22.04.2021
Lehrpläne: Eine kurze Geschichte
Die Internetverbindungen werden breitbandiger, doch die Ansichten enger; die Häuser grösser und die Familien kleiner. Wir vermehren unseren Besitz und verlieren unsere Werte. Wir hetzen uns ab zur Steigerung des Lebensstandards und vergessen dabei zu leben… Paradoxien sind allgegenwärtig und Teil des Lebens. So werden bei steigenden Krankenkassenprämien vermehrt Leistungen beansprucht, auf dass sich die Versicherung lohnt, wodurch jedoch die Prämien steigen. Und ausgerechnet im Bereich der Bildung, wo es ums Lernen und Denken, um Wissen und Kompetenzen sowie um den Mut zur Selbstentfaltung geht, herrschen in der Politik Gleichschaltung, Feigheit, Inkompetenz, Denkfehler, Autoritarismus, Beratungsresistenz.[1]
Auch wenn alle einer Meinung sind, können alle Unrecht haben.[2]
Bertrand Russell
TINA – There Is No Alternative
Wie immer bei grossangelegten Schulreformen im Top-down-Prinzip wird auch die Kompetenzorientierung im nationalen Lehrplan 21 (LP21) seitens der exekutiven Bildungspolitik als alternativlos dargestellt. Veränderungen im Schulbetrieb entsprächen dem gesellschaftlichen Wandel. «Menschen, die solche Reformen ablehnen, seien dem Fortschritt grundsätzlich feindlich gesinnt.»[3] Derartige Vorverurteilungen sind offensichtlich nötig, denn als Reaktion auf den autoritär erzwungenen Paradigmenwechsel im Deckmäntelchen einer nationalen Schulharmonisierung -unter diesem Vorwand wurde er der Bevölkerung verkauft- hagelt es Kritik von allen Seiten, insbesondere auch von linker bzw. linksliberaler Seite. Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und schulisch-pädagogischem Umfeld melden sich zu Wort.[4]
Die wichtigsten Kritikpunkte in Kürze:
- Dem LP21 fehlt die demokratische Legitimation, denn Konsultation ist nicht Partizipation.[5]
- Ungleich klassischer Lehrpläne legt der LP21 keine Stoffinhalte und Lernziele fest, vielmehr plant und steuert er den Unterricht. Damit entmündigt er die Lehrkräfte und führt zu einer Entprofessionalisierung des Lehrberufs.
- Auf rund 550 Seiten wird das Verb können 4'753mal verwendet: «Die Schülerinnen und Schüler können...» Der LP21 verkommt dadurch zur unerträglich monotonen Litanei.
- Man würde es nicht für möglich halten, aber die Monotonie wird noch gesteigert durch die fast 4'000malige Verwendung des Begriffs Kompetenz.
- Die Kompetenzorientierung ist alter Wein in neuen Schläuchen, da es in der Schule schon immer um die Anwendung erworbenen Wissens ging, also um Fähigkeiten.
- Der LP21 strapaziert den Erziehungsauftrag der Schule und greift somit in die Persönlichkeit von Schülerinnen und Schülern ein.
- Zu viele Kompetenzbeschreibungen sind abstrakt verklausuliert und mit Fremdwörtern gespickt, sodass sie zumeist unverständlich sind.
- Die über die Massen strapazierte Thematisierung von Kompetenzen wird ad absurdum geführt durch die Inexistenz einer allgemeingültigen Definition zum Kompetenzbegriff.
- Der LP21 belässt die Hoheit über die Stundentafeln bei den Kantonen und unterwandert dadurch das Ziel der Chancengerechtigkeit.[6]
- Die unterschiedlichen Einführungszeitpunkte der Fremdsprachen in diversen Kantonen hintertreiben die Harmonisierung der kantonalen Bildungssysteme zur Herstellung interkantonaler Kompatibilität.
