Kantonale formulierte Gesetzesinitiative
Gigantische Anzahl Kompetenz- beschreibungen reduzieren
Der Lehrplan Volksschule Baselland enthält eine realitätsfremde Anzahl von 3‘500 Kompetenzbeschreibungen. Die Schüler/-innen können eine solch unverhältnismässig hohe Anzahl nicht bewältigen. Deshalb fordert die Initiative "Die gigantische und unerfüllbare Anzahl von 3‘500 Kompetenzbeschreibungen in den Lehrplänen auf ein vernünftiges Mass reduzieren", dass der Lehrplan aus maximal 1'000 einzelnen Kompetenzbeschreibungen besteht.
Das Bildungsgesetz SGS 640 soll wie folgt geändert werden:
1 Die Stufenlehrpläne der Primarstufe und der Sekundarstufe I bestehen aus klar definierten Stoffinhalten und Themen sowie aus für beide Schulstufen zusammengezählt maximal 1‘000 einzelnen Kompetenzbeschreibungen jeglicher Art. Für die Promotion sind schwerpunktmässig die Stoffinhalte und Themen massgebend.
2 Für die Sekundarstufe I sind die Stoffinhalte und Themen nach Jahreszielen und Anforderungsniveaus differenziert und abgestimmt auf die Inhalte und Anforderungen der beruflichen Grundbildung mit oder ohne Berufsmaturität, der Fachmittelschule und des Gymnasiums.
Den Unterschriftenbogen können Sie hier herunterladen. Die Sammelfrist ist seit dem 10.04.2019 abgelaufen.
Argumentarium
Der neue Lehrplan Volksschule Baselland, mit welchem seit dem Schuljahr 2018/19 an den Sekundarschulen gearbeitet wird, ist nicht zielführend: Er ist unübersichtlich, schwammig formuliert und deutlich zu umfangreich. Bedenklich ist zudem, dass ein wesentlicher Teil des Lehrplans vom Amt für Volksschulen (AVS) in Eigenregie mit dem Ziel formuliert wurde, den selbstorganisierten und konstruktivistischen Unterricht in den Klassenzimmern zu manifestieren. Fachexpertinnen und -experten wurden nicht oder lediglich als Marionetten eingebunden, welche den Lehrplan faktisch nur noch absegnen durften.
Der Lehrplan Volksschule Baselland der Primar- und Sekundarstufe 1 besteht aus zwei Teilen: einerseits aus der gigantischen Anzahl von 3'536 Kompetenzbeschreibungen, andererseits aus Stoffinhalten und Themen mit Jahreszielen, differenziert ausgerichtet auf die drei Leistungsniveaus A, E und P. Beide Teile sind enorm umfangreich und haben einen sehr hohen Detaillierungsgrad, was den Lehrplan Volksschule Baselland unübersichtlich und für die Lehrpersonen faktisch unbrauchbar macht. Gleichzeitig ist auch der Lehrplanteil mit den Stoffinhalten und Themen in Form von Kompetenzbeschreibungen verklausuliert. Der Bildungsrat hat den Lehrplan Volksschule Baselland denn auch nur provisorisch für 3 Jahre eingeführt, damit dieser in der Zeit überarbeitet und verbessert werden kann.
Fach (Primar- und Sekundarstufe 1) | Anzahl Kompetenz-beschreibungen |
Deutsch | 502 |
Französisch | 250 |
Englisch | 250 |
Italienisch | 192 |
Latein | 151 |
Mathematik | 452 |
Natur, Mensch, Gesellschaft | 411 |
Biologie, Chemie, Physik | 154 |
Hauswirtschaft | 80 |
Geografie, Geschichte | 127 |
Ethik, Religion, Gemeinschaft | 86 |
Bildnerisches Gestalten | 166 |
Textiles und technisches Gestalten | 154 |
Musik | 207 |
Bewegung und Sport | 244 |
Medien und Informatik | 75 |
Berufliche Orientierung | 35 |
Total | 3'536 |
Diese gigantische und unerfüllbare Anzahl in den Lehrplänen der Volksschule sollte auf ein vernünftiges Mass reduziert werden, zumal viele Kompetenzbeschreibungen akademisch anmuten und damit stufenfremd formuliert sind. Hier einige Beispiele aus den Fachbereichen Deutsch, Englisch, Geschichte und Mathematik:
- Die Schülerinnen und Schüler können ihr Verständnis eines Redebeitrags mit Bezug auf das Gehörte begründen.
- Die Schülerinnen und Schüler können die Bedeutung von Rechtschreiberegeln reflektieren.
- Die Schülerinnen und Schüler können Erfahrungen mit den Begriffen: Futur und Plusquamperfekt; vier Fälle; Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv sammeln.
- Die Schülerinnen und Schüler können sich darauf einlassen, immer wieder neue Bilderbücher, Hörbücher, Hörspiele, Filme anzuschauen, zu lesen und darüber zu sprechen.
- Die Schülerinnen und Schüler können ihr Hörverhalten und Hörinteresse reflektieren.
- Die Schülerinnen und Schüler können beim Vortragen Texte gestalten und eine ästhetische Wirkung erzielen.
- Die Schülerinnen und Schüler können Geschichte zur Bildung und Unterhaltung nutzen.
- Die Schülerinnen und Schüler können erklären wie Geschichte ihr Leben beeinflusst hat und worin für sie selber der Nutzen der Beschäftigung mit Geschichte liegt.
- Die Schülerinnen und Schüler sind bereit, sich mit unbekannten Fragestellungen zu Kombinatorik und Wahrscheinlichkeit auseinanderzusetzen.
