15.08.2025
Hitzefrei im Kanton Baselland
Sommerliche Hitzewellen führen in Schweizer Schulhäusern zunehmend zu extremen Temperaturen. Eine kantonale Regelung fehlt, die Schulleitungen sind weitgehend frei, ob und mit welchen Massnahmen sie Temperaturen von teilweise über 30° im Klassenzimmer begegnen wollen. Unbestritten ist: Bei zu hohen Temperaturen ist ein konzentriertes Lernen nicht mehr möglich.
Gesetzliche Regelungen für «Hitzefrei» fehlen
Im Kanton Basel-Landschaft existiert keine kantonal verbindliche Reglung, bei welchen Temperaturen die Schüler:innen hitzefrei erhalten. Weder im Bildungsgesetz (BiG) noch in den entsprechende Verordnungen sind Hinweise oder Informationen auf Temperaturgrenzwerte zu finden, bei welchen der Massnahmen wie beispielsweise Ausfall des Nachmittagsunterrichtes angeordnet werden sollen.
In den vergangenen 20 Jahren wurde das Thema mehrfach diskutiert. Eine Petition aus dem Jahr 2000, die von Schüler:innen der Sekundarschule Muttenz initiiert wurde, forderte einen hitzefreien Nachmittag, wenn am Morgen um 9 Uhr der Thermometer bereits 21° anzeigt. Diese Forderung wurde im Landrat abgelehnt, mit der Begründung, die Umsetzung sei organisatorisch kaum machbar und entspräche nicht dem bildungspolitischen Auftrag. Weiter wurde argumentiert, dass Entscheidungen zu Unterrichtsanpassungen individuell, auf lokaler Ebene durch die Gemeinden oder die Schulleitungen getroffen werden sollten.
Handlungsspielraum der Schulleitungen besteht
Obwohl es keine zentralen Regelungen gibt, verfügen Schulleitungen im Baselbiet über einen gewissen Spielraum, um bei extremer Hitze Massnahmen zu treffen. Voraussetzung für diese Massnahmen ist stets, dass die Aufsichtspflicht erfüllt bleiben muss.
Zu den möglichen Massnahmen gehören etwa:
- Verkürzung von Unterrichtseinheiten
- Verlegung in kühlere Räume, wie beispielsweise in den Keller
- Unterricht im Freien, beispielsweise auf dem Pausenplatz im Schatten oder im Wald
- Verzicht auf anspruchsvolle Prüfungen oder kognitive Leistungsanforderungen
- Trinkpausen und freie Spielzeiten
Diese Massnahmen werden vielerorts bereits umgesetzt, auch wenn sie formal nicht als „Hitzefrei“ betitelt werden. Nicht erlaubt, ist hingegen, dass Schulleitungen den Unterricht beispielsweise am Nachmittag ausfallen lassen.
Exemplarische Beispiele wie überhitzen Schulzimmern künftig begegnet werden
Einige Schulen im Baselbiet setzen provisorische Lösungsansätze um, in anderen Schulen sind bauliche Massnahmen bei Renovationen und Neubauten geplant.
- Sekundarschule Allschwil: Ein geplanter Neubau soll dank moderner Bauweise, Geocooling-System und Photovoltaik eine aktive Kühlung ermöglichen. Dies ist ein kantonales Vorzeigeprojekt für «klimafitte Schulhäuser».
- Sekundarschule Muttenz: Auch hier wird bei einem Neubau auf passive Kühlung gesetzt. Dies geschieht mittels durchdachter Architektur und Luftzirkulation, ohne auf energieintensive Klimaanlagen zurück greifen zu müssen.
- Primarschule Rotacker in Liestal: Die Lehrpersonen schliessen morgens konsequent die Storen, lassen Klassenzimmertüren offen für Durchzug, verlegen den Unterricht in kühlere Räume und bauen Trinkpausen fest in den Tagesablauf ein.
Forderungen nach klaren Empfehlung häufen sich
Lehrpersonen, der LVB und die SSbB fordern zunehmend, verbindliche Handlungsempfehlungen vom Kanton zu erarbeiten, um bei Hitze rechtssicher und pädagogisch sinnvoll agieren zu können. Im September 2024 überwies der Landrat ein Postulat, das die Regierung beauftragt, Massnahmen und Strategien zu erarbeiten, etwa bauliche Vorgaben, Lüftungskonzepte oder pädagogische Leitlinien für Hitzetage.
Fazit
Hitzefrei im klassischen Sinne gibt es im Kanton Basel-Landschaft nicht, dennoch gibt es an diversen Schulen flexible, lokal abgestimmte Lösungen, um einen Umgang mit der zunehmenden Sommerhitze zu finden. Schulleitungen und Lehrpersonen handeln eigenverantwortlich, oft kreativ und stossen dabei dennoch an infrastrukturelle Grenzen. Eine klar gesetzliche Grundlage fehlt bisher, könnte aber in Zukunft durch Empfehlungen oder Rahmenbedingungen ergänzt werden.
Anahi Sidler
Sekretariat Starke Schule beider Basel
12.08.2025- Gastbeitrag
Lehrpersonen brauchen mehr Freiheiten
Tausende von Schülerinnen und Schülern starten dieser Tage zusammen mit ihren Lehrpersonen in ein neues Schuljahr. Anfangen, und zwar immer wieder, jeden Tag, das gehört zum menschlichen Leben und damit auch zur Schule. Leben ist anfangen. Mit Kindern und Jugendlichen sowieso. Am schönsten ist es wohl beim Start. Jedem Anfang wohnt ja ein Zauber inne; so hat es Hermann Hesse empfunden. Etwas Freudig-Beschwingtes liegt im Aufbrechen, etwas Erwartungsvolles, manchmal vermischt mit Unsicherheit und einer Prise Skepsis.
Lernen heisst immer auch aufbrechen und sich einlassen auf Neues. Es gleicht einer Entdeckungsreise: den geschützten Hafen verlassen und hinaussegeln in ein neues Schuljahr. Lernen bedeutet sich aufmachen, heisst die feste Mole verlassen und sich in Unbekanntes wagen.
«Hinaus, hinaus ins Offene!», schrieb der Philosoph Friedrich Nietzsche, als er am Strand von Genua in die unendliche Weite des Mittelmeeres hinausschaute und den Horizont absuchte. Nietzsches Ausruf lässt sich auf die Schule übertragen: Bildung als weiter Horizont. Und er symbolisiert die Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern: konfrontiert sein mit Unbekanntem und aufbrechen ins Offene – und so die jungen Menschen zu neuen Horizonten führen. Das ist nicht immer bequem und oft mit Risiken verbunden. Das ist anstrengend und anspruchsvoll zugleich. Unterrichten ist Segeln in offener See, nicht Bahnfahren auf vorgegebenen Geleisen. Die Hohe See kennt das Unwägbare, das Unberechenbare und Nichtkalkulierbare. Das gilt auch für den Unterricht: Wie bei der Seefahrt lässt sich nicht alles planen, und doch muss man auf die Bildungsreise mit Kindern und Jugendlichen gründlich vorbereitet sein und das gemeinsame genau Ziel kennen.
"Unterrichten ist Segeln in offener See, nicht Bahnfahren auf
vorgegebenen Geleisen.
Die Hohe See kennt das Unwägbare."
Schulleitung und Lehrpersonen sind nicht verantwortlich für Wind und Wellen, für Sturm und Strömung, aber sie sind verantwortlich für das Boot, das Team, die Passagiere. Sie sind zuständig für den richtigen Kurs, verantwortlich für die Lernatmosphäre und die Klassenkultur an Bord. Wer Verantwortung trägt, braucht Freiheit. Das gilt für die Seefahrer, das gilt für die Schule. Doch Freiheit, dieses kleine Wort, hat es heute schwer. Gerade auch in den Schulen. Da wird immer enger normiert und immer mehr vorgeschrieben.
