Starke Schule beider Basel (SSbB)

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News

  • Dienstag, April 16, 2024

    Vermietung von Schulräumen an private Vereine

    Trotz Mangel an Arbeitsplätzen und Materialräumen werden in zahlreichen Basler Schulhäusern Räumlichkeiten an private Vereine vermietet. Die Bedingungen für diese Vermietungen sind oftmals nicht klar geregelt. Grossrätin Heidi Mück (BastA) stellt dazu eine schriftiliche Anfrage an den Regierungsrat. (lh)

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  • Sonntag, April 14, 2024

    Vorstoss fordert Anpassung der Schule an die Wirtschaft

    Der Vorstoss «Bildungspolitik enger an die Wirtschaft anbinden», von Landrat Marc Scherrer verlangt die Prüfung der Möglichkeiten, wie die Bildungspolitik stärker den Bedürfnissen der Wirtschat ausgerichtet werden kann. Der Mangel an Ausbildungsinstitutionen und Ausbildungskräften sei ein grosses Problem. (ch)

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  • Samstag, April 13, 2024

    Woche der Berufsbildung findet in der ganzen Schweiz statt

    Berufsleute stellen Ihre Arbeit in Form von Betriebsführungen, Schnupperangeboten, Radiointerviews oder Livestreams vor. Die Woche vom 13.-17. Mai ermöglicht den jungen Menschen einen Einblick in die Berufswelt. (ch)

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  • Freitag, März 22, 2024

    «Medien und Informatik» nun auch in Basel-Stadt

    Im Kanton Basel-Stadt gib es an der Sekundarstufe 1 ab nächstem Schuljahr neu das Fach «Medien und Informatik». Bis anhin wurde ein Teil des Informatikstoffs in den Fächern Mathematik und Deutsch behandelt. (ch)

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  • Freitag, März 22, 2024

    Soll Baselland den Univertrag künden?

    Obwohl der Kanton Basel-Landschaft seit vielen Jahren grosse Beträge an die Universität Basel bezahlt, wird er weder als Universitätskanton anerkannt noch hat er eine eigene Fakultät erhalten. Ein Landrat fordert nun den Austritt aus dem Univertrag. (ai)

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  • Sonntag, März 10, 2024

    Lehrkräfte Apéro mit Mustafa Atici

    Mustafa Atici wird mit grosser Wahrscheinlichkeit das Erziehungsdepartement vom aktuellen Bildungsdirektor Cramer übernehmen. Deshalb lädt er interessierte Lehrpersonen des Kantons Basel-Stadt zu einem Apéro ein, um sich über wichtige Bildungsthemen auszutauschen. (ch)

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07.04.2024

Die jüngste Pisa-Studie zeigt: Das Unbehagen am Lesen steigt. 

Nun müsste die Schule aktiv werden. Ein Viertel aller 15-Jährigen kann nur ungenügend lesen. Nicht dass die Jugendlichen Analphabeten wären: Das Kernproblem mangelnder Lesekompetenz liegt beim Verstehen.

25 Prozent der 15-Jährigen in der Schweiz können nur ungenügend lesen, das diagnostiziert die Pisa-Studie 2022. Jeder vierte Schulabsolvent ist nach neun Schuljahren nicht imstande, einem einfachen Text alltagsrelevante Informationen zu entnehmen. Konkret: Er vermag das Geschriebene zwar zu entziffern, versteht aber das Gelesene im Gesamtkontext nicht. Das ist besorgniserregend. Lesen bleibt der Schlüssel fürs Lernen und für die Teilhabe an der Welt – und an unserer Demokratie.

Neue Sprachbarrieren

Das Kernproblem mangelnder Lesekompetenz liegt beim Verstehen. Warum? Konzentrierte Lektüre wird seltener, das intensive Lesen nimmt ab. Usanz ist heute das Lesen von Whatsapp-Nachrichten und das flüchtige Scannen von Kurztexten. Das gehört zum Leben junger Leute, ebenso Social-Media-Kanäle wie Tiktok. Der Lesemodus liegt im Überfliegen von Texten und im Gebrauch von Tablets oder Smartphones. Dabei können Alerts die Lektüre jederzeit unterbrechen.

Dass vieles so leicht zu haben ist, zeitigt Folgen. Wer kurze Wege gewohnt ist, reagiert unwirsch auf längere, oder anders gesagt: Die Welt der nicht alltäglichen Sprache, des differenzierenden Diskurses ist für manche Schülerinnen und Schüler darum eine unvertraute Gegend geworden. Nicht alltägliche Texte lesen und den Sinn verstehen wird für sie zur Schwerarbeit, die Aufgabe einer nuancierten Versprachlichung zur subjektiven Zumutung. So öffnen sich neue Sprachbarrieren. Das Unbehagen am Lesen steigt.

Umso mehr müsste die Schule hier Gegensteuer geben und die jungen Menschen aus ihren Eigenwelten mit den Fast-Food-Informationen herausholen. Sie müsste ihnen als Brückenbauerin andere (Lese-)Welten einsichtig machen und sie darin trainieren. Mit bewusst gewähltem Anspruch. Gefordert ist ein intensives, kontinuierliches Training in wohldosierten sprachlichen Fremdheiten – die Lehrerin als Fremdenführerin! Die Freude am Lesen kommt mit dem Können. Es ist eine Überbrückungsarbeit zwischen den Schülerhorizonten und dem elementaren Bildungsauftrag der Schule. Hier liegt eine ihrer ganz wichtigen Aufgaben. Auch demokratiepolitisch. Lesekompetenzen und Formen des Lesens sind keine Relikte eines analogen Zeitalters.

Nicht Zusätzliches an Inhalten wäre gefordert, sondern Kontrastives, eine Art Gegenhalten im Verhältnis der Schülerinnen und Schüler zu formaler Sprache und Diskursivität. Das bedeutet für Lehrpersonen einen spürbaren Zuwachs an Anstrengung, bleibt aber als Aufgabe und didaktische Pflicht. Sie geht weit über das reine Entziffern von Texten hinaus. Es ist ein bewusstes Hinführen zum Erkennen und Verstehen.

Es fehlt die Zeit

Dieser Auftrag braucht Zeit. Doch sie fehlt. An der Schule muss zu vieles gleichzeitig erarbeitet werden: Deutsch, Frühenglisch, Frühfranzösisch, die ganze Integration und anderes mehr. Es ist eine einfache Proportionenrechnung: Wenn die Aufgabenfülle steigt und die Inhalte zunehmen, reduziert sich die Übungszeit. Beides lässt sich nicht gleichzeitig maximieren. Die Lehrpersonen kommen mit den Schülerinnen und Schülern deutlich weniger zum Üben. Auch flüssiges und verstehendes Lesen will automatisiert sein. Aus der Gedächtnispsychologie wissen wir: Je stärker wir eine Grundfertigkeit im täglichen Leben brauchen, desto intensiver müssen wir sie trainieren. Das gilt auch für die grundlegende Kulturtechnik des Lesens.

Konzentriertes Lesen oder «Deep Reading», wie es die Leseforschung nennt, muss geduldig gelehrt, intensiv und auch gemeinsam geübt und reflektiert werden. Aus Sicht der Wissenschaft zuerst mit analogen und erst dann mit digitalen Medien. Dazu schreibt Klaus Zierer, Erziehungswissenschafter und Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg: «Wir brauchen eine Renaissance der Lektüre, eine Renaissance des Leseunterrichts, und zwar im Kern des Curriculums, mit Lektürestunden in jeder Schulart und in jedem Schulfach.» Es ist das alte Postulat: «Get the fundamentals right, the rest will follow.» Auf die guten Grundlagen kommt es an.

Carl Bossard,
ehemaliger Direktor der Kantonsschule Luzern und Gründungsrektor der PH Zug

02.04.2024

Initiative fordert Verbot der Gendersprache an Volksschulen

Ob Doppelpunkt, Genderstern oder Binnen-I: Die SVP möchte mit einer Initiative diese Sonderzeichen der gendergerechten Sprache an allen Baselbieter Kindergärten, Primar- und Sekundarschulen verbieten lassen. Insbesondere die Zeichen, welche für die Inklusion weiterer Geschlechter nebst Mann und Frau verwendet werden, sollen aus den Volkschulen verbannt werden. Ursprünglich wollte die SVP anfangs 2024 mit der Unterschriftensammlung starten.

Kindern werden durch gendern diskriminiert

Die Initiant*innen argumentieren, dass den Kindern mit dem Gendern Angst gemacht werde. Wer nicht gendert, werde diskriminiert, so Sarah Regez (SVP). Die Sonderzeichen würden zudem die Lesbarkeit von Texten beeinträchtigen. Eine weitere Befürchtung der Initiant*innen: Die Schulkinder werden durch die Darstellung von weiteren Geschlechtern mithilfe von Sonderzeichen negativ beeinflusst. Zudem werden so Ideologien verbreitet und «eine falsche Wirklichkeit» eingepflanzt, so SVP-Landrat Peter Riebli in einem Artikel der bz.

