt weder in Gefahr noch infrage gestellt. Im Gegenteil: Ich würde sagen, es war besser um ihn bestellt. Am heutigen Französischpensum der Primarstufe kann es also nicht liegen.

In den 1970er-Jahren wurde unsere vierte Klasse in Therwil zur «Versuchsklasse» für Frühfranzösisch erklärt. Ein Evaluationsbericht wurde nie publiziert. Die Bildungspolitik richtete sich schon damals nach der ideologischen Marschroute: Man führt etwas «provisorisch» ein – man führt etwas provisorisch und versuchsweise ein, um es unumkehrbar durchsetzen zu können. Kritik daran wird reflexhaft delegitimiert: Als eine Studienautorin Zweifel an der Effizienz des Frühfranzösischs anmeldete, attackierte Christoph Eymann gleich die Person, nur um sein Narrativ verteidigen zu können.

Crèmeschnitten statt Kommunikation

Ich erinnere mich noch an mein erstes Aha-Erlebnis vor dem Übertritt ans Progymnasium: Ich begriff, dass «est» und «sont» zusammengehören wie «ist» und «sind». Stolz erklärte ich es meinen Klassenkameraden, die ebenfalls zum ersten Mal das Prinzip des Konjugierens zu erfassen schienen. Das Wort «écureuil» war so tief in unser Gedächtnis eingebrannt wie heute vielleicht «mille-feuilles». Wir wussten also, was ein Eichhörnchen ist – kamen aber an der Oberstufe sprachlich auf die Welt. Heute können viele Sechstklässler eine Crèmeschnitte korrekt auf Französisch benennen, doch in einem Restaurant weder nach der Toilette fragen noch ein Coca-Cola bestellen. So jedenfalls die Erfahrung meiner Kinder nach drei Jahren Frühfranzösisch.

Zu viele Sprachen, zu wenig Bildung

Die jüngste Überprüfung der Grundkompetenzen (ÜGK) förderte Ernüchterndes zutage: Nur sieben Prozent der Realschülerinnen und Realschüler (Niveau A) erreichen die Mindestziele – im teuersten Bildungssystem der Welt.

Woran liegt’s? Die Primarschule ist mit zwei Fremdsprachen, ergänzt durch die dritte Fremdsprache Hochdeutsch, überfrachtet. Kinder mit Migrationshintergrund jonglieren oft mit vier Sprachen – und scheitern. Die Folge: Überforderung statt Verständigung, Sprachverwirrung statt Spracherwerb.

Die Verlagerung des Französischunterrichts in die Primarschule ist dabei keine pädagogische Feinjustierung, sondern der wichtigste und grösste strategische Grundfehler.

Auf dieser Stufe sind die Lernziele niedriger, der Unterricht unspezifischer, die Fortschritte langsamer, weil die Schüler noch nicht in ihre jeweiligen Leistungsniveaus aufgeteilt sind. Erst in der Oberstufe – wenn der Unterricht an das jeweilige Niveau angepasst ist – kann Spracherwerb wirklich fruchten. Vielleicht macht Französisch dann sogar Freude: Wenn es mit Erfahrungen verbunden wird, mit Reisen, Begegnungen, echten Freundschaften über Sprachgrenzen hinweg.

Daniel Wahl
Geschäftsleiter Lehrnetzwerk Schweiz, ehemaliger Primarlehrer, langjähriger Journalist

 

 

24.06.2025

Führungsstil der Schulleitung löst Flut von Kündigungen aus

14 teils langjährige und erfahrene Primarlehrpersonen haben ihr Arbeitsverhältnis an der Primarschule Allschwil auf Ende dieses Schuljahres gekündigt – dies teilte die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) auf Anfrage im Landrat mit. Hinzu kommen alle Lehrpersonen, die eine Verlängerung ihres auslaufenden Arbeitsvertrages ablehnten.

Die Vorwürfe vieler Lehrpersonen an die Adresse der Schulleitung wiegen schwer: willkürliches, schikanöses und gesetzwidriges Verhalten, Mobbing, Vetternwirtschaft mit der Bevorzugung von Familienangehörigen eines Schulleitungsmitgliedes, sowie ein autoritärer, teils diktatorischer Führungsstil.

Primarlehrpersonen erhalten Maulkorb

Der Starken Schule beider Basel (SSbB) sind in den vergangenen Tagen E-Mails, Briefe und verschiedene Dokumente von rund einem Dutzend Lehrerinnen und Lehrern zugestellt worden – mit brisantem Inhalt: Die Zustände an der Primarschule Allschwil seien laut mehreren Zuschriften sehr belastend. 

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Seit einiger Zeit, so berichten Betroffene, sei eine freie Meinungsäusserung im Konvent kaum mehr möglich. Lehrpersonen, die es dennoch wagten, wurden vom Rektor zitiert und zurechtgewiesen. Vieles deutet darauf hin, dass den Primarlehrpersonen stillschweigend ein Maulkorb verpasst wurde – offenbar eine Überreaktion eines Schulleitungsmitglieds.  

Der Rektor soll inzwischen seit Wochen krankgeschrieben sein. Nun ist er auf Tauchstation: Antworten auf Fragen der SSbB oder eine klärende Stellungnahme? Fehlanzeige. Wir hätten seine Darstellung gerne in diesem Artikel berücksichtigt.

Vetternwirtschaft – eine üble Sache

Es scheint kein Einzelfall zu sein: Schulleitungsmitglieder sollen bei Anstellungen und Stundenwünschen systematisch Familienangehörige, deren Freundinnen und Bekannte bevorzugen. Eine Lehrperson teilt uns mit, dass die Tochter einer Schulleiterin eine Unterstufenklasse erhielt und in dasjenige Schulhaus wechseln darf, in welchem ihre Mutter die Schulleiterin ist.