20 Seiten! – So gross war der Lehrplan, der Peter Bichsels Wirken als Primarlehrer steuerte. Das liess Raum für kreative Unterrichtsfreiheit. Heute umfasst der Lehrplan 21 ganze 470 Seiten. Genau zwei Formulare musste Bichsel pro Schuljahr ausfüllen: eines mit der Liste aller Schüler sowie eine A4-Seite mit dem Bericht über seine Jahresarbeit. Dazu der Schriftsteller Bichsel wörtlich: «Heute haben die Lehrer jeden Tag mindestens eine Stunde Büroarbeit. Daran wäre ich wohl gescheitert, nicht an den Schülern, aber an der Bürokratie.»
Darin liegt das Paradoxe: Die Regeln und Reglemente, die vielen inhaltlichen Vorgaben und administrativen Vorschriften, sie stehen im Widerspruch zur notwendigen Freiheit. Zielgerichtetes Navigieren und situativ richtiges Reagieren mit dem Klassenboot bauchen Freiheit. Doch wem vorgeschrieben wird, wie und wann er die Segel zu setzen hat, kann nicht mehr hart am Wind fahren, der wird vom Kapitän mit hoher Eigenverantwortung zum Befehlsempfänger degradiert. Anders gesagt: Der Hafenmeister hat nicht über die Entscheidungshoheit des Kapitäns zu befinden, die Seepolizei nicht über jedes einzelne Bootsmanöver einen Rapport einzufordern. Nur Freiheit bringt Raum fürs Unvorhersehbare, fürs kreative Handeln, fürs spontane Eingehen auf Kinder und ihr bildungswirksames Lernen. In der verantworteten Freiheit liegt darum der Kern des ganzen pädagogischen Wirkens.
Das müssten die bildungspolitisch Verantwortlichen wieder ermöglichen. Dazu aber müssten sie die inhaltliche Fülle des Lehrplans 21 mit den zwei frühen Fremdsprachen in der Primarschule reduzieren. Zu bedenken ist die Überforderung mancher Lehrpersonen durch das aktuelle Integrationsmodell, zurückzubinden der Einfluss der Test- und Messindustrie. Das bringt freien Raum. Unterrichten ist Segeln – ein anspruchsvoller Auftrag! Für die Fahrt hinaus ins Offene brauchen Lehrerinnen und Lehrer die notwendige Freiheit. In diesem Sinn: Schulen ahoi!
Carl Bossard
Ehemaliger Direktor der Kantonsschule Luzern und Gründungsrektor der Pädagogischen Hochschule Zug

07.08.2025
Fremdsprachenunterricht zur gegenseitigen Verständigung
Nach den von Ignoranz zeugenden Verlautbarungen Christophe Darbellays zu Frühfranzösisch, bläst nun auch Elisabeth Baume-Schneider anlässlich ihrer 1.-August-Rede an der Bundesfeier in Rorschach ins gleiche Horn.
Wie der einstige Parteipräsident der ehemaligen CVP bedient sich dabei auch die Bundesrätin ähnlich absurder Argumente. So meint Baume-Schneider, die «Westschweiz diskutiert nicht über Deutsch in der Primarschule.»[1] So als ob dieses Scheinargument etwas daran ändern würde, dass der Frühfranzösisch-Unterricht in der Deutschschweiz nicht funktioniert und entsprechend katastrophale Resultate zeitigt. Abgesehen davon steht der Fremdsprachenunterricht in der Westschweiz sehr wohl auch zur Debatte. So schneidet der dortige Deutschunterricht in der Analyse des in Genf lehrenden Sprachwissenschaftlers Daniel Elmiger schlecht ab – «die Ergebnisse seien miserabel.»[2]
Auf diesem Hintergrund mutet Baume-Schneiders Appell «Wir müssen uns gegenseitig verstehen» geradezu grotesk an. Denn der Frühfremdsprachenunterricht, der laut der Bundesrätin unerlässlich für das gegenseitige sprachliche Verständnis sei und dieses ergo überhaupt erst ermögliche, ist beidseits des Röstigrabens nicht zielführend. Die Absurdität hinter der Argumentation des gegenseitigen Verständnisses muss man sich vor Augen führen: Beim bundesrätlichen Appell verhält es nämlich sich in etwa so, als ob man zwecks Herstellung eines Regendachs zwei Wellbleche mit Tesafilm verbinden wollte, logischerweise dann wegen der mangelnden Reissfestigkeit des Klebbands an der Aufgabe kläglich scheitert, um dann umso leidenschaftlicher den Einsatz von Tesafilm zu fordern.
Eine Mitschuld an der gegenwärtigen Misere der Fremdsprachenvermittlung sieht der erwähnte Sprachwissenschaftler Elmiger bei den Kantonen und der EDK. «Diese seien weder in der Lage noch willens, die Situation grundlegend zu verändern.» Baume-Schneider, Darbellay und viele andere Exponenten der Bildungspolitik verharren unbelehrbar in ihrer Echokammer, die weder für Fakten noch Argumente zugänglich ist. Einer Sekte gleich bleiben sie unter sich und beharren halsstarrig auf ihrer alleinseligmachenden, unumstösslichen Botschaft nationaler Kohäsion und Verständigung, ohne zu merken, dass sie diesen beiden im Wege stehen.
Ja, Frau Baume-Schneider, Sprache ist tatsächlich «das entscheidende Werkzeug», ohne das unser Land nicht funktionieren kann. Deswegen sollten sie die Sprachenvermittlung in unserem Land nicht behindern.
Felix Hoffmann
Sekundarschullehrer
[1] https://www.blick.ch/politik/1-august-rede-baume-schneider-macht-sich-fuer-fruehfranzoesisch-stark-id21101082.html
[2] https://www.blick.ch/politik/unsicher-und-unmotiviert-sind-lehrer-schuld-dass-franzoesisch-ein-hassfach-ist-id20817573.html

03.08.2025
Mediation anstelle von Rechtsstreit
Rund 30'000 Kinder erleben schweizweit jährlich die Trennung oder Scheidung ihrer Eltern. In vielen Fällen sind die Eltern sogar derart zerstritten, dass eine behördliche Schlichtung beziehungsweise Regulierung erforderlich ist. Klar ist, dass schlussendlich die Kinder das grösste Leid tragen und dadurch unter anderem die schulische Entwicklung erschwert wird.
In einem Pilotversuch im Kanton Bern wurden zerstrittene Eltern dazu verpflichtet, innert vier Monaten vier bis sechs Beratungsgespräche im Zentrum für Familien in Trennung (ZFIT) zu besuchen. Ziel ist es, eine selbst ausgearbeitete Lösung zur Betreuung der Kinder zu finden und dadurch einen gerichtlichen Entscheid zu vermeiden.
Die Bilanz des Projekts war äusserst positiv, sodass der Bundesrat diese Konfliktlösung durch Mediation gesetzlich festlegen will. Denn nur in weniger als einem Drittel der Fälle konnte keine Einigung der Eltern erzielt werden. Besonders positiv herausgehoben wurden die ausgearbeiteten, meist sehr detaillierten Vereinbarungen, die weniger Spielraum für Diskussionen und weitere Brennpunkte geben sollen als die bisherigen behördlichen Vorgaben.
Insgesamt soll der Fokus nun mehr darauf liegen, Entscheide zum Kindswohl zu fällen. Gerichte und die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) sollen dabei nur noch Nebenrollen spielen und ihren destruktiven und bestimmenden Ruf bei den Eltern verlieren.
