25.03.2025
Unterrichtsfeedback – Werkzeug oder Waffe
Schüler/-innen-Feedback kann Lehrpersonen helfen, ihren Unterricht zu verbessern – doch wenn es zur Bewertung von Pädagoginnen und Pädagogen mit disziplinarischen Konsequenzen genutzt wird, wird es zum Risiko. Die Ambivalenz liegt in der Nutzung: Formativ ein Gewinn, summativ ein Problem.
Ein Spiegel für den Unterricht
Schüler/-innen-Feedback ist hilfreich, um Unterricht dynamisch zu gestalten. Direkte Rückmeldungen zu Methoden, Tempo oder Verständlichkeit ermöglichen es Lehrpersonen, Stärken zu erkennen und Schwächen anzupassen. Beispielsweise kann eine Lehrkraft nach einem Feedbackgespräch interaktivere Lerneinheiten einführen, wenn Schüler/-innen sich mehr Beteiligung wünschen. Hier dient das Feedback als kommunikative Brücke – es schafft Dialog, fördert Vertrauen und unterstützt eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung.
Schüler/innen als Laien – Grenzen der Aussagekraft
Problematisch wird es, wenn Feedback nicht der Entwicklung dient, sondern zur Leistungsbewertung der Lehrperson herangezogen wird – etwa für dienstrechtliche Entscheidungen. Schüler/-innen sind keine professionellen Gutachter/-innen in pädagogischen und didaktischen Fragen. Ihre Einschätzungen basieren auf subjektiven Erfahrungen, Sympathie oder kurzfristigen Eindrücken. Eine Studie der Universität von Groningen (NL) zeigt, dass junge Lernende in der Regel jene Lehrer/-innen deutlich höher bewerten, die wenig Leistung verlangen und gleichzeitig durchwegs gute Noten verteilen, und letzteres eben speziell auch dann, wenn der Lernerfolg sehr bescheiden bleibt (https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/01973533.2020.1756817#abstract). Solche Kriterien taugen nicht für Personalentscheidungen.
Kinder und Jugendliche können zwar beschreiben, wie sie Unterricht erleben, aber sie haben kein umfassendes Verständnis von Didaktik oder langfristigen Lernzielen. Ein negatives Feedback könnte etwa entstehen, weil eine Lehrperson konsequent Leistung einfordert – was langfristig sinnvoll, kurzfristig jedoch unpopulär ist. Zudem sind Schüler/-innen anfällig für Gruppendynamiken oder gezielte Manipulation, etwa wenn eine Klasse eine Lehrperson provozieren möchte.
Instrumentalisierung durch Schulleitungen: Ein Machtspiel
Besonders heikel ist, wenn Schulleitungen Feedback systematisch nutzen, um unliebsame Lehrpersonen zu disziplinieren. Indem sie Schüler/-innen gezielt nach Kritik fragen oder Auswertungen einseitig interpretieren und so scheinbare „Beweise“ konstruieren. Dies missbraucht die Stimme der Lernenden als Mittel zum Zweck – ein klarer Verstoss gegen Fairness und pädagogische Ethik. Solche Praktiken vergiften das Schulklima und untergraben die Autorität der Lehrperson.
Fazit: Verantwortung liegt bei den Institutionen
Schüler/-innen-Feedback ist ein zweischneidiges Schwert: Es kann inspirieren oder verletzen, fördern oder schaden. Entscheidend ist der Umgang damit. Als Impulsgeber für den Unterricht, wenn durch die Lehrpersonen selbst initiiert, kann es wertvoll sein, als Richter über Pädagoginnen und Pädagogen ist es denkbar ungeeignet. Eine Kultur des Dialogs statt der Abrechnung, ein Fokus auf Entwicklung statt auf Defizite – das sollte das Ziel sein.
Jürg Wiedemann
Vorstand Starke Schule beider Basel