Eine andere Lehrperson schreibt in einem längeren Brief an die SSbB deutlich und ausführlich, dass eine solche Bevorteilung eigener Familienangehörigen und Freunden nicht haltbar sei.

Demgegenüber würden Wünsche von langjährigen und erfahrenen Lehrpersonen, die sich auch mal kritisch äussern, von der Schulleitung ignoriert oder sie würden sogar als Strafmassnahme aus ihren gut funktionierenden Teams herausgerissen, in ein anderes Schulhaus zwangsversetzt und das Ganze als Führungsmassnahme deklariert.

Ein Klima der Angst und Verunsicherung

Eine Primarlehrperson beschreibt uns die Situation wie folgt: «An der Primarschule Allschwil herrscht, aufgrund der Handlungen der Schulleitung, ein Klima voller Angst und Verunsicherung. Dieser belastende Zustand besteht nun seit fast zwei Jahren und verschärft sich zusehends». Zugespitzt habe sich die Situation, «nachdem sich das Kollegium für eine Kollegin starkgemacht hat, die ein Jahr lang vom Rektor (…) einen unbefristeten Vertrag versprochen bekam, diesen aber nicht erhalten hat». Solche «wiederholten Versprechen seitens der Schulleitung, die nicht eingehalten wurden», würden dem «Schulklima schaden».

Eine andere Lehrperson beschreibt den Führungsstil des Schulleiters als autoritär, bisweilen diktatorisch und prangert eine erhebliche Vetternwirtschaft an. Sie empfinde den Rektor als «empathielos».

Wird kantonales Recht missachtet? Streit um Entlastungslektionen.

Seit dem Schuljahr 2023/24 erhalten Klassenlehrpersonen der Primarstufe eine Jahreslektion zur Entlastung für administrative Aufgaben im Rahmen ihrer Klassenführung. Der Umgang mit dieser Entlastungslektion ist im kantonalen «Merkblatt Entlastungslektion Klassenlehrpersonen Primarstufe» durch das Amt für Volksschulen (AVS) geregelt. Insbesondere bei Teilpensen und geteilten Klassenlehrfunktionen im Jobsharing hält das Merkblatt unmissverständlich fest: «Eine Auszahlung der Entlastungslektion ist nicht möglich». (siehe folgende Darstellung aus dem Merkblatt) 

Nicht so in Allschwil: Lehrpersonen mussten sich laut mehreren E-Mails diese Entlastungsstunden auszahlen lassen – entgegen den unmissverständlichen Vorgaben des kantonalen Merkblatts. Eine Gutschrift in der Stundenbuchhaltung wurde ihnen verweigert. Warum die Schulleitung diese klare Weisung des AVS ignoriert, bleibt offen. Eine entsprechende Anfrage der SSbB bei der Schulleitung blieb unbeantwortet. Eine Schulleiterin verweigerte die Auskunft und verwiess lapidar auf die Schulratspräsidentin.

Kettenverträge sind meist unzulässig – die rechtliche Situation

Für Lehrpersonen mit abgeschlossener Ausbildung gilt gemäss §5 der Personalverordnung: «Der Arbeitsvertrag ist in der Regel unbefristet abzuschliessen». Ausnahmen regelt §6 der Personalverordnung. Ein befristeter Arbeitsvertrag ist nur dann zulässig, wenn eine der folgenden drei Bedingungen erfüllt ist:

a. für Anstellungen, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung befristet sind;
b. für den befristeten Einsatz in einer Stellvertretungsfunktion;
c. für Anstellungen von Lehrpersonen, wenn die Ausbildung unvollständig ist.

Ist keine dieser Ausnahmen gegeben, besteht ein Anspruch auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Zwei typische Beispiele für rechtlich zulässige Befristungen gemäss §6 der Personalverordnung sind: Wenn eine Klasse vorübergehend eröffnet und dafür eine zusätzliche Lehrperson benötigt wird (lit. a.) oder wenn es sich um eine Vertretung z.B. bei einem Mutterschaftsurlaub handelt (lit. b.).

Wenn keine Ausnahmeregel vorliegt, bedeutet das faktisch: Lehrpersonen mit abgeschlossener Ausbildung werden in der Regel unbefristet angestellt. Während der ersten sechs Monate gilt die gesetzlich vorgesehene Probezeit, in der das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten unter erleichterten Bedingungen gekündigt werden kann.

Für Lehrpersonen, die ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben, sind in §6 die Abs. 2 und 5 relevant: Absatz 2 legt fest, dass die Gesamtdauer aller befristeten Arbeitsverhältnisse in der Regel 48 Monate nicht überschreiten soll. In Absatz 5 wird ergänzt, dass befristete Arbeitsverträge für dieselbe Funktion mit derselben Person in der Regel höchstens dreimal hintereinander abgeschlossen werden dürfen.

Für Lehrpersonen bedeutet das konkret: Da sie in der Regel keinen Funktionswechsel durchlaufen, ergibt sich faktisch eine maximale Befristungsdauer von 36 Monaten (drei aufeinanderfolgende Einjahresverträge in derselben Funktion).

Bei einem Funktionswechsel, was bei Lehrpersonen im Normalfall nicht vorkommt, wäre die 48-Monatsregel gemäss §6, Abs. 2 der Personalverordnung wirksam. Eine fortgesetzte Befristung ohne gesetzliche Grundlage ist daher rechtswidrig.