Lena Bubendorf
Vorstand Starke Schule beider Basel
02.08.2025
BKSD publiziert die hohen jährlichen Kosten der AKK
Seit Jahren stehen die Schulen im Baselbiet unter einem erheblichen Spardruck. Gleichzeitig leistet sich der Kanton eine kostspielige Amtliche Kantonalkonferenz (AKK), deren Nutzen mehr als fragwürdig ist. Nachfolgend die Kosten der AKK in den letzten elf Jahren:
Rechnungsjahr | Kosten pro Jahr in CHF |
2014 | 167'938 |
2015 | 273'843 |
2016 | 180'687 |
2017 | 164'207 |
2018 | 167'439 |
2019 | 200'515 |
2020 | 194'114 |
2021 | 222'052 |
2022 | 231'785 |
2023 | 246'998 |
2024 | 271'498 |
Landrätin Anita Biedert bringt es auf Anfrage der Starken Schule beider Basel (SSbB) auf den Punkt: «Stossend ist aus meiner Sicht, dass die AKK als einziges Gremium dieser Art durch Kantonsgelder finanziert wird.» Andere Personalverbände, wie beispielsweise der Polizeibeamtenverband, werden nicht unterstützt. «Die AKK sieht sich (...) als Gestalterin der Bildungspolitik.» In der Tat sind es jedoch andere Interessengruppen, welche im Baselbiet die Lehrpersonen und deren Interessen wesentlich besser vertreten.
Lavinia Beck
Sekretariat Starke Schule beider Basel

02.08.2025
Der Kulturauftrag der Primarschule liegt nicht beim Frühfranzösisch
Das hochgejubelte Mehrsprachenkonzept der Primarschule hat zu einem beispiellosen Fiasko geführt. Im aufschlussreichen Vergleich von Felix Schmutz kommt der gut belegte Leistungsabfall im Französisch klar zum Ausdruck. Doch das didaktische Desaster wird weiter schöngeredet.
Die Bildungspolitiker sind offensichtlich nicht bereit, die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Viele scheinen noch immer nicht eingesehen zu haben, dass mit dem Überladen des frühen Fremdsprachenunterrichts das Fach Französisch zum eigentlichen Verlierer wurde.
Frühfranzösisch trägt nichts zum nationalen Zusammenhalt bei
Als Hauptargument für das frühe Lernen der französischen Sprache wird deren wichtige Funktion für den nationalen Zusammenhalt aufgeführt. Die Förderung eines über die kulturellen Unterschiede hinausgehenden Gemeinschaftsgefühls ist zweifellos eine wichtige Aufgabe, zu der auch die Schule einiges beitragen kann. Doch Frühfranzösisch ist alles andere als der Königsweg zu diesem Ziel.
Die Primarschule hat weit bessere Möglichkeiten, die kulturelle Vielfalt unseres Landes den Schülern näherzubringen. Statt viele Stunden für ein gescheitertes Dreisprachenkonzept einzusetzen, würde ein gehaltvoller Geografie- und Geschichtsunterricht mit einer stärkeren Hinwendung zu den nichtalemannischen Regionen mehr bringen. Doch es sind ausgerechnet die Realienfächer, welche in der Lehrerbildung infolge des Riesenaufwands für die Mehrsprachendidaktik am meisten Federn lassen mussten.
Schweizer Geografie und Geschichte ermöglichen einen besseren Zugang zu unserer kulturellen Vielfalt
Die Romandie und das Tessin haben für Sechstklässler viel Attraktives zu bieten. Warum nicht die elektrische Energiegewinnung am Beispiel der Kraftwerkanlage der Grande Dixence erklären und dabei das Wallis geografisch den Schülern näherbringen? Der Kanton Neuenburg mit der Reissbrettstadt La Chaux-de-Fonds, der Uhrenindustrie und den malerischen Freibergen kann die Türe zu einem französischsprachigen Kanton weit öffnen. Zum Tessin wird mit der unerhört spannenden Geschichte der Gotthardbahn leicht ein Zugang gefunden. Und ein Klassenlager in einem Bündner Bergdorf könnte bei Sprachbegabten sogar Interesse für die wohlklingende romanische Sprache wecken. Es bieten sich unzählige Themen an, um die Regionen im Westen und Süden unseres Landes im Realienunterricht lebendig werden zu lassen.
Frühfranzösisch trägt wenig zum nationalen Zusammenhalt bei. Umso mehr müsste in einen qualitativ hochstehenden Geografie- und Geschichtsunterricht investiert werden. Der Bildungsauftrag der Primarschule braucht eine deutliche Akzentverschiebung, um unseren Schülerinnen und Schülern starke Bilder von der Vielfalt unseres Landes vermitteln zu können. Die Erstaugustredner sind gefordert, aber anders als die Verfechter der Mehrsprachendidaktik dies sehen.
Hanspeter Amstutz
Ehemaliger Bildungsrat und Sekundarschullehrer
31.07.2025
Primarschule Allschwil — Kritik reisst nicht ab
Der von der Starken Schule beider Basel (SSbB) veröffentlichte Artikel zu den Missständen an der Primarschule Allschwil löste ein enormes Echo aus, sowohl bei den Medien als auch in der Bevölkerung. Unterdessen meldeten sich weitere unterrichtende und ehemalige Lehrpersonen, welche Vetternwirtschaft, Schikanen, Machtgehabe und Missachtung des Personalgesetzes anprangern.
Das grosse Interesse am Thema zeigt sich auch darin, dass der von der SSbB publizierte Artikel «Führungsstil von Schulleitungen löst Flut von Kündigungen aus» innert weniger Tage mit 2’534-mal sehr oft angewählt wurde. Dieses Echo verdeutlicht die Brisanz und die Dringlichkeit des Problems.
Auch die neuen Zuschriften bestätigen die Kritikpunkte
Die seit Ferienbeginn eingetroffenen weiteren Zuschriften, sieben an der Zahl, bestätigen die Kritikunkte: Mehrere Lehrpersonen schreiben, dass sie aufgrund des Verhaltens des Rektors die Primarschule Allschwil verlassen haben, teilweise bereits vor Jahren. Eine Lehrperson mit einem unbefristeten Vertrag wurde dazu gedrängt, die Kündigung einzureichen.
Nachfolgend auszugsweise einige Rückmeldungen im Wortlaut:
- «Ich habe die Primarschule Allschwil [bereits früher] verlassen, habe eigentlich auch damit abgeschlossen. Da ich aber einige kenne, die immer noch stark von der Willkür und der Vetternwirtschaft betroffen sind, wollte ich mich doch melden. (…) Ich habe verschiedene Dinge vom Rektor versprochen erhalten, aber auch von der einen Schulleiterin, die nicht eingehalten wurden. Das ergab für mich eine finanzielle Einbusse, aber auch emotionale Probleme. Darum habe ich Allschwil verlassen».
- «Viele haben langjährige befristete Verträge, fünf bis sieben Jahre.» Gemäss Personalgesetz und Personalverordnung ist dies klar nicht zulässig. Nach drei Jahren in der gleichen Funktion müssen Lehrpersonen einen unbefristeten Vertrag erhalten.
- Eine «Heilpädagogin wollte in einer Integrationsklasse bleiben, als diese einen Lehrpersonenwechsel hatte. Auch die [neue] Klassenlehrperson wollte mit dieser Heilpädagogin arbeiten, auch mit den Kindern lief es gut. Da ja alle anderen Bezugspersonen wechselten, wäre es wichtig gewesen, dass diese Person [gemeint ist die Heilpädagogin] in der Klasse hätte bleiben können. Sie musste aber wechseln und zwar in die Klasse der Tochter der Schulleiterin. Das Schulkind steht absolut nicht im Zentrum, sondern die Vetternwirtschaft.» Profiteurin dieser Zwangsversetzung ist die Tochter der Schulleiterin, welche nun durch eine erfahrene und «tolle Heilpädagogin» unterstützt wird.
