Leserkommentar
Kommentar zu: Verstehendes Lernen wird vernachlässigt von Carl Bossard
Carl Bossard deckt überzeugend auf, dass die Bildungspolitik ihr Hauptziel aus den Augen verloren hat. Eine bombastische Ausweitung des Bildungsprogramms hat dazu geführt, dass ganz wesentliche Bildungsziele verfehlt wurden. Dazu bestimmten eine dogmatisch vorangetriebene Gleichmacherei mit entsprechenden Strukturreformen und Steuerungsphantasien der Bildungsplaner weitgehend die Agenda der Bildungspolitik. Die Resultate dieser Reformen sind in jeder Hinsicht ernüchternd. Für Klassenlehrkräfte wurde durch das belastende Integrationskonzept mit strikter Ablehnung von Förderklassen die Unterrichtsarbeit erschwert. Statt zu schauen, was das Lernen wirklich fördert, wurde die Lehrerrolle schleichend abgewertet. Doch Jugendliche wollen keine Lernbegleiter als graue Mäuse im Klassenzimmer. Sie wünschen sich eine kompetente und vertrauenswürdige Lehrerpersönlichkeit, die mit Freude die Klasse führt und wesentliche Inhalte vermittelt. Die Bildungspolitik hat es verpasst, die Prioritäten richtig zu setzen. Man hat jahrelang umgebaut, ohne über den Kernbereich der Pädagogik zu reden.
Unsere Schule braucht verbindliche Bildungsinhalte, eine Stärkung der Lehrerrolle und ein gründliches Ausmisten bei den schulischen Wunschzielen. Dies unter Berücksichtigung des wichtigen kulturellen Auftrags der Schule bei der Allgemeinbildung zu realisieren, ist die grosse Herausforderung der kommenden Jahre.
Hanspeter Amstutz
Ehem. Bildungsrat und Sekundarlehrer, Fehraltdorf ZH
Hier kommen Sie zum Artikel von Carl Bossard
News
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Sonntag, Dezember 15, 2024
Im Kanton Basel-Stadt wird ab dem Schuljahr 2025/26 das Lehrmittel «M & I», Medien und Informatik 2 vom Verlag Westermann mit dem Status «alternativ-obligatorisch» in die Lehrmittelliste der Primarschule aufgenommen. Alternativ-obligatorisch bedeutet, dass die Lehrperson zwischen mehreren vorgeschlagenen Lehrmitteln auswählen kann. Dies ist ein weiterer Schritt in Richtung Lehrmittelfreiheit im Stadtkanton. (lbu)
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Sonntag, Dezember 08, 2024
Um ab 2026 wieder schwarze Zahlen zu schreiben, hat der Kanton Basel-Landschaft auch im Bildungswesen Sparmassnahmen beschlossen. Beispielsweise möchte der Kanton den Unterstützungsbeitrag für Lernende in der Lehrwerkstatt für Mechanik in Basel schrittweise reduzieren. Die Bildungs-, Kultur und Sportdirektion (BKSD) begründet ihren Entscheid damit, dass die Lehrwerkstatt kein rein schulisches Ausbildungsangebot ist, sondern auch für andere Unternehmen produziert und somit zusätzliches Einkommen generiert. (lbu)
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Samstag, November 23, 2024
In einem aktuellen Fall entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass Prüflinge bei einer mündlichen Prüfung im Falle eines Rekurses das Recht auf eine rudimentäre Begründung haben. (lbe)
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Mittwoch, November 20, 2024
Depressionen, Sucht und Essstörungen sind nur ein Bruchteil der psychischen Probleme, welche durch starken Social-Media-Konsum vor allem bei noch sehr jungen Personen ausgelöst werden können. Australiens Regierung verkündete daher, den Zugang zu sozialen Medien für unter 16 Jährige zu verbieten. Sie ist damit noch radikaler als Frankreich anfangs des Jahres, welche die Altersgrenze auf ab 13 Jahren setzten will. (lh)
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Samstag, November 16, 2024
Diskussionen um ein neues Schwerpunktfach an den Gymnasien im Stadtkanton. Nun ist klar, der vorgesehene neue Schwerpunkt Ernährung/Gesundheit/Sport (EGS) wird doch nicht eingeführt. (as)
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Freitag, November 15, 2024
