Starke Schule beider Basel (SSbB)

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News

  • Freitag, März 24, 2023

    Förderklassen für verhaltensauffällige Schüler*innen

    Landrätin Anita Biedert (SVP) fordert mit diversen Mitunterzeichnenden von links bis rechts die Einführung von Förderklassen. Diese sollen gezielte Unterstützung für alle Schüler*innen sowie Entlastung für die Lehrpersonen bieten. Der Regierungsrat hat nun die Motion als Postulat entgegengenommen. (ai)

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  • Mittwoch, März 22, 2023

    Wiedereinführung Berufswahlklasse

    Landrat Reto Tschudin (SVP) fordert in einem Postulat vom 26. Januar 2023 den Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft auf, die Stärkung der Beruflichen Orientierung als Teil des heutigen Schulsystems zu prüfen. Dabei soll eine Wiedereinführung der Berufswahlklasse in Betracht gezogen werden. (lb)

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  • Dienstag, Februar 28, 2023

    Auch der Kanton Bern hinterfragt den Frühfremdsprachenerwerb

    Die Diskussion betreffend Frühfranzösisch läuft nun in diversen Kantonen und auch im Grossen Rat des Kantons Bern wurde diesbezüglich eine Motion eingereicht. Alain Pichard, Lehrer der Sekundarstufe 1 und glp-Grossrat, beauftragt den Regierungsrat, die Bildungsstrategie für die erste andere Landessprache evidenzbasiert zu überprüfen und diese ggf. neu zu formulieren. (ai)

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  • Dienstag, Februar 28, 2023

    Spätere Einschulung für schulische Vorteile?

    Im Kanton Basel-Stadt wird am 15. März eine Anfrage zum Thema Stichtag für den Eintritt in den Kindergarten behandelt. Weil zunehmend mehr Erziehungsberechtigte ihre Kinder später einschulen, und dies schulische Vorteile sowie optimierte Bildungschancen mit sich bringt, stellt die Urheberin Sandra Bothe (glp) die Frage, weshalb nicht wieder generell ein späterer Schuleintritt in Erwägung gezogen wird. (ai)

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  • Donnerstag, Februar 16, 2023

    Förderung der Mobilität von Basler Studierenden

    Durch Erfahrungen im Ausland beispielsweise in Form eines Aufenthaltsjahres werden essenzielle persönliche, fachliche und interkulturelle Kompetenzen gewonnen, sowie die Chance auf eine erfolgreiche Karriere gesteigert. In der Interpellation von Béatrix von Sury d’Aspermont wird auf die Mobilitätsquote der Uni Basel im nationalen Vergleich mit den Hochschulen aufmerksam gemacht.

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Pressespiegel

Uni Zürich verkauft recycelte Deutschprüfung

Nordwestschweizer Kantone zahlen Millionen: Momentan schreiben Sekschüler*innen in verschiedenen Fächern Leistungschecks. Ein aktueller Test stimmt nun mit einer uralten Abschlussprüfung der WBS Basel überein. Die Entwickler sprechen von "reinem Zufall". Lesen Sie den Artikel hier.

[Quelle: BaZ vom 28.03.2023]

 

Höchstens zehn Schüler*innen in Kleinklassen

Der Abstimmungskampf wurde gestartet. Die Lehrpersonengewerkschaft sagt, wie sie sich ihre Förderklassen-Initiative vorstellt. Jetzt steigt der Druck auf das Erziehungsdepartement. Lesen Sie den Artikel hier.

[Quelle: BaZ vom 22.03.2023]

 

Hausaufgaben abschaffen? In der Region Basel kein Thema

Gemäss Umfrage verbringen Zürcher Kantonsschüler*innen täglich bis zu zwei Stunden mit Hausaufgaben. Zürcher Gymnasien denken nun darüber nach, keine Aufgabenblätter für zu Hause mehr abzugeben. In beiden Basler Halbkantonen will man davon jedoch nichts wissen. Lesen Sie den Artikel hier.

[Quelle: BaZ vom 15.03.2023]

 

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29.03.2023

Institut für Bildungsevaluation kommt unter Druck

Teile der vierkantonalen Vergleichsprüfung sind inhaltlich praktisch identisch wie eine uralte WBS-Abschlussprüfung. Offensichtlich wurde die Vergleichsprüfung mindestens teilweise aus alten Aufgabenstellungen recyclet und nicht, wie das die Politik erwartet hat, neu entwickelt. Das Institut verkauft den vier Trägerkantonen Baselland, Basel-Stadt, Solothurn und Aargau die sogenannten Check-Prüfungen für teures Geld.

Dies hat nun politische Folgen: Landrätin Anita Biedert reicht morgen Donnerstag im Baselbieter Landrat ein Postulat ein, welches die Bildung eines Kontrollgremiums fordert, welches die Arbeit des Instituts für Bildungsevaluation überprüfen soll. Zusätzlich soll die Bildungsdirektion alternative Anbieter evaluieren, welche künftig die Vergleichsprüfungen für die vier Kantone des Bildungsraums Nordwestschweiz entwickeln könnte.

Wortlaut des Postulates

"Seit einigen Jahren entwickelt das Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich (IBE) für die vier Kantone Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Solothurn und Aargau die Checkprüfungen. Nach der schriftlichen Deutschprüfung der dritten Sekundarklassen wurden der Starken Schule beider Basel (SSbB) von einer Elterngruppe die Prüfung mit den Aufsatzthemen und den dazugehörigen Erläuterungen und Fragestellungen zugestellt. Damit wurden erstmalig die Aufgabenstellungen der normalerweise geheim gehaltenen Prüfungsaufgaben in einem breiteren Kreis öffentlich. Die Checkprüfung liegt der Postulantin vor.

Auffallend ist, dass Teile dieser Prüfung mit dem entsprechenden Teil einer Abschlussprüfung der ehemaligen Weiterbildungsschule Basel (WBS) inhaltlich weitgehend übereinstimmen. Die Check S3-Deutschprüfung wurde offensichtlich mindestens teilweise aus alten Prüfungen recycelt. Auch die WBS-Prüfung liegt der Postulantin vor.

Die hohen Kosten der Checkprüfungen wurden u.a. auch mit der Entwicklung von neuen Fragen, basierend auf dem aktuell gültigen Lehrplan, begründet. Dies schien auch verständlich, zumal der heute gültige Lehrplan und die neue Unterrichtsphilosophie in einem erheblich grösseren Masse auf Kompetenzen setzt als dies früher der Fall war.

Die jährlichen Gesamtkosten der Checks inkl. der Mindsteps-Aufgabensammlung und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen belaufen sich auf rund 4.5 Millionen Franken inkl. MwSt. Dafür trägt der Kanton Basel-Landschaft «aufgrund seines Bevölkerungsanteils 20 Prozent, also ca. Fr. 900'000.-», wie die BKSD in einem Mail der SSbB schreibt. Die Kosten pro Schüler/-in betragen Fr. 27.- (P3), Fr. 42.- (P5), Fr. 64.- (S2) und Fr. 64.- (S3.).

  1. Bildung eines Kontrollgremiums, welches die Tätigkeit des IBE beaufsichtigt. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass eine Evaluation der Mathematikaufgaben zur Erhebung der Leistungsstandards, welche die EDK 2016 bei einem luxemburgischen Institut in Auftrag gab, Mängel in der Aufgabenstellung festgestellt hat.
  2. Evaluierung alternativer Angebote, die der Kanton künftig für die Durchführung der Checkprüfungen berücksichtigen könnte, um einerseits die Kosten zu senken, andererseits betreffend die Qualität einen exzellenten Standard gewährleisten zu können."

Die Starke Schule beider Basel begrüsst den Vorstoss und erwartet eine zeitnahe Traktandierung im Landrat. Zurzeit sind entsprechende Vorstösse auch im Kanton Basel-Stadt in Vorbereitung.

