12.07.2022
Neuer Berufsauftrag führt zum Abbau der Unterrichtsqualität
Mit dem Ziel, den Lehrpersonen weitere Aufgabenfelder im Rahmen ihres Arbeitsvertrages zu übertragen und damit Lohnkosten einzusparen, überarbeitete die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) des Kantons Basel-Landschaft das Personaldekret betreffend «Berufsauftrag und Jahresarbeitszeit der Lehrpersonen». Der erste Entwurf der Regierung wurde im Rahmen der Vernehmlassung von mehreren Interessensverbänden (z.B. LVB, SSbB) heftig kritisiert. Einmal mehr sollen die Lehrpersonen weitere Aufgabenfelder im Rahmen ihres Berufsauftrages übertragen werden können, die bis heute zusätzlich entschädigt wurden.
Im Juni 2022 präsentierte die Regierung, basierend auf den erhaltenen Rückmeldungen, eine überarbeitete Version: Eine markante Verbesserung zur ersten Version kann nicht festgestellt werden. Die geplanten Änderungen bedeuten einen weiteren Attraktivitätsverlust des Berufs der Lehrpersonen. Im Hinblick auf den derzeitigen und künftig zunehmenden Mangel an gut ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen, schadet diese Vorlage unserem Bildungssystem.
Der neue Berufsauftrag für die Primarstufe und die Sekundarstufen 1 und 2 umfasst im verpflichtenden Grundauftrag gemäss dem aktuellen Vorschlag der BKSD die folgenden fünf Arbeitsbereiche: A Unterricht, B Unterrichtsbezogene Aufgaben, C Schulbezogene Aufgaben, D Beratung Schüler/-innen und Eltern, E Personalentwicklung.
Weniger Zeit für die Unterrichtsvorbereitung
Ein wesentlicher Unterschied zum Ist-Zustand stellt dabei die prozentuale Umverteilung des Gesamtpensums dar. Die Bereiche A und B umfassen neu für alle drei Schulstufen 85%. Vorher konnten die Lehrpersonen auf der Sekundarstufen 1 und zwei mit 87% resp. 87.8% mehr Zeit für die Vorbereitung des Unterrichtes investieren. Die drei Bereiche C, D und E decken die restlichen 15% ab (auf Sek 1 vorher 13%, auf Sek. 2 vorher 13.2%). Für die Personalentwicklung im Bereich E sind weiterhin mindestens 2% der Arbeitszeit zu investieren.
Auf den ersten Blick wirkt das Ganze wie eine reine Umverteilung der Ressourcen. In Tat und Wahrheit versteckt sich hinter den angestrebten Änderungen jedoch zusätzlicher Arbeitsaufwand, was in einer höheren Arbeitsbelastung der Lehrpersonen resultiert. Im Bereich B «Unterrichtsbezogene Aufgaben» wird nicht wie bisher nur das Vor- und Nachbereiten des Unterrichts aufgelistet, sondern mit dem neuen Bereichstitel auch Platz für zusätzliche Aufgaben geschaffen (z.B. Fachschaftssitzungen, Teamsitzungen, Zusammenarbeit mit externen Diensten). Dies, obwohl der Bereich B um 2 Prozentpunkte geschrumpft ist. Der Bereich A des effektiven Unterrichts ist nicht variabel, die Anzahl zu unterrichtenden Lektionen bleibt gleich. Faktisch bleibt so weniger Zeit für das Kerngeschäft der Unterrichtsvorbereitung und -nachbereitung, da zeitliche Ressourcen von weiteren Aufgaben verschlungen werden, woraus unweigerlich ein Abbau der Unterrichtsqualität folgt.
Schulleitungen können ihre Lehrpersonen zu weiteren Arbeiten verpflichten
Durch die Verschiebung einiger Arbeitsfelder von den Bereichen C und D in den Bereich B, werden insbesondere im Bereich C (Schulbezogene Aufgaben) zeitliche Ressourcen frei, welche nun mit neuen Aufgabenübertragungen gefüllt werden, die heute separat entschädigt wurden (z.B. Mithilfe während arbeitsfreien Tagen bei Gesamtschulanlässen, Schulfesten, Abschlusstage). Dadurch können Kosten eingespart werden.
Detaillierte Arbeitszeiterfassung ist nicht mehr obligatorisch
Die Erfassung der Jahresarbeitszeit für die verschiedenen Arbeitsbereiche erfolgt in der Regel durch eine pauschale Vereinbarung. Auf eine obligatorische detaillierte Arbeitszeiterfassung durch die Lehrpersonen wird verzichtet. Stattdessen wird auf das Prinzip der Vertrauensarbeitszeit gesetzt und die bisherige «einfache Agendaführung» (EAF) restlos aufgehoben. Bei Anzeichen einer Überbeanspruchung oder unzureichenden Leistungen kann eine genaue Dokumentation trotzdem erfolgen. Dies scheint auf den ersten Blick für die Lehrpersonen vorteilhaft zu sein, zumal das Erstellen einer detaillierten Arbeitszeiterfassung aufwändig ist. Allerdings ist das Risiko real, dass übermotivierte Schulleitungen ihre Lehrpersonen mit zusätzlichen Arbeiten eindecken.
SSbB lehnt die vorgeschlagenen Änderungen des Berufsauftrages ab
In den kommenden Jahren wird sich der Lehrermangel akzentuieren. Damit genügend gut ausgebildete Lehrpersonen zur Verfügung stehen, muss die Attraktivität verbessert werden. Die überarbeitete Version des Berufsauftrages ist aus dieser Sicht ein klarer Rückschritt. Die Starke Schule beider Basel (SSbB) lehnt die vorliegende Änderung des Berufsauftrages aus den erwähnten Gründen ab und bittet den Landrat, der die Änderungen des Personaldekretes beschliessen muss, die Vorlage an die BKSD mit entsprechenden Überarbeitungsaufträgen zurückzuweisen.
Alina Isler
Vorstand Starke Schule beider Basel