Leserkommentar
Kommentar zu: Verstehendes Lernen wird vernachlässigt von Carl Bossard
Carl Bossard deckt überzeugend auf, dass die Bildungspolitik ihr Hauptziel aus den Augen verloren hat. Eine bombastische Ausweitung des Bildungsprogramms hat dazu geführt, dass ganz wesentliche Bildungsziele verfehlt wurden. Dazu bestimmten eine dogmatisch vorangetriebene Gleichmacherei mit entsprechenden Strukturreformen und Steuerungsphantasien der Bildungsplaner weitgehend die Agenda der Bildungspolitik. Die Resultate dieser Reformen sind in jeder Hinsicht ernüchternd. Für Klassenlehrkräfte wurde durch das belastende Integrationskonzept mit strikter Ablehnung von Förderklassen die Unterrichtsarbeit erschwert. Statt zu schauen, was das Lernen wirklich fördert, wurde die Lehrerrolle schleichend abgewertet. Doch Jugendliche wollen keine Lernbegleiter als graue Mäuse im Klassenzimmer. Sie wünschen sich eine kompetente und vertrauenswürdige Lehrerpersönlichkeit, die mit Freude die Klasse führt und wesentliche Inhalte vermittelt. Die Bildungspolitik hat es verpasst, die Prioritäten richtig zu setzen. Man hat jahrelang umgebaut, ohne über den Kernbereich der Pädagogik zu reden.
Unsere Schule braucht verbindliche Bildungsinhalte, eine Stärkung der Lehrerrolle und ein gründliches Ausmisten bei den schulischen Wunschzielen. Dies unter Berücksichtigung des wichtigen kulturellen Auftrags der Schule bei der Allgemeinbildung zu realisieren, ist die grosse Herausforderung der kommenden Jahre.
Hanspeter Amstutz
Ehem. Bildungsrat und Sekundarlehrer, Fehraltdorf ZH
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News
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Sonntag, Dezember 08, 2024
Um ab 2026 wieder schwarze Zahlen zu schreiben, hat der Kanton Basel-Landschaft auch im Bildungswesen Sparmassnahmen beschlossen. Beispielsweise möchte der Kanton den Unterstützungsbeitrag für Lernende in der Lehrwerkstatt für Mechanik in Basel schrittweise reduzieren. Die Bildungs-, Kultur und Sportdirektion (BKSD) begründet ihren Entscheid damit, dass die Lehrwerkstatt kein rein schulisches Ausbildungsangebot ist, sondern auch für andere Unternehmen produziert und somit zusätzliches Einkommen generiert. (lbu)
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Samstag, November 23, 2024
In einem aktuellen Fall entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass Prüflinge bei einer mündlichen Prüfung im Falle eines Rekurses das Recht auf eine rudimentäre Begründung haben. (lbe)
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Mittwoch, November 20, 2024
Depressionen, Sucht und Essstörungen sind nur ein Bruchteil der psychischen Probleme, welche durch starken Social-Media-Konsum vor allem bei noch sehr jungen Personen ausgelöst werden können. Australiens Regierung verkündete daher, den Zugang zu sozialen Medien für unter 16 Jährige zu verbieten. Sie ist damit noch radikaler als Frankreich anfangs des Jahres, welche die Altersgrenze auf ab 13 Jahren setzten will. (lh)
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Samstag, November 16, 2024
Diskussionen um ein neues Schwerpunktfach an den Gymnasien im Stadtkanton. Nun ist klar, der vorgesehene neue Schwerpunkt Ernährung/Gesundheit/Sport (EGS) wird doch nicht eingeführt. (as)
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Freitag, November 15, 2024
Seit dem neuen Herbstsemester bietet die PH FHNW ein neues Modul an, bei welchem es den Studierenden ermöglicht wird, ihre Kompetenzen in der Sonderpädagogik zu vertiefen. Der neue Schwerpunkt ist für die Lehrpersonen Sekundarstufe I ausgelegt und trifft auf grosses Interesse. (as)
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Samstag, November 02, 2024
Die Migrant*innensession 2024 fordert die beiden Basler Halbkantone zur Teileingliederung von heimatlichen Sprach- und Kulturkursen an öffentlichen Schulen auf. (lbe)
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27.03.2022 - Gastbeitrag
Wie erklären wir Schülern den Krieg?