Jürg Wiedemann
Vorstand Starke Schule beider Basel
 
 
 

26.03.2023

Check-S3 Prüfung enthält Teile von WBS-Abschlussprüfung

Das Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich entwickelt seit einigen Jahren für den Bildungsraum Nordwestschweiz (Baselland, Basel-Stadt, Solothurn, Aargau) die Check-Prüfungen. Nach der schriftlichen Deutschprüfung wurden der Starken Schule beider Basel (SSbB) die Prüfung mit den Aufsatzthemen und den dazugehörigen Erläuterungen und Fragestellungen zugespielt. Mindestens eines der zur Auswahl stehenden Themen stimmt mit dem entsprechenden Teil einer Abschlussprüfung der ehemaligen Weiterbildungsschule Basel (WBS) überein.

Dass Lehrpersonen der Primar- und Sekundarstufe 1 bei der Vorbereitung ihrer Prüfungen Aufgabenstellungen mehr oder weniger verändert aus ihren alten Prüfungen oder dem Internet abschreiben, kommt vor und ist meist unbedeutend. Jedoch sollten die heutigen Prüfungsaufgaben an den aktuellen, kompetenzorientierten Lehrplan und die neue Unterrichtsphilosophie angepasst werden.

Abgeschrieben oder Zufall?

Nicht schlecht gestaunt hat das Büro der SSbB: Die Struktur und das Konzept der schriftlichen Check S3-Prüfung im Fach Deutsch stimmt mit einer uralten Abschlussprüfung der Weiterbildungsschule Basel (WBS) überein. Der Titel eines der zur Wahl stehenden Aufsatzthemen ist wörtlich praktisch identisch, die dazugehörigen Erklärungen und Fragestellungen stimmen inhaltlich ebenfalls weitgehend überein. Die entsprechenden Dokumente und alten Prüfungen der WBS erhielt die SSbB von den Lehrpersonen zugestellt, welche die Aufgaben damals in Zusammenarbeit mit dem Institut für Bildungsevaluation ausgearbeitet haben. Einer der damaligen Autoren schreibt uns auf Anfrage: «Das Thema stammt von mir und wurde (…) in der Abschlussprüfung WBS verwendet. Unterschied: Unsere Anleitung war expliziter, wir boten bereits die Einleitung zur Erörterung, die Schüler konnten sich auf die lineare Argumentation und die Schlussfolgerung beschränken.».

Es stellt sich unweigerlich die Frage, ob das Institut für Bildungsevaluation unter der Leitung von Prof. Dr. Urs Moser bei der Entwicklung der Prüfungsfragen aus alten Beständen abgeschrieben hat oder ob es sich hier um einen puren Zufall handelt. Trifft Ersteres zu, wäre dies irritierend, da das Institut die Vergleichsprüfungen den vier Kantonen des Bildungsraums Nordwestschweiz für teures Geld verkauft.

Teure Checks aufgrund grossem Entwicklungsaufwand

Die Durchführungs- und Betriebskosten der Checks S2 und S3 beziffert die Bildungsdirektion des Kantons Basel-Landschaft mit durchschnittlich Fr. 299'000.- pro Jahr bei rund 2'650 Sekundarschüler/-innen. Die Zahl hängt von der Anzahl Teilnehmenden ab und variiert erheblich. Die beiden Check-Prüfungen P3 und P6 der Primarstufe betragen Fr. 222'000.-.[1]. Entsprechende Beträge überweisen auch die anderen Kantone dem Institut.

Die hohen Kosten der Check-Vergleichsprüfungen wurden behördlicherseits u.a. auch damit begründet, dass die neue, kompetenzorientierte Unterrichtsphilosophie eine umfangreiche und zeitaufwändige Ausarbeitung der Prüfungsfragen erfordere.

Kontrollgremium gefordert

Interessant zu wissen wäre, ob andere Teile der Check-Prüfung, die nur am Computer durchgeführt werden, aus alten Prüfungen der WBS oder anderen weiterführenden Schulen entnommen wurden, ohne den aktuellen kompetenzorientierten Lehrplan hinreichend zu berücksichtigen. Das zu überprüfen, wäre Aufgabe der Auftraggeber, d.h. der Erziehungsdepartemente der vier an den Check-Prüfungen beteiligten Kantone. Die Geheimhaltung, welche dieses Prüfungsverfahren umgibt, verunmöglicht den Lehrpersonen leider den erforderlichen Einblick. Offenbar herrscht seitens der Behörden ein unerschütterliches Vertrauen in das Institut für Bildungsevaluation.

Gefragt wäre ein Kontrollgremium, welches die Tätigkeit des Instituts beaufsichtigt. Immerhin hat eine Evaluation der Mathematikaufgaben zur Erhebung der Leistungsstandards, welche die EDK 2016 bei einem luxemburgischen Institut in Auftrag gab, Mängel in der Aufgabenstellung festgestellt.[2] Das Institut ist also nicht unfehlbar.

Jürg Wiedemann
Vorstand Starke Schule beider Basel

24.03.2023 - Gastbeitrag

Sollen Hausaufgaben am Gymnasium abgeschafft werden?

Andreas Niklaus, Rektor am Gymnasium Zürich-Nord, mit 2200 Schülern eine der grössten Kantonsschulen in der Schweiz, gedenkt die Hausaufgaben abzuschaffen. Nicht nur der Stoffdruck nehme zu, auch die Erwartungen der Lehrer, der Eltern und der Jugendlichen selbst, zitiert ihn die «NZZ am Sonntag».

14 Stunden Hausaufgaben pro Woche, wie eine Schülerbefragung ergab, seien zu viel, begründete Niklaus und will das Thema mit gleichgesinnten Rektoren in Zürich an die nächste Konferenz der schweizerischen Gymnasialrektorinnen und -rektoren bringen.

Dort scheint die Idee der Abschaffung oder Reduzierung von Hausaufgaben prüfenswert zu sein. «Es gibt viele Hinweise darauf, dass die zeitliche und psychische Beanspruchung immer höher wird», erklärt der Präsident der Konferenz, der Solothurner Rektor Stefan Zumbrunn. Die geplante Maturitätsreform mit mindestens zwei neuen Prüfungsfächern würde die Gymnasiasten zusätzlich belasten und das Problem verschärfen.

Doch obwohl die Zahl der erschöpften Gymnasiasten, die in psychiatrischer Behandlung sind, seit der Pandemie gestiegen ist, stösst die Idee, die Hausaufgaben unter den Tisch fallen zu lassen, bei zahlreichen Lehrern auf massiven Widerspruch. Bei den Hausaufgaben anzusetzen, sei der falsche Ansatz, lautet die Kritik.

Gymilehrer René Roca unterrichtet schon 30 Jahre Geschichte und ist seit geraumer Zeit am Münsterschulhaus in Basel tätig. Er verneint, dass die Hausaufgaben die Gymnasiasten zu stark belasten würden «Das ist ein Problem der Volksschule: Viele Schüler, die ans Gymnasium gelangen, haben den Rucksack nicht so gepackt, wie er sein müsste. Daher rührt die Überlastung», sagt Roca. Obschon der Lehrplan 21 den Fokus auf das Erlernen von Kompetenzen richte, könnten die Schüler immer weniger, hätten beispielsweise grossen Lücken im Geschichtsunterricht, der im Sammelfach «Räume, Zeiten, Gesellschaft» zu kurz komme. «Aber vor allem können die Schüler immer weniger selbstorganisiert lernen. Das ist kein Problem der Gymnasien und kein Hausaufgabenproblem», sagt Roca.

Ähnlich argumentiert Jürg Wiedemann, Mathematiklehrer in Allschwil und Mitgründer des Netzwerkes «Starke Schule beider Basel» : «Der Druck auf die Schüler kommt von den Eltern, die ihre Kinder um jeden Preis am Gymnasium haben wollen.» Keiner wolle mehr ins allgemeine Niveau A oder in die Sekundarschule Niveau E gehen, alle drängten ins höchste Niveau P – ins Vorgymi, wie es in anderen Kantonen heisst.

