Starke Schule beider Basel (SSbB)

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News

  • Samstag, Juli 12, 2025

    Eingeschränkte Anstellungschancen für Quest-Studierende der PH

    Mitte Landrat Marc Scherrer hat am 26. Juni eine Interpellation bezüglich Anstellungschance für Quereinstieg (Quest)-Studierende der PH FHNW eingereicht. Ab dem zweiten Studienjahr des Quest-Studiums ist eine Teilzeitanstellung von 30-50% vorgesehen. Im Gegensatz zu anderen Kantonen wie dem Aargau scheint es im Kanton Basel-Landschaft grössere Hürden bei der Stellensuche zu geben. Gerade beim aktuellen Lehrpersonenmangel wären Quereinstiege jedoch bedeutend und es gilt diese zu unterstützen. (lbu)

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  • Donnerstag, Juli 10, 2025

    Einführungsseminar Unterrichtsmaterialien "Wie geht's dir?"

    Am 03. September 2025 findet am PZ BS ein Einführungsseminar zu den Unterrichtsmaterialien «Wie geht’s dir?» statt. Das Ziel des Seminars ist die Sicherheit, psychische Gesundheit im Unterricht zu thematisieren zu erlangen und zu wissen, wie die sozialen und personalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler gestärkt werden können. (lbu)

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  • Mittwoch, Juli 09, 2025

    Hitzesteuerung in Baselbieter Schulen

    Landrat Jan Kirchmayr hat am 26. Juni ein Postulat zum Hitzemonitoring an den kantonalen Schulen eingereicht. Der Regierungsrat soll in repräsentativ ausgewählten Schulzimmern im ganzen Kanton von Juni bis September die Temperaturen messen, um besonders belastete Standorte zu erkennen und den Handlungsbedarf zu steuern. (lbu)

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  • Dienstag, Juli 08, 2025

    Umfrage zur Förderung von MINT

    Die Uni-Basel führt momentan eine Umfrage zur Förderung von MINT durch. Gesucht sind Personen und Schulklassen, die Fragen zum Interesse an MINT-Themen und Studiengängen sowie zur Entscheidungsfindung für oder gegen diesen Bereich beantworten. (lbu)

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  • Montag, Juli 07, 2025

    Zerstrittene Eltern zum Gespräch gezwungen

    Der Pilotversuch, zerstrittene Eltern zu Beratungen zu verpflichten, ging erfolgreich aus. Nun will der Bundesrat dieses Modell schweizweit einführen. Etwa 30'000 Kinder sind jährlich von einer Scheidung der Eltern betroffen. Oftmals muss das Gericht oder die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde eingreifen, da die Eltern derart zerstritten sind. Häufig lösen die von Gericht erteilten Kinderbetreuungszeiten die Konflikte nicht, sondern machen sie nur noch schlimmer. Dabei sind die Kinder oft diejenigen, die den grössten Schaden haben. (ch)

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  • Sonntag, Juli 06, 2025

    Doppelte Studiengebühren für «trödelnde» Studierende

    Derzeit beträgt die Studiengebühr an der Universität Basel pro Semester 850 Franken. Neu soll dieser Betrag auf 1´700 Franken verdoppelt werden. Diese Regel soll für alle Studierenden gelten, die für den Bachelorabschluss mehr als fünf Jahre benötigen. (ch)

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31.03.2023 - Gastbeitrag

Das Missverständnis von Salamanca

Die «integrative Schule» als gemeinsamer Ort, wo verhaltensauffällige Kinder, Lernbehinderte, körperlich Behinderte zusammen mit «Normalos» unterrichtet werden, steht heute unter Beschuss. Sie überfordere die Lehrer, sie sei für die Personalflut im Klassenzimmer und den Lehrermangel verantwortlich; sie habe den Niedergang der Volksschule, eine Niveausenkung, eingeläutet, monieren Politiker von links bis rechts.

Nach einem Boom schlägt jetzt das Pendel zurück. Initiativen in verschiedenen Kantonen (Link) zielen darauf ab, vom Modell der integrativen Schule abzukehren. Man will wieder vermehrt separativen Unterricht anbieten – Sonderschulen, Förderklassen, im Grunde genommen Kleinklassen.

Warum aber wurde die integrative Schule überhaupt initiiert?

Wir drehen die Zeit zurück. Für ein Treffen von 300 Bildungsverantwortlichen aus 92 Ländern bot Salamanca, eine der schönsten Städte Spaniens, 200 Kilometer westlich von Madrid, im Frühsommer 1994 die perfekte Kulisse, um Gutes zu tun: das einnehmende Flair einer Weltkulturerbe-Stadt, die älteste Universität Spaniens mit Schwerpunkt Geisteswissenschaften und das Bronze-Denkmal des hilfsbedürftigen Blinden und des kleinen Lazarus am Kopfende der «Puente Romano». Es ging den Schulreformern darum, die Unesco-Agenda «Bildung für alle» (Education for all) zu vertiefen, die vier Jahre zuvor in Thailand lanciert wurde. Am Schluss der Konferenz verabschiedeten die Bildungsverantwortlichen die «Erklärung von Salamanca» – in aller Stille, ohne Vernehmlassung und ohne demokratische Legitimation.