Seit dem neuen Herbstsemester bietet die PH FHNW ein neues Modul an, bei welchem es den Studierenden ermöglicht wird, ihre Kompetenzen in der Sonderpädagogik zu vertiefen. Der neue Schwerpunkt ist für die Lehrpersonen Sekundarstufe I ausgelegt und trifft auf grosses Interesse. (as)
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29.07.2023
Mehr Geld, aber nicht mehr Qualität im Bildungssystem
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen höheren Bildungsausgaben und klügeren Schülern. Diese Erkenntnis wird erneut bestätigt durch eine Studie von Matthias Biedermann, Melanie Häner und Christoph Schaltegger, Leiter des Wirtschaftsinstituts IWP an der Universität Luzern. Wenn man sie konkret auf den bedeutendsten Bildungsraum der Schweiz, den Kanton Zürich umlegt, dann lässt sich zum Beispiel Folgendes verlässlich behaupten: Wenn die Stadt Zürich wie vom Volk beschlossen 174 Millionen in Tagesschulen investiert und der Kanton Zürich mit weiteren 150 Millionen Franken Klassenlehrer entlasten will, wird dies keinen messbaren Effekt auf die Ausbildungsqualität haben. Weder werden die Schulabgänger besser lesen, noch werden mehr minderprivilegierte Kinder höhere Bildungsabschlüsse machen können.
Die Studienautoren Schaltegger und Häner raten darum, dass sich Bildungspolitiker besser überlegen, wie finanzielle Ressourcen effizient eingesetzt werden können, statt einfach mehr Geld ins Bildungssystem zu pumpen. Entscheidend für das Erreichen der Grundkompetenzen sind vielmehr individuelle Merkmale wie der elterliche Hintergrund oder die zu Hause gesprochene Sprache. Benachteiligt ist, wer mit den Eltern nicht die Unterrichtssprache spricht.
Kein Staat der Welt investiert mehr Geld pro Schüler in die Ausbildung als die Schweiz. Die Ausgaben im Bildungswesen sind in den letzten zwanzig Jahren stark gestiegen. Während die durchschnittlichen realen Ausgaben im Jahr 1999 bei 12’074 Franken pro Studierenden lagen, beliefen sie sich im Jahr 2019 auf 18’370 Franken. Im Durchschnitt stiegen die Ausgaben pro Schüler innerhalb von zwei Jahrzehnten um 52,15 Prozent.
Gleichzeitig ist der «Output» gesunken. Mittlerweile erreichen gerade noch 62,2 Prozent beim Abschluss der obligatorischen Schulzeit die Grundkompetenzen in Mathematik. Im Deutsch sind es nur noch 88,2 Prozent. Mit anderen Worten: Rund ein Viertel der Schulabgänger im teuersten Bildungssystem der Welt erfüllt die Mindestanforderungen nicht mehr.
Vergleichbarer Bildungsraum
Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu. Ebenso wenig die Analyse, dass zusätzliche Bildungsausgaben keinen Einfluss auf die Leistungen der Schüler haben. Solche Aussagen machten schon zigfach andere Studien, die die Bildungssysteme der Länder miteinander verglichen. Sie belegten, dass Schulabgänger in teuren Bildungssysteme nicht die besten Pisa-Resultate liefern.
Doch diese internationalen Studien gerieten schnell in Verruf. Kritiker warfen den Autoren jeweils vor, bei den oft grundlegenden verschiedenen Bildungssystemen in den verschiedenen Ländern Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Sie würden beispielsweise die Effekte von Hochlohnländern mit Billiglohnländern vernachlässigen. Solches kann man nun Melanie Häner und Christoph Schaltegger, deren Studie in der Fachzeitschrift European Journal of Political Economy peer-reviewed veröffentlicht wurde, nicht mehr vorwerfen.
Die beiden haben die Auswirkungen unterschiedlicher Bildungsausgaben unter den Kantonen in der Schweiz verglichen, in einem Bildungsraum, der um Harmonisierung seiner Schulsysteme bemüht sind. Der Vorteil: Die Ausbildung ist in allen Kantonen mindestens bis zum Ende der Primarschulzeit sehr ähnlich und darum leichter vergleichbar. Dennoch sind die Pro-Kopf-Ausgaben in der engräumigen Schweiz derart gross, dass eigentlich Effekte auf die Bildungsqualität zu vermuten wären.