- Der LP21 respektiert eine thematische Trennung der Fächer Geschichte und Geografie und fusioniert diese dennoch zum Fach Räume, Zeiten und Gesellschaften.
- Er widerspricht sich auch darin, dass er die Methodenfreiheit der Lehrkräfte angeblich anerkennt, aber dennoch deren Unterricht reglementieren will.[7]
- Das im LP21 propagierte Selbstorganisierte Lernen widerspricht entwicklungspsychologischen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen.
Die Bildungspolitik verharrt im Autoritarismus des 20. Jahrhunderts
Februar 2014: «Gemäss Kommunikation der Eidgenössischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) (…) müssen die HarmoS-Kantone den Lehrplan 21 unverändert umsetzen.»
[8] Demokratie lebt von Partizipation, die jeden dazu einlädt, sich einzubringen. Insofern kommt es bei uns in allen gesellschaftlichen Themenfeldern zu wiederkehrenden und teilweise lebhaften Wettkämpfen unterschiedlicher Ideen, über die bald mehr bald weniger leidenschaftlich debattiert wird. Solche konstruktiven Auseinandersetzungen führen zuweilen zu einem gesellschaftlichen Konsens, der Mehrheitsbeschlüsse erübrigt. Nicht so in der Bildungspolitik. Hier wird ausschliesslich befohlen, bestimmt, dekretiert, erzwungen, angeordnet, von oben nach unten durchgedrückt usw. Sind die autoritär verfügten Konzepte auch noch so schlecht, zuweilen gar schädlich, nutzen auch die besten Argumente nichts. Bildungspolitische Konzepte lassen sich offenbar weder hinterfragen noch verhandeln. Für notwendige Verbesserungen bedarf es stets des ultimativen demokratischen Mittels der Initiative. Und selbst solche werden zuweilen listig ausmanövriert, sollte deren Ergebnis der bildungspolitischen Obrigkeit nicht genehm sein, siehe weiter unten.
Den autoritären Charakter der Bildungspolitik mit den historisch totalitären Wurzeln der Linken zu erklären, die bildungspolitisch traditionell in der Verantwortung steht, greift zu kurz. Denn kaum stehen PolitikerInnen anderer Parteien Bildungsdirektionen vor, ticken sie gleich wie ihre SP-KollegInnen. Christoph Eymann und dessen Nachfolger, Conradin Cramer, aus Basel sind hier nur zwei Beispiele. Ein anderer Erklärungsansatz besteht in der Projektion des für den Schulbetrieb typischerweise hierarchischen Verhältnisses zwischen Lernenden und Lehrenden auf die bildungspolitisch exekutive Ebene. So betrachtet, wären die BildungsdirektorInnen die Lehrenden bzw. der ganze Rest der Gesellschaft die unmündigen und ahnungslosen Lernenden mit stark beschnittenen partizipatorischen Möglichkeiten.
Die unerbittliche Macht des Faktischen
Der Widerstand gegen den LP21 scheitert fast überall an der Urne, da die Stimmbevölkerungen unterschiedlicher Kantone verständlicherweise daran glauben, die Harmonisierung der nationalen Schullandschaft verteidigen zu müssen, was ja auch vernünftig wäre, hätte es sich denn tatsächlich je darum gedreht. Doch auf dem harten Boden der Unterrichtsrealität jenseits von bildungspolitischem Wunschdenken bestätigt sich die Berechtigung der Kritik am LP21. Welche Lehrkraft möchte schon für ihre Fächer zig Seiten abstrakt verklausulierter Kompetenzformulierungen lesen mit hundertfacher Nennung der Begriffe können und Kompetenz, ohne anschliessend zu wissen, was sie ihren Schutzbefohlenen beibringen soll, dafür aber Gefahr läuft, sich mit Eltern anlegen zu müssen wegen eines neuerdings völlig überdrehten Erziehungsanspruchs der Schule.
