


Leserkommentar
Soziale Medien sind für Jugendliche Fluch und Segen
Einerseits vereinfachen sie Kontakte, Absprachen, ständigen Austausch und schaffen damit eine soziale Dauerpräsenz der Beteiligten. Allerdings ist dies nur eine medial vermittelte Präsenz, letztlich eine Vortäuschung des Gruppenerlebnisses mit Avataren. Diese vermittelte Sozialität ist menschlich unvollständig, oft eine Art Rollenspiel, sie ist nur Ersatz für tatsächliche Präsenz und birgt wie alle Ersatzbefriedigungen Suchtgefahr. Anderseits leisten die sozialen Treffpunkte auch eine gesteigerte Möglichkeit zu unsozialem Verhalten: Ausgrenzung, Diskriminierung, Erniedrigung, Mobbing. Die Öffentlichkeit, welche die Medien schaffen, potenzieren die negative Wirkung solcher Praktiken, da sie nicht mehr auf einzelne Mitglieder einer Gruppe beschränkt sind, sondern das Opfer in aller medialen Breite zur Schau stellen. Angegriffene können auch nicht im direkten Austausch reagieren, sie müssen das Ungemach zunächst ohnmächtig über sich ergehen lassen. Ein Verbot während der frühen Teenagerzeit wäre deshalb eine bedenkenswerte Schutzmassnahme. Ob sie allerdings durchsetzbar und nicht leicht technisch zu umgehen ist, bleibt für mich fraglich.
Felix Schmutz, Allschwil
Inserat
News
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Dienstag, April 01, 2025
Elektroingenieur Marcel Hofmann leitet diesen Freitag der 14.03.2025 einen Vortrag über das Thema «Streitpunkt Smartphone» im Seniorenzentrum Schönthal in Füllinsdorf. Dabei soll besprochen werden wie wir unsere Kinder im Umgang mit dem Handy und Social Media begleiten könnten. (ch)
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Montag, März 31, 2025
Die Suche nach geeigneten Französischlehrpersonen für die Primar- und Sekundarschulen wird immer schwieriger. Der Lehrpersonenmangel ist seit längerem eines der dringenden Probleme im Bildungswesen, damit die Unterrichtsqualität nicht leidet. (ch)
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Dienstag, März 04, 2025
Die Sekundarschule Laufen im Kanton Baselland hat seit dem neuen Schuljahr ein allgemeines Handyverbot an der Schule eingeführt. Die Schüler:innen müssen ihr Handy zu Beginn des Schultags abgeben und erhalten es zum Unterrichtsschluss wieder. (as)
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Montag, Februar 17, 2025
Der Regierungsrat von Basel-Stadt beantragt eine Gesetzesänderung, um alters- und niveaudurchmischtes Lernen an allen Volksschulen in Basel-Stadt zu ermöglichen. Grundlage dafür ist eine mehrjährige Pilotphase an drei Schulen. (ai)
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Samstag, Februar 08, 2025
In Ferrara, einer italienischen Universität, müssen 362 Student*innen ihre Psychologieklausur nachholen, weil an der Prüfung mit KI getrickst wurde. (lb)
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Donnerstag, Januar 23, 2025
Aufgrund eines mangelnden Budgetplans werden die Schulkinder der Gemeinde Riehen in diesem Jahr keine Schulausflüge machen dürfen (as).
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06.03.2021
Lehrpläne: Ein Lehrstück in politischer Strategie
In seinem BAZ-Leserbrief zur Initiative der Starken Schule beider Basel (SSbB) betr. Reduktion der 3'536 Kompetenzformulierungen erläutert Felix Schmutz, ehemaliger Sekundarlehrer und Didaktiker, auf anschauliche Weise den Unterschied zwischen Kompetenzen und Stoffinhalten: «Kompetenzen sind Problemlösefähigkeiten, die durch die Arbeit an bestimmten Stoffinhalten erworben werden: Der Beipackzettel eines Medikaments gegen Kopfweh ist der Stoffinhalt, das Verstehen des Textes zu Wirkung, Dosierung, Nebenwirkungen etc. und die richtige Anwendung des Heilmittels die Kompetenz. Das eine ist nicht ohne das andere zu haben.»
Aus nichts entsteht nichts
Dem nationalen ausschliesslich kompetenzorientierten Herdentrieb folgend, wollte die Baselbieter Bildungsdirektion ursprünglich ebenfalls rein kompetenzorientierte Lehrpläne ohne Stoffinhalte. Übertragen auf Schmutz’ Vergleich hätte dies bedeutet, dass die Lernenden im Fach Deutsch die Textverständniskompetenz ohne Texte hätten erwerben müssen. Die Kompetenz des Flötenspiels im Musikunterricht hätte ohne Flöten vermittelt werden sollen, der Schwimmunterricht hätte ausserhalb des Wassers stattgefunden, der Matheunterricht ohne Zahlen und das Turnen am Reck ohne Reck. Die Bildungsdirektion hat offenbar Mühe zu verstehen, dass Kompetenzen stets anhand eines Mediums wie einem Stoffinhalt, einem Instrument, einem Werkzeug o.Ä. erarbeitet werden. Sie vermitteln sich nicht aus sich selbst, quasi im luftleeren Raum, Creatio ex nihilo. Hier liegt im Wesentlichen der Irrtum der Passepartout-Ideologie. Jene ging davon aus, eine Fremdsprache konstruiere sich von selbst ohne Arbeitsaufwand, ohne Grammatik und ohne Wortschatz, also ohne Sprache. Kein Zufall, ist Passepartout doch ein Produkt der ausschliesslichen Kompetenzorientierung.
