Strafversetzt ins Erziehungsdepartement
Die Basler Schulen schneiden in nationalen Vergleichen schlecht ab. Damit sich das ändert, braucht es tiefgreifende Reformen.
Bildungspolitiker rangieren in der medialen Nahrungskette in der Regel auf den hintersten Plätzen. Nahe bei den Callcentern. Als Filippo Leutenegger (FDP, ZH) vom Tiefbau- ins Schuldepartement «abgeschoben» wurde, schrieb der «Tages-Anzeiger» von «Demütigung» und «Abstellgleis». Und als nach den letzten Wahlen im Kanton Basel-Stadt Conradin Cramer (LDP) sein Departement behalten musste, konnte er in der BaZ lesen, er sei «im Erziehungsdepartement sitzen geblieben». Kurz und bündig: Einflussreiche Basler und Zürcher Zeitungen halten die Beschäftigung mit Erziehungsfragen, vom Kindergarten bis zur Universität, für nebensächlich und überflüssig.
Folgerichtig schaffen es Bildungsthemen nur selten ins Blatt, jedenfalls nicht so häufig, gründlich und umfangreich wie der FCB, Roger Federers Knie oder Parkplätze. Kaum ein Begriff reizt die Nerven der Verantwortlichen im Elfenbeinturm des Erziehungsdepartements (ED) so schmerzhaft wie das leider zutreffende Wort «Bildungsbürokraten».
Ein gutes Beispiel liefert die Antwort des Regierungsrats auf den Vorstoss des grünen Grossrates Oliver Bolliger, der Massnahmen zur Senkung des Leistungs- und Leidensdrucks bei den Jugendlichen fordert. Offenbar ist die Anzahl der Menschen, die unter schweren Symptomen leiden, gemäss der «Swiss Corona Stress Study» der Universität Basel bei Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren stark angestiegen. Die Schuld für diese Entwicklung sieht das Erziehungsdepartement aber nicht bei Corona und schon gar nicht bei den Schulen. Verantwortlich seien die Eltern, die ihre Zöglinge zur Wahl von «unrealistischen Bildungszielen» drängten. Anpassungen am Schulsystem seien unnötig, die bestehenden schulischen und ausserschulischen Angebote ausreichend.
NZZ titelt: "Katastrophales Zeugnis für die Basler Schulen"
Man darf sich schon wundern, wie eine derart wirklichkeitsfremde, sämtliche unbestreitbaren Probleme ausblendende Phrasensammlung aus der Schreibstube an der Leimenstrasse eine Regierungssitzung ohne Faktencheck und Qualitätskontrolle passieren kann. Dabei sind die Kennziffern des Basler Schulsystems alarmierend. Nach der Publikation der ersten schweizerischen Erhebung der Grundkompetenzen in der Grundschule wählte die NZZ für ihren Bericht eine drastische Überschrift: «Katastrophales Zeugnis für die Basler Schulen».
In Mathematik und in den Sprachen landeten die Schüler beider Basel am Schwanz. Bei den Schülern aus Basel-Stadt leuchtet die Laterne gar dunkelrot. In den Sprachkompetenzen wird weniger erreicht als in fast allen anderen Kantonen. 85 Prozent aller Baslerinnen und Basler haben mit 25 Jahren einen Lehr- oder Mittelschulabschluss, das ist die tiefste Sek-II-Abschlussquote schweizweit. Schlusslicht ist Basel mit 46,5 Prozent auch bei den erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildungen. Dafür hat Basel mit 38,5 Prozent die höchste Mittelschulquote der Deutschschweiz.
Diese miserable Erfolgsbilanz erreicht Basel-Stadt mit dem gesamtschweizerisch höchsten Personalaufwand pro Schüler in der obligatorischen Schule. 2018 betrugen diese Ausgaben knapp 20’000 Franken, doppelt so viel wie in den Kantonen Wallis und Appenzell Innerrhoden und etwa 7000 Franken mehr als der schweizerische Durchschnitt.
Wiedereinführung der Kleinklassen ist zentral
Unsere Schulen brauchen also nicht mehr Geld, sondern tiefgreifende Reformen. Dabei kommen der Wiedereinführung der Kleinklassen und der Abschaffung der fundamentalistischen Basler Version der Integrativen Schule eine zentrale Rolle zu. Es ist offensichtlich, dass dieses Modell an den Realitäten scheitert, weil es die vorhandene und unvermeidliche Heterogenität in den Klassen zusätzlich noch vergrössert, mit entsprechend negativem Effekt auf die Ausbildungsqualität auf allen Leistungsniveaus.
Die Fülle der Herausforderungen zeigt, dass dem Erziehungsdepartement in Zukunft eine zentrale und noch bedeutendere Rolle zukommt. Gefordert sind im ED auf allen Stufen - bis hinauf zur Spitze - Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die kompetent und engagiert arbeiten und den Bezug zur schulischen Wirklichkeit nicht noch mehr aus den Augen verlieren. Hier ist noch viel Luft nach oben.
Roland Stark
Alt-Grossrat (SP), pensionierter Lehrer
[Quelle: BaZ, 14.2.2022]