Hausaufgaben für die Chancengleichheit

Balz Bürgisser war Mathelehrer am Gymnasium Rämisbühl in Zürich. 35 Jahre lang unterrichtete er, versteht aber die Absicht seiner früheren Kollegen nicht: «Hausaufgaben vertiefen doch das erfolgreiche Lernen am Gymnasium. Sie festigen den Stoff und sind ein Zeichen der Chancengleichheit». Wer im Unterricht weniger schnell sei, könne den Stoff zu Hause festigen. «Das darf man nicht einfach aufgeben.» Und Jürg Wiedemann ergänzt: «Die Pädagogen an den Zürcher Gymnasien verkennen, dass Zusatzaufgaben extrem wertvoll sind.» Nirgendwo könnte man selbstorganisiertes Lernen besser lernen als dort, wo Hausaufgaben selbst eingeteilt werden müssen.

Roca befürchtet gar einen Niveauverlust, wenn die Schüler nicht mehr die Gelegenheit erhielten, den Stoff zu Hause zu üben und zu vertiefen. Und auf einen Niveauverlust würden die Hochschulen und Universitäten reagieren – etwa mit einer Ausweitung des Numerus clausus von der Medizin auf andere Fächer, prophezeit Roca: «Schon heute beklagen sich die Hochschulen und kritisieren uns Gymnasiallehrer.»

Keine Klagen von stärker belasteten Berufsschülern

Zu wenig Freizeit am Gymnasium aufgrund von Hausaufgaben? Lukas Jauslin war zwölf Jahre lang Schulleiter in Liestal war und unterrichtet seit 33 Jahren: «Ich habe nur noch den Kopf geschüttelt, als ich von der Zürcher Idee gelesen habe. Man muss das einmal mit der Leistung der Lehrlinge vergleichen, die achteinhalb Stunden am Tag ‘bügeln’ und dann die Hausaufgaben erledigen. Noch viel strenger hätten es jene, die parallel zur Berufsbildung die Berufsmatur machten: «Aber von dort hören wir keine Klagen.»

Dass das Thema Hausaufgaben jetzt aufs Tapet kommt, ist für die Lehrer kein Zufall. Die stationären Behandlungen von Jugendlichen in der Psychiatrie hat um fast ein Fünftel zugenommen. Dies während der Pandemie. «Uns ist aufgefallen, dass Progymnasium-Schüler mehr gelitten haben als Schüler im Niveau A und E», sagt Jauslin. Das könnte mit dem höheren Leistungsdruck im höheren Schulniveau zusammenhängen, was aber gleich nochmals die Frage aufwerfe, ob diese Schüler am richtigen Ort sind.

Zeiten haben sich geändert

Thomas Rätz, Rektor am Gymnasium in Liestal, steht kurz vor der Pension. Seit seinem Einstieg in den Lehrerberuf im 1983 haben sich ein paar Sachen geändert – etwa die Einführung des freien Samstags, was zur Verdichtung des Unterrichts in der Fünftagewoche geführt hat. «Das hat zu weniger verfügbarer Zeit während der Woche geführt und verschiebt die Arbeit aufs Wochenende. Der freie Samstagmorgen werde jedoch oft fürs Ausschlafen statt fürs Lernen genutzt. Heute werde auch mehr Wert auf das Präsentieren und die Teamarbeit gelegt.

«Dieser Koordinationsaufwand mit den Schulkollegen frisst den Schülern zusätzlich Zeit», bemerkt Rätz. Im Hinblick auf die Maturitätsreform, der möglichen Einführung von neuen Fächern am Gymnasium, müsse man darum den Belastungsfaktor der Schüler stark im Auge behalten. Doch die generelle Abschaffung von Hausaufgaben hält auch er für verfehlt. Inwiefern sich das Weglassen von Hausaufgaben auf den Lernerfolg in den einzelnen Fächern auswirkt, müsste erst einmal mit einer wissenschaftlichen Studie belegt werden. Die gibt es meines Wissens zurzeit nicht», sagt Rätz.

Die richtige Dosis

Bei Standortgesprächen ist man an der Schule von Lukas Jauslin auf eine zeitliche Belastung durch Hausaufgaben auf eine Dreiviertel- bis eine Stunde gekommen. Das hält er für angemessen. Für Balz Bürgisser sind es «nicht mehr als 80 bis 90 Minuten» pro Tag. Doch «on top» kämen Prüfungsvorbereitungen und Lernen: «Das macht man als Schüler am freien Nachmittag oder am Samstagmorgen.» Wiedmann legt Wert darauf, dass seine Schüler den Sinn von Hausaufgaben als Vertiefung und Festigung des Stoffes verstehen: «Da kann es heissen: Macht so viel ihr könnt. Und die eine Schülerin macht mehr und der andere Schüler weniger. Das kann man auch mal gut sein lassen.» Über die Belastung müsse man mit der Klasse immer wieder reden und ihr den Sinn von Hausaufgaben erklären, sagt René Roca.

Daniel Wahl, Journalist Nebelspalter

[Dieser Artikel ist zuerst bei Nebelspalter.ch erschienen.]

 

22.03.2023

Vierkantonale Vergleichsprüfungen sind eine Farce

Zurzeit schreiben die dritten Klassen der Sekundarschulen des Bildungsraums Nordwestschweiz in verschiedenen Fächern die sogenannten Check-S3 Prüfungen. Je nach Schule und Kanton finden die identischen Vergleichstests an unterschiedlichen Tagen statt. Dies führt zu wenig aussagekräftigen Ergebnissen, einer Chancenungleichheit und damit zu Ungerechtigkeiten bei der Lehrstellensuche. 

Am vergangenen Montag starteten im Kanton Basel-Landschaft die ersten Klassen mit der schriftlichen Deutschprüfung. Bereits wenige Stunden danach werden der Starken Schule beider Basel (SSbB) die Prüfungsaufgaben in einem Briefumschlag anonym zugespielt. 

Prüfungsaufgaben kursieren unter den Schüler/-innen

Die Testaufgaben kursieren unter den Schüler/-innen, welche die Prüfung erst in einigen Tagen schreiben müssen. Diese können sich nun zuhause mit Hilfe der Eltern vorbereiten oder den Aufsatz durch die künstliche Intelligenz Chat GPT schreiben lassen. Den stilistisch und inhaltlich fundierten Text lernen sie auswendig und schreiben ihn während der Prüfungslektion nieder. Eine gute Bewertung ist ihnen auf diese Weise sicher. Die Checks, welche als Beurteilungskriterium für Lehrstellenbetriebe gedacht waren, werden damit zur Farce, weil die Resultate völlig verzerrt sind. 

Die Checks verfehlen ihren Zweck

Obwohl das Problem seit langem bekannt ist, haben es die Kantone bisher versäumt, sich zur Gewährleistung der Chancengerechtigkeit auf einen verbindlichen Prüfungstermin zu verständigen. Nur so wären die Checks ein verlässliches Beurteilungskriterium für Lehrstellenbetriebe. Solange es keinen einheitlichen Prüfungstermin innerhalb des vierkantonalen Bildungsraums gibt, sind auch keine wissenschaftlich fundierten Aussagen zur Bildungsqualität unserer Schulen möglich.