- Eine Lehrperson betont die herrschende «Vetternwirtschaft». Wer eine gute Beziehung mit der Schulleitung pflegt oder mit ihr befreundet ist, wird belohnt. Jene Lehrpersonen, die sich auch mal kritisch äussern, bekommen dies schnell zu spüren und werden zu «Einzelgesprächen» vorgeladen.
- Ich «habe Allschwil (…) verlassen, da ich mich nur noch über die Schulleitung aufgeregt habe. Ich hoffe, dass die Schulleitung endlich ersetzt wird!!!»
Auf Anfrage der Starken Schule beider Basel teilt die Schulratspräsidentin Nicole Morellini mit: "Der Schulrat nimmt eingehende Vorwürfe ernst und geht diesen nach. Auskünfte zu internen Prozessen werden nicht erteilt."
Personeller Neuanfang ist notwendig
Es zeigt sich, dass ein personeller Neuanfang unabdingbar ist, damit sich die Machtverhältnisse und der Umgang mit der operativen Macht an der Primarschule Allschwil ändern.
Im September wird die Starke Schule beider Basel (SSbB) das Thema in einem Austauschgespräch mit Regierungsrätin Monica Gschwind und Beat Lüthy, Leiter Amt für Volksschulen (AVS), besprechen. Ziel muss es sein, dass auch an der Primarschule Allschwil Personalgesetz und Personalverordnungen sowie die Weisungen und Richtlinien des AVS eingehalten werden. Vetternwirtschaft, Schikanen und Missachtung der Gesetze haben an Baselbieter Schulen nichts zu suchen. Ein Klima gegenseitigen Respekts und Vertrauens sind entscheidend für ein funktionierendes Schulleben.
Kathrin Zimmermann
Vorstand Starke Schule beider Basel

30.07.2025
Umgang mit «Schwarzer Liste» im Bildungsgesetz verankert
In einem vor kurzem veröffentlichten Bericht befürwortet die Bildungs-, Kultur- und Sportkommission (BKSK) eine Änderung des Bildungsgesetzes. In diesem soll nun genauer festgelegt werden, wann Lehrpersonen ein Unterrichtsverbot erhalten und unter welchen Voraussetzungen sie auf der «Schwarzen Liste» aufgeführt werden. Grund für die angestrebten Änderungen ist ein politischer Vorstoss von alt Landrätin Regina Werthmüller (Vorstandsmitglied Starke Schule beider Basel).
Änderung am Bildungsgesetz
Neu sollen nicht geeignete Lehrpersonen in schwerwiegenden Fällen vom Unterrichten ausgeschlossen und – befristet oder unbefristet – ein Unterrichtsverbot an Baselbieter Schulen erhalten. Diesen Lehrpersonen wird die Unterrichtsbefugnis entzogen und auf der «Schwarzen Liste» aufgeführt, die vom Generalsekretariat der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) verwaltet wird. Mithilfe der «Schwarzen Liste» soll verhindert werden, dass Lehrpersonen, welchen die Unterrichtsbefugnis in einem Kanton entzogen wurde, in einem anderen Kanton angestellt werden können.
Beschluss der Bildungskommission
Die BKSK war sich einig, «dass es sich um eine gute und zum Schutz der Kinder und Jugendlichen notwendige Vorlage handle». Es brauche «umfassende Information und Sensibilisierung der Schulleitungen» und einen «bewussten Umgang» mit der «Schwarzen Liste». Stark diskutiert wurde, ob die Bedingungen für ein Unterrichtsverbot zu viel Interpretationsspielraum offenlassen würden. Die Kommission war sich einig, dass die von der BKSD vorgeschlagene Formulierung, die Lehrperson «verletzt ihre Berufspflichten wiederholt schwer» präzisiert wird. Neu soll folgende Formulierung aufgenommen werden: «Sie [die Lehrperson] hat wiederholt schwerwiegende Verfehlungen begangen, die mit ihrer Vertrauensstellung gegenüber Schülerinnen und Schüler nicht vereinbar sind.»
Die Kommission fordert den Landrat einstimmig mit 13:0 auf, die Vorlage anzunehmen.
Starke Schule beider Basel (SSbB) steht hinter dem Beschluss
Bereits im Dezember letzten Jahres hat die Starke Schule beider Basel (SSbB) einen Artikel zur Vernehmlassungsvorlage der BKSD auf ihrer Webseite publiziert. Dort finden sich weitere Informationen zur «Schwarzen Liste» sowie dem exaktem Wortlaut der Kriterien für ein Unterrichtsverbot.
Die SSbB befürwortet die Änderung des Bildungsgesetzes betreffend «Verbot der Unterrichtstätigkeit für Lehrpersonen». Den Schüler*innen ein sicheres Lernumfeld zu bieten hat oberste Priorität. Alle 26 Kantone sollen Lehrpersonen vor einer Anstellung überprüfen, ob diese auf der «Schwarzen Liste» geführt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass nicht geeignete Lehrpersonen in einem anderen Kanton nicht unterrichten können.
Lena Heitz
Vorstand Starke Schule beider Basel
26.07.2025
Amtliche Kantonalkonferenz Baselland – teuer und wirkungslos
Die Amtlichen Kantonalkonferenz Baselland (AKK) ist das gesetzlich verankerte Bindeglied zwischen den Lehrkräften und der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD). Sie wird vom Kanton mit einem jährlichen sechsstelligen Betrag finanziert, ohne jedoch eine relevante Wirkung auf die Baselbieter Bildungspolitik zu haben. Ganz im Gegenteil: Ihr wird vorgeworfen vielmehr Sprachrohr der Bildungsreformer zu sein und weniger die Interessen der Lehrpersonen zu vertreten.
Kernaufgabe der AKK ist es, die Position der rund 5'500 Baselbieter Lehrpersonen in pädagogischen und bildungspolitischen Fragen einzuholen. Die letzte AKK-Vollversammlung fand im Jahr 2015 statt, also vor über 10 Jahren.
AKK Flop
Auch breitabgestützte Erhebungen führt die AKK kaum durch. Und wenn sie dies in der Vergangenheit sporadisch tat, dann kam es beispielsweise schon vor, dass die AKK-Delegierten der einzelnen Schulhäuser Strichlisten aufhängten, um ein Stimmungsbild zu erhalten. So geschehen im Zusammenhang mit dem Lehrplan 21 resp. dem Lehrplan Volksschule Baselland: Ein in den Lehrerzimmern aufgehängtes A4-Blatt mit der Aufforderung an die Arbeitskolleginnen und -kollegen, mittels Strichliste abzustimmen. Die Aussagekraft von auf diese Weise durchgeführten Umfragen ist mehr als fraglich.
In den vergangenen Jahren segnete der Vorstand der AKK immer wieder im stillen Kämmerlein die Bildungsreformen ab und verkaufte diese gegenüber Politik und Öffentlichkeit als Meinung der Lehrpersonen. Und sie lässt sich dies teuer finanzieren: In den vergangenen 11 Jahren kostete die AKK die Steuerzahlenden im Schnitt über 211'000 Franken – ein stolzer Betrag, wenn man bedenkt, dass damit keinerlei Wirkung erzielt wurde.
LVB und SSbB Top
Eine ganz andere Arbeitsweise haben hingegen der Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland (LVB) und die Starke Schule beider Basel (SSbB).