Missachtung von Personalgesetz und Personalverordnung

Zahlreiche Mails und Briefe belegen, dass sich der Rektor der Primarschule Allschwil wiederholt über die Vorgaben des Personalgesetzes und Personalverordnung hinwegsetzt. Gleichzeitig scheint die Schulratspräsidentin nicht in der Lage, die Einhaltung der personalrechtlichen Bestimmungen durch die Schulleitung wirksam durchzusetzen. Nachfolgend ein exemplarischer Fall:

«Nachdem ich nun meinen fünften Arbeitsvertrag mit der Primarschule Allschwil erhalten soll und mir Herr (…) [genannt wird der Name des Rektors] mehrmals einen unbefristeten Vertrag zugesichert hat, war ich sehr irritiert und enttäuscht (…) zu erfahren, dass der Arbeitsvertrag wieder nur ein befristeter sein soll.» Nach einem klärenden Gespräch mit der Schulleitung, wurde der Lehrperson eröffnet, «dass sie möglicherweise gar keinen Vertrag mehr erhalten" wird. Und dies, obwohl der Stundenplan bereits an die Eltern verschickt und das «zugesagte Pensum in SAL eingetragen» wurde und der Rektor der Lehrperson «ein Budget von Fr. 1´800.- zugesprochen» hat «für ein Projekt mit der neuen Klasse im neuen Jahr».

Die Drohung der Schulleitung, dieser Lehrperson keinen neuen Vertrag zu erteilen, stellt ein klares Zeichen mangelnder Führungskultur dar und eine grobe Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben.

Der eingeschaltete Lehrerinnen- und Lehrerverband Baselland (LVB) reagiert mit einer «Anzeige arbeits- und führungsrechtlicher Missstände in der Schulleitung der Primarstufe Allschwil» und weist auf «schwerwiegende Führungsmängel im Schulbetrieb Allschwil» hin, die «nicht nur individualrechtlich, sondern auch aufsichtsrechtlich und systematisch Relevanz entfaltet». Das vom LVB treffend und brillant verfasste Schreiben deckt die «widersprüchliche Personalführung, strukturelle Benachteiligung und systematische Verunsicherung» auf. Und weiter: «Der Führungsstil der Schulleitung Allschwil zeichnet sich gemäss mehreren Rückmeldungen durch hohen Druck, mangelnden Respekt gegenüber Mitarbeitenden und fehlender Gesprächskultur auf. In den letzten zwei Jahren haben zahlreiche engagierte und langjährige Mitarbeitende die Schule verlassen – ein Umstand, der nicht etwa zur Reflexion führte, sondern zur Verschärfung der Kontrolle und Ausgrenzung seitens der Führungsverantwortlichen.»

Das oben dargestellte Beispiel ist nur eines von vielen, das die fortgesetzte Missachtung des Personalgesetzes und der Personalverordnung dokumentiert.

Die Schulleitung bedient sich sogenannter Kettenverträge (= jährlich befristeter Arbeitsverhältnisse), die über mehrere Jahre hinweg fortgesetzt werden, ohne dass ein unbefristeter Vertrag ausgestellt wird. Auch wenn eine rechtliche Qualifikation als „Kettenvertrag“ erst im Einzelfall durch ein Gericht erfolgen würde, deutet die systematische Praxis auf ein strategisches Machtmittel hin: Lehrpersonen, die als kritisch gelten, erhalten schlicht keinen neuen Vertrag.

Ausweichmanöver statt Aufsicht - eine überforderte Schulratspräsidentin

Die SSbB hat die Schulratspräsidentin mit konkreten Fragen zur Personalkrise an der Primarschule Allschwil konfrontiert. Ihre Antwort offenbart eine klare Verweigerungshaltung: Anstatt auf die nachweislich dokumentierten Vorwürfe oder die 14 Kündigungen einzugehen, versteckt sie sich hinter formalen Floskeln. Mit Verweis auf Datenschutz und Amtsgeheimnis weicht sie sämtlichen substanziellen Fragen aus – obwohl eine grundsätzliche Stellungnahme zur Arbeitssituation ohne Offenlegung personenbezogener Daten problemlos möglich wäre.

Besonders bezeichnend ist ihre Rückfrage nach dem "Zusammenhang" der Anfrage der SSbB, obwohl dieser angesichts der zahlreichen Kündigungen und eingegangenen Beschwerden offensichtlich ist.

Die pauschale Delegation der Verantwortung an den Kanton wirkt wie ein Ablenkungsmanöver einer Amtsträgerin, die entweder nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, zu den schwerwiegenden Vorwürfen von Mobbing und der Rechtsverletzungen Stellung zu beziehen.

Fazit

Die dokumentierten Führungsschwächen in der Schulleitung offenbaren gravierende systemische Defizite, verschärft durch eine überforderte und wenig durchsetzungsfähige Schulaufsicht. Wo Kontrollinstanzen versagen und destruktive Führungspraktiken toleriert oder gar gefördert werden, entsteht ein toxisches Arbeitsumfeld, das die Schulqualität gefährdet und Lehrpersonen, Schüler/-innen sowie Eltern nachhaltig belastet.

Der Fall zeigt exemplarisch, wie schwerwiegende und teils irreversible Schäden durch personelle Fehlbesetzungen in Leitungsfunktionen entstehen können. Eine funktionierende Schule braucht integre, kompetente und kooperationsfähige Führungspersönlichkeiten, die das Wohl der Institution über Eigeninteresse stellen.

Angesichts der dokumentierten Missstände ist ein personeller Neuanfang unvermeidlich. Sowohl in der Schulleitung als auch im Schulrat müssen die verantwortlichen Personen zum Wohl der Schule ihre Ämter niederlegen und durch charakterlich geeignete, professionell ausgewiesene Personen ersetzt werden. Mit dem Ziel einer transparenten, respektvollen und konstruktiven Führungskultur. Nur so kann das beschädigte Vertrauen wiederhergestellt und eine positive Entwicklung der Primarschule Allschwil ermöglicht werden.

