


Leserkommentar
Soziale Medien sind für Jugendliche Fluch und Segen
Einerseits vereinfachen sie Kontakte, Absprachen, ständigen Austausch und schaffen damit eine soziale Dauerpräsenz der Beteiligten. Allerdings ist dies nur eine medial vermittelte Präsenz, letztlich eine Vortäuschung des Gruppenerlebnisses mit Avataren. Diese vermittelte Sozialität ist menschlich unvollständig, oft eine Art Rollenspiel, sie ist nur Ersatz für tatsächliche Präsenz und birgt wie alle Ersatzbefriedigungen Suchtgefahr. Anderseits leisten die sozialen Treffpunkte auch eine gesteigerte Möglichkeit zu unsozialem Verhalten: Ausgrenzung, Diskriminierung, Erniedrigung, Mobbing. Die Öffentlichkeit, welche die Medien schaffen, potenzieren die negative Wirkung solcher Praktiken, da sie nicht mehr auf einzelne Mitglieder einer Gruppe beschränkt sind, sondern das Opfer in aller medialen Breite zur Schau stellen. Angegriffene können auch nicht im direkten Austausch reagieren, sie müssen das Ungemach zunächst ohnmächtig über sich ergehen lassen. Ein Verbot während der frühen Teenagerzeit wäre deshalb eine bedenkenswerte Schutzmassnahme. Ob sie allerdings durchsetzbar und nicht leicht technisch zu umgehen ist, bleibt für mich fraglich.
Felix Schmutz, Allschwil
News
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Montag, Mai 05, 2025
Ab August 2025 gilt an allen Primar-wie auch Sekundarschulen des Kantons Nidwalden ein Handyverbot. (lbe)
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Freitag, April 25, 2025
Grossrätin Anina Ineichen (Grüne) hat kürzlich einen Vorstoss bezüglich logopädischer Versorgung auf der Sekundarstufe 2 eingereicht. Während die Versorgung in der obligatorischen Schulzeit in der Sonderpädagogikverordnung geregelt ist, besteht für die nachobligatorische Schulzeit keinerlei logopädisches Angebot. Diese logopädische Versorgungslücke ist ungünstig, weil die Betroffenen eine Therapie selbst finanzieren müssen und damit die Bildungs- und Chancengleichheit nicht gewährleistet ist. (lbu)
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Donnerstag, April 24, 2025
Landrat Jan Kirchmayr (SP) hat kürzlich einen Vorstoss eingereicht, in dem das Projekt konsumGLOBAL und dessen Integration in den Unterricht auf der Sekundarstufe 1 & 2 thematisiert. Das Projekt des Ökozentrums basiert auf der Stadtführung «Weltbewusst» in Deutschland. In Basel und Zürich werden bereits interaktive Rundgänge zu verschiedenen Themen rund um die Ökologie angeboten. Nun gilt es zu evaluieren, ob dieses Projekt gewinnbringend für den Unterricht auf den genannten Stufen wäre und inwiefern es noch bekannter gemacht werden könnte. (lbu)
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Dienstag, April 22, 2025
Nach langer Diskussion lehnt die Politik allgemeine Übertrittsprüfungen für Primarschüler/-innen ab. Noten sollen beim Übertritt von der Primarstufe auf die Sekundarstufe 1 im Baselbiet nicht allein massgebend sein. Auch die Gesamtbeurteilung soll weiterhin eine Rolle spielen. (ch)
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Montag, April 21, 2025
Die Baselbieter Regierung beantragt dem Landrat 36 Millionen Franken, um eine neue zusammengelegte Schulanlage im Muttenzer Gebiet zu bauen. Mit dem Rückbau der Anlage Gründen soll ab Sommer 2031 voraussichtlich die erweiterte Anlage Hinterzweien betriebsbereit sein.(ch)
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Montag, April 21, 2025
Der Studierendenrat in Basel fordert eine Umstellung auf eine vegane Mensa innerhalb der nächsten fünf Jahre. Doch die Initiative für eine «Plant-based-university» stösst nicht nur auf Begeisterung. (lbe)
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14.06.2024
Fünf Schulreformen auf dem Prüfstand
Ein doppelseitiger Beitrag von Nadja Pastega und Armin Müller in der Sonntagszeitung vom 9. Juni 2024 kommt zu einem wenig schmeichelhaften Ergebnis.
Es kam in den letzten zwei Jahrzehnten selten vor, dass eine Zeitung des Tamedia-Konzerns sich kritisch zu den grossen Schulreformen äusserte. Fortschrittsrhetorik prägte die Berichterstattung und kritische Einwände aus der Schulpraxis wurden mit dem Hinweis auf mangelnden Innovationsbereitschaft der Lehrerschaft weggewischt. Mit Pauken und Trompeten wurde das frühe Lernen zweier Fremdsprachen freudig begrüsst. Die schulische Integration aller Kinder in die Regelklassen, Selbstlernkonzepte und die neue Lehrerrolle des Lernbegleiters galten als zukunftsweisend. Wer in der Bildungspolitik gehört werden wollte, sprach von der Überwindung des Frontalunterrichts und lobte die tollen Möglichkeiten eines individualisierten Digitalunterrichts. Als Leitstern der ganzen Entwicklung galt der Lehrplan 21 mit seiner neuen Kompetenzorientierung. Dieser Meilenstein des Fortschritts sollte für jede Deutschschweizer Schule wegweisend sein und die Bildungsziele vereinheitlichen.