Der LVB ist der Berufsverband der Baselbieter Lehrpersonen aller Schulstufen und Schultypen und arbeitet eng mit der BKSD zusammen. Beispielweise ist er in zahlreichen Arbeitsgruppen und im Bildungsrat vertreten und hat schon des Öfteren erheblichen Einfluss nehmen können. Vor allem aber leistet der LVB eine wichtige Arbeit mit der Beratung und Unterstützung von Lehrpersonen.
Mit 15 Volksinitiativen, etlichen politischen Vorstössen und parlamentarischen Initiativen hat die SSbB in den vergangenen 12 Jahren einen beachtlichen Einfluss genommen und zahlreiche gescheiterte Reformen kippen können. Sie vertritt rund 3´800 Lehrpersonen, deren Meinung sie zu wichtigen Fragen mittels anonymen, online durchgeführten Umfragen einholt. Im Gegensatz zum LVB unterstützt die SSbB Lehrpersonen und Eltern gleichermassen und äussert sich immer wieder mit klaren und pointierten Positionen. Die SSbB sowie der LVB werden über Mitglieder- und Spenderbeiträge finanziert.
Während LVB und SSbB in politischen Themen massgebend Einfluss nehmen und zahlreiche, fragwürdige Reformen korrigieren konnten, bleibt die AKK bildungspolitisch wirkungslos. Der Kanton muss sich die Frage stellen, ob er sich weiterhin für viel Geld eine AKK leisten will.
Lena Bubendorf
Starke Schule beider Basel
25.07.2025
Schulfranzösisch 2006 und 2023. Ein Vergleich, der erstaunt.
Die unbefriedigenden Ergebnisse der ÜGK (Überprüfung der Grundkompetenzen) 2023 im 9. Schuljahr scheinen politisch keine hohen Wellen zu werfen.[1] Der Präsident der EDK, Regierungsrat Darbellay, wimmelt ab, er sieht keinen besonderen Handlungsbedarf. Am frühen Fremdsprachenunterricht ab 3. Primarklasse will er unbedingt festhalten.[2]
In diesem Zusammenhang wäre es lohnend, den Vergleich zu haben, wie sich die Französischkenntnisse am Ende der Schulpflicht seit der Einführung des neuen Fremdsprachenkonzepts von 2004 verändert haben.
Hörverstehen
Tatsächlich prüfte das Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich im Jahr 2006 die Französischkompetenzen der Niveaus A (Grundanforderungen) und E (erweiterte Anforderungen) an der damaligen Weiterbildungsschule Basel im 8. und 9. (heute 10. und 11.) Schuljahr. Dabei wurden die Kenntnisse in den Sparten Hörverstehen, Grammatik, Syntax und Texte Schreiben berücksichtigt.[3]
Da sowohl die ÜGK 2023 als auch die Abschlussprüfung 2006 das Hörverstehen testeten, können diese Werte einander gegenübergestellt werden. Die Prozentzahlen zeigen an, wieviel die Jugendlichen beim Hören von den französischen Texten verstanden haben. Jugendliche an der damaligen WBS begannen im 5. Schuljahr mit Französisch, Jugendliche der Sekundarschule Basel beginnen inzwischen bereits im 3. Schuljahr mit den Passepartout-Lehrmitteln Millefeuilles und Clin d’Oeil:
Niveau | WBS Basel 2006 | Sekundarschule Basel 2023 |
A | 52% | 15% |
E | 73% | 44% |
Der Leistungsabfall im Hörverstehen in den vergangenen 17 Jahren ist, wie man sieht, krass ausgefallen. Die schwächeren Schüler(innen) sind um 37% schlechter, die mittleren um 29%, wobei es sich hier um Mittelwerte handelt. Einzelne Klassen konnten besser oder schlechter abschneiden. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Testaufgaben nicht dieselben waren. Dennoch erstaunt der Leistungsschwund aus mindestens drei Gründen:
Nulleffekt des Sprachbades und der Mehrsprachigkeit
1. Die Mehrsprachigkeitsdidaktik warf dem bisherigen Unterricht vor, den praktischen Gebrauch der Sprache, nämlich das Hör- und Leseverstehen sowie das Sprechen zu wenig gefördert zu haben. Stattdessen habe man auf Grammatik und Wörterlernen herumgeritten. Ferner habe der einsprachige Unterricht die Gelegenheit verschenkt, die Gemeinsamkeiten der Sprachen sichtbar zu machen und als Lerngelegenheit zu nutzen. Der frühe Beginn mit Fremdsprachen propagierte ein «Sprachbad», das Kinder und Jugendliche ganz unverkrampft mit Französisch und Englisch vertraut machen könne.
«Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Didaktik der Mehrsprachigkeit dazu beiträgt, dass beim Sprachenlernen verstärkt Synergien genutzt werden können, welche … den Lernprozess effizienter machen.» So tönte es in einer Einführung in die neue Didaktik.[4](4) (S.7)
Tatsächlich zeigt sich jetzt, dass sich die Didaktiker völlig verschätzt haben: Der Lernprozess wurde mit dem Beginn ab dritter Klasse und der Mehrsprachigkeitsdoktrin nicht effizienter, sondern drastisch unwirksamer. Wenn ich mit meiner E-Klasse im Jahr 2006 durchschnittlich ein Hörverstehen von 80% erreichte, war dies vorwiegend dem konsequent einsprachigen Unterricht zu verdanken.
Bedeutung der Strukturen
2. Die Mehrsprachigkeitsdidaktik behauptet, der frühere Unterricht sei zu sehr grammatiklastig gewesen. Noch in den Ohren habe ich die Primarlehrerin an einem Hearing mit Regierungsrat Pulver in Bern, die sinngemäss sagte: «Bisher musste man aufsagen: «je viens, tu viens, il vient». So lernt man doch kein Französisch.»
Erstaunlich ist nun aber, dass der strukturorientierte Unterricht von 2006 gerade ein deutlich besseres Hörverständnis hervorbrachte als das «Sprachbad» der Mehrsprachigkeitsdidaktik, das glaubte auf Strukturen als Angelpunkte des Sprachenlernens verzichten zu können.
Der neuen Didaktik ist vorzuwerfen, dass sie sträflich missachtet, dass sich Sprachbedeutung, Ausdruck und Verstehen, nicht von Sprachstruktur abspalten lässt. Ausdrücken und Verstehen sind untrennbar mit Struktur verbunden. Weil jede Sprache ihre strukturellen Eigenheiten hat, ist es auch sinnvoll, sich beim Lernen auf die eine Sprache zu konzentrieren und keinen ständigen Mischmasch zu betreiben.
Die nationale Kohäsion
3. Noch immer behaupten Politiker und Didaktiker, der frühe Beginn mit Französisch erziele bessere Lernerfolge. Die obige Tabelle beweist für die Niveaus A und E das Gegenteil: 7 Jahre Französisch mit 2 bis 3 Wochenlektionen ergeben gegenüber 5 Jahren mit 4 Wochenlektionen ein deutlich schlechteres Lernergebnis. Tatsache ist, dass mehr als die Hälfte der Niveaus A und E heute klar weniger verstehen als 2006.
Hiermit stellt sich auch erneut die Frage an die Politik: Inwiefern dient es dem nationalen Zusammenhalt, wie immer behauptet wird, wenn Jugendliche die französischsprachigen Eidgenossen schlechter verstehen, wenn sie in der dritten Primarklasse den Unterricht beginnen, als wenn sie ihn später beginnen?
Schade, dass Rationalität nicht langsam Einzug hält in diesen Bereich der Bildungspolitik! Monsieur Darbellay, Monsieur le Conseiller d’Etat, réveillez-vous.