Privatwirtschaft misstraut der Leistungsbewertung der Volksschule

Die Privatwirtschaft ist sich dieser Problematik längst bewusst. Nicht umsonst hat sie seit langem ihre eigenen Testverfahren wie den Multicheck oder Basischeck zur Evaluierung der Leistungsbereitschaft von Stellenbewerberinnen und -bewerbern. Das so zum Ausdruck gebrachte Misstrauen der Privatwirtschaft gegenüber der Leistungsbewertung durch die Volksschulen wird so lange bestehen, bis die kantonalen Bildungsdirektionen bereit sind, Verantwortung für aussagekräftige Prüfungsergebnisse zu übernehmen. So wie die Checks gegenwärtig ablaufen, dienen sie einzig den finanziellen Interessen der Autorenschaft, also dem Institut für Bildungsevaluation. Das Institut verkauft die Checks den Kantonen für teures Geld. Solange der Rubel rollt, kann es ihm auch egal sein, dass zum Zeitpunkt der Durchführung des Checks-S3 die Schüler/-innen bereits für weiterführende Schulen angemeldet sind oder viele schon einen Lehrvertrag unterschrieben haben. Aus diesem Grund wurde der Check-S3 in Basel übrigens zurecht sistiert. 

Bildungsdirektion nimmt Stellung

Die Pressesprecherin der Bildungsdirektion begründet den nicht einheitlichen Prüfungstermin auf Anfrage der SSbB folgendermassen: "Es handelt sich dabei in erster Linie um organisatorische und betriebliche Gründe. Die Schulen sollen eine gewisse Freiheit die Termine betreffend haben, damit sie die Durchführung den örtlichen Gegebenheiten anpassen können (z.B. Personalsituation, Infrastruktur). Des Weiteren wären Abstimmungen mit den weiteren Kantonen des Bildungsraums Nordwestschweiz (Aargau, Basel-Stadt und Solothurn) sowie mit dem Anbieter der Checks, dem Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich (IBE), und seitens BL auch mit den Schulleitungen zwingend."

Interessant war auch die Antwort betreffend Aussagekraft der Prüfungsergebnisse, wenn die Prüfungsaufgaben bereits Tage vor der Prüfung in Schülerkreisen zirkulieren: "Wie bei promotionsrelevanten Prüfungen besteht auch bei den Checks die Möglichkeit, dass die Schülerinnen und Schüler tricksen. Es dürfte sich dabei aber aufgrund der nicht erfolgenden Benotung um Einzelfälle handeln."

SSbB publiziert die Prüfungsaufgaben nicht

Wenn die Prüfungsaufgaben mehr oder weniger detailliert in Schülerkreisen mehrerer Schulen zirkulieren, auf Social Media geteilt werden und der SSbB zugespielt werden, handelt es sich kaum um Einzelfälle. Damit die Check-Prüfungen nicht gänzlich torpediert werden, kam für das Sekretariatsteam der SSbB eine Publikation der Prüfungsaufgaben nicht in Frage.

Jürg Wiedemann
Vorstand Starke Schule beider Basel

14.03.2023

Jetzt kritisieren Lehrer das Frühfranzösisch

Die Unzufriedenheit mit Frühfranzösisch in den Schulen steigt. Und zwar nicht nur unter frustrierten Schülern. Diesmal geben auch Lehrer ihrem Unmut Ausdruck. 507 Adressaten des Vereins «Starke Schule beider Basel», darunter 82,7 Prozent aktive Lehrer und weitere 11,3 Prozent pensionierte Lehrer sowie bildungsinteressierte Politiker haben an einer Umfrage teilgenommen, welche sich diesmal nicht nur mit den Kenntnissen, sondern auch mit der Befindlichkeit im Französischunterricht befasst.

Demzufolge finden 62,8 Prozent der Umfrageteilnehmer, Französisch ab der dritten Primarschulklasse überfordere viele Schulkinder. Nur 28,3 Prozent glauben, Primarschüler könnten gut mit der zweiten Landessprache umgehen.

Vernichtende Resultate

Auch die vernichtenden Resultate, die eine Studie des Instituts für Mehrsprachigkeit der Universität Fribourg für den Kanton Bern zutage förderte, werden in der Nordwestschweiz mit der Umfrage bestätigt: 79,1 Prozent der Pädagogen und Bildungsinteressierten finden, die Schüler könnten am Ende ihrer Primarschulzeit zu wenig Französisch, obwohl sie von der dritten bis sechsten Klasse insgesamt 360 Lektionen besucht hatten. Die Studienleiter an der Uni Fribourg evaluierten dies für den Kanton Bern noch genauer: Sie fanden heraus, dass nur elf Prozent beim Sprechen die Mindestanforderungen erreichen. Nicht viel besser sieht es beim Leseverstehen aus. Die Ziele werden bloss von 33 Prozent der Schüler in der sechsten Primarschulklasse erreicht (der «Nebelspalter» berichtete). Dass an den Primarschulen ausreichend Französischkompetenzen angeeignet werden, glauben inzwischen nur noch zehn Prozent der Umfrageteilnehmer in der Nordwestschweiz.

Nebelspalter Grafik Umfrage 

 

Auch das Frustpotenzial mit der Fremdsprache wird als hoch eingeschätzt: 67 Prozent sagen Ja oder eher Ja zur Aussage, dass Französisch für viele Schüler zum «Frustfach» wird. Schliesslich finden die Pädagogen mit einem grossem Mehr von 59,1 Prozent gegenüber 26,3 Prozent, dass die Schüler besser gebildet wären, wenn sie anstelle von Französisch in der Primarschule alternativ unterrichtet worden wären.

Weitere Erhebung geplant

Für Jürg Wiedemann, Vorstandsmitglied der Starken Schule beider Basel und Sekundarlehrer (Grüne-Unabhängige), zeigen die Umfragewerte «inhaltlich ein vernichtendes Resultat für Frühfranzösisch.» Seine politischen Gegner im Baselbieter Parlament werfen der Starken Schule aber vor, die Umfragen unter ihren vielen Mitgliedern seien gefärbt. Es brauche deshalb eine Evaluation des Kantons.

Letztlich sprechen sich in der neusten Starke-Schule-Umfrage nur 52,6 Prozent der Teilnehmer dafür aus, den Französischunterricht auf der Primarstufe ganz abzuschaffen. Knapp über 40,5 Prozent halten gar dagegen. Einer Studie der Universität Zürich stellt fest, dass ein späterer Einstieg nicht von Nachteil sei. Im Gegenteil: In drei, vier Monaten werden der Sekundarschule aufgeholt, was man in der Primarschule während vier bis fünf Jahren gelernt habe.

Stehen nun jene Lehrer der Abschaffung von Französisch an der Primarschule wegen des Landeszusammenhalts und aus Solidarität zur Romandie kritisch gegenüber? Wiedemann verneint: «Es gibt weitere Modelle, wie man auf die schlechten Resultate von Frühfranzösisch reagieren kann. Aber das haben wir in unserer Umfrage nicht erhoben.» Er erwähnt etwa die Idee, die im Berner Parlament ins Spiel gebracht wurde. Dort gibt es einen Vorschlag, mit Französisch statt im dritten Primaschuljahrerst im fünften Primarschuljahr zu starten.

Umfrage erzeugt Druck

Für eine gänzliche Abschaffung des Französischunterrichts an den Primarschulen im Kanton Baselland plädierte die Sekundarlehrerin und Landrätin Anita Bieder (SVP). Die Baselbieter Regierung wollte ihren entsprechenden Vorstoss aber nicht als verbindliche Verpflichtung entgegennehmen. Vielmehr versprach Erziehungsdirektorin Monica Gschwind, den Französischunterricht zuerst zu evaluieren. «Die Neuordnung des Fremdsprachenkonzepts hat grössere Auswirkungen, etwa auf die Stundentafel in der Sekundarschule. Das muss gut bedacht werden», sagte sie im Februar im Landrat. Für eine Evaluation wolle sie sich ein Jahr Zeit geben.

Mit ihrer Umfrage kommt ihr die Starke Schule beider Basel zuvor, beziehungsweise sie erhöht den Druck. «Und wenn es nicht vorwärts geht, dann lancieren wir wieder eine Initiative», sagt Jürg Wiedemann. Er glaube aber, dass dies nicht nötig sei.