Inklusionsgedanken wird Verbot in den Weg gestellt

Die Grundidee der gendergerechten Sprache ist das Berücksichtigen und die Integration aller Geschlechtsidentitäten sowie auch das Entgegenwirken gesellschaftlicher Stereotypen. So zeigt eine deutsch-niederländische Studie, dass sich Kinder viel mehr Berufe zutrauen, wenn die gegenderte Form verwendet wird.

An den Baselbieter Volksschulen steht es den Lehrpersonen offen, ob diese gendern und wenn ja, auf welche Art und Weise. Es besteht keine Pflicht in der Verwendung des Gendersterns, des Doppelpunkts oder des Binnen-Is.

Die Starke Schule beider Basel (SSbB) spricht sich klar gegen ein Verbot der gendergerechten Sprache aus. Mit ihren Aussagen, Kindern würde mit einer gendergerechten Sprache Angst gemacht werden, übertreibt die SVP masslos. An den Baselbieter Schulen haben Schüler*innen keinerlei Nachteile, wenn sie nicht gendern. Die Initiative trägt auch nicht zu mehr sprachlichen Freiheiten bei. Im Gegenteil: Sie begrenzt mit einem Verbot die Ausdrucksmöglichkeiten der Lernenden. Vor allem auf der Primarschule sollen die Kinder eine maximale Freiheit in der Anwendung der Sprache erhalten, so lange sie die Sprache grammatikalisch und orthografisch richtig anwenden.

Lena Heitz
Vorstand Starke Schule beider Basel

26.03.2024

Anregender Austausch an der Mitgliederversammlung der SSbB

Die diesjährige Mitgliederversammlung (MV) der Starken Schule beider Basel (SSbB) fand am Freitag, 22. März statt. Zu den Inhalten gehörten die einstimmige Wahl des Vorstands (Kathrin Zimmermann, Regina Werthmüller, Jürg Wiedemann, Alina Isler, Lena Heitz, Lena Bubendorf, Michael Pedrazzi), die Wahl der Revisoren und die Anerkennung von Charlotte Höhmann und Anahi Sidler als neue Mitglieder des Sekretariats-Teams. Auch die Rechnung und Bilanz des Jahres 2023 und das Budget 2024 wurden ohne Gegenstimmen angenommen.

Grosser Gesprächspunkt an der MV war die immer weiter fortschreitende Digitalisierung. Eine Lehrperson von Basel-Stadt hat dabei einen interessanten Einblick in den unterschiedlichen Umgang mit der Situation im Stadtkanton gegeben. Weiter wurde der Absturz der Schweiz in der PISA-Studie diskutiert, in Zusammenhang damit auch die Resultate einer Umfrage der SSbB zu den Gründen für den Leistungsabbau in den Fächern Deutsch und Mathematik in der Schweiz.

Die Starke Schule beider Basel bedankt sich bei allen Anwesenden für ihren Input.

Lena Heitz
Vorstand Starke Schule beider Basel

 

25.03.2024

Welche Interessen vertritt die AKK?

Zentrale Aufgabe der Amtlichen Kantonalkonferenz (AKK) ist es, die Interessen der rund 5'500 Lehrpersonen des Kantons Basel-Landschaft in bildungspolitischen Fragen gegenüber Politik und Gesellschaft zu vertreten. Seit einiger Zeit steht die AKK-Leitung jedoch unter Kritik, stattdessen ihre eigenen persönlichen Interessen in den Vordergrund zu stellen.

Bei öffentlichen Meinungsbildungsprozessen und wichtigen politischen Entscheiden im Bildungsbereich ist die AKK-Leitung aufgefordert Stellung zu beziehen und dabei die Position ihrer Mitglieder zu vertreten sowie ihren Anliegen Gehör zu verschaffen. Denn die AKK gilt gesetzlich als verankertes Bindeglied zwischen den Lehrkräften und der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD).

AKK-Leitung steht unter Kritik

Seit längerer Zeit steht die AKK-Leitung jedoch von Politik und Lehrpersonen unter Kritik, vielmehr das Sprachrohr von Verwaltungsangestellten und Reformbefürworter*innen zu sein und sich weniger für die Interessen der Lehrpersonen einzusetzen. Es scheint, die AKK-Funktionäre vertreten vielmehr ihre persönlichen Interessen.

Anders ist nicht zu erklären, dass die AKK-Leitung mehrere gescheiterte Bildungsreformen, entgegen der überwiegenden Mehrheit der Lehrpersonen öffentlich befürwortete und sich beispielsweise lange Zeit gegen das Ersetzen der unbrauchbaren Passepartout-Lehrmittel (Mille feuilles, Clin d’oeil, New World) wehrte. Auch beim millionenteuren Lehrplan 21, den Sammelfächern und der Lehrmittelfreiheit stemmte sich die AKK-Leitung lange Zeit gegen die Haltung einer klaren Mehrheit der Lehrpersonen sowie der Position des Lehrerinnen- und Lehrerverband (LVB) und der Starken Schule beider Basel (SSbB), welche zusammen eine Mehrheit der Lehrpersonen vertreten.

AKK wird vom Kanton Basel-Landschaft finanziert

Als «offizielles» Gremium, welches die Kantonsangestellten vertreten soll, wird die AKK im Gegensatz zum LVB und der SSbB vom Kanton Basel-Landschaft jährlich mit einem namhaften Betrag bis zu einer Viertelmillion finanziert. Umso bedenklicher ist es, dass die AKK-Leitung ihre Aufgabe, die Interessen der Lehrpersonen zu vertreten, anscheinend ungenügend wahrnimmt.

In einem kürzlich eingereichten Vorstoss verlangt Landrätin Anita Biedert die Offenlegung der exakten finanziellen Beiträge, welche der AKK durch die BKSD in den vergangenen zehn Jahren erhalten hat.

Jürg Wiedemann
Vorstand Starke Schule beider Basel

 

22.03.2024

Der Vorstand des VSLCH bemüht sich um Schulrevolution

Condorcet-Autor Felix Schmutz analysiert in seinem Beitrag die Kampagne des VSLCH (Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz) und seiner zahlreichen Unterstützer, die gegenwärtig in den Medien mächtig Wirbel macht. Mit den Slogans “Noten abschaffen”, “Selektion abschaffen”, “Lernlandschaften” und der Diffamierung unseres Schulsystems als Auslaufmodell generieren sie derzeit eine grössere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Dabei zitieren sie des Öfteren die Wyman-Studie “Bildungsgerechtigkeit”, welche ihre Thesen stützen soll. Felix Schmutz hat sie gelesen, was man auch ihren Rezipienten raten würde.

Eine erstaunliche Medienpräsenz

In letzter Zeit brodelt es wieder einmal in der Schullandschaft. Die PISA-Resultate, die 2023 veröffentlicht wurden, lockten den Vorstand des Verbands der Schulleitungen Schweiz (VSLCH) aus der Deckung. Er überschwemmt die Medien regelrecht mit Vorschlägen, wie unsere Volksschule umgestaltet werden müsse, damit die Leistungen der Jugendlichen besser und Chancengerechtigkeit endlich erreicht werden könne, so im Blick, in der NZZ, im Liechtensteiner Vaterland, im Fritz und Fränzi, auf Radio SRF. (1)

Dass alle an Schule Interessierten und beruflich damit Befassten das Ziel der Verbesserung verfolgen, sei vorausgesetzt. Nur zerbrechen sich schon einige Generationen den Kopf über die Frage, auf welche Weise man vorgehen solle. Tatsache ist, dass nicht nur pädagogische Motive den Reformdiskurs antreiben, sondern auch handfeste geschäftliche Interessen. Es ist gar nicht mehr möglich, die beiden Motive leicht auseinanderzuhalten, denn die Bildung verfügt über einen grossen finanziellen Kuchen, von dem sich viele gerne ein Stück abschneiden würden. So äussern sich denn auch schulnahe Beratungsfirmen und die Mercator-Stiftung im Chor mit dem VSLCH-Vorstand.

Wenn nun die Interessenvertretung der Schulleitungen ihre Ideen lautstark publik macht, ist das von besonderer Bedeutung, denn inzwischen gelten klare hierarchische Bedingungen im Schulwesen. Die Bildungs- und Erziehungsdepartemente geben strategische Ziele vor: den Lehrplan, die Lehrmittel, die äussere Struktur der bildenden Schulen. Die Umsetzung vor Ort obliegt jedoch den Schulleitungen.

Ideen für eine neue Schule

Der VSLCH plant eine tiefgreifende Reform der Volksschule, die etwa folgende Kernpunkte umfasst:

  • Abschaffung der Selektion. Kinder und Jugendliche sollen bis Abschluss der obligatorischen Schule gemeinsam unterrichtet werden,
  • Abschaffung der Noten. Alternative Beurteilungen sollen die Noten ersetzen, nicht Auslese, sondern Förderung ist oberstes Ziel,
  • Abschaffung der Hausaufgaben,
  • Jedes soll nach eigenen Fähigkeiten und Interessen gefördert werden,
  • Selbstorganisiertes Lernen,
  • Software zur Unterstützung des Lernens sowie der verantwortliche Umgang mit neuen Medien als Lernziel,
  • Kinder mehrerer Jahrgänge werden im selben Raum unterrichtet,
  • Neue Rolle der Lehrpersonen als Lernbegleiter.