Jürg Wiedemann
Vorstand Starke Schule beider Basel

22.06.2025

Klare Mehrheit will weniger Fremd-
sprachen an den Primarschulen

Die Resultate der soeben durchgeführten Umfrage der Starken Schule beider Basel (SSbB) zum Thema Fremdsprachen an den Primarschulen sind eindeutig: Zwei Drittel der Umfrageteilnehmenden lehnt die Weiterführung von zwei Fremdsprachen an den Primarschulen ab. Wird auf nur noch eine Fremdsprache reduziert, so bevorzugen 53.1% Englisch, 34.5% Französisch. Eine deutliche Mehrheit ist zudem für einen späteren Fremdsprachenbeginn. Die meisten Umfrageteilnehmenden sprechen sich für einen Start in der 5. Primarklasse aus.

Umfrage stösst auf grosses Echo

Die SSbB lancierte die Umfrage als Reaktion auf den kürzlich erschienen Bericht «Überprüfung Grundkompetenzen» (ÜGK), dessen Resultate alarmierend sind: Knapp die Hälfte der Schüler*innen erreicht bis zum Ende der obligatorischen Schule in Französisch nicht einmal die elementaren Grundkompetenzen. So erstaunt das grosse Echo der Umfrage nicht.

891 Personen aus den beiden Basler Halbkantonen nahmen an der Umfrage teil (davon 80.3% Lehrpersonen der Volksschulen oder der Sekundarstufe 2). Von den 288 teilnehmenden Primarlehrpersonen unterrichten 45.8% mindestens eine der beiden Fremdsprachen (Französisch, Englisch).

Aufgrund der sehr grossen Anzahl der Teilnehmenden kann die Umfrage als aussagekräftig eingestuft werden.

Zwei Drittel befürworten eine Reduktion der Anzahl Fremdsprachen

Lediglich 30.5% der Umfrageteilnehmenden möchten an den Primarschulen beide Fremdsprachen Französisch und Englisch beibehalten. Eine deutliche Mehrheit von 66.3% spricht sich für eine Reduktion der Anzahl Fremdsprachen aus. Davon wünschen sich 16.1% sogar gar keine Fremdsprachen auf der Primarstufe. (siehe folgende Grafik)

 

Eine klare Mehrheit der Fachwelt scheint sich einig zu sein: «Zwei Fremdsprachen an den Primarschulen sind mindestens eine zu viel», so der grosse Tenor der Rückmeldungen. Viele Schulkinder seien demotiviert und frustriert, wenn sie am Ende der Primarschulzeit im Fach Französisch kaum einen Satz sprechen und selbst einfachste Texte nicht verstehen können; dies trotz rund 400 Unterrichtslektionen von der 3. bis zur 6. Primarklasse.

Der Ressourcenverschleiss sei enorm und ginge zulasten anderer Fächer, betonten zahlreiche Lehrpersonen. In der Tat: Alle zu diesem Thema wissenschaftlich durchgeführten Studien (u.a. mehrere Pisa-Studien) zeigen nahezu das gleiche Resultat: Seit der Einführung von Frühfranzösisch ab der 3. Primarklasse und Englisch ab der 5. Primarklasse ist ein Leistungsabbau in Deutsch und Mathematik nachweisbar. Französisch sei «kontraproduktiv», formulierte es eine Lehrperson pointiert.

Eine Reduktion auf eine Fremdsprache nach dem Motto «weniger ist mehr» würde zu wesentlich «weniger Überforderung» führen und sei förderlich für das Lernklima, schreiben viele in ihren Antworten und begründeten ihre Position mit der einhergehenden Fokussierung auf nur noch eine Fremdsprache und der Folge, dass in dieser die Lernfortschritte grösser würden: «Mehr Tiefe statt Breite» sei anzustreben. Der grössere Erfolg würde die Schüler*innen «stärker motivieren». Ein Teil der gewonnenen zeitlichen Ressourcen sollten in die Fächer Deutsch und Mathematik investiert werden, um dort «vertieftes Wissen» aufzubauen und ein «gutes Fundament» für die nachfolgenden Schulstufen zu erzielen.

Als Hauptgrund für die Beibehaltung beider Fremdsprachen wurde angeführt, dass Französisch eine Landessprache und für den «Zusammenhalt der Schweiz» wichtig sei. Mehrere Lehrpersonen äusserten sich dahingehend, dass eine Fremdsprache in jungen Jahren einfacher zu lernen sei, nach dem Motto «je früher, desto besser». Deshalb müsse bereits an den Primarschulen mit beiden Fremdsprachen begonnen werden.

Zahlreiche Lehrpersonen betonten, dass die Motivation der Schüler*innen massgeblich mit spielerischen Lerninhalten einhergeht. Durch die spätere Einführung einer Fremdsprache würde dieser Aspekt komplett verloren gehen.

Englisch als klarer Favorit

Wird an den Primarschulen nur noch eine Fremdsprache unterrichtet, wünschen sich 53.1% Englisch, 34.5% Französisch bei 12.4% Enthaltungen. (siehe folgende Grafik)

 

Mehrere Umfrageteilnehmende betonen, dass Englisch «greifbarer und besser verständlich» wäre und Lernerfolge sich schneller einstellen. Die Sprache sei «einfacher zugänglich und allgegenwärtig», beispielsweise bei den Sozialen Medien. Viele Jugendliche hätten deshalb «geringere Hemmungen» Englisch zu sprechen. Englisch sei eine «ideale Einsteiger-Sprache, weil es im Alltag vielerorts gesprochen und gehört wird».