Felix Schmutz
Ehemaliger Sekundarlehrer
[1] ) Erzinger, A. B., Angelone, D., Locher, F. M., Prosperi, O., Salvisberg, M., & Tomasik, M. J. (Hrsg.). (2025). Nationaler Bericht zu der Überprüfung des Erreichens der Grundkompetenzen (ÜGK) 2023, Sprachen 11. Schuljahr: ein Beitrag zum Schweizer Bildungsmonitoring. Interfaculty Centre for Educational Research (ICER), Universität Bern. https://doi.org/10.48620/85368
[2] Bildung Schweiz, 7-8/2025
[3] (3) Kompetenzzentrum für Bildungsevaluation und Leistungsmessung an der Universität Zürich (heute IBE), Evaluation WBS-Basel, Abschlussprüfung 2006, November 2006.
[4] B. Grossenbacher, E. Sauer und D. Wolff, Neue fremdsprachendidaktische Konzepte (Schulverlag plus AG, 2012)
20.07.2025
In zwei Wochen zur Lehrperson – eine gefährliche Illusion
Die Pädagogische Hochschule Bern bietet diesen Sommer bereits zum dritten Mal einen zweiwöchigen Crashkurs für Quereinsteiger*innen an. Ziel ist es, die Teilnehmenden auf den Schulbeginn nach den Sommerferien vorzubereiten. Dass der Kanton Bern Personen ohne Lehrdiplom vor Klassen stellt, zeigt deutlich, wie akut der Lehrpersonenmangel ist. Doch sind solche Notmassnahmen Teil der Lösung oder eher ein weiterer Teil des Problems?
Im sogenannten Sommercamp lernen die Teilnehmenden vor allem, wie sie sich in ihrem neuen Beruf organisieren können und wo sie die wichtigsten Materialien finden. Die Quereinsteiger*innen, meist mit besten Absichten und hochmotiviert, werden danach jedoch ohne grundlegende didaktische oder pädagogische Ausbildung in einen hochkomplexen Beruf entlassen. Der Crashkurs mag gut gemeint sein, vermittelt aber das verheerende Signal, dass ausgebildete Lehrpersonen ersetzbar sind, ihre Ausbildung vernachlässigbar ist und ihr Beruf keine besondere Expertise erfordert. Dieses Signal entwertet den Lehrberuf in einer Zeit, in der seine Aufwertung dringend nötig wäre.
Kurzfristig können so offene Stellen besetzt und damit der Unterricht aufrechterhalten werden. Langfristig droht jedoch ein Teufelskreis: Wer Menschen ohne fundierte pädagogische Ausbildung in die herausfordernde Schulrealität schickt, riskiert nicht nur einen Bildungsabbau, sondern auch das Wohlergehen der neuen Lehrpersonen. Ein zweiwöchiges Camp mag organisatorische Tipps vermitteln, doch Klassenführung, Diagnostik, Beziehungsarbeit und didaktisches Know-how lassen sich nicht in einem Crashkurs lernen. Die Folge sind Burnout, Frust und eine hohe Fluktuation, die den Lehrpersonenmangel weiter verschärfen.
Statt auf kurzfristige Lückenfüllerei zu setzen, braucht es ernsthafte Massnahmen, die den Lehrberuf nachhaltig stärken. Nur so gelingt es, kompetente Menschen zu gewinnen, die diesen Beruf mit Engagement und langfristiger Perspektive ausüben.
Alina Isler
Vorstand Starke Schule beider Basel
19.07.2025
Christophe Darbellay im Interview
Der Präsident der Erziehungsdirektorinnen- und -direktorenkonferenz (EDK) stellte sich in einem Interview den Fragen von Christoph Aebischer vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). Der Austausch lässt sich in der Ausgabe 7-8/2025 der Verbandszeitschrift «BILDUNG SCHWEIZ» nachlesen. Im Folgenden Kommentare zu einzelnen seiner Aussagen zur Thematik des Frühfranzösischunterrichts.
LCH: «Die Kenntnisse in einer zweiten Landessprache sind am Ende der Schulzeit dürftig, ergab kürzlich die Überprüfung der Grundkompetenzen durch die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK)»
Darbellay: «Ich stelle aber fest, dass die zweisprachigen Kantone besser abschneiden. Das ist wahrscheinlich auch eine Frage der Motivation. Ärgerlich finde ich, wenn man in diesem Zusammenhang von Fremdsprachen spricht. Es geht um Landessprachen. Ebenso stört mich, dass man fälschlicherweise von Frühfranzösisch spricht… In einer solchen Bezeichnung schwingen Misstrauen und ein despektierlicher Unterton mit. Das macht mir Sorgen.»
Die erste Antwort des Präsidenten der EDK ist vielsagend und zugleich wegweisend für den weiteren Verlauf des Austauschs. Statt sich mit der Frage zu konfrontieren, lenkt Darbellay den Fokus auf sprachliche Feinheiten und sein diesbezügliches Unbehagen.
- Dass zweisprachige Kantone besser abschneiden, erklärt sich von selbst und ändert nichts am schlechten Abschneiden der deutschsprachigen Kantone. Insofern weicht Darbellay hier dem angesprochenen negativen Befund aus und begnügt sich mit einer Plattitüde.
- Ärgerlich findet der EDK-Präsident den Begriff «Frühfranzösisch», offenbar aber nicht die dürftigen Französischkenntnisse der Schülerinnen und Schüler. Auch hier entzieht er sich in der Folge dem thematisierten Malheur.
- Frühfranzösisch ist ein wertneutraler Begriff, der schlicht zum Ausdruck bringt, dass diese Sprache auch später erlernt werden kann als auf der Primarstufe, was in früheren Jahren für lange Zeit der Fall war. Das vom Mitte-Politiker angesprochene Misstrauen ist folglich sein eigenes. Er fürchtet ganz offensichtlich, dass die in der Deutschschweiz ausgetragene Debatte zum Frühfranzösisch-Unterricht gegen seine Muttersprache gerichtet sein könnte, was ihm Sorgen bereitet. Tatsächlich aber verhält es sich umgekehrt. Es geht um den Erhalt der Französischvermittlung an der Deutschschweizer Volksschule bzw. um deren Verbesserung. Der Französischunterricht ist durch die sich stetig verschlechternden Leistungen der Lernenden gefährdet, nicht zuletzt, weil dadurch mittelfristig auch die Rekrutierung von Französischlehrkräften erschwert wird. Herr Darbellay hat, wie viele Vertreterinnen und Vertreter der Bildungspolitik, bislang noch kein ausreichendes Bewusstsein für diesen Zusammenhang entwickelt.
LCH: «Französisch ist in der Deutschschweiz zum Hassfach verkommen. Warum ist die zweite Landessprache so unattraktiv?»
Darbellay: «Der Unterricht muss konkreter, ansprechender und lebensnaher gestaltet werden. Lehrerinnen und Lehrer haben sehr viele Freiheiten, nicht alle nutzen sie.»
Es ist davon auszugehen, dass ein Bildungsdirektor und Präsident der EDK keine Zeit hat für Mitarbeitergespräche mit Lehrkräften und für Stundenbesuche. Worauf gründet ergo Darbellays Urteil? Auf ein Bauchgefühl? Auf Hörensagen in der Echokammer? Auf Vorurteilen? Auf Aussagen seiner Kinder? Und was heisst «konkreter Unterricht» konkret? Ausserdem wurde während der letzten Jahrzehnte kaum etwas so sehr beschnitten wie die Freiheit der Lehrkräfte. Verantwortlich dafür ist u.a. Changemanagement in Kombination mit dem Lehrplan 21, die Weisungsbefugnis von Schulleitungen, die Inflation administrativer Aufgaben und totalitäre Unterrichtskonzepte wie z.B. Passepartout. Ein Grund für die zahlreichen frühzeitigen Pensionierungen ist insbesondere die massiv beschnittene Freiheit im Lehrberuf.