Bilder haben Macht. Das spüren Lehrerinnen und Lehrer im Gespräch mit ihren Schülerinnen und Schülern in diesen Tagen ganz besonders. Über Youtube, Tiktok und andere soziale Netzwerke sind Kinder und Jugendliche direkt mit dem Ukraine-Konflikt konfrontiert. Oft sind sie dabei allein. Das Gesehene tragen sie in den Unterricht. Es belastet und bedrückt sie. «Kommt der Krieg auch zu uns?», fragen sie und wollen wissen: «Warum denn gibt es diese Kämpfe?» Zu Hause erhalten sie auf ihre Fragen nicht selten eine Antwort. Lehrerinnen und Pädagogen sind für manche Kinder die einzigen Ansprechpersonen. Doch was sagen Lehrpersonen? Wie reagieren sie?
Der Philosoph Immanuel Kant spricht von einer Pflicht zur Zuversicht. Sie gilt gerade in prekären Zeiten. Kinder müssen dies von Erwachsenen vorgelebt erhalten, auch in der Schule. Zuversicht ist etwas anderes als der naive, illusionäre Optimismus. Sie hat nichts zu tun mit dem schnell herbeizitierten positiven Denken oder gar mit dem kitschigen Blick durch die rosarote Brille. Nein, Zuversicht ist das Aufklärungsvertrauen, die geistige Widerstandskraft als menschliche Grundhaltung. Für junge Menschen eine Art mentale Lebensversicherung und damit eine grundlegende Ressource des Lebens. Seelische Kräfte leben von dieser Antriebsenergie der Zuversicht.
Vielleicht erinnern sich Lehrerinnen und Lehrer in diesen Tagen an Kants berühmte Frage: «Was darf ich hoffen?» Der Königsberger Philosoph beschreibt die Geschichte als ein qualitatives Fortschreiten, das uns zu hoffen erlaubt. Ich darf hoffen, so sagt er, dass es eine Entwicklung zu besserem Leben, zu weniger Greueln und Krieg, zu mehr Lebenschancen gibt. Kants Grundidee zielt dahin: Die menschliche Evolution ist der Entwicklungsprozess einer Gattung, die lernen kann. Wir Menschen seien lernfähig, betont er.
Darin bestehe die aufklärerische Hoffnung. Gleichzeitig aber verdeutlicht er auch: Dieses Lernen geht durch furchtbare Brüche hindurch, durch entsetzliche Katastrophen. Was dürfen wir angesichts dieser existenziellen und geschichtlichen Erfahrung hoffen? Kant sagt: Wir dürfen hoffen, dass es gutgeht. Daran hält er trotz der Tatsache fest, dass die Geschichte auch Rückschläge, Brüche und Beben kennt, wie wir sie heute in der Ukraine dramatisch erleben. Der Mensch ist eben ein Wesen, in dem es auch Anlagen zum Bösen gibt.
Nicht umsonst spricht die politische Philosophin Hannah Arendt von der doppelten Form der Verantwortung von Eltern und Lehrpersonen. Beide hätten das Kind vor der Welt zu schützen und gleichzeitig die Welt vor dem Kind. Jeder Mensch trüge eben zweierlei in sich, das Gute wie das Destruktive. Darum übernähmen Erzieherinnen und Erzieher «die Verantwortung für beides, für Leben und Werden des Kindes wie für den Fortbestand der Welt». Und beides bedürfe eines Schutzes, die Welt wie das Kind. «Diese beiden Verantwortungen fallen keineswegs zusammen, sie können sogar in einen gewissen Widerspruch miteinander geraten», betont Hannah Arendt weiter und weist so auf die unvermeidliche Ambivalenz der Erzieheraufgabe hin. Eines sei dabei wichtig: «Die Schönheit der Welt muss dem Kind gezeigt werden.» In ihr liegt das Hoffnungsvolle.
«Was darf ich hoffen?», fragt Kant. Hoffnung ist eine Weise der realistischen Sicht auf die Welt, die trotz allem vertraut. Vielleicht trifft der französische Dichter Romain Rolland mit seinem Satz aus dem «Michelangelo»-Roman das Gemeinte: «Es gibt keinen anderen Heroismus, als die Welt zu sehen, wie sie ist, und sie dennoch zu lieben.» – Wie trivial das ist. Und doch so schwer. Gerade in diesen Zeiten.
Doch genau diese Zuversicht brauchen Kinder. Schule muss angesichts des Erschreckens über Ereignisse wie den Ukraine-Krieg eben auch gegenhalten und zur Zuversicht erziehen; sie muss standhalten und Halt geben. Das gehört zu ihrem pädagogischen Auftrag. Die Menschen stärken, die Sachen klären, wie es ein Pädagoge ausgedrückt hat.
Carl Bossard
Ehem. Direktor der Kantonsschule Luzern und Gründungsrektor der Pädagogischen Hochschule Zug
[Quelle: NZZ vom 25.03.2022]