Mehrheit spricht sich für späteren Fremdsprachenbeginn aus

Die Antworten auf die Frage «Wann soll die erste Fremdsprache beginnen?» zeigen ebenfalls ein klares Bild: Lediglich 30.1% möchten den Fremdsprachenbeginn in der 3. Klassen, 64.4% erst später. Favorisiert wird mit 37.6% die 5. Klasse als Startpunkt. (siehe folgende Grafik)

 

Von den Befragten wurde oft genannt, dass durch einen Fremdsprachenstart erst ab der 5. Klasse die Grundkompetenzen im Fach Deutsch gestärkt würden, was dazu führe, dass die Fremdsprache auf dieser Grundlage besser erlernt werden könne. Auch wird argumentiert, dass die Schüler*innen in der 3. Klasse «noch nicht die kognitiven Fähigkeiten besitzen», sich mit den grammatikalischen Grundlagen einer Fremdsprache auseinanderzusetzen.

Vor- und Nachteile von nur noch einer Fremdsprache

In freien Textfeldern konnten die Umfrageteilnehmenden Vor- und Nachteile beschreiben, wenn auf eine der beiden Fremdsprachen verzichtet würde. Davon wurde rege Gebrauch gemacht: 497 Vorteile und 256 Nachteile wurden formuliert. Folgend im Wortlaut eine kleine Auswahl mit Voten, die sehr häufig genannt wurden:

Vorteile von nur einer Fremdsprache

  • Schwächere Primarschüler können sich auf den Erwerb der deutschen Sprache konzentrieren.
  • Französisch in der Primarschule ist zu früh. Das führt zu Frustration und Misserfolg und "schlechtes" Französisch bringt kaum etwas und reduziert die Fachstunden in späteren Schuljahren massiv, wenn die SuS wirklich reif sind. Ist in diesem Sinne also kontraproduktiv.
  • Weniger Überforderung und Verwirrung der SuS, welche ohnehin schon grosse Schwierigkeiten mit dem Deutsch haben
  • Für viele Kinder ist Deutsch bereits die Zweitsprache. Französisch ist komplex und den Kindern fehlt meistens der Sinn und die Motivation für diese Sprache, da sie zu alltagsfremd ist.
  • Weniger ist mehr
  • Die Gesamtstundenzahl für Fremdsprachen wird nicht zu früh angebraucht und damit nicht verschwendet.
  • Mehr Fokus auf eine Sprache und Chance eine zweite Sprache fundiert zu lernen. Darauf kann später aufgebaut werden.
  • Lieber eine Fremdsprache richtig anstatt zwei Fremdsprachen und keine richtig!
  • Weniger Druck und mehr Tiefe
  • Sprachentwicklung der Deutschen Sprache bekommt allenfalls mehr Raum
  • Der Fächerkanon wird um ein Fach reduziert.
  • freiwerdende Ressourcen für Stabilisierung Deutsch, MT + musisches Feld einsetzbar.
  • Weniger Stress für Kinder, mehr Freude an Fremdsprachen
  • Erleichtert Zuzüge aus anderen Ländern wohl massiv (aktuell müssten teilweise bis 3 Sprachen neu gelernt werden)
  • Konzentration auf eine Sprache, daher bessere Vertiefung durch mehr Lektionen
  • Zeit für andere Lerninhalte
  • Englisch als Weltsprache früh einführen, spielerisch aufbauend lernen können, rasch einsetzbar. Keine Überforderung durch das "zu schwierige" Französisch
  • Die Anstrengungen eine neue Sprache in einem "klinischen" Umfeld (z.B. 3 Lektionen pro Woche) zu erlernen, bedingt mehr als künstliche Immersion und "Freude". Was bis jetzt leider fehlt, ist das Vermitteln der Strukturen (Grammatik!) der Fremdsprachen auf der Primarstufe. Die SuS fühlen sich unsicher, desorientiert und haben wenig bis oft keinen Mut die neue Fremdsprache "zu verwenden".
  • Es bleibt mehr Zeit zur Förderung der Basiskompetenzen in den Bereichen Mathematik und Deutsch.
  • Kinder lernen mit einer einfacheren Sprache [gemeint Englisch] auf diesem Niveau das Prinzip vom Fremdsprachenunterricht kennen und können dieses Wissen später für Französisch nutzen.
  • Lieber weniger Fächer, dafür diese richtig als "von allem ein bisschen".
  • Es bleibt mehr Zeit, um die Deutschkenntnisse zu verbessern, was dringend nötig ist.
  • Weniger Stoffdruck/Notendruck.
  • Fokus, keine Überforderung, Entlastung der kognitiven Ansprüche im Primarschulalter
  • Eine Fremdsprache (aber intensiver) hat mehr Lerneffekt als zwei „so ein bisschen“.
  • Die Kinder können zuerst ihre Kompetenzen in der Bildungssprache Deutsch festigen. Das stärkt das Verständnis in allen Fächern und schafft eine solide Basis für späteres Fremdsprachenlernen.
  • Wird Französisch später eingeführt, kann es mit mehr Intensität und besseren methodischen Grundlagen unterrichtet werden.
  • Die Kinder sind überfordert. Sie kommen in die Sek 1 und dann ins Gymnasium und hassen Französisch.
  • Die Fremdsprachen belasten den Unterricht in mehreren Bereichen. Zeit, Stundenplanlegung, Raumangebot, Lehrpersonenbedarf…  Ausserdem sind die SuS noch sehr mit den Grundlagen in Deutsch beschäftigt und in den letzten Jahren sehe ich hier einen deutlichen Qualitätsverlust.
  • Es braucht weniger Lehrer; die Position des Klassenlehrers als direkte Beziehungsperson wird wieder gestärkt.
  • Mehr Tiefe, weniger Breite.
  • Für mich zeigt sich immer klarer, dass selbst Kinder, deren Muttersprache Deutsch ist, zunehmend einen zu kleinen Wortschatz und zu schlechte Kenntnisse ihrer Muttersprache haben, wodurch es ihnen immer schwerer fällt, Fremdsprachen zu lernen. Dieser Zusammenhang ist ja schon lange bekannt - aber dass es auch Kinder betrifft, die mit Deutsch als Muttersprache in der Schweiz aufwachsen, ist doch ein eher neues Phänomen.
  • Nach 4 Jahren Französisch können sie gar nichts! Sek-Lehrer fangen wieder bei 0 an! Reine Zeitverschwendung.
  • Mehr Zeit für bessere Deutschkenntnisse, einfachere Stundentafel, SuS und Eltern werden weniger belastet, weniger LPs für SuS, finanzielle Ressourcen werden entlastet