Daniel Wahl, Journalist Nebenspalter

[Dieser Artikel ist zuerst bei Nebelspalter.ch erschienen]

 

09.03.2023

Frühfranzösisch an den Primarschulen ist gescheitert

Eine breit angelegte Umfrage der Starke Schule beider Basel (SSbB) betreffend «Frühfranzösisch an den Primarschulen» sowie «Einführung von Förderklassen für dauernd störende Schüler/-innen» zeigt ein klares Bild: Eine überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden kritisiert das heutige Konzept mit Frühfranzösisch ab der dritten Klasse. Eine grosse Mehrheit fordert die Einführung von Förderklassen auf der Primar- und Sekundarstufe 1.

An der Umfrage nahmen 507 Personen (82.9% Lehrpersonen, 5.8% Eltern von schulpflichtigen Kindern, 11.3% andere Bildungsinteressierte) aus den beiden Basler Halbkantonen teil. Damit ist sie aussagekräftig.

Einführung von Förderklassen stösst auf grosse Zustimmung

Im Kanton Basel-Landschaft ist kürzlich ein politischer Vorstoss eingereicht worden, welcher Massnahmen fordert, wenn aufgrund einer schwierigen Klassensituation ein ruhiger und konzentrierter Unterricht nicht mehr möglich ist. Schüler/-innen der Primar- und Sekundarstufe 1, welche den Unterricht derart stören, dass Mitschüler/-innen und Lehrpersonen darunter leiden, sollen in sogenannten Förderklassen von spezialisierten Lehrpersonen mit heilpädagogischer Unterstützung unterrichtet werden, um so in Regelklassen wieder einen ruhigen, motivierenden Unterricht zu ermöglichen. 

Die Befragten wurden gebeten zu beurteilen, ob sie bestimmten Aussagen zustimmen oder diese ablehnen. 

Der Aussage «Stark verhaltensauffällige Schüler/-innen, welche in Regelklassen andauernd stören, können in Förderklassen pädagogisch besser betreut werden» stimmen 88.6% zu oder eher zu, 7.7% lehnen diese Aussage ab. Bemerkenswert ist auch der hohe Zustimmungsanteil von 90.0% betreffend die Aussage «Durch die Einführung von Förderklassen für verhaltensauffällige Schüler/-innen wird das Unterrichtsklima in Regelklassen verbessert, wodurch alle Lernenden profitieren.». Auch die Aussage «In Regelklassen ohne andauernd störende Schüler/-innen können die Lernziele besser erreicht werden.» wird mit 91.6% wuchtig befürwortet. Lediglich 4.3% halten diese Aussage für falsch (siehe Detailresultate in der folgenden Grafik).

Insgesamt 233 Personen nutzten die Möglichkeit, ihre Argumente pro und contra Einführungsklassen detailliert mitzuteilen. Ein vielfach genanntes Argument für die Einführung von Förderklassen ist, dass denjenigen Schüler/-innen, die mehr Schwierigkeiten beim Lernen haben, auch mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung geschenkt werden kann. Heute benötigen die Lehrpersonen einen grossen Teil ihrer Betreuungszeit für die verhaltensauffälligen Schüler/-innen. Ruhige und nicht störende Lernende kommen oft zu kurz.

Auch kritische Bemerkungen haben wir erhalten: Problematisch an der Einführung von Förderklassen sehen einige Befragten beispielsweise in der Stigmatisierung von Lernenden mit auffälligem Verhalten. Durch die Separation würden sie einen Stempel aufgedrückt bekommen, von welchem sie sich nur schwer wieder distanzieren können.  Auch würden den Schüler/-innen in Förderklassen Vorbilder fehlen, da sie nur mit Gleichgesinnten beschult werden. Ein dritter häufig genannter Punkt ist, dass durch die Separation die verhaltensauffälligen Schüler/-innen die Toleranz zu andersartigen Schulkindern nicht lernen würden. Hierbei muss jedoch angemerkt werden, dass Andersartigkeit nicht zwingend störendes Verhalten im Unterricht bedeuten muss. 

Insgesamt befürworten aber 84.4% der Befragten die Einführung von Förderklassen auf der Primarstufe, für die Sekundarstufe 1 liegt dieser Wert mit 82.0% nur wenig tiefer. Die Grundidee von Förderklassen stösst demnach auf eine sehr hohe Zustimmungsrate, auch wenn detaillierte Konzepte und Umsetzungsmöglichkeiten verständlicherweise noch nicht vorliegen können.

Frühfranzösisch in der heutigen Form wird stark kritisiert

Heute lernen die Primarschüler/-innen ab der dritten Klasse Französisch. Viele Eltern und Lehrpersonen kritisieren diesen frühen Start. Die Schulkinder seien überfordert und demotiviert, der Nutzen sei sehr bescheiden.

Auch zu diesem Thema wurden in mehreren Kantonen politische Vorstösse eingereicht oder sind in Planung, welche eine Evaluation oder Überarbeitung des Konzepts Frühfranzösisch fordern. Die im Baselbieter Landrat eingereichte Motion fordert, auf die Fremdsprache Französisch auf Primarstufe zu verzichten. Stattdessen sollen die Schulkinder mehr Deutsch, Mathematik sowie musische und kreative Fächer erhalten. Zur Kompensation soll auf der Sekundarstufe 1 die Anzahl Französischlektionen erhöht werden.

Auch hier zeigt sich gemäss der Umfrage der SSbB ein interessantes Bild: 62.8% der Teilnehmenden sind der Meinung, dass die Primarschüler/-innen im Frach Französisch überfordert sind, 28.3% sehen dies nicht so. Die Aussage «Französisch wird für viele Primarschüler/-innen zum Frustfach» befürworten gar 67%. Lediglich 17.3% halten diese Aussage für falsch. Mit 15.8% konnte oder wollte ein beachtlicher Teil diese Fragestellung nicht beantworten. Brisant ist auch die zweite Frage: Mit 79.1% der Teilnehmenden ist eine überwiegende Mehrheit der Meinung, dass die Primarschüler/-innen im Fach Französisch bis zum Ende der Primarschule «sehr wenig» können. 

Obwohl inhaltlich das heute Konzept für Frühfranzösisch sehr deutlich kritisiert wird, ist der Anteil derjenigen, welche auf der Primarstufe nicht auf Französisch verzichten wollen, mit 40.4% relativ gross. Eine Mehrheit von 52.6% sehen Vorteile, wenn Englisch die einzige Fremdsprache ist. 7% wollten oder konnten die Frage nicht beantworten. 

Alina Isler
Vorstand Starke Schule beider Basel

 
 

24.02.2023

Keine Abwertung des Schulfachs Geschichte

Im Zürcher Kantonsrat wurden in den letzten Wochen zwei politische Vorstösse bezüglich des Schulfachs Geschichte eingereicht. In beiden werden die ungenügenden Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches und zielführendes Unterrichten des Fachs bemängelt. Es erhebt sich damit in einem weiteren Kanton Widerstand gegenüber den Sammelfächern, welche im Kanton Basel-Landschaft bereits vor einigen Jahren durch das Stimmvolk abgelehnt wurden. Im Baselbiet werden die beliebten Fächer Geschichte, Geografie, Physik, Biologie und Chemie weiterhin als Einzelfächer unterrichtet und benotet.

Die Interpellation «Aufwertung des Geschichtsunterrichts in der Volksschule» stellt, im Zusammenhang mit der Abstimmung über eine Einführung des Stimmrechtalters ab 16 Jahren, dem Regierungsrat diverse Fragen. Dabei wird beispielsweise die Reduktion des Geschichtsunterrichts auf rund eineinhalb Wochenlektionen thematisiert, welche im Rahmen der Einführung des Sammelfachs Räume, Zeiten, Gesellschaft (RZG) umgesetzt wurde und aus Themen der Fächer Geschichte und Geografie besteht. Zuvor waren die beiden Einzelfächer mit je zwei Wochenlektionen dotiert. Mit nur noch je 1.5 Wochenlektionen werden die beiden Fächer deutlich abgewertet. Diese reduzierte Lektionenzahl sei laut Erstunterzeichner Christoph Ziegler (glp) nicht ausreichend, um einen aufbauenden Geschichtsunterricht, in welchem die zentralen geschichtlichen Ereignisse bearbeitet werden, durchzuführen.

