03.09.2023 - Gastbeitrag
Hausaufgaben – ja oder nein?
Die Hausaufgaben – ein ewiger Zankapfel. Zu meiner Schulzeit keine Diskussion, wird heute das Thema «Hausaufgaben» breit debattiert. Befürworter/-innen argumentieren mit dem vertieften Lerneffekt, Gegner/-innen monieren die Hausaufgaben als Killer der Chancengleichheit. Welche Seite hat recht? Gibt es bei beiden Kontrahenten Argumente, die es zu bedenken gilt? Ein Versuch, beide Seiten zu verstehen und gangbare Wege aufzuzeigen.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Diesen Satz haben wir schon oft gehört und er ist Grundlage, wenn es ums Einfordern von gemachten oder eben nicht gemachten Hausaufgaben geht. Aus der Kontrolle resultieren dann ggf. Sternchen, Strafpunkte, Seiten, die abzuschreiben sind oder gar Arrest. Das war zu meiner Schulzeit Standard und hat sich je nach Klassenzimmer nicht geändert – bis heute.
Verschiedene Ansätze
Viele Eltern begrüssen Hausaufgaben – einige lehnen sie entschieden ab. Der allabendliche Stress, der mit dem Satz beginnt: «Hast du deine Hausaufgaben gemacht?», ist ein Stimmungskiller im trauten Heim und führt zu übereilten Aktionen, bei denen nicht selten Mama oder Papa (oder sogar beide) schliesslich am Tisch sitzen und knobeln. Das aber kann nicht Sinn der Sache sein. Deshalb sind Lehrpersonen dazu übergegangen, die Hausaufgaben in ihren Fächern zu ersetzen und entsprechende Übungszeit während ihren Lektionen zur Verfügung zu stellen, was dem modernen Lernansatz des Coachings eh Rechnung trägt. Oftmals geschieht dieses Üben im Team von zwei oder mehreren Schülerinnen und Schülern, was auch noch soziale Aspekte des Unterrichtens fördert. Alles bestens?
Die wertvolle Zeit mit sich allein
Bei einem Segelflug letzthin schmolz bei der Rückkehr die Höhenreserve ziemlich dahin, ich hatte Gegenwind und damit verbunden eine Abwindkomponente. Ich kontaktierte über Funk unseren Flugdienstleiter, doch der Funkspruch kam nicht an – weshalb auch immer. Ich blieb auf mich allein gestellt und musste dieses Problem auch allein lösen, was ja eigentlich sowieso der Fall ist. Und es gelang mir auch, was mein Selbstvertrauen stärkte. So gesehen, hatte ich meine «Hausaufgaben» gelöst…
Die Befürworter/-innen von Hausaufgaben, die gemäss dem Wort auch zuhause gelöst werden sollten (und zwar in der Regel allein), argumentieren mit dem Zuwachs an Selbstvertrauen, der auch in Prüfungssituationen zum Erfolg beiträgt. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Es gilt, dem Kind etwas zuzutrauen und es nicht zu «behelikoptern». Irgendwann kommt sowieso der Moment, wo Papa und Mama nicht mehr an der Seite stehen und helfen.
Die Gegner/-innen führen die Chancengleichheit ins Feld. Es muss nicht immer sein, dass schlussendlich die Eltern die Hausaufgaben lösen – Eltern können auch coachen, erklären und psychologisch unterstützen. Dagegen ist gar nichts einzuwenden, wenn es nicht im Übermass geschieht. Doch nicht jedes Kind hat eine solch ideale Situation zuhause. Ist der Spracherwerb auch noch ein Thema, werden die Ansprüche schnell zu hoch.
Die Lösung?
Eine schnelle Lösung für dieses Problem gibt es nicht, wohl aber gute Ansätze. Ich habe in meinem Unterricht Hausaufgaben für freiwillig erklärt. Lösungswege wurden regelmässig offengelegt, Prüfungen fanden statt. Damit entfiel auch das lästige Kontrollieren. Meinerseits kommuniziert wurde: Hausaufgaben lösen ist eine sehr gute Prüfungsvorbereitung, lediglich Lösungen abschreiben hingegen nicht. Das zielt auf Eigenverantwortung, die aber nicht bei jedem Schüler, jeder Schülerin gegeben ist und zudem vom Alter abhängt. Doch auf Einsicht schaffen, war und ist mein pädagogisches Credo und damit bin ich 40 Jahre lang gut gefahren. Inklusive war, schwächere Schüler/-innen zu beobachten und sie hin und wieder zu begleiten, sei es in einer Extrastunde oder sogar über WhatsApp.
Daniel Vuilliomenet
ehemaliger Sekundarlehrer