Nachteile von nur einer Fremdsprache

  • Beide Sprachen ergänzen sich gut, da sie auch viele Parallelwörter enthalten. Die Kinder bringen bereits eine Sprache mit in die Schule. Alle Sprachen können somit gleichwertig unterrichtet werden. Keine Sprache verliert an Respekt.
  • Kinder sind sehr wissbegierig in diesem Alter. Sie können locker mit zwei neuen Fremdsprachen umgehen und sehen dann auch, wie unterschiedlich diese sind (Horizonterweiterung).
  • Das Französisch wird verloren gehen. Was sehr schade ist, da es eine Landessprache ist.
  • Benachteiligung für Lehrpersonen mit zusätzlicher Ausbildung in der wegfallenden Sprache.
  • Mehrsprachigkeit gehört zur Schweiz. Gute Englischkenntnisse ebenfalls. Der Röstigraben wird noch tiefer.
  • Verlust der Fächervielfalt.
  • Französisch ist nicht allgegenwertig, deshalb muss es als zweite Landessprache den SuS niederschwellig vorgestellt werden, insbesondere die Aussprache. Sprachstrukturen vergleichen ist einfacher, wenn man auf mehrere Sprachen referenzieren kann. Die französische Welt ist für uns ebenso wichtig, wie die anglo-amerikanische und gibt uns die Möglichkeit, verschiedene Standpunkte einzunehmen.
  • Sprachbegabte Kinder kommen zu kurz.
  • Die Motivation, später dann noch Französisch zu lernen, wäre vermutlich noch weniger vorhanden.
  • Verlust von nationaler Identität und Verlust der Möglichkeit einen ersten Kontakt mit einer weiteren Nationalsprache zu haben.
  • Der spielerische Umgang mit der Fremdsprache geht mit einer späteren Einführung verloren.
  • Wertschätzung für die Sprache muss übermittelt werden, ansonsten sinkt die Motivation schon früh.
  • Französisch ist eine der Landessprachen der Schweiz. Es ist wichtig, dass deutschsprachige Kinder früh und, wie bisher, spielerisch einen guten Einstieg in die Sprache finden. Ich persönlich habe erlebt, dass Kinder ohne Migrationshintergrund durch den frühen Französischunterricht eine erste Begegnung mit einer anderen Sprache in der Schule erleben. Das hilft ihnen Brücken zu bauen und so zu lernen, wie man eine Fremdsprache lernt. Diese Verknüpfungen zur eigenen Sprache bilden die Basis für das Erlernen anderer Sprachen wie Italienisch, Spanisch etc.
  • Wenn Französisch in der Primarschule gestrichen wird, kommen die Schüler:innen erst sehr spät mit dieser Landessprache in Kontakt. Der spielerische und unbefangene Umgang mit dieser schwierigen Sprache ginge verloren. Zudem ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich ein früher Spracherwerb positiv auf die Aussprache auswirkt. Ein akzentfreier Spracherwerb ist später kaum möglich.
  • In der Schweiz werden mehrere Sprachen gesprochen, diese sollten alle unterrichtet werden.
  • Für sprachbegabte Kinder ist es ein Verlust. Was soll mit den ausgebildeten Lehrpersonen passiere, wenn es ihr Fach plötzlich nicht mehr gibt?
  • Multilingualer Unterricht fällt weg. Verknüpfungen der Sprachen nicht mehr so gut möglich und somit weniger Motivationskicks.
  • Die kindliche Neugierde bricht so viele Hindernisse und es ist neurologisch bewiesen, dass man in jüngerem Alter besser Sprachen lernt.

Teilweise diametral unterschiedliche Voten der Primarlehrpersonen

Von den 288 teilnehmenden Primarlehrpersonen unterrichten 30.6% Französisch und 20.9% Englisch (Doppelzählung 5.6%, welche beide Fächer unterrichten). 54.2% unterrichten keine der beiden Fremdsprachen.

In einem zusätzlichen Prosatextfeld wurden die Fremdsprachenlehrpersonen dazu aufgefordert, ihre Beobachtungen und Erfahrungen bezüglich Motivation und Erreichen der Lernziele der Schüler*innen anzugeben. Lediglich 62 Lehrpersonen machten davon Gebrauch. Die Aussagen könnten teilweise kaum unterschiedlicher sein.

Obwohl primär nach den Erfahrungen im Bereich Motivation und Lernziele gefragt wurde, nutzten ausgesprochen viele Primarlehrpersonen diese Möglichkeit um über die Erfahrungen mit den Lehrmitteln zu berichten: Weitgehender Konsens dabei ist, dass das Französischlehrmittel «Mille feuilles», welches wesentlich die Passepartout-Ideologie mit ihren Fachtexten umsetzt, ein schlechtes Lehrmittel sei, mit welchem die Lernziele nicht erreicht werden konnten und welches für die Schüler*innen «frustrierend» sei. Die Lehrmittel «Ça roule» und «Ça bouge» hingegen werden wesentlich besser bewertet. Viele berichten, dass es seit dem Wechsel von «Mille feuilles» zu «Ça roule» und «Ça bouge» besser läuft.