Natürlich rechnen die Wortführenden des VSLCH mit Widerstand, obwohl ihre Ideen alles andere als neu sind. Die Forderungen werden seit vielen Jahren propagiert und wurden mit wechselndem Erfolg ausprobiert. Aber die Radikalität, mit der sie das bisherige System als überholt darstellen und das Revolutionäre fordern, sichert ihnen allenthalben Aufmerksamkeit. Da es sich um eine Gruppe von Leuten handelt, die sich im Besitz der Wahrheit wähnen und sich gegenseitig bestätigen, prallt Kritik an ihnen ab wie ein Ball von der Betonwand.

Sie unterfüttern ihre Kampagne mit Argumenten, auf die näher eingegangen werden muss. In diesem Beitrag möchte ich mich auf die Frage der Selektion konzentrieren, d.h. die Idee, Jugendliche müssten bis Ende 9. bzw. 11. Schuljahr gemeinsam unterrichtet werden. Welche Begründungen führen die Reformer an und wie stichhaltig sind diese?

Lesen Sie hier den Artikel weiter.

 

19.03.2024

Zivis als Lösung gegen den akuten Lehrpersonenmangel?

Aufgrund des steigenden Lehrpersonenmangels und der Bürokratisierung fehlt den Lehrpersonen die Zeit für eine fundierte Vorbereitung ihrer Unterrichtslektionen. Im Rahmen eines Pilotprojekts möchte die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKDS) Zivildienstleistende (Zivis) auch an den Sekundarschulen einsetzen.

Aktuell werden diese nur auf Primarstufe eingesetzt, wo die Zivis einfachere Aufgaben übernehmen, wie beispielsweise die Betreuung des Mittagstisches, die Aufsicht in Lernateliers oder die Pausenaufsicht. Auf Sekundarstufe sollen die Zivis zwar nicht unterrichten, laut Pressesprecherin Fabienne Romanens erwarte die BKSD aber, dass sie auch pädagogisch anspruchsvollere Aufgaben bewältigen können. Gemäss regierungsrätlichen Vorschlag wären die Zivis vielfältig einsetzbar, beispielsweise in administrativen oder organisatorischen Bereichen. Auch Assistenzaufgaben im Unterricht wären gemäss der BKSD denkbar. 

Die Frage stellt sich jedoch, ob damit tatsächlich dem Lehrpersonenmangel begegnet werden kann. Dies wäre dann der Fall, wenn die Zivildienstleistenden die Lehrpersonen so unterstützen, dass diese zusätzliche Unterrichtslektionen übernehmen und damit an den Schulen weniger Lehrpersonen angestellt werden müssen.

SSbB und LVB nehmen kritische Haltung ein

Die Starke Schule beider Basel (SSbB) und der Lehrer- und Lehrerinnenverein Baselland (LVB) beurteilen den Einsatz von Zivis in pädagogischen Bereichen kritisch. Bei Problemen, wie beispielsweise psychische Gewalt und Mobbing, braucht es ausgebildete Fachpersonen. Solche Aufgaben können praktisch nur Heil- oder Sozialpädagoginnen und -pädagogen übernehmen. Auch besteht das Risiko, dass die Zivis zwar zu Beginn keine derartig schwierigen Aufgaben aufgetragen werden, mit der Zeit diese aber immer mehr einbezogen werden und sogar komplexere pädagogische Aufgaben erledigen. Ebenso muss beachtet werden, dass die Zivis auch zu einer zusätzliche Belastung der Lehrpersonen durch die Betreuungsarbeit führen kann.

Attraktivität des Lehrberufs muss sich verbessern

In Zukunft sollen bereits pensionierte Lehrer*innen in Zeiten mit einem hohen Mangel an Lehrpersonen notfallmässig eingesetzt werden. Auch soll ein sogenanntes Mentoring-Programm für unausgebildete Lehrer*innen und Berufseinsteigende aufgestellt werden.

Einen fragwürdigen Lösungsvorschlag für die Bekämpfung des Lehrpersonenmangels enthält das Postulat von Landrat Marc Scherrer (Mitte). Er fordert, dass die Zulassungsbedingungen für die Pädagogische Hochschule gelockert werden. Für diese benötigt man aktuell eine gymnasiale Matura oder eine Fachmaturität Pädagogik für die Ausbildung zur Lehrperson.

Unbestritten und unabhängig von kurzfristigen Lösungen ist, dass dem Lehrpersonenmangel langfristig nur begegnet werden kann, wenn die Attraktivität dieses Berufs nachhaltig verbessert wird und dadurch deutlich mehr jungen Menschen die Ausbildung zur Lehrperson durchlaufen.

Nur Lehrpersonen und angehende Lehrpersonen sollen pädagogische Aufgaben übernehmen

Die SSbB begrüsst die Diskussion über Lösungsvorschläge betreffend des Lehrpersonenmangels. Dem Einsatz von Zivis oder anderen Personen ohne entsprechende Ausbildung müssen jedoch klare Grenzen gesetzt werden. Aufgaben in pädagogischen Bereichen sollen ausschliesslich von ausgebildete Lehrpersonen übernommen werden oder von Studierenden, die kurz vor Abschluss der Lehrpersonenausbildung sind.

Lena Heitz
Vorstand Starke Schule beider Basel

 


17.03.2024

Zwei politische Vorstösse zur Digitalisierung

In vielen Ländern warnen Bildungswissenschaftler/-innen vor einem exzessiven Medienkonsum der Kinder. Dies führt in Schweden, Finnland und der Niederlande, welche in den vergangenen Jahren einen signifikanten Leistungsabbau ihrer Schüler/-innen hinnehmen mussten, zu einer Kehrtwende im Zusammenhang mit der Digitalisierung an den Schulen: Laptops verschwinden vollständig aus den ersten sechs Schuljahren. In Schweden wurden bedeutende finanzielle Mittel für Lehrbücher und Bibliotheken freigegeben.

Die Ergebnisse der Pisa-Studie sind auch für die Schweiz ernüchternd: In den beiden wichtigen Fächern Mathematik und Deutsch ist der Leistungsabbau bei den 15-jährigen Schüler/-innen signifikant., auch wenn die Schweiz im internationalen Vergleich noch immer gut dasteht. Dies hat nun im Kanton Basel-Landschaft politische Folgen: Am kommenden Donnerstag werden von Landrätin Anita Biedert zwei Vorstösse im Zusammenhang mit der Digitalisierung und dem stetig steigenden Medienkonsum der Schulkinder im Baselbieter Landrat eingereicht. Folgend der Wortlaut der beiden Vorstösse, die in Zusammenarbeit mit der Starken Schule beider Basel (SSbB) entstanden sind.

Ursachen des in der Pisa-Studie festgestellten Leistungsabbaus eruieren

Die Ergebnisse der Pisa-Studie 2022 sind ernüchternd. Die durchschnittlichen Leistungen der 15-jährigen Schulabgänger/-innen sinken in den Fächern Deutsch und Mathematik kontinuierlich - und dies seit Jahren.

Die Skandinavischen Länder Schweden und Finnland sowie die Niederlande, die alle gemäss der Pisa-Studie ebenfalls einen deutlichen Leistungsabbau hinnehmen mussten, sehen die Ursache in einem übermässigen Medienkonsum und der zu starken Digitalisierung in den Schulzimmern. Finnland und Schweden haben erste Massnahmen bereits beschlossen und teilweise auch schon umgesetzt: Computer werden aus den ersten sechs Schuljahren gänzlich verbannt. Schweden änderte letztes Jahr die Digitalisierungsstrategie sogar komplett und sprach beachtliche finanzielle Mittel für traditionelle Lehrbücher und Bibliotheken.

Der Lehrerinnen- und Lehrerverband (LVB) und die Starke Schule beider Basel (SSbB) stellen den pädagogischen Nutzen des Einsatzes von iPads an Primarschulen infrage. Gemäss einer Umfrage der SSbB, an der über 535 Lehrpersonen und Bildungsinteressierte teilnahmen (rund 90% davon Lehrpersonen), wird die Digitalisierung als Hauptursache für den Leistungsabbau angesehen. Die negativen Auswirkungen der Digitalisierung auf das Lernen und die Sprachentwicklung sind in der Zwischenzeit in vielen Ländern deutlich erkennbar und in breiten Fachkreisen unbestritten.

Ich bitte den Regierungsrat Folgendes zu prüfen und dem Landrat zu berichten:

  • Durchführung einer breit angelegten Umfrage bei den Lehrpersonen aller Schulstufen zum Thema Ursachen des Leistungsabbaus in den Fächern Mathematik und Deutsch.
  • Wie kann der Einsatz von digitalen Geräten an unserer Volksschule reduziert werden?

Umfang des Einsatzes von digitalen Geräten auf Primarstufe

Wie diversen Medienberichten zu entnehmen ist, warnen u.a. besonders die Skandinavischen Länder vor übermässiger Bildschirmzeit für Kinder. Schweden änderte letztes Jahr die Digitalisierungsstrategie und sprach finanzielle Mittel für traditionelle Lehrbücher und Bibliotheken. In den USA gibt es seitens mehrheitlicher Bundesstaaten ebenso Bestrebungen, die Kinder vom Netz zu bringen, um sie vor problematischen Inhalten zu schützen. Wirkungen und Nebenwirkungen auf Entwicklungs-, Lern- und Bildungsprozesse sind noch ungeklärt. Ein hoher Bildschirmkonsum geht wissenschaftlich unterlegt mit Entwicklungsstörungen einher.