Wallis: besser und günstiger als Basel-Stadt
Beispielsweise investierte der Kanton Wallis im Jahr 2019 lediglich 13‘300 Franken pro Schüler und Schuljahr, der Kanton Basel-Stadt dagegen aber satte 28‘600 Franken. Dennoch trägt der Kanton Basel-Stadt nach nationalen Checks regelmässig die rote Laterne. Und das, obwohl er auch in den vergangenen Jahrzehnten am stärksten zusätzliche finanzielle Mittel ins Bildungssystem pumpte: 1999 waren es 14’016 Franken pro Schüler; im Jahr 2019 betrugen die Pro-Schülerausgaben 28’557 Schweizer Franken – sie stiegen massiv um 104 Prozent.
Bildungspolitiker in Basel reagierten auf die schwachen Testresultate ihrer Schüler jeweils mit vielfältigen Ausreden: Man habe viele Ausländer, man lebe in Grenznähe, man sei ein Stadtkanton und so weiter. Das mag alles stimmen. Aber mit ihrer Studie belegen Schaltegger und Häner jetzt, dass man das Problem nicht löst, indem man einfach mehr Geld ausschüttet.
Verzerrungen herausgerechnet
Mit komplizierten Formeln haben sie die Effekte herausgerechnet, die zu Verzerrungen führen könnten. Getestet wurde darum die Lesekompetenz – «eine Schlüsselkompetenz», wie Melanie Häner sagt. Den Messzeitpunkt legte man auf das 8. Schuljahr, «weil die Bildungssysteme in den Kantonen bis zu diesem Zeitpunkt einander am ähnlichsten sind».
Effekte wie die unterschiedlichen Klassengrössen und Betreuungsverhältnisse wurden ebenfalls berücksichtigt. Auch die Anzahl Unterrichtsstunden in der Landeshauptsprache. Da gibt es grosse Differenzen. Einzelne Kantone unterrichten gegen 210 Lektionen, andere wiederum nur 146. Gemäss der Studie darf man erstaunt feststellen: Klassengrössen und Anzahl Schulstunden sind gar nicht matchentscheidend, wenn man die Bildungsqualität misst. Zudem zeigt sich: Auch ohne Berücksichtigung dieser Effekte ist kein Zusammenhang zwischen höheren Bildungsausgaben und besserer Bildungsqualität nachweisbar.
Familienverhältnisse und Migrationshintergrund
Viel einflussreicher sind hingegen die Familienverhältnisse – ob zu Hause die Landessprache gesprochen wird oder nicht. Kinder, die zu Hause eine andere Sprache als die Schulsprache sprechen, haben eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit, die Grundkompetenzen zu erreichen.
Was in vielen Länder unter dem Begriff «Baumol-Kostenkrankheit» dokumentiert ist, lässt sich auch in der Schweiz feststellen. Die Bildungsausgaben steigen, ohne dass sich dies auf die Qualität auswirkt. Dies liegt daran, dass der arbeitsintensive Bildungssektor die Löhne erhöhte, um mit anderen Sektoren konkurrenzfähig zu bleiben. Zu einer «Produktivitätssteigerung» führt es nicht. Bemerkenswert ist in der Schweiz ferner, dass ein Grossteil der massiv gestiegenen Bildungskosten nicht einmal für Gehälter ausgegeben wurde, sondern für andere Stellen, etwa für Infrastruktur oder Verwaltungskosten. «Es stellt sich daher die Frage, ob sich zusätzliche Bildungsausgaben noch positiv auf die Bildungsqualität auswirken und hilft, dass Kinder aus bildungsfernen und einkommensschwachen Familien aufsteigen können», sagt Schaltegger. Häner ergänzt: «Es geht darum, genau hinzuschauen, was man im Bildungssystem wirklich bewirken will. Mehr Geld bedeutet nicht immer bessere Bildungsqualität.»
Daniel Wahl
Journalist Nebenspalter
[Dieser Artikel ist zuerst bei Nebelspalter.ch erschienen]