Wie so oft bei Reformdebakeln der Bildungspolitik wird zur Gesichtswahrung aller Beteiligten nun der sogenannte Versandungsprozess eingeläutet. Hierzu wird im September 2016 der LP21 offiziell zur Mustervorlage erklärt. Im Widerspruch zur versuchten Harmonisierung der nationalen Bildungslandschaft kann ihn nun jeder Kanton nach eigenem Gutdünken abändern.[9] Damit wird nachträglich ausgerechnet der Köder von der Angel genommen, mit dem die Stimmbevölkerung unterschiedlicher Kantone zuvor für den LP21 gewonnen wurde. Die Frage, ob die Degradierung des nationalen Lehrplans auch vorgenommen worden wäre, wenn er als tauglich gewertet würde, erübrigt sich. Mit dieser Lösung bleibt der LP21 offiziell bestehen, zugleich wird zumindest die Möglichkeit geboten, die öffentlichen Schulen vor dessen Umsetzung zu schützen.
Die Geister, die man rief
Doch der LP21 entpuppt sich als überdimensionierter Flugzeugträger, der sich nicht mehr einfach so stoppen lässt. Er fährt ohne Ziel, dafür aber mit Volldampf. Schweiz weit wurden für Hunderte Millionen von Franken kompetenzorientiere, aber untaugliche Schulbücher und darauf aufbauend, unsinnige Weiterbildungslehrgänge gekauft, also rechtsverbindliche Verträge abgeschlossen. In Anlehnung an den LP21 bieten diese Lehrwerke zu wenig Stoffinhalte und in der Folge kaum Übungsmöglichkeiten. Es ist diesbezüglich die Rede von Sightseeing Pädagogik[10], bei der manches gestreift, aber nichts eingehend behandelt wird. Kompetenzen lassen sich so paradoxerweise kaum entwickeln mit den kompetenzorientierten Schulbüchern. Lehrkräfte müssen sie reichhaltig und aufwändig mit eigenen Unterrichtsmaterialien ergänzen. Nicht wenige legen sie ganz beiseite. Ferner meint Dagmar Rösler vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) auf die Frage, wie man bei Kindern beurteilen wolle, ob diese bestimmte Kompetenzen hätten oder nicht: «Das ist so ein bisschen auch unsere grösste Frage, auf die wir leider noch keine Antwort bekommen haben.»[11] Mit der Leistungsbeurteilung fällt damit einer der wichtigsten Aspekte des Unterrichtens durch die allzu groben Maschen der Kompetenzorientierung.
Hinzukommt, dass die durch die offizielle Degradierung des LP21 gewonnene Handlungsfreiheit nur von wenigen kantonalen Bildungsdirektionen genutzt wird zur Korrektur von Fehlentscheidungen. Die steil hierarchisch organisierte Bildungslandschaft ist Befehle von oben gewohnt und völlig überfordert mit Autonomie und Selbstverantwortung. Autonom und selbstorganisiert sollen gemäss LP21 nur Kinder und Jugendliche sein. Doch von der Eidgenössischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) ist nichts mehr zu hören. Man könnte meinen, sie wolle am liebsten nichts mehr mit der Kompetenzorientierung zu tun haben. Schliesslich war auch sie bloss Befehlsempfängerin und übernahm das Konzept auf Geheiss der OECD[12], ohne es in seinen Konsequenzen je erfasst zu haben.
Und so fährt der Flugzeugträger führungslos weiter ins Ungewisse, und um ja nicht eigenständig aus der Reihe zu tanzen, hat kaum ein Kanton den Mut, abzuspringen, … ausser einer.
