Starke Schule beider Basel (SSbB)

4127 Birsfelden, E-Mail: Starke.Schule.beider.Basel@gmx.ch, PC 60-128081-8

 

Leserkommentar

Soziale Medien sind für Jugendliche Fluch und Segen

Einerseits vereinfachen sie Kontakte, Absprachen, ständigen Austausch und schaffen damit eine soziale Dauerpräsenz der Beteiligten. Allerdings ist dies nur eine medial vermittelte Präsenz, letztlich eine Vortäuschung des Gruppenerlebnisses mit Avataren. Diese vermittelte Sozialität ist menschlich unvollständig, oft eine Art Rollenspiel, sie ist nur Ersatz für tatsächliche Präsenz und birgt wie alle Ersatzbefriedigungen Suchtgefahr. Anderseits leisten die sozialen Treffpunkte auch eine gesteigerte Möglichkeit zu unsozialem Verhalten: Ausgrenzung, Diskriminierung, Erniedrigung, Mobbing. Die Öffentlichkeit, welche die Medien schaffen, potenzieren die negative Wirkung solcher Praktiken, da sie nicht mehr auf einzelne Mitglieder einer Gruppe beschränkt sind, sondern das Opfer in aller medialen Breite zur Schau stellen. Angegriffene können auch nicht im direkten Austausch reagieren, sie müssen das Ungemach zunächst ohnmächtig über sich ergehen lassen. Ein Verbot während der frühen Teenagerzeit wäre deshalb eine bedenkenswerte Schutzmassnahme. Ob sie allerdings durchsetzbar und nicht leicht technisch zu umgehen ist, bleibt für mich fraglich.  

Felix Schmutz, Allschwil

 

Inserat

 
 

News

  • Dienstag, April 01, 2025

    Vortrag zum Thema «Streitpunkt Smartphone»

    Elektroingenieur Marcel Hofmann leitet diesen Freitag der 14.03.2025 einen Vortrag über das Thema «Streitpunkt Smartphone» im Seniorenzentrum Schönthal in Füllinsdorf. Dabei soll besprochen werden wie wir unsere Kinder im Umgang mit dem Handy und Social Media begleiten könnten. (ch)

    Mehr

  • Montag, März 31, 2025

    In Schulen fehlen die Französischlehrpersonen

    Die Suche nach geeigneten Französischlehrpersonen für die Primar- und Sekundarschulen wird immer schwieriger. Der Lehrpersonenmangel ist seit längerem eines der dringenden Probleme im Bildungswesen, damit die Unterrichtsqualität nicht leidet. (ch)

    Mehr

  • Dienstag, März 04, 2025

    Handyverbote an Schulen wirken sich positiv aus

    Die Sekundarschule Laufen im Kanton Baselland hat seit dem neuen Schuljahr ein allgemeines Handyverbot an der Schule eingeführt. Die Schüler:innen müssen ihr Handy zu Beginn des Schultags abgeben und erhalten es zum Unterrichtsschluss wieder. (as)

    Mehr

  • Montag, Februar 17, 2025

    Bald alters- und niveaudurchmischter Unterricht in BS?

    Der Regierungsrat von Basel-Stadt beantragt eine Gesetzesänderung, um alters- und niveaudurchmischtes Lernen an allen Volksschulen in Basel-Stadt zu ermöglichen. Grundlage dafür ist eine mehrjährige Pilotphase an drei Schulen. (ai)

    Mehr

  • Samstag, Februar 08, 2025

    Uniprüfungen müssen wiederholt werden

    In Ferrara, einer italienischen Universität, müssen 362 Student*innen ihre Psychologieklausur nachholen, weil an der Prüfung mit KI getrickst wurde. (lb)

    Mehr

  • Donnerstag, Januar 23, 2025

    Keine ausserschulischen Aktivitäten für Schulkinder der Gemeinde Riehen

    Aufgrund eines mangelnden Budgetplans werden die Schulkinder der Gemeinde Riehen in diesem Jahr keine Schulausflüge machen dürfen (as).

    Mehr

Spenden

Wir freuen uns über Ihre Spende.

