Gastbeitrag
Es lebe der Widerspruch!
Diejenigen, welche Noten und unterschiedliche Leistungszüge abschaffen wollen, strengen gleichzeitig die Abschaffung von Hausaufgaben an. Die angestrebte Aufhebung verschiedener Niveaus verstärkt jedoch die Leistungsheterogenität in den Klassen und damit den Bildungszerfall. Letzterer lässt sich durch Hausaufgaben immerhin etwas minimieren. Doch genau dies soll nun durch ein Hausaufgaben-Verbot verhindert werden. Und durch die Beendigung der Notengebung entfallen auch noch einer für Lernende wichtiger Leistungsanreiz und Orientierungspunkt. Also keine Leistungsanreize, keine Orientierung, dafür aber Leistungs- und Bildungsrückgang?!? Was praktizierenden Lehrkräften und überhaupt allen mit gesundem Menschenverstand als nackter Wahnsinn erscheint, ist seitens der Reformprediger todernst gemeint, und zwar im wahrsten Sinnes des Wortes «Tod». Es hat den Anschein nämlich, dass es den Abschaffungsfetischisten letztlich um die Beseitigung jeglicher Bildung geht. Denn Bildung schafft aufgrund individuell unterschiedlicher Empfänglichkeit Ungleichheit und Ungleichheit wiederum gilt es im verqueren Weltbild der Gleichheitsapostel um jeden Preis zu verhindern. Es entbehrt nicht der Ironie, dass die Jünger der uniformen Ignoranz gleichzeitig einer möglichst individualisierten und diversen Gesellschaft frönen mit wachsender Anzahl Geschlechter. Es lebe der Widerspruch!
Felix Hoffmann, Sekundarlehrer
News
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Montag, Oktober 28, 2024
Lehrpersonen sind in der Schweiz im Durchschnitt unzufriedener geworden und geraten immer mehr an ihre eigenen Grenzen, so die Berichterstattung der NZZ vom August. Seit geraumer Zeit berichtet die Zeitung regelmässig und ausführlich über bildungspolitische Themen und die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Meinungen: Die einen sehen das Problem des Leistungsabbaus an unseren Schulen in der integrativen Schule und der Digitalisierung, während die anderen die bildungspolitischen Reformen der vergangenen Jahre verteidigen. (as)
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Dienstag, Oktober 22, 2024
An der kommenden Landratssitzung vom 31.10.2024 werden folgende Bildungsgeschäfte behandelt, welche die Universität, Volkshochschulen, Primarschulen und die Wirtschaft betreffen. (lbe)
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Montag, Oktober 21, 2024
Der Schulabsentismus im Basler Stadtkanton nimmt immer wie mehr zu. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, findet im kommenden Monat eine vom Erziehungsrat organisierte Podiumsdiskussion statt, die das Thema kontrovers beleuchten soll. (as)
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Samstag, Oktober 12, 2024
Das A und O für einen erfolgreichen Lernprozess des Menschen ist die Repetition. Das Hirn muss trainiert werden und braucht Zeit sich Dinge einzuprägen. Vor allem Schulstoff, der emotional nicht als etwas Besonderes konnotiert ist und deshalb länger braucht, um erlernt zu werden, muss immer wieder gefestigt werden. Dies fehlt im heutigen Bildungssystem. Häufig wird die Priorität fast ausschliesslich auf zwischenmenschliche Fertigkeiten und das selbstständige Arbeiten und Lernen der Schülerinnen und Schüler gesetzt. Ob die Senkung des Leistungsniveaus an Schweizer Schulen damit zusammenhängt, gilt es zu untersuchen. (lbu)
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Dienstag, Oktober 01, 2024
Im Rahmen des Programms Politkids hatten Basler Primarschüler*innen die Möglichkeit, ihre Fragen im Grossen Rat einzubringen. Dabei war das Thema Hausaufgaben von Bedeutung, zu welchem die Kinder schlussendlich einen Vorstoss einreichten. (lh)
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Montag, September 30, 2024
Am 18.09.2024 fasste der Grosse Rat mit 92 zu 4 Stimmen den Beschluss, den Gegenvorschlag der "Förderklassen-Initiative" anzunehmen. Laut Medienberichten wird die Initiative nun durch das Komitee zurückgezogen. Die Initiative gilt rückwirkend bereits für das laufende Schuljahr. (lh)
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21.11.2022 - Gastbeitrag Allan Guggenbühl
Der Lehrer als Oberbandenführer
Es knallt. Der Schüler schmettert seine Pultklappe heftig zu und gibt seinen Mitschülern Handzeichen. Solche Performances sind bei ihm Alltag. Er verlässt das Klassenzimmer, wann es ihm gefällt, stört durch Zwischenrufe oder legt einen Gangsta-Rap ein, wenn es ihm passt. In den Augen der Mitschüler ist er ein cooler Typ. Das Lernklima dieser vierten Klasse wird jedoch empfindlich gestört. Die Lehrpersonen sind verzweifelt. Mithilfe eines Kompetenzrasters wird das Verhalten dieses Schülers erfasst. Das Resultat: Es fehlt ihm an Sozialkompetenz. Ein Beobachtungsbogen aus seiner Kindergartenzeit bestätigt den Befund. Die Eltern werden zitiert, ein Schulsozialarbeiter schaltet sich ein, und sonderpädagogische Massnahmen werden erwogen. Schliesslich wird ein partielles Time-out verordnet. Der Schüler sei untragbar. Den Eltern wird ein Wechsel in eine Privatschule empfohlen pikant: Seine Schulleistungen sind gut, auch wird ihm eine hohe Intelligenz und grosse Lernbereitschaft bescheinigt.
