Baselland duldet weiterhin Machtmissbrauch an Schulen

Keine Sanktion führt in der Arbeitswelt zu mehr Konflikten und Folgeproblemen wie ausgesprochene oder angedrohte Verwarnungen von Vorgesetzten gegenüber Mitarbeitenden. Der Grund dafür ist einfach: Verwarnungen gelten im Arbeits- und Personalrecht in der Schweiz, insbesondere im öffentlichen Dienst, gemeinhin als letzte Zurechtweisung bei ungenügenden Leistungen oder ungebührlichem Verhalten, bevor es zur Kündigung kommt.
Verwarnungen sind in der Arbeitswelt im Grundsatz zweifellos ein Führungsinstrument zur Disziplinierung, die ihre Berechtigung haben. Wenn die Leistungen von Mitarbeitenden über längere Zeit nicht zufriedenstellend sind, müssen Vorgesetzte eine Möglichkeit haben, mit Nachdruck auf das Ungenügen hinzuweisen und gleichzeitig eine Verbesserung verbindlich einzufordern. Gegen solche Verwarnungen, welche den Mitarbeitenden klare Hinweise auf Defizite und in der Folge noch einmal eine faire Chance zur Verbesserung geben, ist deshalb nichts einzuwenden.
Missbrauch von Verwarnungen als Führungsinstrument
Wie Erfahrungen allerdings zeigen, können Vorgesetzte das Führungsinstrument der Verwarnung auch dazu missbrauchen, ihrem Ärger, ihrer Frustration oder Enttäuschung über eine Mitarbeitende oder einen Mitarbeitenden Luft zu verschaffen. So sehr eine solche Reaktion vielleicht emotional verständlich sein mag, so sehr ist sie eben auch unprofessionell und arbeits- resp. personalrechtlich hochproblematisch.
Parlamentarischer Vorstoss in Baselland vom Mai 2025
Im Frühjahr hat SP- Landrätin Simone Abt in einer Interpellation verlangt, dass die Regelung in der Personalverordnung des Kantons Basel-Landschaft überdacht wird, welche eine Anfechtung von Verwarnungen durch die davon betroffenen Mitarbeitenden kategorisch ausschliesst (siehe hier).
Die Initiantin argumentierte darin sehr schlüssig, indem sie geltend machte: «Die fehlende Möglichkeit, eine Verwarnung rechtlich anzufechten, steht im Spannungsverhältnis zum verfassungsmässigen Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz (Art. 29a BV). Zwar bleibt Betroffenen der Weg ans Gericht im Fall einer späteren Kündigung offen – doch gerade im dynamischen Schulumfeld greift dieser Rechtsschutz oft zu kurz: Eine Rückkehr in das ursprüngliche Arbeitsverhältnis ist realitätsfern, das Vertrauensverhältnis meist irreparabel geschädigt. Damit verfehlt das System seinen rechtsstaatlichen Zweck […].»
Mit anderen Worten: Wenn Mitarbeitende wie angestellte Lehrpersonen im öffentlichen Dienst selbst eine missbräuchliche Verwarnung grundsätzlich nicht anfechten können und ihnen dann auf dieser rechtswidrigen Basis später gekündigt wird, kommt eine mögliche Korrektur der Verwarnung erst im Rahmen der Kündigungsanfechtung für die Betroffenen in aller Regel zu spät. Eine Rückkehr an den angestammten Arbeitsplatz ist dann fast immer ausgeschlossen, auch wenn sowohl die Verwarnung als auch die Kündigung vor Gericht für rechtsmissbräuchlich befunden werden.
Regierung weist berechtigtes Anliegen zurück
Die Antwort der Regierung auf die erwähnte Interpellation fällt ebenso knapp wie unbefriedigend aus (siehe hier). Die Begründung, wonach sich durch eine Verwarnung «keine unmittelbaren nachteiligen Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Mitarbeitenden» ergeben würden, bestätigt sich in der Realität eben gerade nicht. Wer mit unklaren, unberechtigten oder willkürlichen Vorwürfen und vagen Zielvorgaben bei angedrohter Kündigung konfrontiert wird, hat sehr wohl Nachteile, zumal dessen Situation am Arbeitsplatz dadurch prekär werden kann.
Forderung der SSbB
Die SSbB fordert einmal mehr, dass Verwarnungen, die gegen Lehrpersonen am Arbeitsplatz ausgesprochen werden, anfechtbar sein müssen, damit jene Mitarbeitenden, die von einer ungerechtfertigten und missbräuchlichen Verwarnung betroffen sind, sich wirksam dagegen zur Wehr setzen können.
Jürg Wiedemann
Vorstand Starke Schule beider Basel
3 Responses
Ich könnte jeden Satz unterschreiben. An sich vernünftige Regelungen bieten immer auch die Möglichkeit des Missbrauchs, und dagegen müsste es unbedingt Vorkehrungen geben. Das Problem, das hier geschildert wird, betrifft wohl nicht nur die Schulen, aber diese wahrscheinlich in besonderem Mass: In vielen Bildungseinrichtungen in der Schweiz haben die Schulleiter eine fast unbegrenzte Macht gegenüber den Mitarbeitenden, und da muss es einen nicht wundern, dass es auch zu Machtmissbrauch kommt…
Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke, dann gab es Lehrkräfte, die wegen ihrer katastrophalen Unterrichtsweise eigentlich untragbar waren. So zumindest empfanden wir das als Schüler (heute würden wir es allerdings etwas differenzierter beurteilen). Was dann aber an unserer Schule passierte: Die beliebteste und beste Lehrerin des ganzen Schulhauses musste gehen, weil sie offenbar mit dem extrem streitbaren Schulleiter über Kreuz lag. Alle wussten das, alle empörten sich darüber, aber niemand hat etwas dagegen unternommen. Schon damals war das Bildungswesen ein Kosmos für sich mit seinen eigenen (ziemlich fragwürdigen) Regeln.
Die Sache mit diesen Verwarnungen im Schulbereich kommt für mich nicht überraschend. Wer ein guter Kumpel der Schulrektors ist, aber miserabel unterrichtet, braucht nichts zu befürchten. Wer hingegen eine persönliche Differenz mit dem vorgesetzten Schulleiter hat, wird unter Druck gesetzt, auch wenn er oder sie noch so engagiert unterrichtet und pädagogisch wertvolle Arbeit leistet. Es gibt kaum einen Bereich, wo die Willkür und die Ungerechtigkeit grösser sind.