Integration als Instrument gegen Diskriminierung

Das Dokument hat den Zeitgeist der 80er- und 90er-Jahre eingeatmet und gibt die Stossrichtung vor, was unter «Bildung für alle» zu verstehen sei: Jedes Kind habe einmalige Eigenschaften, Interessen, Fähigkeiten und Lernbedürfnisse. Am besten würden sich diese entwickeln, wenn man auf eine integrierende Gesellschaft aufbaue. Am besten könne mit Integration auch Diskriminierung bekämpft werden, heisst es darin (Link) . Wie sich die Länder dabei organisieren, lässt die Erklärung offen.

Auf diese «Erklärung von Salamanca» beriefen sich 13 Jahre später die Heilpädagogen der Heilpädagogischen Schule in Zürich, die den Bestrebungen nach einer integrativen Schule im Kanton Aargau im 2007 zum Durchbruch verhelfen wollten. Sie appellierten, der Aargau müsse sich nichts auf seine Vorreiterrolle einbilden, denn die Unesco-Weltkonferenz in Salamanca habe schon längst alle Staaten aufgerufen, das Prinzip der integrativen Pädagogik zu realisieren.

Auf die «Erklärung von Salamanca» berufen sich heute Bildungsverantwortliche, wie Marijana Minger, Präsidentin der Schulpsychologen im Kanton Zürich, wenn sie die Idee verteidigen, alle möglichen und unmöglichen Kinder im selben Schulzimmer unterrichten zu müssen. «Ich glaube nicht, dass man heute schon sagen kann, dass das Integrationsmodell gescheitert ist. Zudem haben wir uns ja als Land verpflichtet, den UNO-Grundsatz der inklusiven Bildung für alle zu gewährleisten», sagte Minger kürzlich im «Tagesanzeiger».

Falsch übersetzt

So aber ist das falsch. Bei der UNO stand ursprünglich gar nicht eine «integrative Schule» zur Debatte, sondern «Bildung für alle». Der frühere Basler Sonderschulleher und Kritiker der Abschaffung von Kleinklassen, Roland Stark, sagt: «In der UN-Konvention von Salamanca ist an keiner Stelle die Rede davon, dass Sonderschulen abzuschaffen seien. Im Mittelpunkt der Bemühungen um Integration stehen nicht organisatorische Fragen, sondern die Erfüllung der Bedürfnisse aller Lernenden.»

Und er wirft jenen, die sich auf die UN-Konvention berufen, vor, einem Übersetzungsfehler, einem Missverständnis, aufgesessen zu sein: Die Vertragspartner hätten sicherzustellen, dass kein Kind vom «general education system», also vom allgemeinen Schulsystem, ausgeschlossen wird, wie die Erklärung ausdrückt. Doch der englische Terminus «general education system» sei fälschlicherweise mit dem deutschen Begriff der «allgemeinen Schulen» – im Unterschied zu den Kleinklassen – gleichgesetzt worden. «‹General education system›» entspricht aber eindeutig dem, was wir als ‹allgemeinbildendes Schulsystem› – im Unterschied zu berufsbildenden Schulen – verstehen, und zu dem nach schweizerischem Schulrecht der Kantone eindeutig auch die Kleinklassen gehören», sagt Stark.

Weltweite Bildungserosion in den 80er-Jahren

Als sich nämlich 1990 die Unesco-Mitglieder in Jomtien, Thailand, trafen, um die Bildung-für-alle-Agenda aufzugleisen, ging es darum, weltweit den Kindern Zugang zur Grundschulbildung zu gewähren. Dies vor dem Hintergrund, dass in der dritten Welt in den 80er-Jahren eine «Bildungserosion» und ein «Niedergang» bemerkt worden war. Man stellte beispielsweise fest, dass in ländlichen Gebieten der Drittweltländer viele Schulen geschlossen wurden, dass aufgrund der Weltwirtschaftslage vielen Lehrern der Lohn nicht mehr ausbezahlt wurde.

In den Industrieländern konstatierten die Bildungsforscher vermehrt «funktionalen Analphabetismus». «Zwischen 10 und 20 Prozent der Bevölkerung in den Industrieländern verfügen über keine grundlegenden Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen und Problemlösen, heisst in der Unesco-Zusammenfassung der Weltkonferenz in Jomtien. Das führte zum Programm, in dem Frauen und Mädchen aus Diskriminierungsgründen vorrangig gefördert werden sollten.

Gleichstellungs- und Gleichberechtigungsbewegung

Die Erklärung von Salamanca macht aber nur vier Jahre später auch ersichtlich, dass sich der Schwerpunkt von «Bildung für alle» auf «integrative Schule» zu verschieben begonnen hatte. Das fiel mitten in eine Zeit, in der es vor allem in Deutschland um Gleichstellung und Gleichberechtigung ging. Die Bahnunternehmen bauten ihre Waggons behindertengerecht um. In öffentlichen Bauten wurden Rampen und rollstuhlgängige WC und Lifte gefordert.

In der Schweiz wurden die Hochschule für Heilpädagogik in Zürich und die Universität Zürich zu den Hotspots der Dozenten, die eine integrative Pädagogik lehrten. Es war deshalb auch kein Zufall, dass Zürich im Februar 1990 als erster Kanton seinen Gemeinden die «integrative Schule anstelle von Sonderklassen» offerierte.

Der grosse Durchbruch der integrativen Schule kam in der Schweiz aber erst zwei Jahrzehnte später, mit der Einführung des Lehrplan 21.

Daniel Wahl
Journalist Nebelspalter

[Dieser Artikel ist zuerst bei Nebelspalter.ch erschienen.]