LCH: «Da schwingt Kritik mit. Sind die Lehrkräfte schuld?»
Darbellay: «Das wäre zu kurz gegriffen. Aber Kinder wollen Motivation spüren und erfahren, wofür sie etwas lernen sollen. Insgesamt ist der Sprachunterricht besser geworden….»
Den Lehrkräften die Schuld zuzuweisen, wäre in der Tat sehr kurz gegriffen. Aber es ist genau dies, was Darbellay dennoch tut mit seinem Hinweis, wonach Kinder Motivation spüren wollen. Im Abschlussbericht zum Projekt Passepartout der sechs Passepartout-Kantone ist auf S. 91 zu lesen: »Ein Vergleich… zeigt deutlich, dass die Motivation zum Französischlernen im Passepartout-Raum generell eher tief ist.»[1] Hierfür verantwortlich sind u.a. drei Gründe:
Französisch ist eine grammatisch stark strukturierte Sprache, die insbesondere für Primarschulkinder schwierig zu erlernen ist, da sie die Grammatik der eigenen Muttersprache noch nicht zur Genüge kennen. Darbellay umschreibt dies so: «C'est une horreur, cette langue.»[2] Dieser Umstand bewirkt Demotivation, die mitgenommen wird an die weiterführende Schule, wo sie sich verfestigt.
Zu viele Französisch-Primarlehrkräfte sind nicht ausreichend qualifiziert.
Nach wie vor kommen Passepartout-Lehrmittel in den entsprechenden Kantonen zum Einsatz, obwohl sie nachweislich nicht zielführend sind und zudem ein negatives Lernverhalten hervorrufen.
Alle drei Punkte sind bildungspolitisch gewollt. Vor diesem Hintergrund erscheint es unverständlich, dass einer der führenden Köpfe der Schweizer Bildungspolitik Lehrkräfte dazu auffordert, Lernende zu motivieren, wenn die bildungspolitischen Rahmenbedingungen hierfür nicht gegeben sind.
LCH: «Sie sagen, die Fähigkeiten seien besser, aber die ÜGK zeigt das Gegenteil. Der LCH nennt als mögliche Probleme grosse Klassen, zu wenig Gruppenunterricht… Wie sehen Sie das?»
Darbellay: «Kleinere Lerngruppen bringen pädagogisch unbestritten Vorteile. Gleichzeitig müssen wir zwischen dem fachlichen Anspruch und der finanziellen Machbarkeit sorgfältig abwägen…Attraktiver wird der Unterricht… beispielsweise mit mehr Sprachaustauschprojekten.»
Kleinere Lerngruppen kommen einer wünschenswerten Individualisierung des Unterrichts entgegen. Handkehrum haben wir wegen einer falsch verstandenen Integration über die Massen heterogene Klassen, die einer weitergehenden Individualisierung im Wege stehen. Integration in der heutigen Form und Individualisierung schliessen einander aus. Es sei denn, es werden viel mehr Lehrkräfte eingestellt, was jedoch an der «finanziellen Machbarkeit» scheitert. Insofern entpuppen sich «kleinere Lerngruppen» als irrelevante Wunschprosa. Überdies fehlen uns bereits heute und bis auf weiteres Lehrer.
Für an sich sinnvolle Sprachaustauschprojekte fehlt, wie oben beschrieben, der bildungspolitische Rahmen. Solange die Bildungspolitik die Lernenden daran hindert, sich für den Französischunterricht zu motivieren, wird sich kaum jemand für einen Welschland-Aufenthalt finden lassen, so wertvoll ein solcher auch wäre.
LCH: «In zwölf Kantonen laufen Bestrebungen zur Abschaffung von Französisch in der Primarschule. Das Parlament von Appenzell-Ausserrhoden hat dies bereits beschlossen.»
Darbellay: «…umgesetzt ist das noch lange nicht. In der Bundesverfassung und im Sprachengesetz ist die Bedeutung der Landessprachen festgehalten. Weiter gibt es das Konkordat zur Harmonisierung der obligatorischen Schule… Es geht um viel mehr als um das Erlernen einer Fremdsprache. Es geht um den nationalen Zusammenhalt.»
- Die Schweiz bekennt sich gesetzlich auch zum Schutz der Gletscher und zur Reduktion der Klimaerwärmung. Ferner kennt sie ein Burka-Verbot sowie ein Bundesgesetz, das schweizweit einheitliche Anforderungen an die Ausbildung und Ausübung von Gesundheitsberufen vorschreibt; dennoch ist die Umsetzung in den Kantonen sehr unterschiedlich[3]… Die Existenz eines Gesetzes ist nicht gleichzusetzen mit dessen Umsetzung.[4] Hier ist zu unterscheiden zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Das Gleiche gilt für Konkordate. Letzten Endes setzt sich stets die Macht des Faktischen durch, ob es nun um Gletscher, Klima, Burkas, die Vereinheitlichung von Ausbildungen oder um Frühfranzösisch geht. Darüber hinaus ist Politik nichts Statisches, sie hat sich vielmehr stetig an kontinuierliche Veränderungen anzupassen. Gesetze bzw. Konkordate repräsentieren in dem Sinne den politischen Willen zu einem gegebenen Zeitraum. Sie sind nicht dazu geschaffen, sich ideologisch an einen einst definierten Status-Quo zu klammern, zumal der politische Wille sich im Verlaufe der Zeit wandeln kann. Ohnehin haben lediglich 15 Kantone dem erwähnten Konkordat zugestimmt.[5]
- Wer sich auf das Konkordat zur Harmonisierung der obligatorischen Schule (Harmos) beruft, sollte dies in konsequenter Weise tun und nicht nur dann, wenn es der eigenen Position dient. Im Konkordat heisst es unter
Art 31: «In der obligatorischen Schule erwerben und entwickeln alle Schülerinnen und Schüler grundlegende Kenntnisse und Kompetenzen sowie kulturelle Identität…»
Art 32 «Während der obligatorischen Schule erwirbt jede Schülerin und jeder Schüler die Grundbildung, welche den Zugang zur Berufsbildung oder zu allgemeinbildenden Schulen auf der Sekundarstufe II ermöglicht, insbesondere in den folgenden Bereichen: a. Sprachen: eine umfassende Grundbildung in der lokalen Standardsprache (…) und grundlegende Kompetenzen in einer zweiten Landessprache …»[6]
An keiner Stelle des Konkordats begnügt man sich in diesem Zusammenhang mit 50% oder 60% der Lernenden. Doch genau dies ist die Wirklichkeit: «Nur etwa 51 % der Schülerinnen und Schüler aus der Deutschschweiz erreichen beim Leseverstehen im Fach Französisch die geforderten Grundkompetenzen. Beim Hörverstehen schaffen es lediglich 58 % aufs geforderte Mindestniveau.»[7] In der Romandie ist die Lage bei Frühdeutsch noch prekärer: «Moins de la moitié des élèves romands atteignent les objectifs en allemand, selon les résultats de la dernière enquête nationale sur les compétences de base des élèves à la fin de la scolarité obligatoire.“[8]
Dies ist ein klarer Auftrag u.a. an den Präsidenten der EDK, dafür zu sorgen, dass dem Harmos-Konkordat Genüge getan wird. Denn gegenwärtig ist der «Zugang zur Berufsbildung oder zu allgemeinbildenden Schulen auf der Sekundarstufe II» wegen schlechter Leistungen bei vielen Schülern in Frage gestellt. Dies umso mehr, als dass auch bei Deutsch als Mutter- und Fremdsprache Handlungsbedarf besteht.[9] Alors, avance, Alfonse! Mais tout d’abord, il faut prendre note des chiffres. - Die Bildungshoheit in der Schweiz ist föderal organisiert. «Die Hauptverantwortung für das Bildungswesen liegt bei den 26 Kantonen: Die Kantone sind für das Bildungswesen zuständig, soweit die Bundesverfassung nicht den Bund für zuständig erklärt.»[10] Insofern ist die schulische Harmonisierung in der Schweiz eine Chimäre. Und wie dies beim biologischen Mischwesen der Fall ist, hat auch das Harmos-Konkordat Entwicklungsprobleme. Die Harmos-Chimäre wird sich folglich kaum je über einen gewissen Punkt hinaus weiterentwickeln; hierfür steht ihr der Föderalismus im Weg. Mit dem quasi verordneten Frühfremdsprachenunterricht ist dieser Punkt überschritten.