Die Positionen bezüglich Motivation und Erreichen der Lernziele im Fach Französisch könnten unter den Primarlehrpersonen, die sich dazu in einem Prosatext äusserten, nicht gegensätzlicher sein: Während mehrere Lehrpersonen von «hochmotivierten» und «guten Schüler*innen» berichten, erwähnen andere stark «demotivierte» und «überforderte Kinder», welche oftmals die Lernziele nicht oder nur knapp erreichen. «Aufwand und Ertrag stehen in einem krassen Missverhältnis», so eine charakteristische Antwort. Dennoch scheint es eine gewisse Balance zwischen diesen positiven und negativen Erfahrungen im Französischunterricht zu geben.

Ein weitgehender Konsens (bis auf einige wenige Ausnahmen) zeigt sich betreffend Frühfranzösisch dahingehend: Sehr motivierte und gar begeisterte Schüler*innen in der 3. Klasse, zunehmende Demotivation und Frust je länger die Sprache unterrichtet wird. Eine Lehrperson bringt es folgendermassen auf den Punkt: «3. Klasse super, danach stetig abwärts, in der 6. Klasse kaum zu ertragen.»

Auch wird von vielen Französischlehrpersonen beobachtet, dass die Kinder häufig schon durch negative Erwartungen geprägt sind, da ihr Umfeld von schlechten Erfahrungen mit der Sprache spricht. So sei Französisch «schwierig», «kompliziert» und «unnütz». Dies mache es zusätzlich schwieriger, die Kinder zu motivieren.

Im Fach Englisch hingegen seien die Schüler*innen stehts motiviert, berichten die meisten Primarlehrpersonen in den Antworten. Die Kinder würden sich freuen und zeigen auch gute Lernerfolge.

Ein zentraler Knackpunkt in der Primarschullaufbahn sei für das Fach Französisch in der 5. Klasse mit der Einführung des Fachs Englisch. Die Kinder hätten in Englisch aufgrund der schon «mitgebrachten Erfahrung» und der «simpleren Struktur» dieser Sprache schnellere Erfolge als in Französisch, was sich gleichermassen motivierend auf den Englischunterricht wie demotivierend auf den Französischunterricht auswirke. Der Vergleich zwischen den beiden Fremdsprachen führe dann zu einer «Ablehnung» von Französisch. Viele Kinder würden ab dann Französisch «hassen»

Folgend einige im Wortlaut formulierte Aussagen:

  • Zu Beginn sehr motiviert, dann nimmt es schnell ab.
  • Die Motivation ist nur bei wenigen Kindern da. Für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache ist die Motivation sehr gering.
  • Ähnliche Erfahrungen wie in anderen Fächern, nichts, was im Vergleich zu Mathe, Deutsch etc. auffällig oder nennenswert ist, ausser, dass die Eltern den Kindern oft mitgeben, dass diese Sprache schwierig sei und sie in der Schule damit auch schon Mühe hatten.
  • Mit dem Mille feuilles Konzept hat man einer ganzen Generation die Freude an der Sprache nachhaltig verdorben.
  • Ich habe bis vor 4 Jahren mit Mille feuilles gearbeitet. Nun mit Ça roule und es läuft super. Die Kinder können viel mehr.
  • Wenn der Unterricht gut gestaltet ist und abwechslungsreiche Lernsituationen bietet, sind die Kinder genauso motiviert wie in jedem anderen Fach.
  • Geteilte Erfahrungen. Teilweise sind die Kinder sehr motiviert, andere wiederum können gar nichts damit anfangen / sind überfordert.
  • Die Mehrheit der SuS ist nicht sonderlich am Französisch Lernen interessiert. Die Heterogenität der Klassen ist sehr gross, was bedeutet, dass einige die Lerninhalte nur sehr langsam lernen. Die Ziele werden nicht erreicht. Aufwand und Ertrag stehen in einem krassen Missverhältnis.
  • Wenn der Unterricht spielerisch, strukturiert und rhythmisiert gestaltet ist, lieben die SchülerInnen das Fach Französisch. So erreichen sie auch die Lernziele. Primarschüler eigenen sich mit Leichtigkeit eine gute Aussprache an, was später nur noch mit Mühe geschafft wird.
  • Für einige ist Franzi eine Vollkatastrophe, die Ablehnung fängt schon im Elternhaus an. Andere machen es sehr gut und sind engagierte Lernende.
  • Die SuS sind oft überfordert, weil ihnen die Basis in der deutschen Sprache fehlt. Hinzu kommt die Tendenz, dass es heutzutage den Kindern oft schwerfällt, monotone Fleissaufgaben wie das Voci-Lernen zu erledigen.
  • Englisch funktioniert gut, Französisch funktioniert schlecht.
  • Englisch hohe Motivation – grosser Lernerfolg. Französisch immer weniger Motivation, kaum Lernerfolg.
  • In der 4. Klasse ist die Motivation in Französisch hoch, sie nimmt bis zur 6. Klasse stetig ab. In dieser Zeit beginnen die Kinder sich auch mehr und mehr von den Lehrpersonen abzugrenzen. In Englisch ist die Motivation hoch, es fällt ihnen leicht. Viele sind enorm geübt, da sie durch die Medien täglichen Zugang zu dieser Sprache haben. Der Lernzuwachs in Englisch ist jedoch bei vielen Kindern gering. Kinder, die einen hohen Lernzuwachs in Englisch haben, sind oftmals auch im Französisch stark und motiviert.
  • Schüler der 3. Klasse sind noch sehr motiviert. Je höher die Klasse, desto geringer die Motivation. (..) Sprachbad funktioniert leider nicht. Drei Lektionen sind kein Bad.