Aufgrund dieser immensen Quantität an Kompetenzbeschreibungen und der teilweise schwer verständlichen, wenig aussagekräftigen Formulierungen mit einem grossen Interpretationsspielraum, bekunden viele Lehrpersonen erhebliche Mühe, sich einen Überblick zu verschaffen. Viele Kompetenzbeschreibungen sind zudem so schwammig formuliert, dass damit die Leistungen der Schüler/-innen gar nicht objektiv überprüfbar und bewertbar sind.
Die Starke Schule lehnt umsetzbare und überprüfbare Kompetenzbeschreibungen nicht grundsätzlich ab, jedoch sollten sie im Lehrplan in einem vernünftigen und erfüllbaren Mass sowie in einer klareren Sprache aufgeführt werden, damit die Lehrpersonen diese bewältigen und zielführend einsetzen können. Erhaltene Rückmeldungen aus Sekundarschulen bestätigen: Die Lehrpersonen verwenden die reinen Kompetenzbeschreibungen nahezu gar nicht. Selbst der Teil Stoffinhalte und Themen wird aufgrund des hohen Detaillierungsgrad nur punktuell berücksichtigt. Der Lehrplan der 1. Klasse der Sekundarstufe I umfasst beispielsweise für das Fach Mathematik 10 Seiten, für das Fach Deutsch 9 Seiten. Dieser übertriebene Umfang ist nicht zweckmässig.
Die Starke Schule ist überzeugt, dass die gigantische Anzahl von Kompetenzbeschreibungen in beiden Teilen des Lehrplans das Erreichen der Lernziele erschwert und deshalb stark reduziert und aufs Wesentliche beschränkt werden muss.
Plakate der Abstimmungskampagne
Am 7. März 2021 kam die Initiative «Die gigantische und unerfüllbare Anzahl von 3'500 Kompetenzbeschreibungen in den Lehrplänen auf ein vernünftiges Mass reduzieren» zur Abstimmung. Die Kampagne der Starken Schule beider Basel wurde vom überparteilichen Bildungskomitee unterstützt.
Aktueller Stand
Juni 2019: Die Starke Schule reicht am 24. Juni die formulierte Initiative «Die gigantische und unerfüllbare Anzahl von 3'500 Kompetenzbeschreibungen in den Lehrplänen auf ein vernünftiges Mass reduzieren» bei der Landeskanzlei ein, um den kompetenzorientierten Lehrplanteil umsetzbar zu machen.
August 2019: Die Initiative wurde von der Landeskanzlei mit 1'845 Unterschriften für gültig erklärt und kommt am 7. März 2021 zur Abstimmung.
März 2021: Das Baselbieter Stimmvolk möchte im Bildungsgesetz keine Beschränkung der Anzahl Kompetenzbeschreibungen im Lehrplan Volksschule Baselland auf maximal 1'000 festschreiben und lehnt die Initiative mit 65.57% ab. Die Starke Schule beider Basel akzeptiert diesen klaren Volksentscheid (Lesen Sie hier die ausführliche Stellungnahme zur heutigen Abstimmung). Trotzdem hat die Initiative bereits im Voraus ihre Wirkung gezeigt. Die Lehrpläne werden betreffend Struktur, Klarheit und Reduktion des Umfangs überarbeitet. Ebenfalls erfreulich ist der Entscheid von Regierungsrätin Monica Gschwind, dass die Lehrpersonen frei entscheiden können, mit welchem der beiden Lehrplanteile "Stoffinhalte und Themen" oder "Kompetenzbeschreibungen" sie arbeiten wollen. Die Ziele der Initiative zur Beschränkung der Anzahl Kompetenzbeschreibungen wurden somit im Kern praktisch erfüllt.
Initiativkomitee
Beat Arbogast, Rieschweg 32, 4123 Allschwil (CVP, Schulrat Gym. Oberwil); Anita Biedert-Vogt, Seeberstr. 23, 4132 Muttenz (Primar- und Sekun-darlehrerin, Landrätin SVP); Mario Elser, Sommergasse 2, 4123 Allschwil (Lehrperson Sek. I); Felix Hoffmann, Talstr. 498, 4202 Himmelried (Lehr-person Sek. 1); Caroline Mall, Hinterlindenweg 57, 4153 Reinach (Landrätin SVP); Alina Isler, Baselmattweg 199, 4123 Allschwil (Vorstand Starke Schule); Marianne Lander, Schanzgasse 10, 4107 Ettingen (Primarlehrerin); Karin Näf, Maiengasse 16, 4123 Allschwil (Grafikerin); David Neugebau-er, St. Arbogast-Strasse 14, 4132 Muttenz (Lehrperson Sek. 1); Claudia Pedrazzi, Pappelstr. 24, 4123 Allschwil (Kindergartenlehrperson); Michael Pedrazzi, Pappelstr. 24, 4123 Allschwil (Vorstand Starke Schule); Marie-Louise Rentsch, Hauptstr. 88, 4451 Wintersingen (Grüne-Unabhängige); Caroline Stauffer Fehr, Brunngasse 9b, 4124 Schönenbuch (Primarlehrerin); Kathrin Schaltenbrand-Kovacs, Brennerstr. 62, 4123 Allschwil (Lehr-person Sek. I); Felix Schmutz, Herrenweg 42c, 4123 Allschwil (pens. Sekundarlehrer); Pascale Uccella, Marsstr. 19, 4123 Allschwil (Landrätin SVP); Daniel Vuilliomenet, Schanzgasse 10, 4107 Ettingen (Lehrperson Sek. I); Regina Werthmüller, Rebbergweg 9, 4450 Sissach (Landrätin, parteiunab-hängig); Jürg Wiedemann, Baslerstr. 25, 4127 Birsfelden (Landrat Grüne-Unabhängige).