Die negativen Auswirkungen auf das Lernen und die Sprachentwicklung sind - wie die Praxis bereits zeigt - erkennbar.

Dass die Digitalisierung eine bedeutende Rolle einnimmt, ist unbestritten. Bildung braucht aber eine Ausgewogenheit zwischen Analogem und Digitalem, weil Bindung und Beziehung unabdingbar sind für eine erfolgversprechende Bildung. Der Lehrerinnen- und Lehrerverband Baselland (LVB BL) und die Starke Schule beider Basel (SSbB) nehmen betreffend Einsatz der iPads auf Stufe Primar eine kritische Haltung ein, wird doch ein pädagogischer Mehrwert infrage gestellt.

Unter Medienkonzept – baselland.ch ist zu lesen, dass alle Schulen ein lokales Medienkonzept haben müssen, das die ICT- und Mediennutzung wie auch die zur Verfügung stehende ICT- Infrastruktur in einem lokalen ICT- und Medienkonzept im Schulprogramm regelt.

Ich bitte den Regierungsrat um Beantwortung der folgenden Fragen, die sich auf die Primarstufe beziehen:

  1. In welchen Fächern werden iPads und Computer vorwiegend eingesetzt?
  2. In wie vielen Lektionen pro Woche werden diese digitalen Geräte durchschnittlich eingesetzt?
  3. Wie viele Primarschulklassen pro Jahrgang können die Geräte mit nach Hause nehmen?
  4. A) Ist ein kausaler Zusammenhang aufgrund des Lernens mit den Tablets in Bezug auf die Leistungsergebnisse erkennbar?
    B) Wurde ein solcher Zusammenhang wissenschaftlich geprüft?

Die maximale Stundenzahl pro Woche soll aus gesundheitlichen Gründen bei 6- bis 9-Jährigen bei höchstens 5 Wochenstunden, bei 10- bis 12-Jährigen bei höchstens 10 Wochenstunden liegen.

  1. A) Welche präventiven Massnahmen trifft die Schule, dass diesem Grundsatz Folge geleistet werden kann? B) Bestehen zuhanden der Erziehungsberechtigten Informationen (in verschiedenen Sprachen)?
  2. Aufgrund der starken Problematik in Bezug auf die Dauer der Benutzung der digitalen Geräte stellt sich die berechtigte Frage, ob deren Einsatz in den ersten sechs Schuljahren sinnvoll erscheint. Wie ist die diesbezügliche Haltung des Regierungsrats?

Die SSbB begrüsst die Einreichung dieser beiden Vorstösse und erwartet eine fundierte Diskussion. Die Bedenken der Lehrpersonen, die täglich im Klassenzimmer stehen und die negativen Auswirkungen am besten beurteilen können, müssen bei den entsprechenden Beschlüssen berücksichtigt werden.

Jürg Wiedemann
Vorstand Starke Schule beider Basel
03.03.2024

Medienkonsum lässt die Bildungsqualität sinken

Der hohe Medienkonsum und eine zu exzessive Digitalisierung sind gemäss einer Umfrage der Starken Schule beider Basel (SSbB), an welcher 535 Lehrpersonen und Bildungsinteressierte teilgenommen haben, die Hauptursache für den Leistungsabfall der Schüler/-innen in den Fächern Deutsch und Mathematik. Dringender Handlungsbedarf ist angezeigt und erste politische Vorstösse wurden bereits angekündigt.

Die Ergebnisse der PISA-Studie 2022 sind bekannt, die Resultate der Schüler/-innen ziemlich ernüchternd: Die durchschnittlichen Leistungen der 15-jährigen Schulabgänger/-innen sinken in den Fächern Deutsch und Mathematik kontinuierlich weiter und dies seit vielen Jahren. Ein Ende des Abwärtstrends ist nicht erkennbar.

Die SSbB hat bei Lehrpersonen und Bildungsinteressierten aus den beiden Basler Halbkantonen nach möglichen Gründen des Leistungsabbaus gefragt und daraus 21 Thesen formuliert. In einer breit angelegten Umfrage konnten die Befragten diese Thesen nach ihrem Einfluss auf den Bildungsabbau beurteilen, wobei jede einzelne These jeweils mit einer Zahl von 0 (kein Einfluss auf den Bildungsabbau) bis 10 (sehr grosser Einfluss) beurteilt werden konnte. 90 Prozent der Teilnehmenden sind Lehrpersonen, die überwiegend auf der Primar- und Sekundarstufe 1 unterrichten.

Sechs Thesen haben mit einem Wert von 7.6 bis 8.5 einen sehr hohen Einfluss

Die Befragten stufen die in der folgenden Grafik ersichtlichen sechs Thesen mit den höchsten Werten ein. Auffällig dabei ist, dass mehrere Thesen mit sehr hohen Werten unruhige, unkonzentrierte und verhaltensauffällige Schüler/-innen betreffen, die den Unterricht stören und so erheblich zum Bildungsabbau beitragen.

Grafik1_Umfrage 

Medienkonsum sorgt für grössten Bildungsabbau

Den höchsten Einfluss mit 8.5 von 10 Punkten hat die These «Die Schüler*innen haben durch den hohen Medienkonsum weniger Konzentration und können fast nur noch konsumieren. Etwas zu leisten wird als enorm mühsam angesehen.» Von den befragten Lehrpersonen wird der tägliche Konsum mit digitalen Geräten zuhause und in der Schule als einer der Hauptgründe für den Leistungsabbau angesehen. In Schweden, Finnland und den Niederlanden, die ebenfalls einen grossen Leistungsabfall ihrer Schüler/-innen hinnehmen müssen und digitale Geräte als einer der Hauptgründe angesehen werden, sind nun erste Massnahmen beschlossen und teilweise bereits umgesetzt worden: Computer werden aus den ersten sechs Schuljahren gänzlich verbannt.

Mit 7.9 Punkten ebenfalls einen ausgesprochen hohen Einfluss auf den Leistungsabfall der Schüler/-innen hat die These «Kindern wird heute weniger Lesekultur vorgelebt, weshalb sie in ihrer Freizeit kaum mehr lesen». Diese Aussage korreliert stark mit der vorher genannten These betreffend Medienkonsum; denn wer täglich mehrere Stunden am Handy verbringt, liest selten bis gar nie ein Buch.

Freiwillige Schulsynode (FSS) liegt mit ihrer Initiative richtig

Ein weiteres interessantes Ergebnis ist die Einstufung der These «Es gibt mehr verhaltensauffällige Schüler*innen im Regelunterricht, die den Unterricht stören und damit das Erreichen der Lernziele der Klasse erschweren». Diese Aussage erreichte mit 7.7 Punkten den vierthöchsten Wert.

Im Kanton Basel-Stadt ist zurzeit die Initiative der Freiwilligen Schulsynode (FSS) hängig, welche die Einführung von sogenannten Förderklassen fordert. Dort sollen Schüler/-innen, die aus diversen Gründen nicht in eine Regelklasse integriert werden können, separativ unterrichtet werden. Dadurch soll in den Regelklassen ein ruhiger und zielführender Unterricht ermöglicht werden. Der hohe Wert dieser These zeigt, dass die befragten Lehrpersonen deutlichen Handlungsbedarf in dieser Thematik sehen und eine Entlastung der Regelklassen anzustreben ist. Ein permanentes Stören eines Schulkindes darf nicht zum Nachteil einer grossen Mehrheit von ruhig arbeitenden Schüler/-innen werden.

Viele Jugendliche werden im Elternhaus ungenügend erzogen

Die folgenden Thesen wurden mit Werten von 6.5 bis 7.2 Punkten eingestuft und deuten innerhalb der 21 Thesen einen mittleren bis hohen Einfluss auf den in der PISA-Studie festgestellten Bildungsabbau an.

Die Bewertung von 7.2 Punkten für die These, dass eine unzureichende familiäre Erziehung negative Auswirkungen auf das Verhalten in der Schule hat, unterstreicht die Bedeutung der Erziehungsqualität zu Hause. Eine Vernachlässigung diesbezüglich führt dazu, dass die Lehrpersonen mit ihren Schüler/-innen erst Erziehungsgrundlagen schaffen müssen, bevor sie an den tatsächlichen Zielen des Unterrichts arbeiten können.

Mit einem Wert von 6.9 bewertet, weist die Einstufung der These «Die Schüler*innen können das Gelernte zu wenig üben. Ihr Wissen bleibt damit oberflächlich und ungenau.» darauf hin, dass die Lehrpersonen eine Diskrepanz zwischen den vorhandenen Übungsmöglichkeiten und dem tatsächlichen Bedarf der Schüler/-innen sehen. Dies könnte auf eine Überlastung des Lehrplans oder unzureichende Ressourcen hinweisen, die es erschweren, den Lernbedürfnissen der Schüler/-innen gerecht zu werden.