Das kleine gallische ‘Dorf’ in der Nordwestschweiz namens Baselland
Obwohl Angst bekanntlich ein schlechter Ratgeber ist, herrscht auch in der Baselbieter Bildungs- und Kulturdirektion (BKSD) die Befürchtung: Unterwerfen wir uns nicht dem kompetenzorientierten Gruppenzwang, verkommt Baselland zur Bildungsinsel. Dabei ist man sich der Bedeutung des metaphorischen Begriffs nicht klar: Was soll schlecht sein an einer Insel der Bildung umgeben von einem Ozean auf Papier verschriftlichter Kompetenzen?
Die Frage ist weitaus mehr als nur rhetorischer Natur. Denn insbesondere in der Bildungslandschaft lohnt sich die Maxime des eigenen Wegs. Betreffend die kompetenzorientierte Passepartout-Ideologie beispielsweise bekamen all diejenigen Lehrkräfte Recht, die ihren Unterricht nicht einmal in einer Anfangsphase am mittlerweile ausgelaufenen Sprachbad ausrichteten. Beide involvierten Verlage sind dabei, ihre zwischenzeitlich in Verruf geratenen Lehrbücher zu überarbeiten, wobei sie sich verabschieden von der kompetenzorientierten Mehrsprachigkeits-Ideologie mit der ihr eigenen Verachtung für Grammatik, Wortschatz, Üben und Lernen an sich. Bei Bernhard Kobel, Geschäftsführer beim Schulverlag plus, hört sich dies folgendermassen an: «Wir wissen (…), dass bei der Einführung Fehler gemacht und viele Lehrpersonen vor den Kopf gestossen wurden, als ihnen ExpertInnen erklärten, dass eine neue Ära im Fremdsprachenunterricht angebrochen sei und sie alle ihre Erfahrungen vergessen müssten (…) Da ist noch das nicht funktionierende Sprachbad… Nun, wir sind nie der Illusion erlegen, dass ein paar wenige Unterrichtsstunden pro Woche für ein Sprachbad reichen. Deshalb schütten wir es gerne aus…»[13]
Eine Verstopfung ist dem Mann sicher bei so viel Kreide, falls er nicht vorher daran erstickt. Der Verlag wäre gut beraten, seinen Lehrwerken nicht nur wie angekündigt einen Inhalt, sondern auch gleich neue Titel zu verpassen, denn ist der Ruf erst ruiniert, kommt der Konkurs ungeniert. Damit soll keine Schadenfreude zum Ausdruck kommen, sondern ein durchaus plausibles Szenario: «Nun zeigen Zahlen aus dem Kanton Baselland, dass auf der Sekundarstufe die bisherigen umstrittenen Lehrmittel kaum mehr bestellt werden. Von rund 180 Lehrpersonen, die neue Lehrmittel bestellt haben, haben sich noch zwei für Clin d’oeil entschieden und elf für New World. Eine ähnliche Entwicklung ist in Basel-Stadt zu beobachten.»[14] Entschliesst sich auch der Kanton Bern für die Lehrmittelfreiheit, was wahrscheinlich ist, wird es eng für den Verlag.
Mut zum Ausscheren
Bei Schulreformen der jüngsten Zeit geht es um Kennzahlen wie Umsatz und Gewinn privatwirtschaftlicher Unternehmen statt um die Bedürfnisse von Lernenden.[15] Von daher ist gewiss, dass von der Zeit Recht bekommt, wer sich von Beginn an gegen pädagogisch kontraproduktive Reformen stellt. Bei der ausschliesslichen Kompetenzorientierung des LP21 wird sich dies nicht anders verhalten.
Erfahrungsgemäss dauert es acht bis zehn Jahre, bis sich die Unzulänglichkeit einer von Bildungsdirektionen erzwungenen Reform nicht länger unter den Teppich kehren lässt. Nach weiteren zwei bis vier Jahren werden solche Reformen von den nachfolgenden BildungsdirektorInnen klangheimlich versenkt. So geschehen mit der Orientierungsschule Basel (OS).