Starke Schule beider Basel dezidiert für nur eine Fremdsprache an den Primarschulen

Der Vorstand und das Sekretariatsteam der SSbB positionieren sich in einer internen Abstimmung einstimmig mit 9:0 Stimmen für die Reduktion auf nur eine Fremdsprache an den Primarschulen. Mit 8:1 Stimmen wird dabei Englisch favorisiert, welches weiterhin auf der Primarstufe unterrichtet werden soll. 7 Mitglieder befürworten einen Fremdsprachenstart in der 5. Primarklasse, je ein Mitglied in der 4. respektive 6. Klasse.

Der Start von Französisch soll erst in der ersten Sekundarklasse erfolgen, dafür mit einer höheren Stundendotation von 4 bis 5 Wochenlektionen. Mit 2 oder 3 Lektionen kann in einer derart schwierigen Sprache, wie es Französisch ist, kein angemessener Lernerfolg erzielt werden. Erfolgt der Unterricht in den Sekundarschulen niveaugetrennt und in einer höheren Konzentration, so sind die Erfolgsaussichten signifikant besser: Bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit werden mehr Schüler*innen die Lernziele erreichen.

Die Politik ist nun gefordert, das gescheiterte Projekt Frühfranzösisch mit seinen verheerenden negativen Folgen für die jüngsten Schulkinder zu beenden. Löst ein Fach derart viel Frust und Demotivation aus, dass viele Kinder es «hassen», so hat es seine Legitimation auf der Primarstufe verloren. Daran ändert auch nichts, dass es auch einige Primarlehrpersonen gibt, welche durchaus mit ihren Klassen in Französisch Erfolg haben.

Anahi Sidler, Sekretariat Starke Schule beider Basel
Lena Heitz, Vorstand Starke Schule beider Basel

 

22.06.2025

Geldhahn für Universität bald geschlossen?

Seit dem Jahr 2007 sind beide Basler Halbkantone gemeinsam Träger der Universität Basel. Gesteuert wird die Uni auf Basis des zwischen den beiden Halbkantonen ausgehandelten Universitätsvertrags und einem Globalbeitrag. In der Leistungsauftragsperiode 2022-2025 beträgt der Globalbeitrag 1.35 Milliarden Franken, wobei sich Baselland mit rund 661.3 Millionen Franken beteiligt.

Die beiden Regierungen haben kürzlich die Verhandlungen für die neue Leistungsperiode 2026-2029 abgeschlossen. Mit rund 1.504 Milliarden Franken soll die Uni im Vergleich zur vorherigen Periode 11% mehr finanzielle Beiträge erhalten.

Kompliziertes Finanzierungsmodell

Diese 1.504 Milliarden Franken werden zu 51.25% (771 Mio.) vom Stadtkanton und zu 48.75% (733 Mio.) vom Landkanton übernommen. Diese Prozentsätze kommen unter anderem durch das Finanzierungsmodell zustande, welches besagt, dass die Trägerkantone zunächst die Vollkosten für ihre Studierenden übernehmen. Da Baselland momentan 21.1% der Studierenden, Basel-Stadt jedoch nur 15.7% der Studierenden stellt, muss der Landkanton mehr zahlen. Baselstadt wird jedoch durch den Standortvorteil mit weiteren 84.7 Mio. Franken belastet. Das gesamte restliche Defizit der Uni wird auf die Trägerkantone verteilt, wobei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kantone berücksichtigt wird. Demnach muss der Stadtkanton 37.4 Mio. mehr als der Landkanton tragen.

Dass die beiden Trägerkantone die Restdefizite in der Höhe von über 350 Mio. Franken übernehmen müssen führt immer wieder zu Diskussionen. Gerade weil die einheimischen Studierendenzahlen überraschend gering sind. Die Basler Halbkantone zahlen so pro Studierenden 70'000 Franken, während sich die übrigen Kantone nur mit jeweils 15'000 Franken beteiligen müssen. Ob der Kanton Basel-Landschaft in seiner finanziell bereits hochangespannten Lage nicht besser fahren würde, wenn er seine Trägerschaft aufgäbe, ist jedoch fraglich.

Mehrere Gemeinden fordern Ausstieg aus dem Universitätsvertrag

Die fünf Baselbieter Gemeinden Rünenberg, Rümlingen, Oltigen, Zunzgen und Diepflingen fordern mithilfe einer Gemeindeinitiative die Kündigung der Uni-Trägerschaft mit Basel-Stadt bis Ende 2027. Im Kanton Basel-Landschaft müssen gemäss der Kantonsverfassung mindestens fünf Gemeinden hinter einer Gemeindeinitiative stehen, damit diese zustande kommt. Das Ziel dieser Initiative ist einerseits den Kanton finanziell zu entlasten, andererseits eine gerechtere nationale Verteilung der Universitätskosten zu erreichen. Der angestrebte, neue interkantonale Univertrag soll einen finanziell gerechteren Ausgleich erzielen.

Insgesamt bleibt die Situation angespannt und umstritten. Während die Universität ein wichtiges regionales Aushängeschild ist, wegweisende Forschung betreibt und somit unabdingbare Beiträge zu wissenschaftlichem Erfolg und Fortschritt leistet, sind die hohen anfallenden Kosten eine ernstzunehmende Belastung für die beiden Trägerkantone. Mit einem Ausstieg aus der Uni-Trägerschaft besteht jedoch das Risiko eines finanziellen Untergangs der Universität Basel mit entsprechendem Bildungsabbau. Dementsprechend sinnvoller wäre das Pochen auf eine interkantonale Einigung, um einen voreiligen Austritt des Kantons Basel-Landschaft und den Ruin der Uni Basel zu verhindern.

Lena Bubendorf
Vorstand Starke Schule beider Basel

 

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