Starke Schule beider Basel
4127 Birsfelden

PC 60-128081-8
IBAN CH98 0900 0000 6012 8081 8

04.08.2023

Nachteilsausgleich erhält, wer am lautesten schreit

Leseschwäche, fehlendes Beherrschen der Unterrichtssprache, Aufmerksamkeitsstörungen wie ADHS, Probleme zu Hause: Die Diagnosen für Jugendlichen mit Störungen, Problemen, Krankheiten, die den Schulunterricht tangieren, haben im Land Höchststände erreicht. Die Schulen reagieren darauf oft mit «Nachteilsausgleich». Man gewährt Ausgleichsmassnahmen wie Zeitzuschläge oder Assistenzen, die bei Prüfungen helfen. Die Massnahmen werden im Zeugnis nicht eingetragen – im Gegensatz zu sogenannten Lernziel-Befreiungen (riLz). Bei Bewerbungen wird der Nachteilsausgleich für einen Lehrmeister darum nicht auf den ersten Blick ersichtlich.

Grundsätzlich finden Heilpädagogen und Lehrer, mit denen der «Nebelspalter» gesprochen hat, der Nachteilsausgleich sei ein nützliches Instrument. Doch der inflationäre Anspruch der Gesellschaft auf Nachteilsausgleich betrachten sie auch mit Sorge. Eltern, die am lautesten einen Nachteilsausgleich für ihren Nachwuchs reklamieren, würden diesen schnell erhalten. Nicht wenige Eltern – vor allem von jenen aus höheren Bildungsschichten – würden Ausgleichsmassnahmen fordern, um ihr Kind in einer Schule mit höherem Leistungsniveau platzieren zu können.

Was sich am Walliser Zentrum für Entwicklung und Therapie des Kindes und Jugendlichen (ZET) abspielt, ist exemplarisch dafür, was im Schweizer Bildungswesen passiert. Dort klären Psychologen, Logopäden und Psychomotoriktherapeuten die Kinder ab und sprechen Massnahmen aus. «Das ZET ist überlaufen», weiss der «Walliser Bote» zu berichten. Immer wieder wurden die Stellen dort aufgestockt, die letzte Erhöhung um neun Vollzeitstellen reicht ins Jahr 2018 zurück. Jetzt ist der Personaletat bereits wieder zu knapp; pro Vollzeitstelle werden derzeit 106 Begleitungen und 967 Interventionen bewältigt.

Dasselbe Bild im Kanton Schaffhausen: Die Gesuche für einen Nachteilsausgleich haben seit der Einführung 2016 mehr als verzehnfacht, berichtet Andreas Ehrat, Prüfungsleiter und Verantwortlicher der Fachstelle Unterstützende Dienste der kantonalen Dienststelle Berufsbildung. Damals waren es vier Gesuche, 2023 werden es mehr als 50 sein, die man bei der Dienststelle prüfe. Ehrat geht davon aus, dass die Zahl weiter steigt. Der Nutzen der Massnahmen wird kaum überprüft (der «Nebelspalter» berichtete). Über die Ursachen der zunehmenden Pathologisierung der Kinder zu reden, ist das eine. Über den Umgang der Schule mit dem Phänomen, das andere.

Schaffung fairer Voraussetzungen

Toni Kleeb, ehemaliger Berufsschullehrer für Hörgeschädigte ist ein Mann der ersten Stunde, der sich für den Nachteilsausgleich in der Berufsbildung eingesetzt hat und erste Empfehlungen für die Deutschschweizer Berufsbildungskonferenz herausgegeben hat. Kleeb sagt: «Es geht beim Nachteilsausgleich nicht um Prüfungserleichterungen, sondern um die Schaffung fairer Voraussetzungen.» Einem kleinwüchsigen Koch dürfe man bei der Prüfung beispielsweise einen Stuhl hinstellen. Schüler jedoch, die die kognitiven Leistungen (Aufmerksamkeit, Intelligenz, Flexibilität) nicht bringen, würde man nicht erfolgreich zur Matura bringen. «Wer in welcher Form Nachteilsausgleich erhalten soll, muss darum von einer Fachperson beurteilt werden», ist Kleeb der Meinung.

Das wird von Sekundarlehrerin Andrea (Name geändert) gestützt. Leider würde heute immer mehr Personal ohne medizinische Ausbildung die Schulkinder begutachten und Massnahmen aussprechen. Auch machten Eltern Druck, um einen Nachteilsausgleich für ihren Nachwuchs zu erhalten. Dies nicht zuletzt, um ihre Kinder in einen höheren Leistungszug zu bringen. Eltern erlebten mit ihrem Kind die eigene Schulzeit nochmals, ist Andrea überzeugt: «Alles, was bei ihnen nicht geklappt hat, wird ins Kind produziert, das ins Gymnasium gepusht werden soll.» Und dann erhalte man das Feedback der Gymnasiallehrer, das Niveau würde nicht mehr stimmen.