Enttäuschte Erwartungen und fehlende Selbstkritik
Dumm nur, dass der überladene Lehrplan seinen hohen Anspruch als Bildungskompass für die Volksschule überhaupt nicht erfüllte, da die Lehrpersonen ihn einfach ignorieren. Längst pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass die Lehrpersonen anstelle kompliziert umschriebener Kompetenzziele eine klare inhaltliche Orientierung bevorzugen würden. Doch für dieses Anliegen fehlt in den Planungsbüros der EDK und bei den Erziehungsdirektionen das Gehör. Zuviel wurde in den Lehrplan und die anderen grossen Reformen investiert, um selbstkritisch eine Bilanz zu ziehen, die weit hinter den Erwartungen ausfallen würde. Jeder Kurswechsel oder gar ein Abbruch einer gescheiterten Übung ist deshalb für die Hauptverantwortlichen keine Option.
Umso erfreulicher ist es, dass die Sonntagszeitung mit ihrer Doppelseite zu den konkreten Auswirkungen der grossen Reformprojekte alles Schönfärberische beiseiteschiebt und kritische Fragen stellt. Diese Offenheit ist bitter nötig, da das Verdrängen der realen Schulprobleme ein unerträgliches Mass angenommen hat. So fragt man sich, wie viele Notsignale aus Klassen mit extrem auffälligen Schülern noch nötig sind, um sich vom unseligen Dogma der Totalintegration zu verabschieden. Man wundert sich, wie lange noch das Frühfranzösisch als zweite Fremdsprache neben dem Englisch als Erfolgsgeschichte verkauft werden kann, wenn die meisten Primarschüler damit überfordert sind.
Flucht nach vorn statt gründlicher Analyse
Offenbar scheinen weder ein Teil der Bildungsreformer noch der Vorstand der Schweizer Schulleiterkonferenz ihre rosa Brille ablegen zu können. Frischfröhlich wird mit der Forderung nach einer Abschaffung der Noten ein neues Reformprojekt in die Diskussion gebracht. Statt sich einzugestehen, dass die im neuen Lehrplan angelegte starke Individualisierung der Lernwege den direkten Leistungsvergleich erschwert, soll gleich das Kind mit dem Bad ausgeschüttet werden. Man weicht einer gründlichen Analyse aus und meint, mit einer Flucht nach vorn den Schwierigkeiten ausweichen zu können.
Die sehr sachliche und sorgfältig recherchierte Reformbilanz des Autorenteams verdient es, breit diskutiert zu werden. Der Beitrag in der Sonntagszeitung ist keine populistische Kost. Vielmehr spürt man, dass es darum geht, den Fokus auf die prioritären Herausforderungen der Volksschule zu richten und das eigentliche Unterrichtsgeschehen stärker zu gewichten. Zweifellos wird dieser Text auch über den Kreis der Lehrerschaft hinaus viel zu reden geben, da er aufdeckt, was den Schulalltag wirklich belastet. Dass dabei einige jahrelang verkündete Dogmen in ein schiefes Licht geraten, ist alles andere als ein Unglück.
Welche schulischen Herausforderungen werden aufgegriffen?
- Noten abschaffen ist keine Kunst, einen brauchbaren Ersatz dafür zu finden jedoch schon
- Die Integration aller Kinder in die Regelklassen bringt die Lehrkräfte ans Limit und kann sich auf die Leistungen der Schulklassen negativ auswirken
- Das Lernen im Alleingang ist in den meisten Fällen wenig effizient und oft gar ein Leerlauf
- Das Frühfranzösisch als zweite Fremdsprache neben Englisch ist keine Erfolgsgeschichte und führt zu weniger Übungszeit in anderen Fächern
- Der Lehrplan erfüllt seinen Anspruch als verlässlicher Bildungskompass in keiner Weise. Er ist überladen und bietet keine klare inhaltliche Orientierung
Es lohnt sich, die thesenartigen fünf Kritikpunkte im Originaltext zu lesen. Man findet ungeschminkte Stellungnahmen von Schulpraktikern, den Bericht einer Schulleiterin und prägnante Zitate über aktuelle Zustände in den Klassenzimmern. Der wohl schönste Satz jedoch steht am Ende der Doppelseite: «Die Schulen sind nicht so gut wie ihre Reformen, sondern so gut wie ihre Lehrerinnen und Lehrer.» Das Zitat stammt von Rolf Dubs, einem ehemaligen Professor der Wirtschaftspädagogik aus St. Gallen. Man kann den Satz auch als Aufruf an die Bildungspolitik sehen, sich intensiver mit den aktuellen Konzepten der Lehrerbildung auseinanderzusetzen. Jede gute Schule ist auf Lehrerpersönlichkeiten angewiesen, die weit mehr sind als Ausführende von vorgegebenen Lernprogrammen. Diesem Anspruch gerecht zu werden, ist neben der Aufhebung der erwähnten Dauerbaustellen die grösste Herausforderung für die aktuelle Bildungspolitik.
Hanspeter Amstutz