Bei der Bewertung von 6.8 Punkten der These «Die Primarlehrpersonenausbildung ist zu wenig praxisorientiert. Dadurch hat die Unterrichtsqualität abgenommen.» wird deutlich, dass die Umfrageteilnehmenden die Qualität der Primarlehrpersonenausbildung kritisch beurteilen und die Ausbildung an der PH FHNW Verbesserungspotenzial aufweist.

Mit einem Wert von 6.5 Punkten hat im Kanton Basel-Landschaft der Wechsel von 5 auf 6 Primarschuljahren einen ebenfalls erheblichen Einfluss auf den Leistungsabbau. 

Gruppenarbeit und Mathematiklehrmittel erzielen die tiefsten Werte

Die verbleibenden acht Thesen wurden mit Werten zwischen 5.2 bis 6.3 eingestuft und haben so anscheinend zwar immer noch einen Einfluss auf den Bildungsabbau, jedoch einen deutlich schwächeren. Die folgende Grafik zeigt die am tiefsten bewerteten Thesen.

Von den 21 formulierten und von den Lehrpersonen beurteilten Thesen wurde die Aussage, dass «die heute im Fach Mathematik zur Verfügung stehenden Lehrmittel unstrukturiert, zu oberflächlich konzipiert» seien, am tiefsten eingeordnet. Die Bewertung von 5.2 Punkten könnte deshalb zustande kommen, weil seit einigen Jahren in beiden Basler Halbkantonen eine beschränkte Lehrmittelfreiheit besteht und die Lehrpersonen von einer Liste auswählen können, womit sie im Unterricht arbeiten möchten.

Die zweittiefste Bewertung erhielt die These «Gruppenarbeit als Unterrichtsform ist betreffend Erreichen der fachlichen Fähigkeiten weniger effizient». Die befragten Lehrpersonen stufen diese mit 5.5 Punkten ein.

Die durchschnittliche Einstufung aller 21 Thesen liegt zwischen 5.2 und 8.5 bei einer Intervallgrösse von 0 bis 10. Faktisch heisst das: Alle 21 Thesen haben gemäss der Beurteilung der 535 teilnehmenden Pädagoginnen und Pädagogen einen mittelhohen bis hohen Einfluss auf den in der PISA-Studie festgestellten Bildungsabbau.

Lehrpersonen Primar und Sekundarstufe I + II beurteilen mehrere Thesen sehr unterschiedlich

Bei einigen Thesen gab es in der Einstufung deutliche Unterschiede zwischen den Umfrageergebnissen der Lehrpersonen der Primarstufe und der Sekundarstufe I und II. Beispielsweise bei der Aussage, dass die Schüler*innen aufgrund des Taschenrechners weniger gut Kopfrechnen können, sehen die Sekundarlehrpersonen einen Einfluss von 6.7 Punkten. Die Primarlehrpersonen hingegen stufen diese mit 5.3 Punkten als deutlich weniger einflussstark ein.

Weiter unterscheiden sich die Meinungen betreffend Wechsel von 5 auf 6 Jahren Primarschule. Die Sekundarlehrpersonen empfinden die Aussage «Mit dem Wechsel von 5 auf 6 Jahren Primarschule geht der Sekundarschule ein Jahr verloren. Die Primarschule kann in diesem zusätzlichen Jahr nicht den gleichen Unterrichtsstoff behandeln, wie dies die Sekundarschule zuvor konnte.» mit 7.2 als einflussstark. Die Primarlehrpersonen hingegen stufen dies mit 5.6 signifikant tiefer ein.

Der grösste Unterschied ist wieder im Bereich der Digitalisierung zu verordnen. Während die Primarlehrpersonen mit 5.3 Punkten bei Tablets und Laptops nur eine mittelgrosse Ablenkung während des Unterrichts sehen, geben die Sekundarlehrpersonen mit 7.6 Punkten ein sehr hohes Ablenkungspotential respektive einen hohen Einfluss auf den Bildungsabbau an. Diese Angaben dürften mit grosser Wahrscheinlichkeit daher rühren, dass in den Primarschulen der Umgang mit den iPads noch viel geführter respektive restriktiver gehalten wird und die Schüler/-innen an den Sekundarschulen häufiger an den digitalen Endgeräten arbeiten.

Alina Isler
Vorstand Starke Schule beider Basel

 23.02.2024

«Die Schulen werden ideologisch durchtränkt»

Klima, Gender, Rassismus: Der neue Rahmenlehrplan für Gymnasien will die Welt verbessern. Kritiker warnen vor Indoktrination, einige Kantone üben bereits Opposition. Die Journalistin der Sonntagszeitung, Nadja Pastega, ist diesen Vorwürfen nachgegangen.

Mit Lesen, Schreiben und Rechnen ist es schon lange nicht mehr getan. Schulen bekommen immer mehr Aufgaben. Für die Schweizer Maturitätsschulen liegt jetzt der Entwurf für einen neuen Rahmenlehrplan vor. Er ist 136 Seiten lang. In einer früheren Version waren es sogar 400 Seiten. 

 

Neu wird das Fach «Bildung für Nachhaltige Entwicklung» (BNE) verankert. Oberstes Ziel laut Lehrplan: die «Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft». Dabei gehe es nicht nur um den Schutz des Klimas und der Biodiversität, sondern es sollen auch «Rassismus, soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeiten oder unfaire Verteilungen zwischen den Geschlechtern» bekämpft werden. 

Gegen diese Ziele für eine gerechte Welt kann niemand etwas haben. Die Frage ist aber, wie diese erreicht werden sollen – und wie das an den Schulen umgesetzt wird. Und hier beginnen für Alain Pichard, Mitglied der Grünliberalen im Berner Kantonsrat und bis zu seiner Pensionierung der bekannteste Lehrer der Schweiz, die Probleme. 

Lehrkräfte dürfen Schülern ihre Meinung nicht aufzwingen

«Die Aufgabe der Schule ist es, Wissen zu vermitteln, um die Schülerinnen und Schüler dazu zu befähigen, sich im Sinne von mündigen Bürgern ein eigenes Urteil zu bilden», sagt Pichard. Stattdessen würden im neuen Lehrplan Haltungen als Kompetenzen definiert, die beurteilt und benotet werden müssten. «Damit entwickelt sich unser Bildungssystem in eine gefährliche Richtung, die in eine totalitäre Umerziehung münden kann.»

An den Schulen gilt ein Indoktrinationsverbot, Lehrerinnen und Lehrer dürfen den Schülern ihre Meinung nicht aufzwingen. Zudem müssen sie politische Themen kontrovers behandeln. Es müssen also gegensätzliche Positionen behandelt werden. Doch der Gymi-Lehrplan ist durchdrungen von politischen Botschaften und bestimmten Themen – anderes wird einfach weggelassen. So sollen die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel über den Treibhauseffekt und die Sonnenenergie reflektieren. Atomenergie wird nicht erwähnt. 

Der Lehrplan ist durchsetzt mit Floskeln, die eher an ein Parteiprogramm als an objektive Themenfelder erinnern: «gerechte Gesellschaft», «planetare wie auch soziale Belastungsgrenzen», «intra- wie auch intergenerationelle Gerechtigkeit», «Menschen aller Geschlechteridentitäten», «ganzheitlich», «transformativ», «sozialökologische Transformation». 

Lehrplan: «Tendenziös formuliert»

In der Anhörung zum neuen Rahmenlehrplan äusserten sich einige Kantone kritisch zum Fach BNE. «Es handelt sich offensichtlich um eine politische Agenda», hielt Luzern fest. Die Bildungsdirektion des Kantons Zürich warnte, dass  das Prinzip der politischen Neutralität von Schulen «nicht aktiv beeinflusst» werden sollte, gewisse Formulierungen seien daher «zu überprüfen». Obwalden zieht das Fazit: «Zu tendenziös formuliert.» Auch der Kanton Aargau und die Schulleiterkonferenz der Zürcher Mittelschulen sind mit den BNE-Bestimmungen im neuen Lehrplan «gar nicht einverstanden».  

Das neue Regelwerk ist Teil der Reform «Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität», das die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zusammen mit dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung auf den Weg gebracht hat. Dabei geht es an sich darum, den Matura-Abschluss schweizweit vergleichbar zu machen und die Studierfähigkeit sicherzustellen, damit Universitäten und Hochschulen mit Aufnahmeprüfungen keine eigenen Eintrittshürden hochziehen. 

Lucius Hartmann, Präsident des Vereins der Schweizer Gymnasiallehrerinnen und -lehrer, befürwortet die neuen Richtlinien: «Es ist unbestritten, dass es einen neuen Lehrplan braucht. Das, was heute gilt, stammt aus dem Jahr 1994.» Die Gymnasien müssten nicht nur für die Hochschulreife ihrer Absolventen sorgen, sondern auch für eine «vertiefte Gesellschaftsreife». Die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft sei in der Bundesverfassung vorgegeben, «daher ist ihre Vermittlung in der Schule notwendig». 