Fehlende Kompetenzen an der Schule

Andrea hat selbst einen Sohn, der Nachteilsausgleich erhielt. Als ADHS-Kind sei er vor allem an administrativen Aufgaben «vergiblet», sagt sie. Er konnte nicht, wie von der Lehrerin verlangt, die Hausaufgabenblätter verschiedener Fächer in den entsprechend verschiedenfarbigen Mäppchen führen. Nie habe sie sich für Prüfungserleichterung eingesetzt, aber als sie vorschlug, ihr Sohn solle Hausaufgabenblätter in einer Sammelmappe mitführen dürfen, habe sie gegen die Schule ankämpfen müssen. Es habe unglaublich viel Energie gekostet, sich durchzusetzen.

Solche Probleme, wie Andrea sie mit der Schule hatte, kennt Heilpädagogin und Dozentin Sascha Küpfer nur zu gut. Sie arbeitet seit einigen Jahren aktiv mit dem Nachteilsausgleich und findet dieses Instrument nützlich. «Dennoch beobachte ich», sagt sie, «dass Lehrpersonen und Schulleitungen die volle Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten nicht kennen». Die Forderung nach Nachteilsausgleich sollte nicht von den Eltern kommen, sondern von der Schule, von der Lehrperson, die um Bildungschancengleichheit bemüht ist, sagt sie. Sie beobachtet, dass oft diejenigen Kinder Nachteilsausgleich erhalten, deren Eltern am lautesten schreien. Und ein weiteres Phänomen: Kinder aus akademischen Elternhäusern erhielten öfter Nachteilsausgleich, unterprivilegierte Kinder würden eher von Lernzielen befreit und erhielten einen stigmatisierenden Zeugniseintrag. Es brauche mehr Aufklärung, sagt sie und hat ein Youtube-Tutorial zum Nachteilsausgleich gemacht.

Als Wohlfühl-Massnahmen missbraucht

Für Kleeb ist «alles schön gedacht». Man will den Kindern immer weniger zumuten. «Die Tools werden heute dazu genutzt, damit sich die Kinder nicht schlecht fühlen.»

Doch die Wirtschaft, die leistungsfähige Menschen braucht, habe das auch erkannt. Sie fordere darum nun statt des Zeugnisses alternative Tests, wie den «Multicheck» oder den «Stellwerk-Test», bei denen kein Nachteilsausgleich gewährt wird. «Dort wird die Leistungsfähigkeit des Schülers sichtbar», sagt er. «Wo wirklich ein Handicap für einen bestimmten Beruf vorhanden ist, sollte man einlenken.»

Irgendwann schlägt die Stunde der Wahrheit: Bei der 20-jährigen Marion Vassaux war es, als sie an der Aufnahmeprüfung zum Medizinstudium, dem Numerus Clausus, einen Nachteilsausgleich verlangte. Er wurde ihr jedoch verwehrt. Vassaux möchte Tierärztin werden, hat aber eine Leseschwäche; sie kann Buchstaben schwieriger erkennen. Dank des Nachteilsausgleichs erlangte sie eine Matura; wegen ihrer Dyslexie erhielt sie einen Zeitzuschlag bei den Prüfungen.

Jetzt ist Schluss: Die Universität Bern will ihr fürs Medizinstudium keinen Zeitzuschlag mehr gewähren. Beim Numerus Clausus gehe es darum, die Belastbarkeit zu testen, argumentiert die Kaderschmiede. Ihre Einschätzung wird von Regierung und Verwaltungsgericht gestützt. Jetzt zieht Vassaux weiter vor das Bundesgericht. Es sei, als würde man einem Kurzsichtigen die Brille verweigern, argumentiert sie.

Toni Kleeb, sieht das anders. «Wo wirklich ein Handicap für einen bestimmten Beruf vorhanden ist, sollte man einlenken.» Ein Sehbehinderter könne auch nicht Pilot werden. «Da können sie Nachteilsausgleich von vorne bis hinten gewähren. Es geht einfach nicht.»

Daniel Wahl
Journalist Nebelspalter

[Quelle: Nebelspalter vom 28.07.2023]