- Der nationale Zusammenhalt als Argument zur Beibehaltung des aktuellen Frühfranzösischunterrichts ist absurd. Andernfalls wäre die Schweiz längst auseinandergefallen. Denn die Mehrheit der Deutschschweizer beherrscht die zweite Landessprache kaum noch[11], insbesondere wegen einer seitens der EDK verfehlten Bildungspolitik. Wenn die gesellschaftliche Kohäsion schon herangezogen wird, dann folglich als Argument für die Veränderung der gegenwärtigen schulischen Sprachenvermittlung; beispielsweise über die Abschaffung des Frühfremdsprachenunterrichts, der nachweislich die in ihn gesetzten Erwartung nicht zu erfüllen vermag.
LCH: «Sie unterstützen demnach die Forderung, dass man auf Primarstufe nur noch eine Fremdsprache unterrichtet?»
Darbellay: «In der Wissenschaft ist man sich einig, dass das parallele Erlernen mehrerer Sprachen kein Problem darstellt.»
- Das «parallele Erlernen mehrerer Sprachen» ist zu unterscheiden vom «parallelen Erlernen mehrerer Sprachen auf der Primarstufe». Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.
- Die Lehre, die sich mit der Erforschung des Fremdsprachenerwerbs beschäftigt, die sog. Fremdsprachendidaktik, ist alles andere als eine exakte Wissenschaft wie die Mathematik. Letztere kennt zwei mögliche Resultate: richtig oder falsch. Bei der Fremdsprachendidaktik gibt es diese Klarheit nicht. Denn bei Studien in diesem Bereich gilt es die unterschiedlichsten Aspekte wie beispielsweise Geschlecht, Alter, soziokultureller Hintergrund, Herkunft, Vorwissen, Unterstützung, Zeitmanagement und vieles mehr zu berücksichtigen.
Verstärkt wird diese Komplexität insofern, als dass auch die Sprachlehr- bzw. Sprachlernforschung, Linguistik und Lernpsychologie in die Fremdsprachendidaktik einfliessen. Je nach Zusammensetzung einer Untersuchungsgruppe können die Resultate folglich stark variieren. Von Einigkeit kann hier also keine Rede sein, im Gegenteil. Insbesondere deswegen gibt es die Debatte um den Frühfremdsprachenunterricht überhaupt, wobei sich beide Lager, die Befürworter und die Gegner, auf Studien berufen[12]. Dabei steht der Vorwurf im Raum, wonach sich Befürworterinnen nicht-ergebnisoffener Auftragsstudien bedienten. Bei solchen besteht die Neigung, «Informationen so zu ermitteln, auszuwählen und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen...»[13]
Fazit
Der Präsident der EDK weicht in seinen Stellungnahmen grösstenteils aus und konfrontiert sich nicht mit den angesprochenen schlechten Leistungen der Schüler und Schülerinnen in Französisch. Vielmehr äussert er Allgemeinplätze und beruft sich auf eine gesetzlich, vertraglich und seitens der EDK definierte Doktrin des Frühfranzösisch-Unterrichts als Staatsraison im Sinne des nationalen Zusammenhalts. Dabei ist die nationale Kohäsion mit Nichten gefährdet durch die Abschaffung des Frühfremdsprachen-Unterrichts, im Gegenteil. Seine im vorliegenden Beitrag nicht kommentierten Stellungnahmen betreffend Fragen zur schulischen Integration zeugen von Pragmatismus, die er beim Thema Frühfranzösisch leider gänzlich vermissen lässt. Hier ist Darbellay durch seine Muttersprache offenbar persönlich tangiert, was ihm auf der Sachebene dieser Thematik im Wege steht.
«Wir rennen unbekümmert in den Abgrund, nachdem wir irgend etwas vor uns hingestellt haben, das uns hindern soll, ihn zu sehen.»
Blaise Pascal[14]
Felix Hoffmann
Sekundarlehrer
[1] https://www.nwedk.ch/sites/default/files/Passepartout%20Schlussbericht_2019.pdf
[2] https://www.blick.ch/politik/wir-haben-ein-problem-sogar-das-franzoesisch-der-welschen-schueler-ist-mies-id20895525.html
[3] Siehe z.B. ZH: «Die Gesundheitsdirektion (GD) hat die geplante kantonale Umsetzung des Bundesgesetzes über die Gesundheitsberufe durch ein externes Rechtsgutachten prüfen lassen. Dieses hat gezeigt, dass es Ermessenspielraum bei der Umsetzung gibt, welcher bei der nun vorliegenden Lösung berücksichtigt wird.» https://www.zh.ch/de/news-uebersicht/medienmitteilungen/2025/04/umsetzung-des-gesundheitsberufegesetzes-im-kanton-zuerich-neu-definiert.html
[4] Unter Juristen und in der Verwaltungssprache wird diesbezüglich oft von einem «Vollzugsdefizit» gesprochen.
[5] «Bei Ablauf der Umsetzungsfrist am 31. Juli 2015 haben 15 Kantone Harmos zugestimmt, in sieben Kantonen haben Volksabstimmungen den Beitritt abgelehnt und vier Kantone (AG, AI, OW, SZ) haben den Beitritt sistiert oder sind nicht darauf eingetreten. Das Ziel einer obligatorischen gesamtschweizerischen Umsetzung wurde somit nicht erreicht…» https://de.wikipedia.org/wiki/HarmoS-Konkordat
[6] file:///D:/Daten%20Felix%20Hoffmann/Downloads/harmos-konkordat_d.pdf
[7] https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/sprachunterricht-studie-zeigt-mangel-im-franzosisch-66994219
[8] RTS Info, 22.05.2023, Artikel-ID: 26210064; Volltext über Swissdox abrufbar
[9] https://www.edk.ch/de/die-edk/news/mm22052025
[10] https://www.edk.ch/de/bildungssystem-ch/allgemeines
[11] Nur insgesamt 17 Prozent der Menschen in der Schweiz sprechen zwei oder mehr Hauptsprachen. https://www.srf.ch/news/schweiz/englisch-als-arbeitssprache-nicht-landessprachen-auf-dem-vormarsch
[12] Siehe z.B. die Zusammenstellung von Urs Kalberer: https://condorcet.ch/2023/05/frueher-fremdsprachenunterricht-wissenschaftliche-erkenntnisse-zum-thema/#comments
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Best%C3%A4tigungsfehler
[14] https://zitate-aphorismen.de/zitate/verdraengung/
___________________________________________________________________________
Ältere Artikel finden Sie im
Archiv.