Er verweist auf eine Studie des Kantons Aargau, die ergeben habe, dass sich die Lehrpersonen in der Schule mehrheitlich politisch neutral verhielten. Diese Umfrage gab der Kanton in Auftrag, um eine Maturarbeit von drei Gymnasiasten zu kontern, die aufzeigte, dass unter den Lehrern ein «Linksdrall» herrscht. Der Kanton vermarktete das Studienergebnis als Persilschein. Doch in der Studie kam auch heraus, dass sich viele Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer politischen Einstellung benachteiligt fühlen. 

Bereits der Begriff «vertiefte Gesellschaftsreife» sorgt für Kritik. «Was heisst das denn?», fragt Mario Andreotti, Germanist und Historiker. «Dass ich mich auf der Strasse festklebe für den Klimawandel?» Er unterrichtete 38 Jahre an Gymnasien und ist Verfasser des Buchs «Eine Kultur schafft sich ab», das kritisch auf die Schulreformen der letzten Jahre eingeht. 

Politiker delegieren Konflikte an die Schulen

«Aus der Formulierung in der Bundesverfassung  lässt sich kein Erziehungsauftrag für die Schulen ableiten», sagt Bildungspolitiker Pichard. Eine gerechte Welt sei schon immer ein hehres Ziel gewesen, bei dem sich wirtschaftliche und andere Interessen gegenüberstehen würden. «Es gibt den Trend, dass die Politik diese Konflikte an die Schulen delegiert», sagt Pichard. «Die Schulen werden zunehmend ideologisch durchtränkt.»

Auch die Sprache des neuen Lehrplans wird kritisiert. Da ist die Rede von Interdisziplinarität und Transdisziplinarität, von transversalem Unterricht und transversalen Kompetenzen, von transversalem Einbezug der Digitalität, von curricularen Primär- und Sekundärstrukturen. Oder konkret: «Fachlicher und überfachlicher Kompetenzerwerb aus einer transversalen Sicht erfolgt dann, wenn didaktisch domänenspezifisches und  -übergreifendes Wissen zum Erkennen von Zusammenhängen und zur Lösung von fachlichen wie gesellschaftlichen Problemen in relevanten Funktionsbereichen angewendet wird.»

«Fachchinesisch» nennt es Andreotti. «Neusprech aus den pädagogischen Mode-Laboratorien», sagt Pichard dazu.

Für die Umsetzung des Rahmenlehrplans, der im August in Kraft tritt, sind nun die Kantone zuständig. Das Regelwerk gilt für alle Gymnasien in der Schweiz.

[Quelle: Condorcet-Blog]

 

 

14.02.2024

Stiefmütterliche Geografie?

Das Fach Geografie fristet in der Baselbieter Sekundarschule ein inzwischen verkümmertes Rest-Dasein. Seit der Einführung des Lehrplans Volkschule Baselland, dem viel Gutes zuzuschreiben ist, wurde das Fach Geografie abgewertet. Im zweiten Sekundarschuljahr fehlt es gänzlich in der Stundentafel. Weshalb ist das so und was wäre zu tun? Der folgende Artikel versucht einzuordnen.

Reformgeschenk

Nach der Annahme der Harmos-Abstimmungsvorlage durch das Baselbieter Stimmvolk am 26. September 2010 und dem damit erfolgten Beitritt zum gesamtschweizerisch geplanten Harmos-Konkordat wurde auch im Baselbiet der Lehrplan 21, der pädagogische «Heulader» der Harmos-Reform, zur verbindlichen Planungsvorgabe in Sachen Unterricht an der Volksschule. Allerdings war es den Harmos-Kantonen bis zu einem gewissen Grad freigestellt, kantonale Lehrplan 21-Versionen zu schaffen, solange die Grundlagen des Lehrplan 21 nicht tangiert würden. Dies hat der Kanton Baselland mit der Einführung des Lehrplans Volksschule Baselland auch für die Sekundarschulen ab dem Schuljahr 2018/2019 für sich in Anspruch genommen. Dank Initiativ-Interventionen der Starken Schule beider Basel (SSbB) und der tatkräftigen Unterstützung seitens des LehrerInnenvereins Baselland (lvb) kamen auch die geleitete Lehrmittelfreiheit, die verpflichtende Ausweisung von einzelnen Fächern (und nicht ganzen Fachbereichen) und der Beschrieb von Lehrplaninhalten für die einzelnen Fächer (und nicht nur die mitunter diffusen Formulierungen von sogenannten Kompetenzen) zum Tragen und bilden heute einen wichtigen Teil des Fundaments dieses Baselbieter Sonderweges.

Das Fach Geografie als Verlierer

Nicht alle gewinnen! Aufgrund des durch die Konzeption des neuen Lehrplans entstandenen Verteilkampfes mussten sich die beiden Fächer Geschichte und Geografie auf der Sekundarstufe 1 zehn Jahreslektionen teilen. Ursprünglich waren diese Lektionen vorgesehen für den Fachbereich NMG (Natur, Mensch, Gesellschaft), den es aber so auf der Sekundarstufe 1 nicht geben sollte. Auch aufgrund von Einzelinterventionen politischer Exponenten kam es dann zur Aufteilung 6 zu 4 – will heissen, das Fach Geschichte erhielt insgesamt 6 Jahreslektionen, verteilt auf drei Sekundarschuljahre – sprich zwei Wochenlektionen pro Jahr. Geografie musste sich mit 4 Jahreslektionen begnügen, was dazu führte, dass das Fach Geografie im zweiten Sekundarschuljahr gar nicht erteilt wird, da die Dreijahresaufteilung der vier Lektionen lautet: 2 – 0 – 2.

Ist Geografie weniger wichtig?

Geschichte und Geografie sind m. E. beides wichtige Realienfächer. Das Eine gegen das Andere gegeneinander auszuspielen, ist lächerlich. Insofern verstehe ich nicht, weshalb man sich nicht für eine paritätische Aufteilung 5 zu 5 anstatt 6 zu 4 entschieden hat. Die Lektionenaufteilung über die drei Schuljahre hätte dann für beide Fächer z. B. geheissen 2 – 1 – 2 oder 1 – 2 – 2 oder 2 – 2 – 1.

Doch tatsächlich war ein Argument, dass Geografie weniger wichtig wäre als Geschichte, jenes, dass mit GPS heute detaillierte Kenntnisse in der Kartenlehre bzw. Topografie gar nicht mehr nötig seien. Darf man lachen oder soll man weinen?

Geografie ist eigentlich ein Fachkomplex und damit weit mehr als lediglich vermittelte Topografie. Dieser Fachkomplex unterteilt sich grob in physische Geografie und Human-Geografie. Die physische Geografie umfasst nebst der erwähnten Kartenlehre inklusive der Topografie und der vermittelten Fähigkeit, sich im Gelände orientieren zu können, auch Bereiche wie Geologie, Klimatologie und Meteorologie. Der Humangeografie zugeordnet ist z. B. die Wirtschaftsgeografie, die Geografie der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung und Staatskunde. Das alles in insgesamt vier Jahreslektionen einigermassen fundiert unterbringen zu können (mit einem noch hinzunehmenden Jahresunterbruch) ist eigentlich unmöglich, ohne nicht essenzielle Abstriche zu machen.

Dazu schafft das Fach Geografie viele Querverbindungen zu anderen Fächern, wie z. B. Geschichte, Mathematik, Physik, Chemie und Biologie oder auch Sprachen – Stichwort «vernetztes Lernen»…

Was ist denn wichtig?

Nun ja – Abstriche machen müssen alle, hört man. Richtig – auch andere Fachbereiche wie Physik, Chemie und Biologie mussten inhaltliche Abstriche hinnehmen. Als ehemaliger Sekundarlehrer, der nebst Mathematik und Musik all diese Fächer jahrelang unterrichtet hat, frage ich mich manchmal: Wozu das Ganze?

Stoffinhalte und Prüfungen wie in den Neunzigerjahren waren gegen Ende meiner aktiven Unterrichtszeit nicht mehr möglich z. T. nicht einmal mehr ansatzweise. Ist das ein Fortschritt? Ist es im Sinn der Sache, wenn sich abnehmende Lehrbetriebe und weiterführende Schulen zunehmend über das stoffliche Niveau von Schulabgängerinnen und -abgängern beklagen? Wollen wir amerikanische Zustände, durch die z. B. «Schweiz» und «Schweden» nicht mehr auseinandergehalten werden können?

Wie wichtig Kartenkenntnisse sein können, zeigt das Beispiel eines Privatpiloten, der nach einem Stromausfall im Cockpit u. a. die GPS-Anzeige verlor und es kaum schaffte, sich anhand von zwingend im Cockpit vorhandenen Karten und dem Kompass und der Sicht auf das Gelände zu orientieren und schlussendlich einen schrecklichen Unfall erlitt.

Gerade die beiden Fächer Geografie und Geschichte haben wesentliche Berührungspunkte. So z. B. in der Unterrichtssequenz «Entdeckungen». Wie wäre es mit einer Zusammenarbeit in beiden Fächern anstatt der gegenseitigen Konkurrenzierung? Zusammenarbeit, nicht tölpelhafte Zusammenlegung. Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, aber die Badewanne behutsam füllen, so dass das Kind keine Panik bekommt.

Flache Erde?