Weiter wird auch die Ausbildung der Sekundarlehrpersonen an den Pädagogischen Hochschulen kritisch in Frage gestellt. Zurzeit werden die Fächer in zusammengeführten Modulen angeboten, ein getrenntes Angebot könnte laut Urheber der Qualität wegen attraktiver sein. Abschliessend wird das Anliegen geäussert, Beurteilungen respektive Berichte über den in den Bereich RZG integrierten Geschichtsunterricht zu erstellen, falls solche nicht bereits vorliegen sollten.

Das eingereichte Postulat geht inhaltlich in die gleiche Richtung wie die Interpellation, wobei der Fokus mehr auf der politischen Begründung liegt. In einem direkt-demokratischen Land habe der Geschichtsunterricht einen besonderen Stellenwert, da er der jungen Bevölkerung die nötigen Grundkenntnisse zur kulturellen und politischen Entwicklung der Schweiz mitgeben soll. Die Urheber/-innen beauftragen den Regierungsrat, ein Konzept zur Aufwertung des Geschichtsunterrichts an den Volksschulen vorzulegen. Ausserdem soll Geschichte wieder als Einzelfach angeboten werden, in welchem auf der Sekundarstufe historisches Fachwissen über die neuere schweizerische und europäische Geschichte vermittelt wird.

Die Starke Schule beider Basel (SSbB) begrüsst die beiden parlamentarischen Vorstösse des Kantons Zürich, welche grundsätzliche Fragestellungen zum heutigen Geschichtsunterricht enthalten. Denn eine funktionierende Demokratie setzt voraus, dass das Stimmvolk über ein solides geschichtliches Grundwissen verfügt. Aus Baselbieter Sicht ist ausserdem insbesondere die Diskussion betreffend Sammelfächer interessant, vielleicht geht auch der Kanton Zürich zurück zu den bewährten Einzelfächern Geschichte und Geografie.

Alina Isler
Vorstand Starke Schule beider Basel

 

20.02.2023

Umgang mit ChatGPT an Baselbieter Schulen

Ende Januar reichte Jan Kirchmayr ein Postulat ein, welches einen geregelten Umgang mit Chatbots an Baselbieter Schulen fordert. Grund dafür ist, dass es aktuell auf der Volksschulstufe und der Sekundarstufe 2 keine Richtlinien zum Umgang mit Chatbots gibt. Auch eine Arbeitsgruppe der Universität Basel befasst sich aktuell mit diesem Thema.

Klar ist, dass künstliche Intelligenz wie ChatGPT von Schüler/-innen regelmässig genutzt wird. Für die Onlinerecherche, bei Begriffserklärungen oder bei der Vereinfachung von Texten kann diese auch sinnvoll genutzt werden. Die Gefahr besteht aber, dass Schüler/-innen die künstliche Hilfe beispielsweise für das Schreiben von Schulaufsätzen ausnutzen. Dann müssten die Lehrpersonen in Zukunft die Arbeit eines Chatbots bewerten und nicht die der Kinder und Jugendlichen. Eigenständige Denk- und Lernprozesse treten in den Hintergrund.

Das Postulat schlägt einige Regelungen für die Sekundarstufe 1 vor:

  • ChatGPT kann im Unterricht zur Vereinfachung, Begriffserklärung und Onlinerecherche verwendet werden.
  • Schriftliche Produkte von Schülerinnen und Schülern, welche bewertet werden, sollen nicht mehr zu Hause erstellt werden, da sonst die Gefahr besteht, dass von ChatGPT verfasste Texte korrigiert werden müssen.
  • Im Medien- und Informatikunterricht wird auf die Chancen und Risiken von ChatGPT eingegangen und den Schülerinnen und Schülern das Tool nähergebracht. (Gleichzeitig sollen auch die Lehrpersonen über das Tool informiert werden.)

Damit soll ein geregelter und sicherer Umgang mit Chatbots sichergestellt werden. Aber auch auf Sekundarstufe 2 besteht Handlungsbedarf. Da hier der Unterricht nahezu komplett digitalisiert stattfindet (BYOD), kann auch während des Unterrichts nicht lückenlos kontrolliert werden, ob ChatGPT verwendet wird. Aus den genannten Gründen wird der Regierungsrat im Postulat gebeten, schnellstmöglich Regelungen für den Umgang mit Chatbots an den Baselbieter Schulen aufzustellen.

Lena Heitz
Vorstand Starke Schule beider Basel

 

19.02.2023

Persönlichkeitstypen der Bildungspolitik

Anlässlich der Landratssitzung vom 9. Februar 2023 wurde über die Motion von Anita Biedert, SVP, «Verzicht auf Französischunterricht an der Primarschule» debattiert. Die Motionärin erläuterte ihr Anliegen argumentativ fundiert, taktisch geschickt und zugleich sympathisch unterhaltsam. Anhand der zahlreichen Wortmeldungen der BefürworterInnen und GegnerInnen von Frühfranzösisch lassen sich mit ausschliesslichem Bezug auf die erwähnte Debatte fünf Politikertypen herausschälen.

«Die Leute haben zwar meist keine Ahnung, dafür aber in der Regel eine ganz dezidierte Meinung.»[1]

1. Roman Brunner, SP

Er gehört bei diesem Sachgeschäft zum reflexgesteuerten Politikertypus. Und wie das bei Reflexen so ist, geht der Impuls nicht vom Gross-, sondern vom Kleinhirn aus. Dies ist bei Brunner jeweils der Fall, wenn er «Starke Schule» hört. Dann kommt losgelöst von der Sache, ein kategorisches NEIN!

Der Hintergrund dieses Reflexes besteht im Glauben, wonach die «Starke Schule» den ehemaligen SP-Bildungsdirektor, Urs Wüthrich, zu Fall gebracht habe, indem sie vor sechs Jahren die FDP-Frau Monica Gschwind in den Regierungsrat hievte. Jenen vermeintlichen Sturz und den damit einhergehenden Stopp einiger von Wüthrich eingeleiteter Schulreformen kann die alte Garde der SP bis heute nicht verwinden. Dies umso mehr, als dass die «Starke Schule» in der Bildungspolitik äusserst erfolgreich agiert. In Tat und Wahrheit scheiterte Wüthrich aber nicht an der «Starken Schule», sondern an der Urne, weil seine damaligen bildungspolitischen Konzepte nicht mehrheitsfähig waren. Da die alte SP-Garde nicht bereit ist, jene Positionen zu überdenken, braucht sie eben einen Sündenbock zur Bewältigung ihres hartnäckigen Traumas. Es gibt aber ohnehin insbesondere in der Jungmannschaft dieser Partei auch Akteure, die jenem Reflex nicht unterliegen. So haben Jan Kirchmayr und zwei weitere SP-Leute Wesentliches zur Beförderung von Biederts Vorstoss beigetragen.

Brunner argumentiert zu Recht mit der Bedeutung von Französisch als zweite Landessprache und der Nähe des Baselbiets zu Frankreich und dem Jura. Doch entpuppt sich seine Argumentation als reine Rhetorik, die an der Wirklichkeit des Französischunterrichts auf der Primarstufe zerschellt:

     Leseverstehen   
    Hörverstehen   
   Sprechen   
Lernziele Passepartout A2.1    
32.8% 57.0%
10.8%

Quelle: Schlussbericht zum Projekt, Erbebnisbezogene Evaluation de Französischunterrichts in der 6. Klasse (HarmoS 8) in den sechs Passepartout-Kantonen, S. 88

Französischsprachige Gebiete und das Baselbiet können noch so nahe beieinanderliegen. Mit solch schlechten Leistungen insbesondere beim Sprechen ist ein Austausch zwischen Deutschschweizern und Welschen jedenfalls kaum möglich. Denn wer nicht sprechen kann, vermag sich nicht verständlich zu machen, was Sprachgrenzen zur Folge hat.