Auf diesem Hintergrund wäre es mit Bezug auf den ausschliesslich kompetenzorientierten LP21 wünschenswert gewesen, hätte die BKSD gleich zu Beginn mehr Mut zum Ausscheren gehabt. Stattdessen lieferte sie sich über das Amt für Volksschulen (AVS) einen jahrelangen und Ressourcen verschleissenden Machtkampf mit den Unterrichtenden, wobei bis heute nicht klar ist, wer bei diesem Gezerre eigentlich den Lead hatte, die BKSD oder das AVS. Ungewiss ist auch, woran die für die Lehrpläne Verantwortlichen im AVS scheiterten. Kannten sie den Unterschied zwischen Stoffinhalten und Kompetenzen nicht oder war ihnen ihr Auftrag nicht klar? Tatsache ist, dass die Baselbieter Lehrpläne für etliche Fächer nach mehreren Rückmeldeschlaufen und Ratingkonferenzen noch immer überarbeitet werden müssen, und zwar im Auftrag des Bildungsrats. Was nun erfahrene Lehrkräfte innert weniger Nachmittage erledigen, brachten die damit Betreuten des AVS in drei Jahren nicht fertig. Doch eins ums andere.
Denkfehler
Im Juni 2018 gelingt es der Starken Schule beider Basel anlässlich der damaligen Abstimmung, Stoffinhalte und Lernziele im Baselbieter Lehrplan zu verankern, und zwar mit einer Mehrheit von fast 85%. Als Kompromiss einigte man sich in der Folge auf den zweigeteilten Lehrplan Volksschule Baselland: «Er besteht aus den beiden Lehrplanteilen A «Stoffinhalte und Themen» und B «Kompetenzbeschreibungen».[16] Ermöglicht wurde dies durch die bereits oben erwähnte Degradierung des Lehrplan 21 zur Mustervorlage im September 2016.
Sich nach wie vor im kompetenzorientierten Gruppenzwang wähnend, musste sich die BKSD nach dem klaren Volksverdikt 2018 von der Starken Schule ausgetrickst fühlen. Ihre mutmassliche Überlegung: «Packen wir tatsächlich den ganzen Wulst an Kompetenzformulierungen in den Lehrplanteil B, wird keine Lehrkraft sich diesen je anschauen. Also müssen wir sie entgegen des Volksentscheids auch im Lehrplanteil A unterbringen. Das Resultat: Beide Lehrplanteile umfassen Kompetenzbeschreibungen. Im Teil A sind sie zusätzlich wahllos vermengt mit teilweise schwierig bis gar nicht auffindbaren Stoffinhalten.
Der Vater des vermeintlichen Gedankens der BKSD ist die Einsicht, dass Kompetenzformulierungen für unterrichtende Lehrkräfte irrelevant sind, was auf die grosse Mehrheit aus rein pragmatischen Gründen auch tatsächlich zutrifft. Der Denkfehler besteht in der Annahme, Kompetenzbeschreibungen bekämen im Lehrplanteil A auf wundersame Weise plötzlich eine Relevanz. Doch die Irrelevanz der ausschliesslichen Kompetenzorientierung gründet nicht in irgendwelchen Lehrplanteilen, sondern in sich selbst. So werden denn auch bei privatwirtschaftlichen Testverfahren wie dem «Multicheck» Stoffwissen abgefragt, welches zuvor anhand von Stoffinhalten eingeübt wurde.
Schluss
Wie üblich bei Reformen in der Bildungspolitik war auch der LP21 ein Schuss aus der Hüfte. Er wurde ohne vorgängige Evaluationen, Abklärungen oder Pilotstudien flächendeckend durchgedrückt, ohne dass auch nur die geringsten Erfahrungswerte vorgelegen wären. Seither gibt es auch keinerlei Controlling zur Qualitätssicherung. Dem Experiment mit völlig offenem Ausgang und ungewissen Folgen sind hunderttausende junger Menschen ausgesetzt. Lässt sich dies anders umschreiben als mit verantwortungslos?