Die Vorstellung einer flachen Erde ist nicht neu. Doch in den USA sind gemäss einer 2018 durch-geführten repräsentativen Umfrage 17% der Befragten nicht überzeugt von der Kugelgestalt unseres Planeten. Inzwischen sind es wahrscheinlich noch mehr. Was früher die Idee von einigen Exoten war, wird zunehmend zum Massenphänomen. Das hat natürlich nicht nur mit Unterrichtsabbau zu tun. Das Hinterfragen jeglichen Wissens ist leider eine unheilvolle Zeiterscheinung, die aber auch mit gewissen Entwicklungen in der Wissenschaft einhergeht.

Nichtsdestotrotz kann es nicht sein, dass ein Realienfach wie Geografie stiefmütterlich behandelt wird und im Fächerkanon der Volksschule einen eher unbedeutenden Platz zugewiesen bekommt.

Daniel Vuilliomenet
ehemaliger Sekundarlehrer

 

 

13.02.2024

Digitalisierung bringt böse Überraschungen

Die Ende 2023 veröffentlichte PISA-Studie zeigt einen deutlichen Abwärtstrend der schulischen Leistung der Schüler*innen in der Schweiz. Insbesondere in den Fächern Deutsch und Mathematik nahm die Leistungen der 15-Jährigen Schulabgänger*innen im Vergleich zur letzten Studie im Jahr 2018 stark ab.

Doch woher kommt dieser Abwärtstrend? Im Jahr 2000 besetzte Finnland in der ersten globalen Bildungsstudie den ersten Platz. Dies führte die Fachwelt irrtümlich auf die stark digital geprägte Bildungsstrategie, die neuen Lernmethoden mit dem «selbstorganisierten Lernen» und der schrittweisen Abkehr des Lehrer*innen zentrierten Unterrichts zurück. Das neue finnische Bildungssystems wurde ab Mitte der 1990er Jahre aufsteigend eingeführt.

Je stärker die Digitalisierung, desto tiefer das Bildungsniveau

Das Erfolgsrezept in Finnland schien die Digitalisierung zu sein. Die mitteleuropäischen Länder, wie beispielsweise die Schweiz und Deutschland, nutzten diese vermeintliche Erkenntnis als Vorbild für ihre Zukunftsplanung. Heute ist jedoch bekannt, dass die ausgezeichneten finnischen Resultate bei der ersten PISA-Studie nicht mit dem kurz vorher eingeführten neuen Bildungssystem begründet werden kann. Zu diesem Zeitpunkt war der Effekt der Digitalisierung in den skandinavischen Schulzimmern gar noch nicht spürbar.

Laut Erfahrungsberichten lernten die Kinder im Jahr 2000 noch weitgehend analog und das selbstorganisierte Lernen war erst im Anfangsstadium eingeführt. Im Laufe der folgenden Jahre nahm die Leistung der Kinder denn auch stetig ab: Je stärker die Digitalisierung und die neuen Lernmethoden die skandinavischen Klassenzimmer erreichte, desto tiefer sank das Bildungsniveau.

Digitalisierung und seine Schattenseiten

Studien aus Deutschland belegen, dass die feinmotorischen Fähigkeiten bei Kindern, welche schon früh viel Kontakt mit digitalen Geräten hatten, enorm abnehmen. Auch das Lesen am Bildschirm ist nicht gleich effektiv wie das Lesen einer Buchseite. Zudem besitzen Computer und I-Pads ein grosses Ablenkungspotential. Auch auf die Psyche hat die Digitalisierung eine Auswirkung. Durch die permanente Informationsüberflutung ergeben sich Stress und Konzentrationsschwierigkeiten. Die Schüler*innen werden zudem abgestumpft, was im schlimmsten Fall zu Depressionen führen kann. Ausserdem führt die Digitalisierung zu einem verminderten Kontakt zwischen den Kindern, wodurch die sozialen Fähigkeiten ebenfalls abnehmen.

Schweden, Finnland und die Niederlande ziehen die Notbremse

Aus diesen neuen Erkenntnissen begann Schweden bereits im vergangenen Jahr, die Computer wieder aus den Klassenzimmer der ersten sechs Schuljahre zu verbannen; im Herbst zog Finnland nach. Und auch die Niederlande lässt wieder alle digitalen Geräte aus den Primarschulen verschwinden.

In der Schweiz beginnen erst die Diskussionen, ob das Ausmass der Digitalisierung nicht zu weit geht: Vieles spricht gegen einen permanenten Einsatz der digitalen Geräte auf Primar- und Sekundarstufe 1. Die Kritik aus Bildungskreisen und der Politik wird immer lauter. Auch die kürzlich durchgeführte Umfrage der SSbB, an welcher über 500 Lehrpersonen teilgenommen haben, zeigt deutlich: Die ausufernde Digitalisierung ist eine der Hauptursache des stetigen Leistungsabbaus unserer Schüler*innen.

Lena Heitz
Vorstand Starke Schule beider Basel

 

12.02.2024 - Gastbeitrag

Besserer Unterricht mit Lerncoachs statt Lehrern?

Nach den ungenügenden PISA-Resultaten ist vielerorts Ernüchterung über den eingeschlagenen Reformweg eingetreten. Doch dies gilt offenbar nicht für einige führende Bildungsexperten, die Klassenlehrer lieber durch begleitende Lerncoachs und massgeschneiderte digitale Lernprogramme ersetzen möchten. Ganz anders hingegen wird die Lehrerrolle in einem Bieler Schulteam interpretiert, wo mit kreativem Unterricht die Leseförderung gelingt.

In einem fünfseitigen Interview im Magazin des Tages-Anzeigers entwirft eine ehemaligen Institutsleiterin der Pädagogischen Hochschule Zürich ein Zukunftsmodell der Volksschule. Es sind kühne Vorstellungen, welche da skizziert werden. So fordert die Bildungsexpertin, dass die bisherige Klassenlehrerfunktion abzuschaffen sei und jeweils ein Team von vier Lehrpersonen eines Stockwerks die gemeinsame Verantwortung für gut sechzig Kinder tragen soll. Die Schüler seien individuell durch einfühlsame Coachs zu begleiten, denen eine zentrale Rolle als Bezugspersonen in den Lernprozessen zukomme.

In keinem Teil des Interviews ist die Rede davon, dass jede Lehrperson in der eigenen Klasse die Schüler gemeinsam unterrichtet und Bildungsinhalte direkt vermittelt. Das Zukunftsbild einer Lehrerin bleibt erstaunlich farblos. Welchen Stellenwert hat die Kunst des Erzählens, die Kompetenz der anschaulichen Instruktion oder das konsequente Ermutigen im Sprachtraining? All das scheint zweitrangig zu sein.

Das ganze Ideengebäude geht von einer psychologisch schiefen Annahme aus. Es ist die Vorstellung, die allermeisten Kinder seien im Grunde genommen nicht auf Autoritäten angewiesen, die ihnen als Vorbilder und Fachleute den Weg zu umfassender Bildung zeigen.

Klassenführung als grosse Herausforderung für die Lehrerbildung

Im Tagi-Interview wird die Frage, welche Bedeutung die Autorität einer Lehrperson für die Kinder hat, völlig ausgeklammert. Dabei ist offensichtlich, dass eine als lebendiges Vorbild wirkende Lehrerin viel zu einer gesunden Entwicklung der Kinder beiträgt. Schülerinnen und Schüler wollen keine unscheinbaren Lehrpersonen, die sich schwertun mit der Klassenführung. Wenn ein Lehrer den Unterricht vorwiegend über seinen Computer steuert und den lebendigen Dialog mit der Klasse scheut, fehlt das wesentliche Element einer unmittelbaren pädagogischen Präsenz. Die Auffassung, dass man mit individualisierten digitalen Bildungsprogrammen weitgehend auf gemeinsames Lernen verzichten könne, ist ein fundamentaler Irrtum. Die Erfahrung zeigt, dass die Dynamik eines offenen Gedankenaustauschs im Klassenrahmen stärker zum Lernen anregt und den sozialen Zusammenhalt fördert.   

Leider ist die Kunst der Klassenführung in den letzten Jahren in der Lehrerbildung arg vernachlässigt worden. Das rächt sich nun gewaltig. Spätestens nach den lauter werdenden Hilferufen aus schwer führbaren Klassen hätte ein Umdenken erfolgen müssen. Doch davon ist bisher wenig zu spüren. Dringend nötig ist deshalb eine gezielte Schulung der Leadership-Aufgabe in der Lehrerbildung. Die Forderung ist sehr berechtigt. Wie Umfragen unter den Studienabgängern zeigen, wird die mangelnde Vorbereitung auf die Klassenführung als grösstes Manko in den Ausbildungskonzepten der Pädagogischen Hochschulen bezeichnet.