Wenn Brunner von einem «Angriff auf den Französischunterricht» spricht, kennt er die erwähnte Wirklichkeit nicht und/oder er missversteht Biederts Anliegen. Ihre während der Landratsdebatte in ein Postulat umgewandelte Motion dient ja gerade dem Französischunterricht in unserem Kanton. In dem Sinne nämlich, dass dieser wieder besser werden soll zur Überwindung von Sprachgrenzen.

2.  Beatrix von Sury, Die Mitte

Von Sury begegnet Biederts Anliegen mit wenig Theatralik aber mit umso mehr Empörung. Sie artikuliert ihre Emotionen nicht nur mit der Intonation ihrer Stimme, sondern gleich zu Beginn auch verbal mittels eines energischen und mit viel Emphase unterlegten «Je suis outrée!» (Ich bin empört!). Von Sury empfindet das Postulat offensichtlich als Feldzug gegen ihre eigene Muttersprache und letztlich als Angriff auf ihr Ego. Die Autorin Alexandra Herdt meint in diesem Zusammenhang: «Nur unser Ego kann etwas persönlich nehmen und sich verletzt fühlen.»[2] Von Sury gehört somit beim vorliegenden Geschäft zur politischen Gattung der Ichbezogenen. Sachpolitik allerdings lässt sich schlecht betreiben auf der persönlichen Schiene. Letztere erschwert die Sicht auf die Sache. Wie schon bei Brunner ist auch bei Von Sury eine Kränkung ursächlich für die ablehnende Haltung gegenüber Biederts Postulat. Aufgrund ihrer Emotionalität verkennt sie dessen Intention, die tatsächlich in der Verbesserung des Französischunterrichts besteht. Die ihrer Muttersprache dadurch entgegengebrachte Wertschätzung entgeht Von Sury vollkommen vor lauter Empörung.

3.  Thomas Eugster, FDP

Er kann dem Typus des klassischen Sachpolitikers zugerechnet werden. Ruhig und unprätentiös kommt er gleich zu Beginn seines angenehm bündigen Plädoyers zum Kern der Sache, nämlich einer erfolgreichen Französischvermittlung, die gegenwärtig nicht gewährleistet ist. Denn das Postulat will einzig, dass dieser Umstand anerkannt und seitens der Politik entsprechend gehandelt wird zur Verbesserung des Französischunterrichts. Anstelle blendender Rhetorik lässt Eugster in seiner Argumentation Sachwissen durchblicken, nicht zuletzt mittels seiner Bemerkung, wonach Fremdsprachen im schulischen Umfeld erst ab einem gewissen Alter effizient und nachhaltig gelernt werden können.

Dazu Jasone Cenoz, Professorin für angewandte Linguistik: «These results indicate that students who started learning English in grade 6 (10-11 years old) present a higher degree of proficiency in English than students who have been exposed to the same number of hours of instruction but started learning English in grade 3 (7-8 years old). »[3]

Selbstverständlich gilt dies für alle Fremdsprachen, so auch für Französisch. Im Bericht des Wissenschaftlichen Kompetenzzentrums für Mehrsprachigkeit der Uni Fribourg ist zu lesen: «Im schulischen Kontext zeigt sich derselbe Startvorteil für ältere Lernende. Sie lernen schneller als die jüngeren. Ein Ein- und Überholen durch die Frühbeginner wird in den momentan verfügbaren Studien im Allgemeinen nicht nachgewiesen.»[4] Und sogar Georges Lüdi, der eigentliche Vater des Frühfranzösisch, gesteht im Nachhinein: «Internationale Studien haben in der Tat nachgewiesen, dass innerhalb des klassischen Fremdsprachenunterrichts ‹Frühstarter› am Schluss der Schulzeit ohne zusätzliche Massnahmen bezüglich ihrer Sprachkompetenzen kaum mehr messbare Vorteile haben.»[5] In der Zeitung « Le Temps » vom 23. Juni 2014 lässt er sich diesbezüglich wie folgt verlautbaren: «Les enfants n’apprennent pas mieux en étant très jeunes, contrairement à ce que l’on prétend. Les élèves du secondaire comprennent mieux la grammaire, le lexique, la syntaxe. » Es spricht für Lüdi, dass er die Grösse hatte, seinen Irrtum, was die Fremdsprachenvermittlung auf der Primarstufe betrifft, öffentlich einzugestehen.

4.  Linard Candreia, SP

Mit viel Pathos stellt der SP-Vertreter die Behauptung auf, die Schülerschaft sei motiviert, Französisch zu lernen. Damit drückt er sich gleich am Anfang seines Votums den Stempel des politischen Träumers auf. Denn im bereits unter 1 erwähnten «Schlussbericht» ist nachzulesen: «Ein Vergleich der Motivation zum Lernen der ersten Fremdsprache auf Basis der Schülerfragebogenitems über die Sprachregionen hinweg zeigt deutlich, dass die Motivation zum Französischlernen im Passepartout-Raum generell eher tief ist… Zudem findet nur ca. die Hälfte der Schüler/innen den Französischunterricht interessant, und fast 2/3 geben an, dass sie den Französischunterricht (eher) nicht freiwillig besuchen würden.»[6]

Mit seinem idealistischen Optimismus offenbart Candreia eine Ferne zur Realität des Französischunterrichts, die bezogen auf die Schweiz nicht viel grösser sein könnte als die zwischen Scuol und Genf. Und um nicht von seinen Träumereien aufwachen zu müssen, will er auch nichts wissen von Studien und Evaluationen. Dan McCafferty, der verstorbene Sänger der britischen Hard-Rock-Band Nazareth, würde auf so viel Realitätsverweigerung mit leidender Tenorstimme erwidern: «Dream on!»[7]

Mit der Erwähnung des Begriffs der Mehrsprachigkeit weckt Candreia die Assoziation mit der «Mehrsprachigkeitsdidaktik» der Passepartout-Lehrmittel. Die Ironie besteht hier darin, dass enorm vielen Lernenden der Französischunterricht insbesondere wegen jener Passepartout-Lehrmittel verleidet ist. Diese werden auf der Primarstufe nach wie vor von zu vielen Lehrpersonen eingesetzt mit der Folge, dass Schülerinnen und Schüler nach vier Jahren Unterricht über keine nennenswerten Französischkenntnisse verfügen, was diese sehr genau und zurecht frustriert registrieren. Im erwähnten Schlussbericht heisst es diesbezüglich: «…denn ein beachtlicher Teil der Schüler/innen erreicht am Ende der Primarstufe auch ein elementares Niveau (A1.2) bei den Sprachkompetenzen nicht.»[8] Gemäss Passepartout-Lehrplan sollte wohlbemerkt das Niveau A2.1 erreicht werden!

Es ist bekannt, dass die Passepartout-Ideologie ein negatives Lernverhalten generiert. Auf dem Konstruktivismus beruhend, negiert sie die Notwendigkeit der Wortschatz- und Grammatikvermittlung sowie der Fehlerkorrektur. Fremdsprachen konstruieren sich von selbst im Sprachbad, und zwar ohne Anstrengung der Lernenden. So jedenfalls der Aberglaube der Passepartout-Ideologen. Da es mit lediglich zwei, drei Wochenlektionen kein Sprachbad gibt, schwimmen die Schülerinnen und Schüler im Trockenen. So kommt es, dass viele Französischlehrkräfte der Sekundarstufe nach theoretisch vier Jahren Französischunterricht auf der Primarstufe nochmals von vorne beginnen. Abgesehen davon, dass sie in drei Jahren mit weniger Französischlektionen nicht gleichviel Stoff behandeln können wie zuvor mit mehr Stunden während vier Jahren, müssen sie nun zunächst einmal von Null auf eine Arbeitshaltung vermitteln und zusätzlich gegen über Jahre eingeschliffene Fehler ankämpfen, die sich jedoch kaum noch ausmerzen lassen.