Eine Klasse ist kein Team
Die Schule hat sich in den letzten sechzig Jahren gewandelt. Während früher eine Lehrperson eine Schar von oft über vierzig Kindern befehligte und im Klassenzimmer als kleiner König amtete, kümmern sich heute mehrere Pädagogen, Sonderpädagogen und Assistenten um die einzelnen Schüler. Bei Fehlverhalten sind nicht Körperstrafen und Moralpauken die Folge, sondern man kümmert sich um das störende Kind. Die Lehrperson versteht sich als Coach. Es geht darum, ihn oder sie dank Gesprächen zur Einsicht zu bringen, seine Sozialkompetenz zu fördern, damit die individuell gesetzten Lernziele erreicht werden. Eigenständigkeit und Teamarbeit wird gefordert. Solche und weitere überfachliche Kompetenzen sind ein Kriterium für den Schulerfolg. Genügt ein Schüler nicht, dann erhält er individuelle Betreuung, eine Diagnose oder eben ein Time-out. Dieser Schulstil ist sicher menschlicher als die Raute und harsche Disziplinarmassnahmen eines Alleinherrschers. Die Defokussierung bei der Lehrperson hat jedoch die Wahrnehmung der Schüler und Schülerinnen verändert. Schulbesuch ist für sie nicht primär ein Anpassungsakt gegenüber einem Erwachsenen, sondern es geht um einen Gruppenanschluss. Es gilt, sich vor Mitschülern zu profilieren. Wen kann man beeindrucken? Hat man Feinde? Freunde? Man muss sich in einer Zwangsgemeinschaft behaupten, die sich einem staatlichen Diktat fügt. Eine Klasse als Team anzusprechen, ist Schönfärberei, denn die Schüler haben sich nicht selbst gewählt. Sie sind internen Machtkämpfen, Intrigen, Performances und Mobbing ausgesetzt. Wie man sich am besten verhält, wird von der Gruppendynamik beeinflusst und hat oft einen losen Zusammenhang mit den deklarierten Sozialkompetenzen. Lehrerpersonen haben darum einen doppelten Auftrag. Sie sind nicht nur Coachs, sondern auch Oberbandenführer. Die zweite Aufgabe erfordert die Bereitschaft, sich zu exponieren, den Umgangston festzulegen und Konflikte durchzustehen. Es gilt, sich als Führungsperson vor der Klasse zu behaupten, Aufmerksamkeit einzufordern und Beziehung zu ermöglichen. Schüler gehen zu Persönlichkeiten in die Schule, die Forderungen stellen, sie prägen und über die man sich aufregt. Ihr Verhalten widerspiegelt den Einfluss der Lehrperson.
Schüler wollen geführt werden
Wichtig ist eine Stärkung der Lehrperson als Leitfigur, die dank Geschichten, Ritualen, Bildungsinhalten, Frontalunterricht und Singen zum Repräsentanten der schulischen Ordnung wird. Versteht eine Lehrperson die Führung zu übernehmen, dann steigt die Toleranz der Schüler und Schülerinnen untereinander. Störungen werden reduziert, weil sich inkompatible Persönlichkeitsdifferenzen neutralisieren. Diversität, Inklusion und individuelle Förderung sind eher möglich, da der Umgang von einer erwachsenen Autorität festgelegt wird. Das Lernen wird weniger als Selbstexploration empfunden denn als Auseinandersetzung mit Inhalten, die Erwachsenen wichtig sind.
[Quelle: NZZ vom 01.11.2022]