Attraktive Leseförderung mit verbindlichen Lernzielen

Auch bei der von allen Seiten geforderten besseren Leseförderung spielt die Vorbildfunktion und das Engagement der Lehrpersonen eine zentrale Rolle. Die Frage wie bei Jugendlichen die Freude am Lesen und an der Sprache geweckt werden kann, ist kürzlich im Condorcet- Bildungsblog in einem bemerkenswerten Interview aufgegriffen worden. Die Schulleiterin eines kreativen Bieler Schulteams gibt dabei Einblicke in ein nachahmenswertes Projekt. Lehrerinnen und Lehrer haben sich verpflichtet, sich unter Beizug von Fachleuten in die Jugendliteratur zu vertiefen und mit ihren Klassen spannende Texte zu lesen. Dabei kommt die ganze Klaviatur der Deutschförderung zum Zug. Die behandelten Geschichten werden in Klassengesprächen besprochen und in Diskussionen ausgeleuchtet. Darüber hinaus haben die Jugendlichen wöchentliche Zusammenfassungen und Berichte über das Gelesene zu schreiben. Die Schüler erhalten nach kürzester Zeit die korrigierten Texte zurück und schreiben sie ins Reine.

Diese aufwändige Arbeit ist nur möglich, weil sich die zusätzlich am Projekt mitwirkenden Lehrpersonen an den Korrekturarbeiten beteiligen. Neben dieser Knochenarbeit unternimmt das Team sehr viel, um das Lesen als spannendes Abenteuer darzustellen und die Schüler fürs Lesen zu begeistern. Das Interview ist eine Fundgrube für Schulen, welche die Leseförderung attraktiv gestalten möchten.

Überschätzte Wirkung der schulischen Digitalisierung 

Wenn gut mit der Schulpraxis verbundene Bildungsfachleute vor übertriebenen Erwartungen bei der Digitalisierung der Volksschule warnen, haben sie meist einen schweren Stand. Ihre desillusionierende Aufklärungsarbeit löst Verärgerung aus, denn die Versprechungen der Softwareanbieter sind äusserst verlockend. Digitale Bildungsprogramme scheinen genau das Richtige zu sein, um den Anspruch eines Lernens in individuellem Tempo erfüllen zu können. Nicht wenige Lehrpersonen erhoffen sich von einer weitgehenden Digitalisierung eine wesentliche Entlastung im Unterricht mit heterogenen Klassen.

Doch der Trend zur umfassenden Digitalisierung der Schulen hat einen empfindlichen Dämpfer erhalten. Untersuchungen an schwedischen Schulen durch die renommierte Stockholmer Universität haben ergeben, dass Primarschulen mit einem hohen digitalen Ausbaustandard in wesentlichen Bildungsbereichen eher schlechter abschneiden. Die Schüler haben Mühe mit dem Lesen an Bildschirmen und das Ablenkungspotenzial der digitalen Geräte ist enorm. Es erstaunt daher nicht, dass die digitalen Pionierländer Schweden und Finnland im Unterricht wieder Bücher statt Laptops verwenden wollen und die Wirksamkeit des digitalen Lernens sehr viel kritischer sehen. Auch eine primäre Rolle der Lehrpersonen als begleitende Lerncoachs wird infrage gestellt. Diese Aussagen lassen aufhorchen, denn sie stehen in direktem Widerspruch zu einigen modernen didaktischen Strömungen. Für alle Lehrerinnen und Lehrer aber, die mit Freude und Leidenschaft in ihrer Klasse unterrichten, ist diese Botschaft aus dem Norden eine wunderbare Unterstützung ihrer pädagogischen Grundhaltung.

Hanspeter Amstutz
Ehemaliger Bildungsrat und Sekundarlehrer, Fehraltorf ZH

 

11.02.2024

Geografie an den Sekundarschulen stärken

Das Fach Geografie wird auf der Sekundarstufe 1 nur im ersten und dritten Jahr mit zwei Wochenlektionen unterrichtet. Gegenüber früher bedeutet dies ein Abbau von einem Drittel der Unterrichtszeit. Dagegen erhebt sich im Kanton Basel-Landschaft nun politischer Widerstand.

Geografie umfasst viele wichtige Themen, wie zum Beispiel Klima, Energie, Verkehr, Tourismus, Versorgungssicherheit und Naturgefahren, die für eine gute und nachhaltige Schulbildung essentiell sind. Eine oberflächliche Behandlung dieser Themen trägt wenig zu einem verantwortungsvollen Handeln bei. Die Schüler/-innen können sich in diesem Fach viele Überlegungen aus einer eigenen Lebenswelt machen, um so auch die aktuelle Klimasituation besser zu verstehen.

Geografiebuecher

Bis vor einigen Jahren hatten die Schüler/-innen in allen Sekundarschuljahren zwei Lektionen Geografie. Der Unterrichtsstoff, der aufgrund des Abbaus im Rahmen des Geografieunterrichtes nicht mehr behandelt werden kann, wurde teilweise in anderen Fächern oberflächlich integriert, wie beispielsweise im Fach Hauswirtschaft.

Politischer Vorstoss ein Überdenken der Anzahl Geografielektionen

Landrat Roman Brunner (SP) verlangt in einem politischen Vorstoss den durchgehenden Unterricht von Geografie auf der Sekundarstufe 1, also ebenfalls im 2-ten Sekundarschuljahr. Die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion wird in den kommenden Wochen zum Anliegen Stellung beziehen.

Der in Geografie erfolgte Lektionenabbau führt zu einer gewissen Bildungslücke in wichtigen Themen, die künftig eine immer grössere Rolle spielen werden. Die Starke Schule beider Basel befürwortet die Erhöhung auf insgesamt 6 Jahreslektionen.

Schüler/-innen wünschen sich kaum mehr Lektionen

Viele Schülerin werden wohl kaum ein Interesse haben, zwei Lektionen mehr die Schulbank zu drücken. Zudem würden diese Lektionen dem Kanton einen Millionenbetrag kosten. Eine viel diskutierte Variante wäre ein Abbau des Fachs Hauswirtschaft, um so den Geografieunterricht im zweiten Jahr wieder möglich zu machen.

Charlotte Höhmann
Sekretariat Starke Schule beider Basel
 
 

01.02.2024

Schulleitungen sollen entlastet werden

Nicht nur im Alltag der Lehrpersonen steigen die Anforderungen, auch die Schulleitungen haben immer komplexere Aufgabenbereiche zu bewältigen. Politik und Behörden haben das Problem erkannt. Die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) ist an der Umsetzung von Entlastungsmassnahmen.

Im Postulat «Schulleitungen entlasten – Schulsekretariate mehr einbeziehen», welches 2022 eingereicht wurde, spricht Landrat Sven Inäbnit (FDP) die zunehmend wachsenden Aufgaben der Schulleitungen an den Sekundarschulen an. Er betont, dass sowohl die Führungsaufgaben als auch die Interaktion mit Eltern und Behörden anspruchsvoller und umfangreicher werden. Dies führt in gewissen Fällen dazu, dass die Lehrpersonen zusätzliche administrative Aufgaben übernehmen müssen oder die Schulleitungspensen aufgestockt werden. Angesichts dieser Entwicklung wird vorgeschlagen, die Schulsekretariate mit mehr Kompetenzen respektive höheren Pensen zu stärken, um die Schulleitungen zu entlasten und die Lehrpersonen von zusätzlichen Belastungen fernzuhalten, damit diese sich auf ihre Hauptaufgabe, das Unterrichten, konzentrieren können.

Erste Entlastungsmassnahmen sind bereits in Kraft

Die im Postulat angesprochene Problematik ist der Baselbieter Bildungspolitik nicht neu. Auf das Schuljahr 2022/23 wurden deshalb im Rahmen einer Überprüfung der Aufgaben die Schulleitungsressourcen der Sekundarstufen 1 erhöht, nachdem den Schulleitungen der Primarschulen bereits auf das Schuljahr 2021/22 zusätzlichen Entlastungslektionen zugesprochen wurden. In einem weiteren Schritt gab es eine Überprüfung der Sekretariatsaufgaben und infolgedessen wurden auch diese Ressourcen erhöht, mit Wirkungsbeginn ab Schuljahr 2023/24.

Zukünftig soll die tatsächlich benötigte Leistungszeit der Schulleitungen sowie der Sekretariate alle vier Jahre vom Amt für Volksschulen (AVS) überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Im vergangenen Herbst 2023 wurde zudem von der PH FHNW eine qualitative Erhebung zur Arbeitssituation der Schulleitungen der Sekundarstufen 1 und 2 durchgeführt. Diese Studie wird als Grundlage für die Überprüfung durch das AVS dienen.

Aufgabenbereiche der Schulsekretariate werden erweitert

Als dritter Punkt wurde das Pflichtenheft respektive die Funktion der Sekretariatsmitarbeitenden überprüft und den aktuellen Anforderungen entsprechend angepasst. Weiter besteht bei speziellem Bedarf die Möglichkeit, Schulleitungszeit in Sekretariatsarbeit umzuwandeln und umgekehrt. So können schulstandortspezifische Delegationen von Aufgaben respektive die Stärkung der Sekretariatskompetenzen ermöglicht werden.

Nachdem der Regierungsrat die Forderungen des Postulates als bereits erfüllt angesehen hatte, befand auch die Bildungs-, Kultur- und Sportkommission (BKSK) darüber, mit demselben Ergebnis. Voraussichtlich wird der Landrat in der übernächsten Sitzung final darüber entscheiden, ob die Regierung die Forderungen erfüllt hat oder nicht.

Alina Isler
Vorstand Starke Schule beider Basel

 

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