Die Initiative der SSbB vom Juni 2018 machte dann den Weg frei für Stoffinhalte. Diese sollten in einem Lehrplanteil A aufgenommen werden, während zur Unterbringung der 3'536 Kompetenzformulierungen der Hunderte Seiten umfassende Lehrplanteil B diente.
Aushebelung des Lehrplans 21
Dann allerdings geschah etwas sehr Merkwürdiges. In der Stellungnahme zur «Vorlage an den Landrat» von Anita Biedert vom 2. März 2021 lässt sich der Regierungsrat folgendermassen verlautbaren: «Die Lehrpersonen der Sekundarschulen des Kantons Basel-Landschaft können als einzige in der Schweiz auf zwei Lehrplanteile zurückgreifen. Sie entscheiden selbstständig, mit welchem Lehrplanteil sie arbeiten.» Im «Bericht der Bildungs-, Kultur- und Sportkommission an den Landrat» vom 14. Oktober 2014 doppelt Monica Gschwind nach: «Tatsache ist, dass alle Baselbieter Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarschule mit beiden Lehrplanteilen arbeiten und entscheiden können, welchen sie verwenden wollen.»
Wurde hier soeben offiziell der Lehrplan 21 ausgehebelt? Egal. Aber wie war das nochmal mit Stoffinhalten und Kompetenzen? Richtig, sie bedingen sich gegenseitig. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Lehrkräfte können sich nicht ausschliesslich an Kompetenzen orientieren. Sie müssen diese an Stoffinhalten erarbeiten können. Kann man im Kanton Baselland tatsächlich Regierungsrat werden, ohne diesen an sich leicht nachvollziehbaren Zusammenhang zu verstehen? Nein. Regierungsräte sind nicht blöd, im Gegenteil. Hinter der Betonung der angeblich völlig beliebigen Austauschbarkeit der beiden Lehrplanteile versteckt sich in der Tat eine Taktik.
Der Bauerntrick
Die Bildungsdirektion gewann wenn auch spät eine wichtige Erkenntnis: Haben Lehrkräfte die Wahl zwischen einer übersichtlichen bzw. begrenzten Auflistung von Stoffinhalten einerseits und völlig unübersichtlichen, oft redundanten und zuhauf unklar formulierten 3'536 Kompetenzbeschreibungen andererseits, entscheiden sie sich immer für Stoffinhalte. Dabei können sie die zu vermittelnden Kompetenzen gar nicht aus den Augen verlieren, ansonsten sich ihr Stoff überhaupt nicht vermitteln liesse. Völlig unabhängig von Tausenden von Kompetenzbeschreibungen sind Lehrkräfte in der Vermittlung von Kompetenzen erprobte Unterrichtsprofis. Dies im Gegensatz zu den Schreiberlingen des Lehrplans 21: Dessen Autoren «…verfügten zum grössten Teil über keinerlei Unterrichtserfahrung...», wie Ernst Schürch, Präsident der AKK, treffend feststellte.
Aus Sorge, die 3'536 Kompetenzbeschreibungen im Lehrplanteil B würden gänzlich unter den Tisch fallen, musste die Bildungsdirektion nun alles daransetzen, möglichst viele davon, wenn nicht alle, in den Lehrplanteil A zu schmuggeln, wo sie dann die Stoffinhalte fast gänzlich verdrängten. Um ihre Strategie rhetorisch zu tarnen, argumentierte die Bildungsdirektion und der Regierungsrat im Stile Harry Haslers: Alles paletti, wir haben nun zwei Lehrplanteile, ihr könnt wählen! Dies stimmt zwar, allerdings geht es ja nicht um die Anzahl der Lehrplanteile, sondern um die notwendige Verankerung übersichtlich dargelegter Stoffinhalte und somit um die Praktikabilität von Lehrplänen, welche bis zu jenem Zeitpunkt nicht gegeben war.
Um die Bildungsdirektion doch noch zur Raison zu bringen, lancierte die SSbB ihre Durchsetzungsinitiative. Ebenfalls bemüht um einen guten und praktikablen Baselbieter Lehrplan ist der Bildungsrat. Diesem gehören mittlerweile mehrere Mitglieder an mit Unterrichtserfahrung. Sie wissen, dass Lehrpläne, wenn überhaupt, nur zur Anwendung kommen, wenn sie nicht ideologie-, sondern praxisorientiert sind. Andernfalls werden sie seitens der Lehrkräfte zwangsläufig ignoriert. Drückt man einem Maler neue Pinsel ohne Borsten in die Hand, wird er mit seinen alten weiterarbeiten oder sich bis auf Weiteres an seinem Pausenbrot zu schaffen machen.
Das letzte Wort haben die Lehrkräfte
Aufgrund des Drucks beider Akteure, der SSbB und dem Bildungsrat, entstehen gegenwärtig für immer mehr Fächer nun doch noch Lehrpläne mit aufgelisteten Stoffinhalten. Es macht den Anschein, dass sich die SSbB unabhängig vom Ausgang der Abstimmung vom 7. März einmal mehr zum Wohle der Lernenden durchgesetzt hat. Letzten Endes entscheidet ohnehin weder die Bildungsdirektion bzw. -administration noch die Bildungspolitik über die Tauglichkeit von Lehrplänen. Dieser Entscheid obliegt den Lehrkräften im Rahmen ihrer täglichen Unterrichtsarbeit. Zumindest dies sollte man aus dem Passepartout-Skandal gelernt haben.
Felix Hoffmann, Sekundarlehrer