Wie sonst nirgendwo können im exekutiven Bildungsbereich der öffentlichen Schulen die schrägsten Wirrköpfe die absonderlichsten Ideen durchsetzen, ohne je um die Konsequenzen zu wissen. Aufgrund der für die Bildungspolitik typischen Gesichtsbewahrungsfrist von 10 - 15 Jahren, wird auch nie einer von denen je zur Rechenschaft gezogen. Durch die Macht des Faktischen dazu angeleitet, das Richtige zu tun, liegt es an den Lehrkräften, Verantwortung zu übernehmen, wo sie an übergeordneter Stelle verweigert wird. Mit anderen Worten wird im Unterricht folglich ignoriert, was nicht praktikabel oder schädlich ist.
Die ehemalige Basler SP-Ständerätin, Anita Fetz, meinte in Bezug auf den LP21 im Einspruch «…eine überambitionierte Maus [hat] einen Dokumentenberg geboren, … Auch der Titel hat mit dem 21. Jahrhundert nichts zu tun. Sondern mit der Anzahl der Kantone, deren Lehrpläne gleichgeschaltet werden sollen. Es ist also nicht auszuschliessen, dass er irgendwann einmal nur noch Lehrplan 5 heissen wird.»[17] Mit dem kantonseigenen Lehrplan Volksschule Baselland ist er bereits jetzt nur noch der Lehrplan 20.
«Inkompetente Leute können mangels Kompetenz ihre Inkompetenz nicht erkennen; das ist nicht nur ihre persönliche Tragik, sondern oft auch eine große Belastung für die Gesellschaft.»[18]
Gjergj Perluca
emer. Prof. für Physik
Felix Hoffmann, Sekundarlehrer
[1] Die eingangs erwähnten Paradoxien finden sich im Originalwortlaut auf: (https://www.biek-ausbildung.de/meditation-achtsamkeit/das-paradox-des-lebens/)
[2] http://zitate.net/politik-zitate?p=29
[3] https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/einspruch-tut-not-neuerscheinung-aus-der-schweiz.html
[4] Zwei spannende und aufschlussreiche Textsammlungen finden sich in den beiden Ausgaben des
Einspruch. Bestellungen: Alain Pichard, Neuenburgstrasse 138, 2505 Biel arkadi@bluemail.ch oder Yasemin Kanele, Brunngasse 3, Männedorf, yasemin.kanele@web.de
[5] Für die Punkte 1-6 siehe Walter Herzog: https://www.svp.ch/wp-content/uploads/140107HERZOG-Kritik-Lehrplan-21-korr1.pdf
[6] Für Punkte 9-11 siehe: https://www.lvb.ch/docs/magazin/2013-2014/02-November/06_inform1314-02-Stellungnahme_LP21.pdf
[7] https://www.youtube.com/watch?v=gy2t5PJEimM
[8] http://starke-schule-beider-basel.ch/starkeschule.aspx
[9] http://starke-schule-beider-basel.ch/starkeschule.aspx
[10] Wortkreation Loretz/von Wartburg
[11] https://www.srf.ch/play/tv/10vor10/video/fokus-lehrplan-21---dagmar-roesler-im-studiogespraech?id=a1b3d783-528a-4c54-bbd2-2dc859aa2e7f
[12] Organisation for Economic Co-operation and Development, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
[13] https://condorcet.ch/2021/04/quo-vadis-mille-feuilles-und-clin-doeil/
[14] https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/lehrer-wenden-sich-ab-von-milles-feuilles-und-co?partId=11966651
[15] Siehe z.B.: https://www.youtube.com/watch?v=utlV0PXSxHg
[16] http://www.starke-schule-beider-basel.ch/archiv/Archiv_Artikel/GeschichtederSSbB.aspx
[17] Einspruch S, 10, siehe Fussnote 2.
[18] https://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Inkompetenz