Wer sich übrigens jenseits der Träumerei und Rhetorik einen auf Fakten basierenden Überblick verschaffen möchte über das Scheitern des Frühfremdsprachenunterrichts und der Mehrsprachigkeitsdidaktik, sei eine Zeitleiste der Condorcet-Autoren Urs Kalberer, Alain Pichard und Felix Schmutz empfohlen.[9]

5.  Yves Krebs, GLP

Frustrierte Französischlernende holt man weder mit Joe Dassin oder Serge Gainsbourg noch mit Michel Sardou hinterm Ofen hervor. Dafür bedarf es guter Lehrmittel und ausreichend qualifizierter Französischlehrkräfte. An beidem mangelt es auf der Primarstufe. Vor allem aber müssen Lernende, um sich erfolgreich Fremdsprachen anzueignen, in einem Alter sein, in dem sie ihre Muttersprache bereits gut beherrschen und einigermassen Bescheid wissen über deren grammatische Strukturen, was bei Lernenden auf der Primarstufe in der Regel nicht der Fall ist. Dies löst bei vielen Lernenden verständlicherweise Frustration aus. Wenn man sich denn unbedingt der Musik bedienen möchte, lässt sich jener Frust trefflich zum Ausdruck bringen mit einem Titel von Johnny Hallyday: «J'en ai marre». Musik spielt in einem modernen Fremdsprachenunterricht zwar durchaus eine Rolle, sie ist aber eher marginal. Dank des Unterhaltungswerts seines Vortrags, der Anklänge an einen Schnitzelbank der Basler Fasnacht aufweist, schafft es Krebs immerhin in die Kategorie des politischen Kabaretts.

Die Wirklichkeit

Es folgen anonymisierte Sätze von AchtklässlerInnen nach 5½ Jahren Französischunterricht bzw. nach rund 450 Lektionen:

«Je ne arrivé weil j’ai famieli-fété. Tu a arrivé à lundi êt vous allé à la l’école. Comme tu il? » «Je Film prefère regarde. Weil Je ne pa ma arm. Je film préférér à horror êt romantiqu. Ma aimes e Mondpferd. To la film ville êt garçong reiten to la cheval. êt une ville arrive hexen.» J’ai ne Zeit. Nous können aber alle patinge dans 14 heures. Es-tu einverstanden? Xoxo LG» «Je ne pris pas de temps pour nous Picknick, desole. J’ai des temps au Lundi, mais nous jouez des volleball, ect-ce bon? LG» «J’aime de livre, mais les film éte more interesant au le livre. Ma livré prévéré est percy Jakson. Ma film prevere est Avengers Endgame. Pour le film: Le enemiagagnée, est le petit héros fair une reise de temp.» [10]

«Je freue mich avec du Brief.» «J´ais aller le weekend la parque. Ma ohne une pistoler o morter quelcuen.» «Ma bonne jour start 9:00 a le Europark.» «Je aller zum Kühlschrank.» Nous visite baucoub activits et nous avons fon.» Mon journée perfect deservés de gagner parc que c’est le reve de tout les hommes.»  «Moi journé de rêve ce le test.» «Dabord nous allé avec le train pour les ganzen Eropapark et vois les differend Languages dans Europapark.»[11]

Diese Liste liesse sich beliebig erweitern. Sie ist ein Aufruf an den Landrat und die BKSD, sich endlich den Realitäten zu stellen. Insbesondere diejenigen Landrätinnen und Landräte, die Anita Biederts Postulat ablehnten in der irrigen Meinung, sie würden sich dadurch stark machen für den Französischunterricht, müssten erkennen, dass sie gegen ihr eigenes Interesse stimmten. So könnten sie immerhin nachträglich Verantwortung übernehmen. Hilfreich hierfür wäre, wenn es gelänge, die Sache an sich über persönliche Befindlichkeiten zu stellen bzw. sich kundig zu machen. Trotz in dieser Angelegenheit schadet ausschliesslich den Lernenden.

Die angekündigte Evaluierung des Frühfranzösisch kostet den Kanton Fr. 200'000.--. Sie wird in etwa zwei bis vier Jahren Erkenntnisse bestätigen, die seit bald zwei Jahrzehnten vorliegen. Bis die notwendige Gesetzesänderung spruchreif ist, werden weitere Jahre verstreichen. Zum Zeitpunkt der Abschaffung des Frühfranzösisch werden alles in allem schätzungsweise sechs bis 10 Jahre ins Land ziehen. In dieser Zeit werden weitere Schülergenerationen daran gehindert, einer der schönsten Sprachen erfolgreich zu lernen zugunsten des nationalen Zusammenhalts, des interkulturellen Austauschs und zugunsten der Wirtschaft. Das Angebot an Französischlehrkräften wird bis dann noch prekärer sein -aus den Passepartout-Schülergenerationen wird diese Sprache kaum jemand studieren können-, sodass man Französisch mit einiger Wahrscheinlich nur noch als Wahlfach wird anbieten können. On sera outré! Dann allerdings zu Recht.

Während der letzten 20 Jahre wurden dermassen viele Fehlentscheidungen in der Schweizerischen Bildungspolitik gefällt, verbunden mit einem kontinuierlichen Leistungsabfall der Lernenden und einem zunehmenden Lehrkräftemangel. Der Grund hierfür ist vielleicht darin zu erkennen, dass zu viele reflexgesteuerte und ichbezogene PolitikerInnen, Rhetoriker, Kabarettisten und Träumer mit zu wenig Ahnung zu viel zu sagen haben.

Die seit Jahren dauernde Debatte um den Frühfremdsprachenunterricht dreht sich im Wesentlichen um die Frage, ob 1 + 1 gleich 3 oder vielleicht nicht doch eher 2 ist. Währenddessen lassen Schülerinnen und Schüler ihre Aufsätze, Vorträge, Zusammenfassungen, Bewerbungen und Prüfungen mittels ChatGPT schreiben, wobei die Bildungspolitik noch nicht einmal angefangen hat, darüber nachzudenken.

«Leider haben Ahnungslose meist auch keine Ahnung davon, dass sie keine haben.»[12]

Felix Hoffmann, Lehrperson



[1] Erwin Koch, deutscher Aphoristiker: https://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Ahnungslosigkeit
[2]
https://www.zitat-des-tages.de/zitate/nur-unser-ego-kann-etwas-persoenlich-nehmen-und-sich-verletzt-fuehlen-alexandra-herdt
[3]
Cenoz J. (2002) “Age differences in foreign language learning”, in: International Review of Applied Linguistics, S. 136
[4]
Amelia Lambelet, Raphael Berthele (2014); https://edudoc.ch/record/114461?ln=de, S.58
[5]
Georges Lüdi war 1997/98 Leiter der Expertengruppe der EDK für ein Gesamtsprachenkonzept für die Volksschule in der Schweiz; https://condorcet.ch/2022/12/es-war-einmal-georges-luedi-und-seine-erkenntnis/ [6] https://www.nwedk.ch/sites/default/files/upload/190513_Passepartout-Evaluation_Schlussbericht_def_0.pdf, S. 91
[7] https://www.youtube.com/watch?v=AWwv7PGumAA
[8]
https://www.nwedk.ch/sites/default/files/upload/190513_Passepartout-Evaluation_Schlussbericht_def_0.pdf, S. 89
[9]
https://condorcet.ch/2020/08/fruehfremdsprachenunterricht-und-mehrsprachendidaktik-eine-chronik-des-grauens/
[10]
Lvb-inform 2022/23-01
[11]
Check S2 2021
[12]
Gregor Stefan Heuwangl, deutscher Aphoristiker: https://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Ahnungslosigkeit&seite=3
 
 

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